DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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KAPITEL XVIII
Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt

• Gleichnis des Hochzeitsfestes • Das enge Tor • Nicht alle, die sagen: „Herr! Herr!“, kommen ins Himmelreich • Man wird viel verlangen von dem, dem viel gegeben wurde • Unterweisungen der geistigen Welt: Wer hat, dem wird gegeben werden; Man erkennt den Christen an seinen Werken.

Gleichnis des Hochzeitsfestes

1. Und Jesus sprach wieder zu ihnen in Gleichnissen und sagte: Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeitsfeier ausrichtet. Er sandte seine Knechte aus, um die Geladenen zur Hochzeit zu rufen, aber sie weigerten sich zu kommen. – Wiederum sandte er andere Knechte aus mit dem Auftrag, in seinem Namen den Geladenen zu sagen: Ich habe die Festmahlzeit zubereitet; meine Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet; alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! – Sie jedoch achteten gar nicht darauf, sondern gingen hinweg, der eine auf seinen Acker, der andere zu seinen Geschäften. – Andere ergriffen seine Knechte und töteten sie, nachdem sie sie mehrfach misshandelt hatten. – Als der König dies hörte, wurde er zornig und sandte seine Heere aus, ließ jene Mörder umbringen und ihre Stadt niederbrennen.

Dann sagte er zu seinen Knechten: Das Hochzeitsfest ist zwar bereit, aber diejenigen, die geladen wurden, waren dessen nicht würdig. – Geht daher an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle zur Hochzeit ein, alle die ihr findet! Seine Knechte gingen hinaus auf die Straßen und brachten alle mit, die sie fanden, Gute und Böse, und der Hochzeitssaal füllte sich mit Menschen, die sich zu Tisch setzten.

Der König ging hinein, um die Gäste, die am Tisch saßen, zu sehen, und als er dort einen Mann sah, der kein Hochzeitskleid trug, sagte er zu ihm: Mein Freund, wie bist du hier hereingekommen ohne ein Hochzeitskleid? Dieser Mann antwortete ihm aber nicht. – Da sprach der König zu seinen Dienern: „Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die Finsternis, dort wird Heulen und Zähneknirschen sein; denn viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.“ (Matthäus, Kap. XXII, 1-14)

2. Der Ungläubige lacht über dieses Gleichnis, das ihm wie kindliche Naivität vorkommt, denn er kann nicht verstehen, dass man so viele Schwierigkeiten machen kann, um an einem Festmahl teilzunehmen, und noch weniger, dass die Geladenen mit ihrem Widerstand soweit gehen, dass sie sogar die Gesandten des Hausherrn niedermetzeln. „Die Gleichnisse“, sagte der Ungläubige, „sind ohne Zweifel Allegorien“, trotzdem dürfen sie nicht die Grenzen der Glaubwürdigkeit überschreiten.
Man kann das Gleiche sagen von allen Allegorien und von findigen Fabeln, wenn man sie nicht von ihren Hüllen befreit, um den verborgenen Sinn zu finden. Jesus schöpfte seine Gleichnisse aus den Bräuchen des alltäglichen Lebens und passte sie an die Lebensgewohnheiten und den Charakter des Volkes an, zu dem Er sprach. Die meisten von ihnen hatten das Ziel, der Volksmenge die Vorstellung des geistigen Lebens nahe zu bringen. Der Sinn scheint oft unverständlich, weil man nicht von diesem Gesichtspunkt ausgeht.

In diesem Gleichnis vergleicht Jesus das Himmelreich, in dem überall Glück und Frieden herrscht, mit einem Hochzeitsmahl. Wenn Er von den ersten Geladenen spricht, bezieht Er sich auf die Hebräer, die Gott als erste zur Kenntnis seines Gesetzes gerufen hat. Die vom König gesandten Boten sind die Propheten, die die Hebräer ermahnten, dem Weg des wahren Glücks zu folgen. Ihre Worte wurden jedoch wenig gehört; ihre Warnungen wurden verachtet; viele wurden wirklich niedergemetzelt wie die Diener im Gleichnis. Die Geladenen, die sich unter dem Vorwand entschuldigten, dass sie ihre Felder bearbeiten und auf ihre Geschäfte achten müssten, symbolisieren die Menschen der Erde, denen, absorbiert von den irdischen Dingen, die himmlischen Dinge gleichgültig sind.

