Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

nach den Aufschlüssen der Spiritistischen Lehre; dargestellt durch die vergleichende Prüfung der Lehren über den Übergang vom körperlichen zum geistigen Leben, die künftigen Strafen und Belohnungen, die Engel und die Teufel, die endlos ewigen Strafen usw., sodann beleuchtet in zahlreichen Beispielen bezüglich der wirklichen Lage der Seele während und nach dem Tode.

von Allan Kardec

Ich schwöre bei mir selbst, spricht Gott der Herr, dass ich nicht will den Tod des Gottlosen, sondern dass der Gottlose sich bekehre, dass er verlasse seinen bösen Weg und lebe. (Ezechiel, Kap. 33, V. 11.)





Vorwort
(des Verfassers, Allan Kardec, in der ersten Veröffentlichung von „Himmel und Hölle“ im August 1865.)*


Der Titel dieses Buches macht deutlich, worum es geht. Wir haben in diesem Buch alle Elemente zusammengestellt, die geeignet sind, den Menschen über sein Schicksal aufzuklären. Wie in unseren anderen Schriften über die Spiritistische Lehre haben wir auch in diesem Buch nicht das Produkt eines vorgefassten Systems oder einer persönlichen Auffassung, die keine Autorität hat, dargestellt; alles ist aus der Beobachtung und der Übereinstimmung mit den Tatsachen abgeleitet.

Das Buch der Geister enthält die fundamentalen Grundlagen des Spiritismus; es ist der Eckstein des Gebäudes; alle Prinzipien der Lehre werden darin aufgestellt, bis hin zu jenen, die ihre Krönung bilden sollen. Aber es war notwendig, die Entwicklungen darzulegen, alle Konsequenzen und Anwendungen daraus abzuleiten, in dem Maße, wie sie sich durch die zusätzliche Lehre der Geister und durch neue Beobachtungen entwickelten. Das ist es, was wir im Buch der Medien und im Evangelium aus der Sicht des Spiritismus unter besonderen Gesichtspunkten getan haben. Das ist es, was wir in diesem Werk unter einem anderen Gesichtspunkt tun, und das ist es, was wir nach und nach in den noch zu veröffentlichenden Werken tun werden, die zu ihrer Zeit kommen werden.

Neue Ideen tragen nur dann Früchte, wenn der Boden für ihre Aufnahme vorbereitet ist, und mit diesem vorbereiteten Boden sind nicht einige frühreife Intelligenzen gemeint, die nur vereinzelt Früchte hervorbringen würden, sondern eine gewisse Gesamtheit in der allgemeinen Veranlagung, damit nicht nur reiche Früchte hervorgebracht werden, sondern die Idee, die eine größere Anzahl von Stützpunkten findet, weniger Widerstand erfährt und stärker ist, um ihren Antagonisten zu widerstehen. Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus war bereits ein Schritt nach vorn. Der Himmel und die Hölle ist ein weiterer Schritt, dessen Tragweite leicht verständlich sein wird, da er den Kern einiger Fragen berührt, aber er hätte nicht früher kommen dürfen.

Betrachtet man die Zeit, in der der Spiritismus entstand, so erkennt man ohne weiteres, dass er zur rechten Zeit kam, weder zu früh noch zu spät. Früher wäre er ge scheitert, weil er, da die Sympathien nicht zahlreich genug waren, den Schlägen seiner Gegner erlegen wäre. Später hätte er die günstige Gelegenheit verpasst, sich zu entfalten. Die Ideen hätten einen anderen Kurs einschlagen können, von dem sie nur schwer abzubringen gewesen wären. Man musste den alten Ideen Zeit geben, sich abzunutzen und ihre Unzulänglichkeit zu beweisen, bevor man neue Ideen präsentiert.

Die meisten Menschen sind noch nicht reif genug, um sie zu verstehen, und das Bedürfnis nach einer Veränderung ihrer Position ist noch nicht spürbar. Heute ist es für jedermann offensichtlich, dass sich in der Meinung eine immense Bewegung manifestiert. Eine gewaltige Reaktion findet in progressiver Richtung gegen den stationären oder rückwärtsgewandten Geist der Routine statt, die Zufriedenen von gestern sind die Ungeduldigen von morgen. Die Menschheit befindet sich in den Geburtswehen. Es liegt etwas in der Luft, eine unwiderstehliche Kraft, die sie vorwärtstreibt. Sie ist wie ein junger Mann, der aus der Pubertät kommt und neue Horizonte erblickt, ohne sie zu definieren, und die Windeln der Kindheit abschüttelt. Man will etwas Besseres, eine solidere Nahrung für den Verstand. Aber dieses Bessere liegt noch im Dunkeln. Man sucht es, alle arbeiten daran, vom Gläubigen bis zum Ungläubigen, vom Landwirt bis zum Gelehrten. Das Universum ist eine große Baustelle. Die einen reißen ab, die an deren bauen wieder auf. Jeder hämmert einen Stein für das neue Gebäude, für das der große Architekt allein den endgültigen Plan besitzt und dessen Ökonomie man erst verstehen wird, wenn seine Formen beginnen, sich über der Erdoberfläche abzuzeichnen. Dies ist der Zeitpunkt, den die souveräne Weisheit für das Aufkommen des Spiritismus gewählt hat.

Die Geister, die die große regenerative Bewegung leiten, handeln also mit mehr Weisheit und Voraussicht, als die Menschen es tun können, weil sie den allgemeinen Gang der Ereignisse umfassen, während wir nur den begrenzten Kreis unseres Horizonts sehen. Da die Zeit der Erneuerung gemäß den göttlichen Dekreten gekommen war, musste der Mensch inmitten der Ruinen des alten Gebäudes, um nicht entmutigt zu werden, die Grundlagen der neuen Ordnung der Dinge erblicken. Der Matrose musste den Polarstern sehen, der ihn in den Hafen führen sollte. Die Weisheit der Geister, die sich in der Entstehung des Spiritismus zeigte, der fast augenblicklich von der ganzen Erde zur günstigsten Zeit offenbart wurde, ist nicht weniger offensichtlich in der logischen Reihenfolge und Abstufung der aufeinander folgenden ergänzenden Offenbarungen. Es hängt von niemandem ab, ihren Willen in dieser Hinsicht zu erzwingen, denn sie messen ihre Lehren nicht nach der Ungeduld der Menschen. Es genügt nicht, dass wir sagen: „Wir möchten dies und jenes haben“, damit es gegeben wird, und noch weniger ist es angebracht, dass wir zu Gott sagen: „Wir halten die Zeit für gekommen, dass du uns dies und jenes gibst. Wir halten uns selbst für fortgeschritten genug, um es zu empfangen“, denn das hieße zu ihm sagen: „Wir wissen besser als Du, was zu tun ist.“ Den Ungeduldigen antworten die Geister: „Beginnt damit, dass ihr das, was ihr wisst, gut kennt, gut versteht und vor allem gut übt, damit Gott euch für würdig erachtet, mehr zu lernen. Dann, wenn die Zeit ge kommen ist, werden wir zu handeln wissen und unsere Instrumente wählen.“ Der erste Teil dieses Buches, der den Titel „Lehre“ trägt, enthält eine vergleichende Untersuchung der verschiedenen Glaubensrichtungen über Himmel und Hölle, Engel und Dämonen, Strafen und zukünftige Belohnungen. Das Dogma der ewigen Strafen wird hier in besonderer Weise betrachtet und durch Argumente widerlegt, die aus den Naturgesetzen selbst abgeleitet sind und nicht nur die bereits hundertmal erwähnte Unlogik, sondern auch die materielle Unmöglichkeit dieses Dogmas belegen. Mit den ewigen Strafen fallen natürlich auch die Konsequenzen weg, die man daraus zu ziehen geglaubt hatte. Der zweite Teil enthält zahlreiche Beispiele, die die Theorie stützen oder besser gesagt, die dazu dienten, die Theorie zu begründen. Sie schöpfen ihre Autorität aus der Ver schiedenheit der Zeiten und Orte, an denen sie erhalten wurden, denn wenn sie aus einer einzigen Quelle stammten, könnte man sie als das Produkt desselben Einflusses betrachten. Sie schöpfen sie außerdem aus ihrer Übereinstimmung mit dem, was täg lich überall dort erhalten wird, wo man sich mit spiritistischen Manifestationen unter einem ernsthaften und philosophischen Gesichtspunkt befasst. Diese Beispiele hätten endlos fortgesetzt werden können, denn es gibt kein spiritistisches Zentrum, das nicht ein beachtliches Kontingent an Beispielen liefern könnte. Um langwierige Wiederho lungen zu vermeiden, mussten wir eine Auswahl aus den lehrreichsten treffen. Jedes dieser Beispiele ist eine Studie, in der jedes Wort für jeden, der aufmerksam darüber nachdenkt, von Bedeutung ist, denn jeder Punkt wirft ein Licht auf die Situation der Seele nach dem Tod und den bis dahin so dunklen und gefürchteten Übergang vom körperlichen zum geistigen Leben. Es ist der Leitfaden für den Reisenden, bevor er ein neues Land betritt. Das Leben nach dem Tod wird in all seinen Aspekten wie ein riesiges Panorama dargestellt. In diesen Beispielen, die größtenteils zeitgenössischen Ereignissen entnommen sind, haben wir die Eigennamen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, die leicht zu beurteilen sind, so oft wie möglich verschwiegen. Diejenigen, die diese Beispiele interessieren könnten, werden sie leicht wiedererkennen. Für die Öffentlichkeit hätten mehr oder weniger bekannte und manchmal sehr unklare Namen nichts zu der Belehrung beige tragen, die man daraus ziehen kann. Die gleichen Gründe, die uns veranlasst haben, die Namen der Medien im „Evangelium aus der Sicht des Spiritismus“ zu verschweigen, haben uns veranlasst, sie in diesem Werk, das mehr noch als für die Gegenwart für die Zukunft geschrieben wurde, nicht zu nennen. Sie sind daran umso weniger interessiert, als sie sich nicht das Verdienst einer Sache anrechnen lassen können, an der ihr eigener Geist in keiner Weise beteiligt war. Es ist eine flüchtige Fähigkeit, die dem Willen der Geister, die sich mitteilen wollen, untergeordnet ist, die man heute besitzt und die am nächsten Tag fehlen kann, die niemals auf alle Geister ohne Unterschied anwendbar ist und daher kein persön liches Verdienst darstellt, wie es ein Talent wäre, das durch Arbeit und Anstrengung des Verstandes erworben wurde. Aufrichtige Medien, die den Ernst ihrer Aufgabe verstehen, betrachten sich als Werkzeuge, die Gottes Wille nach Belieben zerbrechen kann, wenn sie nicht nach seinen Vorstellungen handeln. Sie freuen sich über eine Fähigkeit, die es ihnen ermöglicht, sich nützlich zu machen, aber sie sind nicht stolz darauf. Im Übrigen haben wir uns in diesem Punkt an den Rat unserer geistigen Führer ge halten. Die Vorsehung wollte, dass die neue Offenbarung nicht das Vorrecht eines Einzelnen sei, sondern dass sie auf der ganzen Erde, in allen Familien, bei den Großen wie bei den Kleinen ihre Organe habe, gemäß dem Wort, das die Medien unserer Tage erfüllen: „In den letzten Tagen wird es geschehen, spricht Gott, werde ich meinen Geist ausgie ßen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Jünglinge werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben. Und ich werde euch mit meinem Geist segnen. In jenen Tagen werde ich meinen Geist auf meine Knechte und meine Mägde ausgießen, und sie werden weissagen.“ (Apostelgeschichte, Kap. II, V. 17 u. 18) Es heißt aber auch: „Es werden falsche Christusse und falsche Propheten auferstehen.“ (Siehe dazu: Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus, Kap. XXI.) Doch diese letzten Zeiten sind gekommen. Es ist nicht das Ende der materiellen Welt, wie man geglaubt hat, sondern das Ende der moralischen Welt, das heißt, der Beginn der Ära der Regeneration.



