DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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Die den Gelehrten und Klugen verborgenen Geheimnisse

7. Dann sagte Jesus dieses Gleichnis: Ich preise DICH, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass DU dies den Weisen und Klugen verborgen und es den Einfachen und Kleinen offenbart hast. (Matthäus, Kap. XI; 25)


8. Es könnte eigenartig erscheinen, dass Jesus Gott dafür gepriesen hat, dass ER diese Dinge den Einfachsten und Kleinsten, die die im Geiste arm sind, offenbart und den Wissenden und Klugen, die fähiger zu sein scheinen, dies zu verstehen, vorenthalten hat. Dazu ist es notwendig zu verstehen, dass die Ersten, die Demütigen sind, die sich vor Gott erniedrigen und nicht glauben, besser als die ganze Welt zu sein. Die anderen sind die Hochmütigen, die, geschmeichelt von ihrer irdischen Wissenschaft, klug zu sein glauben, weil sie Gott verneinen und IHN wie einen von ihnen behandeln, falls sie IHN nicht sogar verneinen. Da in der Antike das Wort klug ein Synonym für weise war, überlässt Gott den Weisen die Suche nach den Geheimnissen der Erde und enthüllt die Geheimnisse des Himmels den Einfachen und Demütigen, die sich vor IHM beugen.


9. Das Gleiche passiert heute mit den großen Wahrheiten, die der Spiritismus offenbart. Einige Ungläubige wundern sich, dass die Geister sich wenig bemühen, sie zu überzeugen. Das ist so, weil die Geister sich lieber mit denen beschäftigen, die das Licht mit Demut und Gläubigkeit suchen, als mit denen, die das Licht zu haben glauben und anscheinend denken, dass Gott sich sehr glücklich fühlen sollte, sie zu sich zurückzuführen und ihnen damit beweist, dass ER existiert.


Die Macht Gottes offenbart sich in den kleinen wie in den großen Dingen. ER stellt nicht das Licht unter den Scheffel, sondern verbreitet es wie Wellen überall und in einer Art, dass nur die Blinden es nicht sehen. Gott möchte ihnen nicht die Augen mit Gewalt öffnen, wenn es ihnen gefällt, sie geschlossen zu halten. Ihre Zeit wird kommen, aber zuerst ist es notwendig, dass sie die Qual der Dunkelheit spüren, damit sie es nicht für einen Zufall halten, sondern Gottes Hand erkennen, die ihren Stolz trifft. Um die Ungläubigkeit zu überwinden, setzt Gott, je nach Individuum die angemessenen Mittel ein. Es obliegt nicht den Ungläubigen, Gott vorzuschreiben, was ER zu tun hat und IHM zu sagen: Wenn DU mich überzeugen willst, musst DU nach dieser und jener Art und Weise handeln, und zwar bei dieser Gelegenheit und nicht bei einer anderen, weil diese mir am besten passt.


Die Ungläubigen sollen sich also nicht wundern, wenn weder Gott noch die Geister, die Gottes Willen vertreten, sich deren Forderungen beugen. Sie sollten sich fragen, was sie sagen würden, wenn der letzte ihrer Diener sich ihnen aufdrängen wollte. Gott schreibt SEINE Bedingungen vor und übernimmt nicht die an, die man IHM auferlegen möchte. ER hört denjenigen liebevoll zu, die IHN mit Demut ansprechen und nicht denen, die sich größer als IHN einschätzen.


10. Man wird fragen: Könnte Gott sie nicht durch auffallende Zeichen und Wunder persönlich beeindrucken, vor denen sich der hartnäckigste Ungläubige beugen müsste? Ohne Zweifel könnte ER das. Aber wo wäre dann ihr Verdienst und wozu wäre es gut gewesen? Sieht man nicht jeden Tag Menschen, die sich nicht überzeugen lassen und die sogar sagen: „Auch wenn ich es sähe, ich würde es trotzdem nicht glauben, da ich weiß, dass es unmöglich ist“. Wenn sie sich weigern, die Wahrheit so anzuerkennen, so deshalb, weil weder ihr Geist reif ist, um sie zu verstehen, noch ihr Herz fähig ist, um sie zu empfinden. Der Hochmut ist wie die Augenbinde, die ihnen die Sicht trübt. Wozu dem Blinden das Licht zeigen? Zuerst muss die Ursache des Übels bekämpft werden; daher kommt es, dass Gott, wie ein guter Arzt, den Hochmut als erstes kuriert. Gott lässt SEINE sich im Irrtum befindenden Kinder nicht im Stich; denn ER weiß, dass sich ihre Augen früher oder später öffnen werden. ER möchte aber, dass es durch ihren eigenen Willen geschieht, wenn sie, besiegt durch die Qual ihrer Ungläubigkeit, sich von selbst in SEINE Arme werfen und IHN, wie der verlorene Sohn, um Gnade bitten.