Die Juden der damaligen Zeit glaubten, dass ihre Nation die Oberherrschaft über alle anderen Nationen bekommen sollte. Denn hatte Gott nicht dem Abraham versprochen, dass seine Nachkommenschaft die ganze Erde bedecken wird? Aber, indem sie die Form für den Inhalt hielten, glaubten sie an eine wirkliche und materielle Herrschaft.

Bevor Christus kam, waren alle Völker, mit Ausnahme der Hebräer, Götzendiener und Polytheisten (Vielgötterei). Wenn einige, dem gemeinen Volk überlegenen Menschen, erkannt hatten, dass es nur einen einzigen Gott gab, blieb dies deren persönliche Lehre, die aber nirgends als eine grundlegende Wahrheit akzeptiert wurde; außer von einigen Eingeweihten, die ihre Kenntnisse unter einem geheimnisvollen Schleier versteckten, undurchschaubar für die Masse. Die Hebräer waren die ersten, die den Monotheismus öffentlich ausübten; ihnen hat Gott SEIN Gesetz übermittelt; zuerst durch Moses, danach durch Jesus. Aus dieser winzigen Quelle kam das Licht hervor, das sich über die ganze Welt ausbreiten, über das Heidentum triumphieren, und Abraham eine geistige Nachkommenschaft so zahlreich wie die Sterne am Himmel geben sollte. Aber die Juden, die den Götzendienst ablehnten, hatten das moralische Gesetz vernachlässigt und sich der weniger anspruchsvollen Ausübung des äußerlichen Kults zugewandt. Das Böse hatte den Gipfel erreicht. Die unterdrückte Nation wurde in verschiedene Gruppen zerrissen, durch Sekten aufgeteilt. Selbst die Ungläubigkeit war bereits in das Sanktuarium eingedrungen. Zu diesem Zeitpunkt erschien Jesus, gesandt, um sie zur Befolgung des Gesetzes zurückzurufen und ihnen neue Horizonte des zukünftigen Lebens zu eröffnen. Als erste zum Festmahl des universellen Glaubens eingeladen, wiesen sie die Worte des himmlischen Messias ab und töteten Ihn. Damit verloren sie die Frucht, die sie mit ihrer Initiative ernten sollten.

Es wäre jedoch ungerecht, das ganze Volk für dieses Ereignis zu verurteilen. Die Verantwortung lag hauptsächlich bei den Pharisäern und bei den Sadduzäern, die die Nation zugrunde gerichtet hatten, aufgrund des Stolzes und Fanatismus der einen und aufgrund der Ungläubigkeit der andern. Sie sind es vor allem, die Jesus mit den Geladenen vergleicht, die es ablehnten, dem Hochzeitsmahl beizuwohnen. Danach fügte Er hinzu: „Als der Herr das sah, befahl er, dass sie alle, die sie an den Straßenkreuzungen antreffen, Gute und Böse, einladen sollten“. Er wollte damit zu verstehen geben, dass das Wort allen Völkern gepredigt würde: Heiden und Götzendienern, und dass jene, die die Einladung annähmen, beim Hochzeitsmahl zugelassen würden, anstelle der Erstgeladenen.

Aber es genügt nicht, eingeladen zu sein; es genügt nicht, sich Christ zu nennen, auch nicht, sich an den Tisch des himmlischen Festmahls zu setzen. Vor allem ist es eine notwendige und unerlässliche Voraussetzung, das Hochzeitskleid anzulegen, das heißt, ein reines Herz zu haben und das Gesetz im Sinne des Geistes zu praktizieren. Dieses Gesetz ist also in diesen Worten enthalten: Außerhalb der Nächstenliebe gibt es kein Heil. Aber unter all denen, die das göttliche Wort hören, wie wenige sind es, die es bewahren und in die Tat umsetzen! Wie wenige sind würdig, in das Himmelsreich einzutreten! Deshalb sagte Jesus: „Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt“.