Dieses Vorwort war in der 4. französischen Ausgabe „Der Himmel und die Hölle“ (1869) – definitive Edition – welche als Basis dieser Übersetzung diente, nicht mehr vorhanden. Es erschien allerdings in der ersten Publikation des Buches im August 1865. Beim Einfügen an dieser Stelle beabsichtigen wir, diese fast unbekannten Anführungen des Verfassers des Spiritismus für die neuen Generationen zu bewahren und für das Studium der Spiritistischen Lehre anzubieten.



Erster Teil - Die Lehre

Kapitel I - Die Zukunft und das Nichts

1. Wir leben, wir denken, wir handeln, das ist gewiss; wir sterben, auch das ist gewiss. Aber wohin gehen wir, wenn wir die Erde verlassen? Was wird aus uns? Wird es besser oder schlechter um uns stehen? Werden wir sein oder werden wir nicht sein? Sein oder nicht sein, das ist die Frage; es ist für immer oder für nie; es ist alles oder nichts; wir werden ewig leben oder alles wird aus sein, ohne Wiederkehr. Es ist wohl der Mühe wert, hierüber nach zudenken.

Jeder Mensch empfindet das Bedürfnis zu leben, zu genießen, zu lieben und glücklich zu sein. Sagt dem, der weiß, dass er im Begriff ist zu sterben, er werde noch am Leben bleiben, seine Stunde sei noch nicht gekommen. Sagt ihm vor allem, er werde glücklicher sein, als er gewesen ist, und sein Herz wird vor Freude klopfen. Aber wozu würde dieses sehnsüchtige Verlangen nach Glück dienen, wenn ein Lufthauch diese Sehnsucht verschwinden las sen kann?

Gibt es etwas Entmutigenderes als diesen Gedanken einer völligen Zerstörung? Heilige Zuneigungen, Einsicht, Fortschritt, mühsam erworbenes Wis sen, alles würde zerstört und verloren sein! Wo bliebe die Notwendigkeit, sich anzustrengen, um besser zu werden, sich zu zwingen, um seine Leidenschaften zu unterdrücken. Die Notwendigkeit, sich abzumühen, um sei nen Geist zu bereichern, wenn man keine Frucht davon ernten soll, vor allem bei dem Gedanken, dass uns dies morgen vielleicht gar nichts mehr nützt. Wenn es so wäre, würde das Los des Menschen hundertfach schlimmer sein als das eines wilden Tieres; denn das Tier lebt ganz und gar in der Gegenwart, in Befriedigung seiner materiellen Begierden, ohne Sehnsucht in Bezug auf Zukünftiges. Eine geheime innere Stimme sagt, dass das unmöglich ist.


2. Infolge des Glaubens an das Nichts konzentriert der Mensch zwangsläufig alle seine Gedanken auf das gegenwärtige Leben; tatsächlich kann man sich logischerweise nicht um eine Zukunft sorgen, die man nicht erwartet. Dieses ausschließliche Sich-Befassen mit der Gegenwart führt begreiflicherweise dazu, dass man vor allem an sich denkt. Das ist also der mächtigste Ansporn des Egoismus, und der Ungläubige verhält sich bei sich selbst konsequent, wenn er zu diesem Schluss kommt: Lasst uns genießen, solange wir da sind und so viel wie möglich, da ja nach uns doch alles aus ist – lasst uns schnell genießen, weil wir nicht wissen, wie lange das dauern wird; und zu jenem anderen auf ganz andere Art für die menschliche Gesellschaft gewichtigen Schluss: Lasst uns dennoch genießen, jeder für sich; das Glück hier auf Er den gehört dem Geschicktesten.

Wenn Rücksicht auf Menschen manche hiervon zurückhält, was für ein Zügel kann für die bestehen, die sich vor nichts fürchten? Sie sagen sich, dass das menschliche Gesetz nur die Ungeschickten betrifft, darum richten sie ihre Geisteskräfte darauf, es zu umgehen. Wenn es eine ungesunde und die Gesellschaft bedrohende Lehre gibt, so ist es sicherlich die des Nichtglaubens, weil dieser die wahren Bande der Solidarität und der Brüderlichkeit zerreißt, der Grundlagen der gesellschaftlichen Beziehungen.


3. Angenommen, infolge irgendeines Umstandes würde ein ganzes Volk die Gewissheit erlangen, dass es in acht Tagen, in einem Monat, meinetwegen in einem Jahr vernichtet sein wird, dass nicht ein einziger überlebt und dass nach dem Tod keine Spur von ihm selbst übrig sein wird; was wird es während dieser Zeit tun? Wird es an seiner Besserung, seiner Belehrung arbeiten? Wird es sich Mühe geben, um am Leben zu bleiben? Wird es die Rechte, die Güter, das Leben des Nächsten respektieren? Wird es sich den Gesetzen unterwerfen, einer Autorität, welche immer es sei, selbst der recht mäßigsten: der väterlichen Autorität? Wird es für das Volk eine Pflicht irgend welcher Art geben? Sicherlich nicht! Nun denn, was nicht im Großen geschieht, verwirklicht die Lehre des Nichtglaubens jeden Tag im Kleinen.

Wenn die Folgen nicht so schlimm sind, wie sie es sein könnten, liegt dies zunächst daran, dass bei der Mehrzahl der Ungläubigen mehr Prahlerei als wahrhafter Unglaube vorherrscht, mehr Zweifel als Überzeugung, und dass sie mehr Furcht vor dem Nichts haben, als sie es zeigen wollen: die Bezeichnung eines starken Geistes zu führen, schmeichelt ihrer Eigenliebe; des Weiteren bilden die ganz Ungläubigen eine verschwindende Minderzahl; sie unterliegen wider Willen der Überlegenheit der gegenteiligen Meinung und wer den durch eine äußere Gewalt in Schranken gehalten. Aber wenn eines Ta ges der völlige Unglaube die Ansicht der Mehrheit wird, ist die Gesellschaft in Auflösung begriffen. Darauf zielt die Ausbreitung der Lehre des Nichtglaubens.

Ein 18-jähriger junger Mann litt an einer für unheilbar erklärten Herzkrankheit. Die Wissenschaft hatte gesagt: er kann in 8 Tagen sterben oder erst in 2 Jahren, aber darüber hinaus wird er nicht gelangen. Der junge Mann wusste das; sogleich unterließ er es, sich weiterzubilden und gab sich den Ausschweifungen jeder Art hin. Wenn man ihm vorhielt, wie sehr ein ungeregeltes Leben in seiner Lage gefährlich sei, antwortete er: Was liegt mir daran, da ich ja doch nur noch zwei Jahre zu leben habe! Was würde es nützen, meinen Geist anzustrengen? Ich genieße, soviel mir übrigbleibt und will mich vergnügen bis an mein Ende. Das ist die logische Folge des Nichtglaubens.

Wäre dieser junge Mann ein Spiritist gewesen, hätte er sich gesagt: Der Tod wird nur meinen Körper zerstören, den ich zurücklassen werde wie ein abgenutztes Kleid; aber mein Geist wird immer leben. Ich werde in meinem zukünftigen Leben sein, was ich in diesem hier aus mir gemacht habe. Nichts von dem, was ich darin an moralischen und geistigen Eigenschaften erwerben kann, wird verloren sein, denn es wird für meinen Fortschritt so viel gewonnen. Alle Unvollkommenheit, die ich ablege, ist ein weiterer Schritt zur Glückseligkeit; mein künftiges Glück oder Unglück hängt von dem Nutzen oder der Nutzlosigkeit meines gegenwärtigen Daseins ab. Es liegt also in meinem Interesse, das bisschen Zeit, das mir noch bleibt, zu nutzen und alles zu vermeiden, was meine Kräfte vermindern könnte. Welche von diesen beiden Lehren ist vorzuziehen?

Was auch die Folgerungen hieraus sein mögen, würde der Nichtglaube auf Wahrheit beruhen, müsste man sie akzeptieren, und es würden weder entgegengesetzte Lehrweisen noch der Gedanke an das Böse, das daraus entspringen würde, bewirken können, dass sie nicht vorhanden wären. Nun darf man nicht verschweigen, dass trotz der Anstrengungen der Religion Skepsis, Zweifel und Gleichgültigkeit mit jedem Tag an Boden gewinnen, das steht fest. Wenn die Religion dem Unglauben gegenüber machtlos ist, so deshalb, weil ihr etwas fehlt, um diesen zu bekämpfen, so dass sie unweigerlich innerhalb einer bestimmten Zeit über Bord geworfen würde, würde sie unbeweglich bleiben. Was in diesem Jahrhundert des Positivismus, wo man begreifen will, bevor man glaubt, fehlt, ist die Bestätigung dieser Lehren durch feststehende Tatsachen; es ist auch die Übereinstimmung gewisser Lehren mit den Grundlagen der Wissenschaft. Wenn sie sagt: 'weiß', und die Tatsachen sagen: 'schwarz', muss man zwischen dem Offenkundigen und dem blinden Glauben wählen.


4. Bei diesem Stand der Dinge kommt die Spiritistische Lehre und stellt dem Vordrängen des Unglaubens einen Damm entgegen, nicht nur durch Argumente, nicht bloß durch die Aussicht auf die Gefahren, die er nach sich zieht, sondern durch greifbare Tatsachen, indem sie die Seele und das zukünftige Leben durch Hände und Augen sichtbar macht.

Jeder ist zweifellos frei in seinem Glauben, er kann an 'etwas' glauben oder an 'nichts' glauben. Aber die, die versuchen, im Geist der Massen, vor allem der Jugend, die Verneinung der Zukunft vorherrschend werden zu lassen, und sich dabei auf das Ansehen ihres Wissens und den Einfluss ihrer Stellung stützen, pflanzen Keime der Verwirrung und Auflösung in die Gesellschaft und laden große Verantwortung auf sich.


5. Es gibt eine andere Lehre, die sich dagegen wehrt, materialistisch zu sein, weil sie die Existenz eines intelligenten Prinzips außerhalb der Materie anerkennt; das ist die Lehre der Aufnahme in das universelle Ganze. Nach dieser Lehre nimmt jedes Individuum bei seiner Geburt ein Teilchen dieses Prinzips auf, das dann seine Seele ausmacht und ihm Leben, Intelligenz und Gefühl gibt. Beim Tod kehrt diese Seele zu ihrem Ursprung zurück und verliert sich im Unendlichen, wie ein Wassertropfen im Ozean.

Diese Lehre ist ohne Zweifel ein Schritt vorwärts, über den reinen Materialismus hinaus, weil sie 'etwas' gelten lässt, während die andere 'nichts' gelten 27 lässt. Die Konsequenzen daraus sind aber genau dieselben. Ob der Mensch ins Nichts oder in das gemeinsame Reservoir getaucht ist, für ihn ist alles eins. Wenn er im ersten Fall vernichtet wird, so verliert er im zweiten seine Individualität. Es ist also, als ob er nicht existiert hätte; die gesellschaftlichen Beziehungen sind dennoch für immer zerbrochen. Das Wesentliche für ihn ist die Bewahrung seines Ichs: Ohne dieses – was liegt ihm da am Sein oder Nichtsein? Die Zukunft ist für ihn immer nichtig, und das gegenwärtige Leben ist das Einzige, was ihn interessiert und beschäftigt. Vom Gesichtspunkt der moralischen Folgen ist diese Lehre ebenso ungesund, ebenso hoffnungslos, ebenso den Egoismus erregend wie der eigentliche Materialismus.


6. Man kann außerdem Folgendes einwenden: Alle aus dem Ozean geschöpften Wassertropfen ähneln einander und haben identische Eigenschaften, als Teile ein und desselben Ganzen. Warum ähneln die Seelen einander so wenig, wenn sie aus dem großen Ozean des allgemeinen Prinzips geschaffen sind? Warum Genialität neben der Dummheit, die erhabensten Tugenden neben den schändlichsten Lastern? Güte, Sanftmut, Milde an der Seite der Bosheit, der Grausamkeit und der Unmenschlichkeit? Wie können die Teile eines gleichartigen Ganzen so unterschiedlich sein? Will man behaupten, es sei die Erziehung, die sie verändert? Aber woher kommen dann die angeborenen Eigenschaften, die frühreifen Einsichten, die guten und schlechten Triebe, unabhängig von jeder Erziehung und oft so wenig im Einklang mit der Umgebung, innerhalb derer sie sich entwickeln?

Ohne Zweifel verändert die Erziehung die geistigen und moralischen Eigenschaften der Seele, aber hier bietet sich eine andere Schwierigkeit: Wer gibt der Seele die Erziehung, um ihren Fortschritt zu bewirken? Andere Seelen, die durch ihren gemeinsamen Ursprung nicht weiter vorangeschritten sein können? Andererseits, wenn die Seele ins universelle Ganze zurückkehrt, von wo sie ausgegangen war, bringt sie, nachdem sie im Leben fortgeschritten ist, einen vollkommeneren Bestandteil dahin mit; woraus folgt, dass dieses Ganze mit der Zeit grundlegend verändert und verbessert werden muss. Wie kommt es, dass daraus unaufhörlich unwissende und verdorbene Seelen hervorgehen?


7. Bei dieser Lehre ist die universelle Quelle der Intelligenz, die die menschlichen Seelen liefert, von der Gottheit unabhängig und das ist nicht genau der Pantheismus. Der eigentliche Pantheismus unterscheidet sich von ihr darin, dass er das universelle Lebens- und Intelligenzprinzip als Gott selbst betrachtet. Gott ist da Geist und Materie zugleich; alle Wesen, alle Körper der Natur ergeben die Gottheit, deren bindende Moleküle und Elemente sie sind; Gott ist das Gesamte aller vereinigten Geistwesen; jedes Individuum, einen Teil des Ganzen bildend, ist selber Gott; kein höheres und unabhängiges Wesen befehligt das Gesamte; das Universum ist ein unermesslich großer Staat ohne Oberhaupt oder vielmehr, wo jeder mit unumschränkter Macht Oberhaupt ist.


8. Gegen diese Lehransicht kann man zahlreiche Einwände machen, von denen die wichtigsten diese sind: Göttlichkeit kann man sich nicht ohne unendliche Vollkommenheit vorstellen, und so fragt man sich, wie ein vollkommenes Ganzes aus so unvollkommenen Teilen bestehen kann, die Fortschritt brauchen. Da jedes Teil dem Gesetz des Fortschritts unterliegt, folgt daraus, dass Gott selbst fortschreiten muss. Wenn er unaufhörlich fortschreitet, müsste er am Ursprung der Zeit sehr unvollkommen gewesen sein. Wie hätte ein unvollkommenes, aus so unterschiedlichen Willen und Gedanken gebildetes Wesen, die so harmonischen Gesetze erschaffen können, die das Universum lenken? Wenn alle Seelen Teile der Gottheit sind, haben sie alle bei den Naturgesetzen mitgewirkt; wie kommt es dann, dass sie unaufhörlich gegen diese Gesetze aufbegehren, die ihr Werk sind? Eine Theorie kann nur als wahr angenommen werden, wenn sie die Vernunft befriedigt und allen Tatsachen Rechnung trägt, die sie umfasst. Wenn eine einzige Tatsache sie widerlegt, beruht sie eben nicht auf absoluter Wahrheit.


9. Vom moralischen Standpunkt aus gesehen, sind die Folgen genauso unlogisch. Zunächst sind das für die Seelen, wie in dem vorhergehenden System, das Aufgehen in einem Ganzen und der Verlust der Individualität. Wenn man entsprechend der Meinung einiger Anhänger des Pantheismus einräumt, dass sie ihre Individualität bewahren, dann hat Gott ja nicht mehr einen alleinigen Willen; er ist eine Zusammensetzung von unzähligen unterschiedlichen Willen. Des Weiteren, wenn jede Seele ein zugehöriger Teil der Gottheit ist, wird keine von einer höheren Macht beherrscht: Sie trägt folglich keine Verantwortung für ihre guten oder bösen Handlungen und hat kein Interesse, Gutes zu tun und kann ungestraft Böses tun, da sie unumschränkte Herrscherin ist.


10. Abgesehen davon, dass diese Systeme weder die Vernunft noch die sehnsüchtigen Erwartungen des Menschen zufriedenstellen, stößt man, wie man sieht, auf unüberwindbare Schwierigkeiten, weil sie nicht alle Tatsachenfragen lösen können, die sie aufwerfen. Der Mensch hat daher drei Alternativen: Das Nichts, das Aufgehen im Ganzen oder die Individualität der Seele vor und nach dem Tod. Zu der letzteren Ansicht führt uns die Logik mit unbesiegbarer Kraft; diese ist es auch, die die Grundlage aller Religionen gebildet hat, seit die Welt existiert.

Wenn die Logik uns zur Individualität der Seele führt, bringt sie uns auch zu jener anderen Folgerung, dass das Los jeder Seele von ihren persönlichen Eigenschaften abhängen muss. Denn es wäre unvernünftig anzunehmen, dass die zurückgebliebenen Seelen des unwissenden und des verdorbenen Menschen auf derselben Stufe stünde wie die des gelehrten und des guten Menschen. Entsprechend der Gerechtigkeit müssen die Seelen die Verantwortung für ihre Handlungen besitzen, aber um verantwortlich zu sein, müssen sie die Freiheit haben, zwischen Gut und Böse zu wählen. Ohne Willensfreiheit ist es nur Schicksal, und beim Schicksal könnte es keine Verantwortung geben.


11. Alle Religionen haben in gleicher Art das Prinzip von dem glücklichen oder unglücklichen Los der Seelen nach dem Tod anerkannt, mit anderen Worten: Von den künftigen Strafen und Freuden, die in der Lehre vom Himmel und von der Hölle zusammengefasst werden, die überall zu finden ist. Aber worin sich alle wesentlich unterscheiden ist die Art und Weise dieser Strafen und Freuden und vor allem die Bedingungen, die die einen und die anderen verdienen. Daher kommen die widersprüchlichen Glaubensauffassungen, die die verschiedenen Arten der Gottesverehrung hervorbrachten und die besonderen, durch jede von ihnen auferlegten Pflichten, Gott zu ehren und hierdurch den Himmel zu erreichen und die Hölle zu vermeiden.


12. Alle Religionen müssen sich bei ihrem Ursprung auf den Grad der moralischen und geistigen Entwicklung der Menschen beziehen. Diejenigen, die noch zu materiell eingestellt waren, um den Wert rein spiritueller Dinge zu verstehen, haben die meisten religiösen Pflichten in der Ausführung äußerer Formen bestehen lassen. Eine Zeit lang haben diese Formen ihrer Vernunft genügt. Später, wenn in ihnen ein Licht aufgeht, empfinden sie die Leere, 30 die diese Formen zurücklassen, und wenn die Religion diese nicht ausfüllt, verlassen sie den Glauben und werden Philosophen.


13. Wäre die Religion, die im Prinzip den beschränkten Kenntnissen der Menschen angepasst war, immer der Fortschrittsbewegung des menschlichen Geistes gefolgt, gäbe es keine Ungläubigen, weil das Bedürfnis, einen Glauben zu haben, in der Natur des Menschen liegt, und er wird glauben, wenn man ihm eine geistige Nahrung gibt, die im Einklang mit seinen intellektuellen Bedürfnissen steht. Er will wissen, woher er kommt und wohin er geht. Wenn man ihm ein Ziel zeigt, das weder seinen Sehnsüchten noch der Vorstellung, die er sich von Gott macht, entspricht, noch den Beweisen, die ihm die Wissenschaft liefert; wenn man ihm außerdem zum Erreichen des Zieles Bedingungen auferlegt, deren Nutzen ihm seine Vernunft nicht zeigt, weist er das Ganze zurück. Der Materialismus und der Pantheismus scheinen ihm da noch vernünftiger, weil man da diskutiert und argumentiert. Man argumentiert zwar falsch, aber es ist ihm lieber, falsch zu argumentieren, als gar nicht.

Aber bietet man ihm eine Zukunft unter logischen Bedingungen, eine, die in jeder Hinsicht der Größe, der Gerechtigkeit und der unendlichen Güte Gottes würdig ist, und er wird den Materialismus und den Pantheismus verlassen, deren Leere er in seinem Innersten fühlt, und die er nur aus Mangel eines Besseren angenommen hatte. Der Spiritismus gibt mehr; deshalb wird er von all denen mit Eifer begrüßt, die von der schmerzlichen Ungewissheit des Zweifels gequält werden und die weder in den Glaubensvorstellungen noch in den allgemeinen Philosophien finden, was sie suchen. Der Spiritismus hat die Logik des Verstandes und die Bestätigung der Tatsache für sich, deshalb hat man ihn vergebens bekämpft.