Das enge Tor

3. Geht ein durch das enge Tor, denn das Tor des Verderbens ist breit und weit der Weg, der dorthin führt und viele sind es, die durch ihn hineingehen. – Aber wie eng ist das Tor des Lebens! Wie schmal ist der Weg, der zu ihm hinführt, und wie wenige sind es, die ihn finden. (Matthäus, Kap. VII, 13-14)

4. Irgendjemand fragte Ihn: „Herr, gibt es welche, die gerettet werden?“ Da antwortete Er ihnen: „Bemüht euch, durch das enge Tor hineinzugehen, denn ich versichere euch, viele werden versuchen hineinzugehen, schaffen es aber nicht. – Denn, wenn der Hausherr hineingegangen ist und das Tor verschlossen hat, und ihr, die ihr noch draußen seid, anfangt, an das Tor zu klopfen und ruft: ‚Herr mach uns auf!‘ Dann wird er euch antworten: ‚Ich weiß nicht, woher ihr seid.‘ – Ihr werdet dann beginnen mit: ‚Wir haben in deiner Gegenwart gegessen und getrunken, und auf unseren öffentlichen Plätzen hast du uns unterrichtet.‘ – Und er wird euch entgegnen: ‚Ich weiß nicht, woher ihr seid; weicht von mir, ihr alle, die ihr Ungerechtigkeiten begeht.‘

Und ihr werdet dann heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr Abraham, Isaak, Jakob und alle Propheten im Reiche Gottes seht, während ihr hinausgestoßen werdet. – Aus Ost und West, Nord und Süd werden diejenigen kommen, die im Reiche Gottes einen Platz beim Festmahl erhalten haben. – Und es werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ (Lukas, Kap. XIII, 23-30)

5. Breit ist das Tor des Verderbens, weil die niederen Leidenschaften zahlreich sind, und weil der Weg des Bösen von der Mehrheit benutzt wird. Schmal jedoch ist das Tor des Heils, weil der Mensch, der ihn durchschreiten will, sich anstrengen muss, seine niederen Neigungen zu überwinden, und wie wenige können sich damit abfinden. Dies ist eine Ergänzung zur Maxime: Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.

Das ist der aktuelle Zustand der irdischen Menschheit, dadurch, dass die Erde eine Welt der Sühne ist, herrscht hier das Böse vor. Wenn sie umgewandelt sein wird, dann wird vorwiegend der Weg des Guten benutzt werden. Diese Worte müssen sinngemäß verstanden werden und nicht wörtlich. Würde derart der Normalzustand der Menschheit sein, hätte Gott willentlich die Mehrheit seiner Geschöpfe zum Verderben verurteilt. Eine unzulässige Annahme, wenn man erkennt, dass Gott die vollkommene Gerechtigkeit und Güte ist.

Aber welcher Missetaten müsste sich die Menschheit schuldig gemacht haben, um in der Gegenwart, wie auch in der Zukunft so ein trauriges Schicksal zu verdienen, indem die gesamte Menschheit auf die Erde verbannt wäre und wenn die Seele keine anderen Existenzen gehabt hätte? Warum werden so viele Hindernisse auf ihren Weg gestreut? Warum ist dieses Tor so schmal, dass es nur den wenigstwen gegeben ist, durchzuschreiten, wenn das Schicksal der Seele nach dem Tod schon für alle Zeiten festgelegt ist? Daher ist man mit einer einmaligen Existenz immer im Widerspruch mit sich selbst und mit der Gerechtigkeit Gottes. Mit der vorherigen Existenz der Seele und der Pluralität der Welten erweitert sich der Horizont; es erhellen sich die dunkelsten Punkte des Glaubens; Gegenwart und Zukunft werden mit der Vergangenheit solidarisch; und nur so kann man vollständig den tieferen Sinn, die ganze Wahrheit und Weisheit der Maxime von Christus verstehen.

Nicht alle, die sagen: „Herr! Herr!“,
kommen ins Himmelreich

6. „Diejenigen, die zu mir sagen: ‚Herr! Herr!‘, werden nicht alle ins Himmelreich einkehren, sondern nur derjenige, der den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist. – Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: ‚Herr! Herr!‘ haben wir nicht in deinem Namen prophezeit? und in deinem Namen Dämonen ausgetrieben? und in deinem Namen viele Wundertaten vollbracht? Daraufhin werde ich ihnen mit aller Klarheit antworten: ‚Weicht von mir, ihr, die ihr Werke der Ungerechtigkeit tut‘.“ (Matthäus, Kap. VII, 21-23)