14. Der Mensch glaubt instinktiv an die Zukunft. Da er aber bis heute keine sichere Grundlage hat, um sie genau zu erklären, hat seine Einbildungskraft die Systeme entstehen lassen, die die Unterschiede in den Glaubensvorstellungen hervorgebracht haben. Die spiritistische Lehre über die Zukunft ist dagegen keineswegs ein Werk mehr oder weniger geistreicher Einbildung, sondern das Ergebnis der Beobachtung materieller Tatsachen, die sich heutzutage vor unseren Augen abspielen, und so wird sie, wie sie es schon jetzt 31 tut, die voneinander abweichenden oder schwankenden Meinungen vereinen und nach und nach durch die Kraft der Tatsachen die Einheit im Glauben in diesem Punkt herbeiführen. Einem Glauben, der nicht mehr auf einer bloßen Vermutung, sondern auf einer Gewissheit beruhen wird. Die Vereinheitlichung darin, was das künftige Schicksal der Seelen angeht, wird der erste Punkt der Annäherung zwischen den verschiedenen Gottesverehrungen sein, ein gewaltiger Schritt erst in Richtung religiöser Toleranz und später in Richtung Vereinigung.



Kapitel II - Die Furcht vor dem Tod

Ursachen der Furcht vor dem Tod

1. Der Mensch, zu welcher Stufe der Entwicklung er auch gehören mag, hat seit dem Zustand der frühen Urzeit ein angeborenes Gefühl von einem zukünftigen Leben. Eine innere Stimme sagt ihm, dass der Tod nicht das Ende der Existenz ist und dass diejenigen, die wir betrauern, nicht endgültig verloren sind. Der Glaube an die Zukunft beruht auf Intuition und ist weitaus verbreiteter als der Glaube an das “Nichts”. Woher kommt es dann, dass jene, die an die Unsterblichkeit der Seele glauben, immer noch so sehr mit den irdischen Dingen verbunden sind und eine so große Furcht vor dem Tod haben?


2. Die Angst vor dem Tod wird von der Weisheit der Vorsehung bewirkt und ist eine Folge des Selbsterhaltungstriebs aller Lebewesen. Sie ist notwendig, solange der Mensch über die Umstände des zukünftigen Lebens unzureichend aufgeklärt ist, als Gegengewicht für den Impuls, der uns ohne diesen Zügel dazu bringen würde, das irdische Leben vorzeitig zu verlassen und die zu verrichtende Arbeit auf Erden zu vernachlässigen, die unserem eigenen Fortschritt dienen soll.

Das ist der Grund, warum bei den Urvölkern dieses zukünftige Leben nur eine vage Intuition ist, die dann später zu einer einfachen Hoffnung und schließlich zur Gewissheit wird, aber immer noch durch ein instinktives Festhalten an dem körperlichen Leben getrübt ist.


3. In dem Maße, wie der Mensch das zukünftige Leben besser versteht, verringert sich seine Furcht vor dem Tod. Aber gleichzeitig, wenn er seine Aufgabe auf Erden besser erkennt, erwartet er sein Ende mit mehr Ruhe, Ergebenheit und ohne Angst. Die Gewissheit des zukünftigen Lebens gibt seinen Gedanken eine andere Richtung und seinen Arbeiten einen anderen Sinn. Bevor er diese Gewissheit erlangt hat, arbeitet er nur für das gegenwärtige Leben; mit dieser Gewissheit arbeitet er mit dem Blick auf die Zukunft, ohne die Gegenwart zu vernachlässigen, weil er weiß, dass seine Zukunft von der mehr oder weniger guten Richtung abhängt, die er der Gegenwart gibt. Die Gewissheit, nach dem Tod seine Freunde wiederzutreffen, die Beziehungen, die er auf der Erde gehabt hat, fortzusetzen, die Früchte keiner Arbeit zu verlieren, stets an Einsicht und Verbesserung zu wachsen, gibt ihm Geduld zu warten und Mut, die vorübergehenden Beschwerden des irdischen Lebens zu ertragen. Die Solidarität, die er zwischen den Toten und Lebenden entstehen sieht, lässt ihn jene verstehen, die unter den Lebenden bestehen sollte. Die Brüderlichkeit hat so ihre Daseinsberechtigung und die Nächstenliebe einen Sinn in der Gegenwart und Zukunft.


4. Um sich von der Angst vor dem Tod zu befreien, muss man sie aus dem richtigen Blickwinkel betrachten können, d.h. man muss gedanklich in die geistige Welt eingedrungen sein und sich von ihr eine so genaue Vorstellung wie möglich gebildet haben, was bei dem inkarnierten Geist eine gewisse Entwicklung und eine bestimmte Fähigkeit offenbart, sich vom Materiellen zu lösen. Unter denen, die noch nicht weit genug fortgeschritten sind, hat das physische Leben noch Vorrang vor dem spirituellen.

Der im Materiellen behaftete Mensch sieht das Leben nur im Körper, während das wirkliche Leben in der Seele liegt. Ist der Körper des Lebens beraubt, so ist in seinen Augen alles verloren und er gibt jede Hoffnung auf. Wenn er seine Gedanken nicht auf das äußere Gewand konzentrierte, sondern auf die eigentliche Quelle des Lebens, auf die Seele, die das alles überlebende wirkliche Wesen ist, würde er dem Verlust des Körpers, einer Quelle von so viel Elend und Schmerz, weniger nachtrauern; aber dazu braucht der Mensch eine Kraft, die der Geist erst mit der Reife entwickelt.

Die Furcht vor dem Tod ist also verbunden mit unzureichenden Vorstellungen über das zukünftige Leben. Sie deutet auf das Bedürfnis zu leben hin, 35 und die Angst, dass die Zerstörung des Körpers das Ende von allem sein könnte, wird also getragen von dem geheimen Wunsch, dass die Seele ihn überleben möge, wenn auch teilweise verborgen unter dem Schleier der Ungewissheit.

Diese Furcht nimmt in dem Maße ab, wie sich Gewissheit bildet und verschwindet ganz, wenn diese vollständig ist.

Hier zeigt sich die Weisheit der Vorsehung. Es war weise, den Menschen nicht zu blenden, dessen Vernunft noch nicht stark genug war. Die Verführungen einer zu früh mitgeteilten Gewissheit hätten ihn dazu gebracht, sein gegenwärtiges Leben zu vernachlässigen, das so notwendig für seinen körperlichen und moralischen Fortschritt ist.


5. Diese Sachlage wird auch durch rein menschliche Ursachen aufrechterhalten und verlängert, die mit seinem Fortschritt verschwinden werden. Die erste ist der Aspekt, unter dem bisher das zukünftige Leben dargestellt wurde, eine Ansicht, die einer weniger fortgeschrittenen Intelligenz genügen könnte, jedoch die Anforderungen der Vernunft nachdenkender Menschen nicht zu befriedigen vermag. So sagen sie sich, wenn man uns Lehrmeinungen als absolute Wahrheiten präsentiert, die der Logik und den bewiesenen Tatsachen der Wissenschaft widersprechen, zeigt sich, dass es keine Wahrheiten sind. Daher herrscht bei einigen der Unglaube und bei einer großen Zahl ein mit Zweifeln untermischter Glaube. Das zukünftige Leben ist für sie nur ein vager Begriff, mehr eine Wahrscheinlichkeit als eine absolute Gewissheit. Sie glauben daran, wünschen sich, dass es so wäre, und entgegen ihrem eigenen Willen sagen sie sich: Was aber, wenn es nicht so ist? Über unsere Gegenwart haben wir Gewissheit, beschäftigen wir uns also zuerst mit ihr. Die Zukunft ergibt sich ja ohnehin ganz von selbst.

Und dann, so fragen sie sich weiter: Was ist denn eigentlich die Seele? Ist sie ein Punkt, ein Atom, ein Funke, eine Flamme? Wie fühlt sie? Wie sieht sie? Wie nimmt sie wahr? Die Seele besitzt für sie keine wirkliche Realität, sie ist nur eine Abstraktion. Die Menschen, die ihnen am Herzen liegen, in ihren Vorstellungen auf den Stand von Atomen reduziert, sind für sie sozusagen verloren und haben in ihren Augen nicht mehr die Eigenschaften, die sie für sie einst liebenswert machten. Sie begreifen weder die Liebe von einem Funken noch, dass man Liebe für einen solchen haben kann, und sind 36 nur wenig befriedigt, selbst in „Monaden“ (Grundelemente) umgewandelt zu werden. Daher die Rückkehr zum Positivismus des irdischen Lebens, das für sie etwas Greifbares hat. Die Zahl derer, die von solchen Erwägungen beeinflusst werden, ist sehr groß.


6. Ein anderer Grund für das Festhalten an den irdischen Dingen, sogar für diejenigen, die fest an das zukünftige Leben glauben, kommt von dem Eindruck, den sie aus dem Unterricht bewahren, den sie in ihrer Kindheit erhalten haben.

Das Bild, das die Religion vom Leben nach dem Tod beschreibt, ist – das muss man zugeben – weder sehr verführerisch noch besonders tröstlich. Auf der einen Seite erblickt man dort die verzerrten Grimassen der Verdammten, die in endlosen Qualen und Flammen ihre Verirrungen des Augenblicks sühnen. Für sie folgen die Jahrhunderte aufeinander, ohne Hoffnung auf Linderung oder Mitleid und, was noch erbarmungsloser ist, für die alle Reue ohne Wirkung bleibt. Auf der anderen Seite sieht man die unter der Last ihrer Leiden gequälten Seelen des Fegefeuers, die auf ihre Befreiung hoffen, durch den guten Willen der Lebenden, die für sie beten oder beten lassen, und nicht aufgrund ihrer eigenen Anstrengungen zur Weiterentwicklung. Diese zwei Gattungen machen die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung der anderen Welt aus. Darüber schwebt die sehr begrenzte Anzahl der Erwählten, die für die Ewigkeit eine beschauliche Glückseligkeit genießen. Diese ewige Nutzlosigkeit, die ohne Zweifel dem Nichts vorzuziehen ist, ist nicht weniger als eine überdrüssige Eintönigkeit. Auch sieht man in den Malereien, die die Seligen darstellen, Engelsgestalten, die eher Langeweile als wirkliches Glück ausstrahlen.

Dieser Zustand befriedigt weder Sehnsüchte noch die instinktive Vorstellung vom Fortschritt, die als einzige mit der reinen Freude verträglich erscheint. Man hat Mühe zu begreifen, wie der unwissende Urmensch, mit stumpfem Moralgefühl, allein dadurch, dass er die Taufe empfangen hat, auf gleicher Höhe stehen soll mit jemanden, der durch lange Jahre harter Arbeit zur höchsten Stufe des Wissens und der praktizierenden Moral gelangt ist. Es ist noch weniger begreiflich, dass ein in jungem Alter verstorbenes Kind, ehe es das Bewusstsein seiner selbst und seiner Handlungen hatte, die gleichen Vorrechte genießen soll, durch die bloße Tatsache einer feierlichen Handlung, an der sein Wille keinen Anteil hatte. Diese Gedanken hören nicht auf, die leidenschaftlichen Anhänger zu beschäftigen, auch wenn diese nicht wirklich darüber nachdenken.


7. Die Arbeit für den Fortschritt, die man auf der Erde vollbringt, soll ohne Wert für das zukünftige Glück sein. Die Leichtigkeit, mit der man glaubt, dieses Glück durch wenige äußerliche Handlungen zu erwerben, die Möglichkeit, es sogar für Geld zu kaufen, ohne ernsthafte Veränderung der Gesinnung und der Gewohnheiten, nehmen den Annehmlichkeiten der Welt ihren ganzen Wert. Mehr als ein Gläubiger sagt sich in seinem Innersten, dass seine Zukunft durch die Erfüllung gewisser Äußerlichkeiten gesichert ist oder auch durch Gaben nach seinem Tod, die ihn nichts kosten. Dadurch würde es überflüssig sein, sich irgendwelche Opfer oder Zwänge zum Vorteil anderer aufzuerlegen, wo doch jeder sein Heil erlangen kann, wenn er für sich allein arbeitet.

Sicherlich ist das nicht die Denkweise aller, da es große und schöne Ausnahmen gibt. Aber man kann nicht verhehlen, dass es die Mehrzahl ist, besonders der wenig aufgeklärten Massen, und dass die Vorstellung, die man sich darüber macht, wie man in der anderen Welt glücklich wird, und das Festhalten an den irdischen Gütern folglich den Egoismus fördern.


8. Fügen wir dem hinzu, dass alles an den kirchlichen Ritualen dabei mithilft, den Verlust des irdischen Lebens zu bedauern und sich vor dem Übergang von der Erde zum Himmel zu fürchten. Der Tod ist nur von düsteren Trauerfeierlichkeiten umgeben, die mehr Angst als Hoffnung hervorrufen. Wenn man den Tod darstellt, dann ist es immer unter einem abstoßenden Gesichtspunkt und nie in Form eines Schlafes für einen Übergang. All diese Sinnbilder halten die Sicht an der Zerstörung des Körpers wach und zeigen ihn als ein hässliches Skelett. Keines versinnbildlicht die Seele, die sich strahlend von ihren irdischen Banden löst. Der Übergang zu jener glücklicheren Welt ist nur von den Klagen der Überlebenden begleitet, als ob denen, die dahinscheiden, das größte Unglück widerfahren würde. Man sagt ihnen ein ewiges Lebewohl, als ob man sie niemals wiedersehen würde. Was man für sie bedauert, sind die fehlenden Freuden des Lebens auf der Erde, als ob sie keine größeren finden könnten. Was für ein Unglück, sagt man, zu sterben, wenn man jung, reich und glücklich ist und eine glänzende Zukunft vor sich hat! Die Vorstellung eines glücklicheren Lebens kommt ihnen kaum in den Sinn, weil sie dort keine Wurzeln hat. Alles trägt also dazu bei, Angst vor dem Tod einzuflößen, statt Hoffnung aufkeimen zu lassen. Der Mensch wird ohne Zweifel lange brauchen, bis er sich von diesen Vorurteilen frei macht. Aber er wird in dem Maße dahin gelangen, wie sein Glaube stärker wird und er sich eine gesündere Vorstellung vom geistigen Leben machen wird.


9. Der gewöhnliche Glaube versetzt die Seelen außerdem in Bereiche, die dem Gedanken kaum zugänglich sind, wo sie in gewisser Art den Hinterbliebenen fremd werden. Die Kirche selbst setzt zwischen ihnen und letzteren die unüberwindliche Barriere. Sie erklärt, dass alle Beziehungen abgebrochen werden und jegliche weitere Kommunikation unmöglich bleibt. Wenn sie in der Hölle sind, so ist alle Hoffnung für immer verloren, sie je wieder zu sehen, sofern man nicht selbst dorthin gelangt. Wenn sie unter den Auserwählten sind, dann sind sie von ihrer kontemplativen Glückseligkeit völlig in Anspruch genommen. All das baut zwischen den Toten und den Lebenden eine solche Distanz auf, dass man die Trennung als ewig ansieht. Deshalb zieht man es sogar vor, dass man die Menschen, die man liebt, lieber leidend bei sich auf der Erde hat, als sie sterben zu sehen und wären sie dadurch auch im Himmel. Und ist dann die Seele, die im Himmel ist, wirklich glücklich darüber, ihren Sohn, ihren Vater, ihre Mutter oder ihre Freunde auf ewig in der Hölle brennen zu sehen?



Warum Spiritisten den Tod nicht fürchten

10. Die spiritistische Lehre verändert völlig die Art, die Zukunft zu betrachten. Das zukünftige Leben ist keine Vermutung mehr, sondern eine Wirklichkeit, und der Zustand der Seelen nach dem Tod ist keine Lehrmeinung mehr, sondern ein Ergebnis von Beobachtungen. Der Schleier ist abgelegt, die geistige Welt erscheint uns in ihrer ganzen realen Wirklichkeit. Nicht die Menschen haben sie durch die Mühe einer geistreichen Planung und Auffassung entdeckt, sondern die Bewohner jener Welt selbst sind es, die erscheinen und uns ihre Lage beschreiben. Da sehen wir sie auf allen Stufen der geistigen Leiter, in allen Formen des Glücks und des Unglücks. Wir wohnen allen Entwicklungen des Lebens jenseits des Grabes bei. Darin liegt für die Spiritisten die Ursache jener Gelassenheit, mit der sie dem Tod ins Auge blicken, der Gemütsruhe ihrer letzten genossenen Augenblicke auf der Erde. Was sie aufrecht hält, ist nicht nur Hoffnung, das ist die Gewissheit. Sie wissen, dass das zukünftige Leben nur die Fortsetzung des jetzigen unter besseren Bedingungen ist, und sie erwarten es mit derselben Zuversicht, wie sie den Sonnenaufgang nach einer Gewitternacht erwarten. Die Gründe für diese Zuversicht liegen in den Beweisen, derer Zeugen sie sind, und im Einklang dieser Tatsachen mit der Logik, der Gerechtigkeit und der Güte Gottes sowie der innersten Sehnsucht des Menschen.

Für die Spiritisten ist die Seele keine Abstraktion mehr. Sie hat einen ätherischen Körper, der aus ihr ein eigenständiges Wesen macht, das der Gedanke umfasst und begreift. Das ist schon viel, um die Gedanken auf ihre Individualität, ihre Fähigkeiten und Wahrnehmungen zu lenken. Das Andenken an diejenigen, die uns am Herzen liegen, beruht auf etwas Realem. Man stellt sie sich nicht mehr als flüchtige Strahlen vor, die in ihren Gedanken nichts erinnern, sondern mit konkreter Form, die sie uns als lebende Wesen begreifbar macht. Dann sind sie unter uns, anstatt in den Tiefen des Raumes verloren zu sein. Die körperliche und geistige Welt steht in beständigen Wechselbeziehungen und unterstützen einander gegenseitig. Da nun ein Zweifel an der Zukunft nicht mehr begründet ist, hat die Furcht vor dem Tod keinen Grund und keine Daseinsberechtigung mehr. Man sieht ihn gelassen kommen, als eine Befreiung, als die Pforte des Lebens und nicht als die des „Nichts“.




Kapitel III - Der Himmel

1. Das Wort "Himmel” wird im Allgemeinen für den unbegrenzten Raum gebraucht, welcher die Erde umgibt, und im Besonderen für den Teil des Raumes, welcher über unserem Horizont liegt. Es kommt aus dem Lateinischen "coelum", gebildet vom griechischen "koilos", hohl, hohlrund, weil der Himmel den Augen als eine ungeheure runde Höhlung erscheint. Die Alten glaubten an das Dasein mehrerer übereinander gelagerter Himmel, die aus einem festen, durchscheinenden Stoff bestünden und ineinander liegende Kugeln bildeten, deren gemeinsamer Mittelpunkt die Erde sei. Diese sich um die Erde drehenden Kugeln zögen die Gestirne in ihrem Umkreis mit sich fort.

Diese Vorstellung, die aus den unzureichenden astronomischen Kenntnissen herrührte, war die Grundlage aller Götterentstehungslehren, die aus den so aufsteigenden Himmeln die verschiedenen Stufen der Seligkeit machten; der letzte war der Aufenthaltsort der höchsten Glückseligkeit. Nach der gängigsten Meinung gab es deren sieben; daher der Ausdruck: "im siebten Himmel sein", der ein vollkommenes Glück bezeichnen soll. Die Moslems nehmen neun an, mit zunehmender Glückseligkeit der Gläubigen in jedem von ihnen. Der Astronom Ptolemäus (lebte im 2. Jahrhundert n. Chr. in Alexandria, Ägypten) zählte elf; deren letzter "Empyräum" (aus dem griechischen “pür” oder “pyr” für Feuer) hieß, wegen des strahlenden Lichtes, das dort herrscht. Das ist noch heute der dichterische Name für den Ort der ewigen Herrlichkeit. Die christliche Theologie erkennt drei Himmel an. Der erste ist die Region der Luft und der Wolken; der zweite ist der Raum, in dem sich die Gestirne bewegen; der dritte, jenseits der Region der Gestirne, ist die Wohnung des Höchsten, der Aufenthaltsort der Erwählten, welche Gott von Angesicht zu Angesicht schauen. Entsprechend dieser Glaubensvorstellung sagt man, der heilige Paulus sei in den dritten Himmel entrückt worden.


2. Die verschiedenen, den Aufenthalt der Seligen betreffenden Lehren beruhen alle auf dem zweifachen Irrtum, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls und das Gebiet der Sterne begrenzt sei. Jenseits dieser erdachten Grenze haben alle jenen beglückten Aufenthalt und die Wohnung des Allmächtigen hin verlegt. Eine einzigartige Anomalie, die den Urheber aller Dinge, den, der sie alle regiert, an die Grenzen der Schöpfung stellt anstatt in den Mittelpunkt, von dem aus das Ausstrahlen seines Gedankens sich auf alles erstrecken könnte!


3. Die Wissenschaft hat, mit der unerbittlichen Logik der Tatsachen und der Beobachtung, ihre Fackel bis hinein in die Tiefen des Raumes getragen und das Nichts aller dieser Theorien aufgezeigt. Die Erde ist nicht mehr der Mittelpunkt des Weltalls, sondern einer der kleinsten Planeten, die im Weltraum kreisen. Die Sonne selbst ist nur der Mittelpunkt eines Wirbels von Planeten. Die Fixsterne sind zahllose Sonnen, um die zahllose Welten kreisen, getrennt durch Entfernungen, die unserem Denken kaum zugänglich sind, obgleich es uns scheint, als berührten sie einander. In diesem Ganzen, das mittels ewiger Gesetze gelenkt wird, in denen sich die Weisheit und Allmacht des Schöpfers offenbaren, erscheint die Erde nur als ein unmerklicher Punkt und als einer für die Bewohnbarkeit am wenigsten begünstigten. Aus diesem Grund fragt man sich, warum Gott daraus den einzigen Sitz des Lebens gemacht und seine Lieblingsgeschöpfe dorthin verbannt haben sollte. Im Gegenteil, alles verkündet, dass das Leben überall ist, dass die Menschheit unendlich ist wie das Universum. Da die Wissenschaft uns der Erde ähnliche Welten enthüllt, so konnte Gott dieselben nicht zwecklos erschaffen haben; er hat sie mit Wesen bevölkern müssen, die fähig sind, dieselben zu beherrschen.