7. Jeder, der meine Worte hört und sie in die Tat umsetzt, ist mit einem klugen Mann zu vergleichen, der sein Haus auf Felsen baute. –Als dann der Regen fiel, so dass die Flüsse über die Ufer traten, die Winde wehten und an jenem Haus rüttelten, fiel es nicht um, denn es war auf Felsen gegründet. – Aber derjenige, der meine Worte hört und sie nicht anwendet, ist mit einem törichten Mann zu vergleichen, der sein Haus auf Sand baute. Als dann der Regen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, stürzte es ein, und sein Schaden war groß. (Matthäus, Kap. VII, 24-27; Lukas, Kap. VI, 46-49)

8. Derjenige also, der eines dieser kleinsten Gebote übertritt und die Menschen lehrt, gleiches zu tun, der wird im Himmelreich an letzter Position geführt; aber derjenige, der sie ausübt und lehrt, der wird im Himmelreich als groß angesehen. (Matthäus, Kap. V, 19)

9. Alle, die sich zur Sendung Jesu bekennen, sagen: „Herr! Herr!“. – Aber was hilft es, Ihn Meister oder Herr zu nennen, wenn man Seine Gebote nicht befolgt? Kann man diejenigen als Christen bezeichnen, die Ihn durch ihre äußerlichen Zeichen der Frömmigkeit ehren, aber gleichzeitig den Egoismus, den Stolz, die Gier und alle übrigen Leidenschaften weiterhin pflegen? Sind diejenigen Seine Jünger, die ihre Tage betend verbringen, aber sich weder besser noch mildtätiger noch nachsichtiger ihren Nächsten gegenüber zeigen? Nein! weil sie wie die Pharisäer das Gebet auf den Lippen tragen, anstatt im Herzen. Auf diese Art und Weise können sie sich Achtung vor den Menschen verschaffen, jedoch nicht vor Gott. Und vergeblich werden sie zu Jesus sagen: „Herr! Haben wir nicht prophezeit, d.h. haben wir nicht in Deinem Namen gelehrt; haben wir nicht in Deinem Namen Dämonen ausgetrieben; haben wir nicht mit Dir gegessen und getrunken?“ Er wird antworten: „Ich kenne euch nicht; geht hinweg von mir, ihr, die ihr ungerecht handelt, die ihr mit euren Taten verleugnet, was ihr mit den Lippen sprecht, die ihr euren Nächsten verleumdet, die ihr die Witwen ausbeutet und Ehebruch begeht. Geht hinweg von mir, ihr, die ihr mit eurem Herzen Hass und Gift verbreitet, die ihr das Blut eurer Brüder in meinem Namen vergießt, die ihr Tränen fließen lasst, anstatt sie zu trocknen. Für euch wird es Heulen und Zähneknirschen geben, denn das Reich Gottes ist für die Sanftmütigen, Demütigen und Barmherzigen. Erwartet nicht, die Gerechtigkeit Gottes mit der Vielfältigkeit eurer Worte und euren Kniebeugen beugen zu können. Der einzige offene Weg für euch, um SEINE Gnade zu erlangen, ist der des aufrichtigen Ausübens des Gesetzes der Liebe und der Wohltätigkeit“.

Die Worte Jesu gelten ewig, weil sie die Wahrheit sind. Sie sind nicht nur der Schutz des himmlischen Lebens, sondern auch die Garantie des Friedens, der Ruhe und der Beständigkeit in den Dingen des irdischen Lebens. Deshalb werden alle menschlichen, politischen, sozialen und religiösen Institutionen, die sich auf diese Worte stützen, standfest sein, wie ein auf Felsen erbautes Haus. Die Menschen werden sich diese Institutionen bewahren, weil sie dort ihr Glück finden werden. Aber jene Institutionen, die diese Worte verletzt haben, werden wie ein auf Sand erbautes Haus sein; der Wind der Umwälzung und der Fluss des Fortschritts werden sie hinweg tragen.