4. Die Ideen des Menschen stehen im Verhältnis zu dem, was er weiß. Wie alle wichtigen Entdeckungen, so hat die der Anordnung der Welten ihnen einen anderen Kurs geben müssen. Unter der Herrschaft dieser neuen Kenntnisse haben sich die Glaubensvorstellungen wandeln müssen. Der Himmel ist verlegt worden. Die Region der Sterne, unbegrenzt wie sie ist, kann ihnen nicht mehr als solche dienen. Wo ist er? Angesichts dieser Frage bleiben alle Religionen stumm.

Der Spiritismus kommt und löst sie, indem er die wahre Bestimmung des Menschen aufzeigt. Wenn man die Natur dieses letzteren und die Eigenschaften Gottes als Ausgangspunkt nimmt, gelangt man zu Schlüssen; d.h. ausgehend vom Bekannten gelangt man zum Unbekannten durch logische Beweisführung, gar nicht zu reden von den unmittelbaren Beobachtungen, die die Spiritistische Lehre erlaubt.


5. Der Mensch ist aus Körper und Geist zusammengesetzt. Der Geist ist das grundlegende Wesen, Vernunftwesen, intelligente Wesen. Der Körper ist die materielle Hülle, in die der Geist sich zeitweise kleidet, um seine Aufgabe auf Erden zu erfüllen und die für sein Vorwärtskommen nötige Arbeit auszuführen. Der Körper nutzt sich ab und der Geist überlebt diese Zerstörung. Ohne den Geist ist der Körper nur eine träge Materie, wie ein Werkzeug, dem der Arm beraubt ist, der es in Tätigkeit setzt. Ohne den Körper ist der Geist alles: Leben und Intelligenz, der Träger und Ursache von beiden. Beim Verlassen des Körpers kehrt er in die spirituelle Welt zurück, von der er ausgegangen war, um sich zu inkarnieren.

Es gibt also eine körperliche Welt, die sich zusammensetzt aus inkarnierten Geistern, und eine spirituelle Welt, gebildet aus desinkarnierten Geistern. Die Wesen der körperlichen Welt sind, eben durch das Bestehen ihrer materiellen Hülle, an die Erde oder an irgendeine Weltkugel gebunden. Die Geisterwelt ist überall, um uns herum und im Raum; ihr ist keine Grenze zugewiesen. Entsprechend der fluidischen Natur ihrer Hülle durchschreiten die Wesen, die sie bilden, statt sich mühsam über den Boden zu schleppen, mit der Schnelligkeit des Gedankens die Entfernungen. Der Tod des Körpers ist der Bruch der Bande, die die Wesen gefangen hielten.


6. Die Geister sind einfach und unwissend erschaffen, aber mit der Fähigkeit, alles zu erwerben und fortzuschreiten, Kraft ihres freien Willens. Durch den Fortschritt erlangen sie neue Kenntnisse, Fähigkeiten und Wahrnehmungen und infolgedessen neue Freuden, die den niederen Geistern unbekannt sind. Sie sehen, hören, fühlen und begreifen das, was die zurückgebliebenen Geister weder sehen noch hören, fühlen oder begreifen können. Das Glück entspricht dem erzielten Fortschritt, so dass von zwei Geistern der eine nicht ebenso glücklich sein kann, wie der andere, einzig darum, weil er nicht ebenso geistig und moralisch vorangeschritten ist, ohne dass jeder an einem anderen Ort sein müsste. Obwohl sie an der Seite des anderen stehen, kann der eine in Finsternis sein, während um den anderen alles in strahlendem Glanze steht, ganz wie bei einem Blinden und einem Sehenden, die einander die Hand reichen. Der eine nimmt das Licht wahr, das auf seinen Nachbarn keinerlei Eindruck macht. Da das Glück der Geister den Eigenschaften innewohnt, die sie besitzen, so schöpfen sie es überall, wo sie es finden, auf der Oberfläche der Erde, inmitten der Inkarnierten oder im Raum.

Ein gewöhnlicher Vergleich wird diese Situation noch verständlicher machen. Wenn sich in einem Konzert zwei Menschen finden, der eine ein guter Musiker mit geübtem Ohr, der andere ohne Kenntnis der Musik und mit einem wenig feinfühligen Gehörsinn, so empfindet ersterer ein Gefühl von Glück, während der zweite unempfindlich bleibt, weil der eine erfasst und begreift, was auf den anderen keinerlei Eindruck macht. So verhält es sich mit allen Freuden der Geister; sie stehen im Verhältnis zu der Fähigkeit, diese zu empfinden. Die spirituelle Welt besitzt überall einen Strahlenglanz, Harmonien und Empfindungen, die niedere Geister, noch dem Einfluss der Materie unterworfen, kaum entfernt wahrnehmen und die nur den gereinigten Geistern zugänglich sind.


7. Der Fortschritt bei den Geistern ist die Frucht ihrer eigenen Arbeit; aber da sie frei sind, arbeiten sie an ihrem Fortschritt mit mehr oder weniger Aktivität oder Nachlässigkeit, je nach ihrem Willen. Sie beschleunigen oder verzögern so ihren Fortschritt und folglich ihr Glück. Während die einen rasch voranschreiten, verharren andere lange Jahrhunderte hindurch in den niederen Reihen. Sie sind also die eigentlichen Verursacher ihrer glücklichen oder unglücklichen Lage, entsprechend dem Wort Christi: "Jedem nach seinen Werken." Jeder Geist, der zurückbleibt, kann sich deshalb nur selbst die Schuld geben, so wie der, der voranschreitet, den ganzen Verdienst hat. Das Glück, das er erlangt hat, hat nur umso mehr Wert in seinen Augen.

Das höchste Glück ist nur das Erbteil der vollkommenen Geister, mit anderen Worten der reinen Geister. Sie erreichen dieses nur, wenn sie an Intelligenz und Moral fortgeschritten sind. Intellektueller und moralischer Fortschritt gehen selten nebeneinander. Aber was der Geist nicht in einer Zeit tut, das tut er in einer anderen, so dass die beiden Fortschritte mit Erreichen derselben Ebene enden. Das ist der Grund, weshalb man oft intelligente und gebildete Menschen sieht, die in moralischer Hinsicht sehr wenig vorwärtsgekommen sind, und umgekehrt.


8. Die Inkarnation ist notwendig für den doppelten, also den moralischen und den intellektuellen Fortschritt des Geistes: Für den intellektuellen Fortschritt durch die Tätigkeit, zu deren Entfaltung er bei der Arbeit gezwungen ist; zum moralischen Fortschritt, weil die Menschen einander brauchen. Das gesellschaftliche Leben ist der Prüfstein für die guten und die schlechten Eigenschaften. Güte, Bosheit, Sanftmut, Gewalttätigkeit, Wohlwollen, barmherzige Liebe, Egoismus, Geiz, Hochmut, Demut, Aufrichtigkeit, Stolz, Treulosigkeit, Heuchelei, mit einem Wort alles, was den guten oder den verdorbenen Menschen ausmacht, hat als Beweggrund, als Zweck und als Ansporn die Beziehungen des Menschen zu seinesgleichen. Für den Menschen, der allein leben würde, gäbe es weder Laster noch Tugenden. Wenn er sich durch Isolation vor dem Bösen schützt, vernichtet er das Gute.


9. Eine einzige körperliche Existenz ist offenbar unzureichend dafür, dass der Geist all das erwerben kann, was ihm an Gutem noch fehlt, und sich von allem befreien, was noch Schlechtes in ihm ist. Könnte z.B. der Urmensch in einer einzigen Inkarnation die moralische und intellektuelle Bildungsstufe der fortgeschrittensten Zivilisation erreichen? Das ist sachlich unmöglich. Soll er also ewig in Unwissenheit und Rohheit verbleiben, der Freuden beraubt, die nur die Entwicklung der Fähigkeiten verschaffen kann? Der einfache, gesunde Menschenverstand weist eine solche Annahme ab. Sie würde zugleich die Verneinung der Gerechtigkeit und der Güte Gottes sein als auch des Fortschrittsgesetzes für alle Wesen. Darum eben bewilligt Gott, der im höchsten Maße gerecht und gut ist, dem Geist des Menschen so viele Existenzen, wie zum Erlangen des Zieles, das die Vollkommenheit ist, notwendig sind.

In jeder neuen Existenz bringt der Geist mit, was er in der vorhergehenden an Fähigkeiten, an Kenntnissen, innerer Anschauung, an Intelligenz und Moral erworben hat. Jede Existenz ist daher ein Schritt nach vorn auf dem Wege des Fortschritts. (Siehe Kap. 1, Nr. 3.)

Die Inkarnation resultiert aus der Niedrigkeit der Geister; sie ist für die nicht mehr notwendig, die deren Grenze überschritten haben und im geistigen Zustand fortschreiten oder in den körperlichen Existenzen der höheren Welten stehen, die von irdischer Materie nichts mehr an sich tragen. Von ihrer Seite ist sie freiwillig und geschieht in der Absicht, auf die Inkarnierten eine unmittelbarere Wirkung auszuüben, um ihre Mission zu erfüllen, mit der sie betraut worden sind. Sie nehmen die damit verbundenen Wechselfälle und Leiden mit Hingabe auf sich.


10. In den Zeiten zwischen den körperlichen Existenzen kehrt der Geist eine mehr oder weniger lange Zeit in die geistige Welt zurück, in der er glücklich oder unglücklich ist, je nach dem Guten oder dem Bösen, das er getan hat. Der geistige Zustand ist der normale Zustand des Geistes, weil das ja sein endgültiger sein soll und weil der spirituelle Körper nicht stirbt. Der körperliche Zustand ist nur vorübergehend und vergänglich. Vor allem im geistigen Zustand sammelt er die Früchte des Fortschritts, den er durch seine Arbeit in der Inkarnation vollbracht hat. Da bereitet er sich auch auf neue Kämpfe vor und fasst die Entschlüsse, um deren Ausführung er sich bei seiner Rückkehr in das Menschendasein bemüht.

Der Geist schreitet auch während des Herumwanderns fort. Er schöpft da neue Kenntnisse, die er auf Erden nicht erwerben konnte. Seine Begriffe modifizieren sich dort. Der körperliche und der geistige Zustand sind für ihn die Quelle zweier Arten von Fortschritt, die unauflöslich zusammengehören, deshalb geht er abwechselnd durch diese beiden Formen der Existenz.


11. Die Reinkarnation kann auf Erden oder in anderen Welten stattfinden. Unter den Welten gibt es solche, die weiter fortgeschritten sind als die anderen und wo das Dasein sich unter weniger schmerzvollen Bedingungen vollzieht als auf der Erde und zwar physisch wie moralisch; wo aber nur solche Geister Zutritt finden, die auf einer Stufe der Vollkommenheit angelangt sind, die dem Zustand dieser Welten entsprechen.