Man wird viel verlangen von dem, dem viel gegeben wurde

10. Der Knecht, der den Willen seines Herrn kannte und sich trotzdem nicht bereit hielt und nicht tat, was sein Herr von ihm erwartete, wird derb gezüchtigt werden. – Der jedoch, der dessen Willen nicht kannte, aber etwas tat, was Strafe verdient, wird weniger bestraft. Man wird viel verlangen von dem, dem viel gegeben wurde, und von dem, dem man viel anvertraut hat, wird man umso mehr Rechenschaft abverlangen. (Lukas, Kap. XII, 47-48)

11. Ich bin auf diese Welt gekommen, um ein Urteil zu fällen, damit diejenigen, die nichts sehen sehend und die Sehenden blind werden. – Einige der Pharisäer, die bei Ihm waren, hörten dies und fragten Ihn: „Sind wir etwa auch blind?“ – Jesus gab ihnen zur Antwort: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Aber da ihr sagt, dass ihr seht, darum bleiben eure Sünden in euch.“ (Johannes, Kap. IX, 39-41)

12. Diese Maximen finden ihre Anwendung besonders in der Lehre der Geister. Wer auch immer die Vorschriften von Christus kennt, macht sich sicherlich schuldig, wenn er sie nicht anwendet. Das Evangelium aber, das sie beinhaltet, ist nur unter den christlichen Religionen verbreitet, und auch darunter gibt es viele Menschen, die es nicht lesen, und von denen, die es lesen, gibt es viele, die es nicht verstehen. Daraus folgt, dass die Worte Jesu für die Mehrheit der Menschen verloren sind.

Die Lehre der Geister, die diese Maximen unter verschiedenen Aspekten wiedergibt, sie weiter entwickelt und erläutert, um sie für alle verständlich zu machen, hat die Besonderheit: nicht begrenzt zu sein. Alle, gebildet oder ungebildet, gläubig oder ungläubig, christlich oder nicht, können sie empfangen, denn die Geister teilen sich überall mit. Keiner von denen, die sie empfangen, sei es direkt oder durch Vermittlung anderer, kann Unwissenheit vorgeben; er kann sich weder aus mangelnder Kenntnis noch wegen Unklarheit des allegorischen Sinnes entschuldigen. Derjenige also, der sie für seine Verbesserung nicht anwendet, der sie wie eine interessante und sonderbare Sache bewundert, ohne dass sein Herz berührt wird, der durch sie weder: weniger oberflächlich, weniger hochmütig, weniger egoistisch, weniger an materielles Hab und Gut gefesselt und nicht besser zu seinem Nächsten wird, ist umso schuldiger, weil er mehrere Möglichkeiten hat, die Wahrheit zu erkennen.

Die Medien, die gute Mitteilungen erhalten, sind noch mehr zu tadeln, wenn sie im Bösen verharren, weil sie oft ihre eigene Verurteilung schreiben, und wenn sie nicht durch ihren Hochmut verblendet wären, würden sie erkennen, dass die Geister sich an sie selbst wenden. Aber, anstatt die Belehrung für sich anzunehmen, die sie schreiben oder die sie geschrieben sehen, haben sie nur den einzigen Gedanken, sie auf andere anzuwenden. So verwirklichen sie die Worte Jesus: „Ihr seht den Splitter im Auge eures Bruders, aber nicht den Balken in euren eigenen Augen“.

Mit diesen anderen Worten: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde“, gibt Jesus zu verstehen, dass die Schuld im Verhältnis zum Wissen steht, das man besitzt. Daher waren die Pharisäer, die für sich beanspruchten, die Aufgeklärtesten in der Nation zu sein – und die es tatsächlich auch waren – vor den Augen Gottes tadelnswerter als die unwissenden Leute. Und so ist es auch heute.

Von den Spiritisten wird daher viel verlangt, weil sie viel bekommen haben; aber jenen, die sich diese Lehre zunutze gemacht haben, wird auch viel gegeben.

Der erste Gedanke eines jeden ehrlichen Spiritisten sollte sein, in den von den Geistern gegebenen Ratschlägen zu suchen, ob es irgendetwas darunter gibt, was ihn betrifft.

Der Spiritismus kommt, um die Zahl der Gerufenen zu vervielfältigen; durch den Glauben, den er vermittelt, wird er auch die Zahl der Auserwählten vervielfältigen.