Das Leben in den höheren Welten ist an sich schon eine Belohnung, denn man ist dort frei von den Leiden und Wechselfällen, denen man hier auf Erden ausgesetzt ist. Die weniger grobstofflichen, beinahe fluidischen Körper sind dort weder Krankheiten noch Gebrechen noch denselben Bedürfnissen unterworfen. Da die niederen Geister davon ausgeschlossen sind, leben die Menschen dort in Frieden, ohne jede Sorge, außer der, durch die Arbeit der Intelligenz fortzuschreiten. Da herrscht die wahre Brüderlichkeit, weil es keine Selbstsucht gibt, die wahre Gleichheit, weil es keinen Hochmut gibt, die wahre Freiheit, weil es keine Unordnungen zu beseitigen gibt, keine Ehrgeizigen, die versuchen, den Schwachen zu unterdrücken. Verglichen mit der Erde sind diese Welten wahre Paradiese; sie sind die Etappen des Weges des Fortschritts, der zum endgültigen Zustand führt. Da die Erde eine niedere Welt ist, bestimmt zur Reinigung unvollkommener Geister, so ist dies die Ursache dafür, dass darauf das Böse herrscht, bis es Gott gefällt, aus ihr einen Wohnort für weiter fortgeschrittene Geister zu machen.

Auf diese Weise schreitet der Geist stufenweise fort, in dem Maße, wie er sich entwickelt und auf den Höhepunkt der Glückseligkeit gelangt. Aber ehe er den Gipfel der Vollkommenheit erreicht hat, genießt er ein Glück im Verhältnis zu seinem Fortschritt. So wie das Kind die Freuden der Kindheit, später die der Jugend und endlich die beständigeren des reifen Alters genießt.


12. Der Glückszustand der seligen Geister besteht nicht in einem beschaulichen Müßiggang, der, wie schon oft gesagt wurde, eine ewige und Überdruss erregende Nutzlosigkeit wäre. Das geistige Leben ist auf allen seinen Stufen im Gegenteil eine beständige Tätigkeit, aber eine ohne Ermüdung. Das höchste Glück besteht:

— im Genuss von der Herrlichkeit der Schöpfung, die keine menschliche Sprache wiederzugeben vermag und die fruchtbarste Fantasie nicht zu fassen vermag;

— in der Kenntnis und Durchdringung aller Dinge;

— in der Abwesenheit körperlicher und moralischer Schmerzen;

— in einer inneren Zufriedenheit einer durch nichts getrübten Heiterkeit der Seele;

— in einer reinen Liebe, die alle Wesen vereint, infolge der Abwesenheit all der aus der Berührung mit dem Bösen sich ergebenden verletzenden Reibungen;

— und über allem in der Sicht Gottes und dem Begreifen seiner den Würdigsten enthüllten Geheimnisse.

Seligkeit liegt ferner in den Funktionen, über die man sich glücklich schätzt, weil sie uns anvertraut werden. Die reinen Geister sind die Messiasse oder Boten Gottes, für die Überbringung und Ausführung seines Willens; sie erfüllen die großen Aufgaben, sie leiten die Bildung der Welten und die allgemeine Harmonie des Weltalls, eine ruhmreiche Aufgabe, zu der man nur durch Vollkommenheit gelangt. Die Geister höchster Ordnung sind als einzige in alle Geheimnisse Gottes eingeweiht, inspiriert von seinen Gedanken, deren unmittelbare Vertreter sie sind.


13. Die Befugnisse und Beauftragungen der Geister sind angepasst an ihren Fortschritt, den Einsichten, die sie besitzen, ihren Fähigkeiten, ihrer Erfahrung und dem Maße des Vertrauens, das sie Gott, dem Herrn, entgegenbringen. Da gibt es kein Privileg, keine Vergünstigung, die nicht der Preis des Verdienstes wären: Alles wird nach dem Gewicht der strengen Gerechtigkeit bemessen. Die wichtigsten Aufgaben werden nur denen anvertraut, die Gott für geeignet hält, sie zu erfüllen, und unfähig, darin zu fehlen oder sie zu gefährden. Während, unter den Augen Gottes selbst, die Würdigsten den obersten Rat bilden, ist höheren Vorgesetzten die Leitung der Planetenwirbel, der Planetensysteme, übertragen, anderen die Leitung besonderer Welten zugewiesen. Danach folgen, in der Ordnung des Fortschritts und der hierarchischen Unterordnung, die beschränkten Befugnisse derer, die dem Marsch der Völker, dem Schutz der Familien und der Individuen, dem Antrieb für jeden Zweig des Fortschritts vorgesetzt sind, von den verschiedenen Vorgängen der Natur bis zu den kleinsten Elementen der Schöpfung. In diesem weiten und harmonischen Ganzen finden sich Beschäftigungen für alle Fähigkeiten, für alle Eigenschaften, alle Arten von gutem Willen. Beschäftigungen, die mit Freuden angenommen und mit Eifer erbeten werden, weil sie ein Mittel zum Vorwärtskommen für solche Geister sind, die sich erheben möchten.


14. Neben den Missionen, die den höheren Geistern anvertraut sind, gibt es solche von allen Stufen der Wichtigkeit, die den Geistern aller Ordnungen übertragen werden. Daher kann man sagen, dass jeder Inkarnierte seine eigene hat, das heißt Pflichten für das Wohl seiner Mitmenschen zu erfüllen, vom Familienvater, dem die Sorge für den Fortschritt seiner Kinder obliegt – bis zum Genie, das neue Elemente des Fortschritts in die Gesellschaft einbringt. In diesen Aufgaben zweiten Ranges begegnet man häufig Versäumnissen, Pflichtverletzungen und Abkehr, die aber nur dem Einzelnen und nicht dem großen Ganzen schaden.


15. Alle Geistwesen wirken also am großen Gesamtwerk mit, auf welcher Stufe sie auch angelangt sein mögen und jedes entsprechend seiner Kräfte; die einen als Inkarnierte, die anderen als Geistwesen. Überall Tätigkeit, von der untersten bis zur obersten Stufe der Leiter; alle unterrichten sich, helfen einander, unterstützen sich gegenseitig und reichen einander die Hand, um den Gipfel zu erreichen.

So entsteht Solidarität zwischen der geistigen und der körperlichen Welt, mit anderen Worten, zwischen den Menschen und den Geistern, zwischen den freien und den gefangenen Geistern. So gewinnen, durch Läuterung und Beharrlichkeit der Beziehungen, die wahrhafte Teilnahme und die heiligen Zuneigungen Dauer und Festigkeit.

Überall ist also Leben und Bewegung; nicht ein Winkel in der Unendlichkeit, der nicht bevölkert ist; nicht ein Gebiet, das nicht unaufhörlich von zahllosen Scharen strahlender Wesen durchlaufen wird, unsichtbar für die groben Sinne der Inkarnierten, deren Anblick aber die Bewunderung und Freude der von der Materie befreiten Seelen mitreißt. Überall gibt es ein verhältnismäßiges Glück für alle Arten von Fortschritt, für alle erfüllten Pflichten. Jeder trägt die Keime zu seinem Glück in sich, entsprechend der Stufe, auf die sein Fortschritt ihn stellt.

Das Glück ist von den eigenen Befähigungen der einzelnen und nicht vom äußeren Zustand der Umgebung abhängig, in der sie sich befinden. Daher gibt es überall Geister, die fähig sind, glücklich zu sein. Ihnen ist kein begrenzter Raum im Universum zugewiesen. An welchem Ort sie sich auch befinden, die reinen Geister können die göttliche Hoheit und Größe betrachten, weil Gott überall ist.


16. Das Glück ist jedoch nicht persönlich; wenn man es nur aus sich selbst schöpfen würde, wenn man andere nicht daran teilnehmen lassen würde, so wäre es ein egoistisches und trauriges; es besteht auch in einer Gemeinschaft der Gedanken, die die sympathischen Wesen vereint. Die glücklichen Geister, die durch die Ähnlichkeit der Vorstellungen, des Geschmacks und der Gefühle voneinander angezogen werden, bilden ausgedehnte gleichartige Gruppen oder Familien, in denen jede Individualität ihre eigenen Qualitäten ausstrahlt und von reinen und wohltuenden Fluiden durchdrungen wird, die aus dem Ganzen kommen. Die Mitglieder, die zerstreut sind, um ihrer Aufgabe nachzugehen, kommen manchmal an einem beliebigen Punkt des Raumes zusammen, um einander das Ergebnis ihrer Arbeiten mitzuteilen.

Manchmal versammeln sie sich auch um einen Geist höherer Ordnung, um seine Ratschläge und Weisungen zu empfangen.


17. Auch wenn die Geister überall sind, so sind doch die sichtbaren Welten die Brennpunkte, wo sie sich vorzugsweise versammeln, entsprechend der Ähnlichkeit, die zwischen ihnen und deren Bewohnern besteht. Rings um die fortgeschrittenen Welten schweben unzählige höhere Geister. Rings um die zurückgebliebenen Welten wimmelt es von niederen Geistern. Die Erde ist noch eine von den letzteren. Jeder Weltkörper hat also in irgendeiner Weise seine eigene Bevölkerung an inkarnierten und nicht inkarnierten Geistern, die sich zum größeren Teil durch die Inkarnation und Desinkarnation derselben Geister ergänzt. Diese Bevölkerung ist gleichbleibender in den niederen Welten, wo die Geister mehr der Materie verhaftet sind und unbeständiger in den höheren Welten. Aber von diesen Welten, Orten des Lichts und des Glücks, lösen sich Geister los und gehen zu den niederen Welten, um dort die Keime des Fortschritts zu pflanzen, Trost und Hoffnung zu bringen, den durch die Schwierigkeiten des Lebens gesunkenen Mut zu erneuern und manchmal inkarnieren sie dort, um ihre Aufgabe wirksamer zu erfüllen.


18. In dieser grenzenlosen Unermesslichkeit – wo ist da der Himmel? Er ist überall, keine Umzäunung setzt ihm Grenzen. Die glücklichen Welten sind die letzten Stationen, die zu ihm führen. Die Tugenden bahnen den Weg dahin, die Laster verhindern den Zugang.

Neben diesem großartigen Bild, das alle Winkel des Universums bevölkert, das allen Gegenständen der Schöpfung einen Zweck und eine Berechtigung gibt, wie klein und unvollkommen ist da die Lehre, die die Menschheit auf einen winzigen Punkt des Raumes beschränkt, die uns diese zu einem bestimmten Augenblick beginnend zeigt, um in derselben Weise eines Tages mit der Welt zu enden, von der sie getragen wird und nur einen Moment in der Ewigkeit zu umfassen! Wie traurig, kalt und eisig ist sie, diese Lehre, wenn sie uns den übrigen Teil des Universums vor, während und nach dem irdischen Menschendasein als ohne Leben, ohne Bewegung zeigt, eine ungeheure, in Schweigen versunkene Wüste! Wie trostlos ist sie durch die Darstellung, die sie von der kleinen Zahl der Erwählten gibt, die sich einer beständigen Beschaulichkeit hingeben, während die Mehrheit der Geschöpfe zu endlosen Qualen verdammt ist! Wie grausam ist sie für liebende Herzen durch die Schranke, die sie zwischen Toten und Lebenden aufrichtet! Die glücklichen Seelen, sagt man, denken nur an ihr Glück; die, die unglücklich sind, an ihre Schmerzen. Ist es verwunderlich, dass der Egoismus auf der Erde herrscht, wenn man sie so im Himmel zeigt? Wie beschränkt ist die Vorstellung, die sie von der Größe, der Macht und der Güte Gottes gibt!