Unterweisungen der geistigen Welt
Wer hat, dem wird gegeben werden

13. Und die Jünger näherten sich Ihm und sagten: „Warum redest du in Gleichnissen zu ihnen?“ – Er antwortete ihnen und sprach: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelsreiches zu erkennen, jenen aber nicht. Denn wer viel hat, der wird noch mehr erhalten, und er wird im Überfluss leben; wer nur wenig hat, dem wird dieses Wenige auch noch genommen werden. Deswegen spreche ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie als Sehende nichts wahrnehmen und als Hörende weder verstehen noch begreifen. An ihnen erfüllt sich die Weissagung des Jesaja, der sagte: ‚Ihr werdet mit euren Ohren hören und nichts verstehen; ihr werdet mit euren Augen sehen und nichts erkennen‘.“ (Matthäus, Kap. XIII, 10-14)

14. Gebt acht auf das, was ihr jetzt zu hören bekommt: „Mit demselben Maß, mit dem ihr andere messt, wird man euch selbst messen und euch wird noch mehr gegeben werden; – denn wer viel hat, der wird noch mehr erhalten; und wer nur wenig hat, dem wird dieses Wenige auch noch genommen werden.“ (Markus, Kap. IV, 24-25)

15. „Wer viel hat, der wird noch mehr erhalten; und wer nur wenig hat, dem wird dieses Wenige auch noch genommen werden.“ Meditiert über diese großen Belehrungen, welche euch oft paradox erscheinen. Derjenige, der bekommen hat, ist derjenige, der die Bedeutung des göttlichen Wortes versteht. Er hat es nur bekommen, weil er versucht hat, sich dafür würdig zu erweisen, und weil der himmlische Vater in SEINER barmherzigen Liebe die Bemühungen fördert, die das Gute bezwecken. Diese anhaltenden, beharrlichen Bemühungen ziehen die Gnade des Herrn an. Sie sind wie ein Magnet, der fortschreitende Verbesserungen anzieht und umfangreiche Gnade. Sie geben euch die Kraft, den heiligen Berg zu besteigen, auf dessen Gipfel die Erholung nach der Arbeit auf euch wartet.

„Dem der nichts oder wenig hat, wird genommen werden“. Betrachtet dies als einen bildlichen Gegensatz. Gott nimmt von SEINEN Geschöpfen nicht das Gute, das ER ihnen gütig gewährt hat. Blinde und taube Menschen! Öffnet euren Verstand und euer Herz; seht mit eurem Geist; versteht mit eurer Seele und interpretiert nicht auf eine so ungerechte grobe Art und Weise die Worte von demjenigen, der die Gerechtigkeit des Herrn vor euren Augen erglänzen ließ. Es ist nicht Gott, der dem wegnimmt, der wenig bekommen hat. Es ist der Geist selber, der verschwenderisch und unbedacht nicht bewahren kann, was er hat, und der auch nicht den in sein Herz gelegten Obolus vermehrt, indem er ihm einen fruchtbaren Boden bereitet.

Derjenige, der das Feld, das durch die Arbeit seines Vaters bearbeitet wurde und das er geerbt hat, nicht kultiviert, sieht wie es vom Unkraut überwuchert wird. Ist es dann sein Vater, welcher ihm die Ernte wegnimmt, die er nicht vorbereiten wollte? Wenn er zulässt, dass die für die Saat bestimmten Sämlinge verdorren aus Mangel an Pflege des Feldes, kann er dann den Vater dafür beschuldigen, weil sie nichts hervorgebracht haben? Nein, nein! Statt denjenigen, der für ihn alles vorbereitet hat, zu beschuldigen, ihm die gegebene Gabe wieder weggenommen zu haben, sollte er sich bei dem wirklichen Urheber seines Elends beklagen, und sich dann, reumütig und aktiv, mutig an die Arbeit machen;

– auf dass er mit seiner ganzen Willenskraft den unfruchtbaren Boden urbar mache;

– auf dass er den Boden mit Hilfe der Reue und der Hoffnung umpflüge;

– auf dass er vertrauensvoll den guten Samen auf ihn aussäe, den er vorher zwischen dem schlechten herausgelesen hat;

– auf dass er ihn bewässere mit seiner Liebe und Wohltat, und Gott, der Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, wird dem geben, der schon bekommen hat. Dann wird er seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt sehen, und ein Korn wird hunderte hervorbringen und ein anderes tausende. Nur Mut, ihr Arbeiter! Nehmt eure Pflüge und Eggen; bearbeitet eure Herzen; reißt aus ihnen das Unkraut heraus. Sät den guten Samen, den Gott euch anvertraut hat und der Tau der Liebe wird Früchte der Nächstenliebe hervorbringen. (Ein befreundetes Geistwesen, Bordeaux, 1862)

Man erkennt den Christen an seinen Werken

16. „Nicht alle, die zu mir sagen: Herr! Herr! werden ins Reich Gottes eintreten, sondern nur derjenige, der den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist.“

Hört diese Worte des Meisters, ihr alle, die ihr die Spiritistische Lehre wie ein Werk des Teufels ablehnt. Öffnet eure Ohren, denn der Moment des Zuhörens ist gekommen. Genügt es, nur die Livree des Herrn zu tragen, um ein treuer Diener zu sein?

Genügt es, nur zu sagen: „Ich bin Christ“, um Jesus zu folgen? Sucht die wahren Christen und ihr werdet sie an ihren Werken erkennen. „Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen, und ein schlechter Baum bringt keine guten Früchte hervor“. – „Jeder Baum, der keine guten Früchte trägt, wird gefällt und ins Feuer geworfen“. Dies sind die Worte des Meisters; Jünger Jesu, versteht sie richtig! Welche Früchte soll der Baum des Christentums tragen, ein mächtiger Baum, dessen buschige Äste mit ihrem Schatten einen Teil der Welt bedecken, aber noch nicht alle beschützt, die sich um ihn herum gruppieren müssen? Die Früchte des Lebensbaumes sind Früchte des Lebens, der Hoffnung und des Glaubens. Das Christentum predigt schon seit Jahrhunderten, unentwegt diese göttlichen Tugenden und strebt danach, seine Früchte zu verbreiten, aber wie wenige pflücken sie! Der Baum ist immer gut, aber die Gärtner sind schlecht. Sie haben immer versucht, ihn entsprechend ihrer Ideen zu gestalten. Sie versuchten, ihn gemäß ihrer Bedürfnisse zu modellieren; sie haben ihn beschnitten, verkleinert und verstümmelt. Seine unfruchtbaren Äste tragen keine schlechten Früchte, denn sie tragen gar keine mehr. Der durstige Reisende, der unter seinem Schatten einhält, um die Frucht der Hoffnung zu suchen, die ihm wieder Kraft und Mut geben soll, findet nur trockene Äste, welche den Sturm ankündigen. Vergeblich bittet er den Lebensbaum um die Frucht des Lebens. Die trockenen Blätter fallen herab; denn die Hand des Menschen hat die Äste so verschandelt, dass sie verbrannt sind.

Öffnet also eure Ohren und Herzen, meine Geliebten! Pflegt diesen Lebensbaum, dessen Früchte das ewige Leben geben. Derjenige, der ihn gepflanzt hat, lädt euch dazu ein, ihn mit Liebe zu pflegen, und ihr werdet dann sehen, wie er in Hülle und Fülle seine göttlichen Früchte hervorbringt. Erhaltet ihn so, wie Christus ihn euch gegeben hat; verstümmelt ihn nicht. Er will seinen unermesslichen Schatten über das Universum ausbreiten; beschneidet seine Zweige nicht. Seine erquickenden Früchte fallen in Hülle und Fülle, um den Durst der Reisenden zu stillen, der sein Ziel erreichen möchte. Sammelt diese Früchte nicht auf, um sie zu lagern und verfaulen zu lassen, damit sie für niemanden mehr nützlich sind. „Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt“; denn es gibt die Hamsterer des Lebensbrotes, wie es sie auch für das materielle Brot gibt. Sei nicht einer von diesen; der Baum, der gute Früchte gibt, muss sie an alle verteilen. Geh und suche alle, die Durst haben. Bring sie alle unter die Krone des Baumes und teile mit ihnen den Schutz, den er gibt. – „Man pflückt keine Trauben vom Dornbusch“. Meine Geschwister, entfernt euch von jenen, die euch rufen, um euch die Disteln auf dem Weg zu zeigen; und folgt denen, die euch zum Schatten des Lebensbaumes führen.

Der göttliche Erlöser, der Gerechte im wahrsten Sinne des Wortes, sagte und Seine Worte werden nicht vergehen: „Nicht alle die sagen: Herr! Herr! werden ins Reich Gottes eintreten, sondern nur derjenige, der den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“. Möge der Herr des Segens euch segnen; der Gott des Lichtes euch erleuchten; und der Lebensbaum in Hülle und Fülle seine Früchte über euch ausschütten! Glaubt und betet. (Siméon, Bordeaux, 1863)