Wie erhaben ist dagegen der Begriff, den uns die spiritistische Lehre davon gibt! Wie sehr vergrößert ihre Lehre die Vorstellungen und erweitert die Gedanken! Aber wer sagt uns, dass sie wahr sei? Zuerst die Vernunft, danach die Offenbarung und dann ihre Übereinstimmung mit dem Fortschritt der Wissenschaft. Zwischen zwei Lehren, von denen die eine die Eigenschaften Gottes verringert und die andere ausdehnt, von denen die eine im Zwiespalt und die andere im Einklang mit dem Fortschritt steht, von denen die eine zurückbleibt und die andere vorwärtsschreitet, sagt uns der gesunde Menschenverstand auf welcher Seite die Wahrheit ist. Möge angesichts dieser beiden jeder vor seinem Innersten seine sehnsüchtigen Erwartungen fragen, und eine innere Stimme wird ihm antworten. Die sehnsüchtigen Erwartungen sind die Stimme Gottes, der die Menschen nicht täuschen kann.


19. Aber warum hat dann Gott ihnen nicht von Anfang an, gleich von vornherein, die ganze Wahrheit offenbart? Aus demselben Grund, aus dem man dem Kindesalter nicht lehrt, was man dem reifen Alter lehrt. Eine beschränkte Offenbarung war für eine gewisse Zeit ausreichend in der Geschichte der Menschheit: Gott passt alles den Kräften des Geistes an. Diejenigen, die heute eine vollständigere Offenbarung empfangen, sind dieselben Geister, die sie teilweise schon zu anderen Zeiten empfangen haben, seit jener Zeit aber an Einsicht zugenommen haben.

Ehe die Wissenschaft den Menschen die lebendigen Kräfte der Natur, die Anordnung der Sterne, die wahre Bildung und Entwicklung der Erde enthüllt hatte, würden sie da die Unendlichkeit des Raumes, die Vielzahl der Welten begriffen haben? Ehe die Geologie die Gestaltung der Erde nachgewiesen hatte, hätten sie da die Hölle aus ihrem Schoße verlegen und die sinnbildliche Bedeutung der sechs Tage des Schöpfungswerkes begreifen können? Ehe die Astronomie die Gesetze, die das Universum beherrschen, entdeckt hatte, hätten sie begreifen können, dass es weder ein Oben noch ein Unten im Raum gibt, dass der Himmel nicht oberhalb der Wolken, noch von den Fixsternen begrenzt ist? Vor den Fortschritten der Psychologie hätten sie sich mit dem geistigen Leben vertraut machen können; ein nach dem Tode kommendes glückliches oder unglückliches Leben fassen können, anders als an einem begrenzten Ort und in einer materiellen Form? Nein; weil sie mehr durch die Sinne, als durch das Denken begreifen, hätten sie das Weltall für ihr Gehirn zu weit gefunden; man musste es auf weniger ausgedehnte Maße verringern, um es in ihren Gesichtskreis zu rücken, unter Vorbehalt, es später auszudehnen. Eine Teiloffenbarung hatte ihren Nutzen; sie war damals weise, aber heutzutage ungenügend. Das Unrecht ist bei denen, die glauben, den Fortschritt der Ideen ignorieren zu können, reife Menschen am Gängelband der Kindheit lenken zu können. (Siehe: "Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus" Kap. 3.)



Kapitel IV - Die Hölle

1. Zu allen Zeiten hat der Mensch intuitiv geglaubt, dass das zukünftige Leben glücklich oder unglücklich sein müsse, je nachdem, ob man auf Erden Gutes oder Böses tut. Nur steht die Vorstellung, die er sich davon macht, im Verhältnis zur Entwicklung seines moralischen Sinnes und den mehr oder weniger richtigen Vorstellungen, die er vom Guten und Bösen hat. Strafen und Belohnungen sind das Spiegelbild seiner vorherrschenden Neigungen. So setzen kriegerische Völker ihr höchstes Glück in die durch Tapferkeit erworbenen Ehren; die Jägervölker in den Überfluss von Wild und sinnliche Völker in das Vergnügen an Sinnesfreuden. Solange der Mensch von der Materie beherrscht wird, kann er die Spiritualität nur unvollkommen begreifen. Darum macht er sich von den zukünftigen Strafen und Freuden ein eher materielles als geistiges Bild. Er stellt sich vor, man müsse in der anderen Welt essen und trinken, jedoch besser als auf Erden und bessere Sachen. (Ein kleiner Junge aus Savoyen, dessen Pfarrer ein verführerisches Bild vom zukünftigen Leben entwarf, fragte ihn, ob dort jeder Weißbrot esse wie in Paris.) Später findet man in den die Zukunft betreffenden Glaubensansichten eine Mischung aus Spiritualität und Materialität. So stellt der Mensch neben die beschauliche Glückseligkeit eine Hölle mit körperlichen Qualen.


2. Da er nur das begreifen konnte, was er sah, hat sich der Urmensch seine Zukunft entsprechend der Gegenwart vorgestellt. Um andere Urbilder zu begreifen als diejenigen, die er vor Augen hatte, bedurfte er einer geistigen Entwicklung, die sich nur mit der Zeit entfalten sollte. Auch ist das Bild, das er sich von den Strafen des zukünftigen Lebens machte, nur das Spiegelbild der Leiden der Menschheit, jedoch in einem größeren Ausmaß. Er hat dort alle Leiden, Qualen und Kümmernisse vereint, denen er auf Erden begegnete. So geschah es, dass er sich in den heißen Landschaften eine Feuerhölle und in den nördlichen Gegenden eine Eishölle vorgestellt hat. Weil der Verstand, der ihn später die geistige Welt begreifen lassen sollte, noch nicht entwickelt war, konnte er nur körperliche Strafen begreifen. Daher gleichen sich auch, von einigen formalen Unterschieden abgesehen, die Vorstellungen über die Hölle in allen Religionen.



3. Die Hölle der Heiden, von den Dichtern dargestellt und dramatisiert, war das großartigste Beispiel dieser Art. Sie hat in der Hölle der Christen fortbestanden, die auch ihrerseits ihre dichterischen Sänger hatte. Wenn man beide vergleicht, so finden sich, bis auf die Namen und einige Abweichungen in den Einzelheiten, zahlreiche Parallelen. In beiden ist materielles Feuer die Grundlage der Qualen, weil es das Sinnbild der schwersten Leiden ist. Aber, wie sonderbar, die Christen haben in vielen Punkten die Hölle der Heiden überboten. Wenn diese letztgenannten in ihrer das Fass der Danaiden hatten, das Rad des Ixion, den Felsblock des Sisyphos, so waren das vereinzelte Strafen. Die christliche Hölle hat für alle Bestraften ihre siedenden Kessel, deren Deckel die Engel öffnen, um die Verrenkungen der Verdammten zu sehen (Predigt, gehalten in Montpellier, im Jahre 1860). Gott hört ihre Seufzer ohne Mitleid und in alle Ewigkeit. Niemals haben die Heiden die Bewohner der Elysischen Felder (Insel der Glückseligen), als sich an den Strafen des Tartarus (Ort der Verdammten) erfreuend beschrieben. („Die Seligen werden, ohne den Platz zu verlassen, den sie innehaben, dennoch in einer gewissen Weise hinausgehen, aufgrund der ihnen verliehenen Weisheit und Abgrenzung, um die Qualen der Verdammten zu betrachten. Und indem sie dies tun, werden sie nicht nur keinerlei Schmerz empfinden, sondern vielmehr von Freude überwältigt werden. Und sie werden Gott für ihr eigenes Glück danken, während sie die unsagbaren Klagen der Gottlosen miterleben.” Der heilige Thomas von Aquin.)


4. Wie die Heiden, so haben auch die Christen ihren König der Hölle, den sie Satan nennen. Der Unterschied ist, dass Pluto sich darauf beschränkte, das finstere Reich zu beherrschen, das ihm als Erbteil zugefallen war; aber er war nicht böse. Er behielt diejenigen bei sich, die Böses getan hatten, weil das seine Aufgabe war. Aber er versuchte keineswegs, die Menschen zum Bösen zu verführen, um sich das Vergnügen zu gönnen, sie leiden zu lassen. Dagegen bemüht sich Satan überall um Opfer, die er dann mit Wohlgefallen von seinen Scharen von Teufeln foltern lässt. Diese sind mit Heugabeln bewaffnet, um Erstere im Feuer hin und her zu werfen. Man hat sogar ernsthaft über die Art dieses Feuers verhandelt, welches die Verdammten ununterbrochen verbrennt, ohne sie jemals zu verzehren. Man hat sich gefragt, ob es ein Feuer aus Erdharz sei (Predigt, gehalten in Paris, im Jahre 1861). Die (sogenannte) christliche Hölle steht also in nichts hinter der heidnischen zurück.


5. Dieselben Erwägungen, die die Alten dazu befähigten, den Aufenthalt der Glückseligkeit zu lokalisieren, hatten auch dazu geführt, den Ort der Bestrafungen einzugrenzen. Die Menschen hatten den ersten in die höheren Regionen verlegt und so war es naheliegend, den anderen an die unteren Orte zu verlegen, d.h. in den Mittelpunkt der Erde; von diesem glaubte man, dass dort gewisse finstere Höhlen von schrecklichem Aussehen als Eingang dienten. Dorthin haben auch die Christen lange Zeit den Aufenthaltsort der Verdammten verlegt. Beachten wir diesbezüglich noch eine andere Ähnlichkeit!

Die Hölle der Heiden umfasste einerseits die Elysischen Felder und andererseits den Tartarus. Der Olymp, der Wohnsitz der Götter und der vergöttlichten Menschen lag in den höheren Regionen. Nach der Schrift des Evangeliums stieg Jesus in die Hölle hinab, d.h. in die unteren Orte, um daraus die Seelen der Gerechten hervorzuholen, die seine Ankunft erwarteten. Die Hölle war also nicht einzig und allein ein Ort der Strafe; wie auch bei den Heiden lag sie an den unteren Orten. Ebenso wie der Olymp lag die Wohnung der Engel und der Heiligen an erhabenen Orten. Man hatte ihn jenseits des Fixsternhimmels verlegt, den man für begrenzt hielt.



7. Durch die Lokalisierung des Himmels und der Hölle sind die christlichen Glaubensrichtungen dazu veranlasst worden, für die Seelen nur zwei extreme Situationen zuzulassen: das vollkommene Glück und das uneingeschränkte Leiden. Das Fegefeuer, der Reinigungsort, ist nur eine kurzzeitige Übergangssituation, bei deren Verlassen sie ohne Übergang in den Wohnsitz der Seligen eintreten. Gemäß dem Glauben an das endgültige Los der Seele nach dem Tod könnte es nicht anders sein. Wenn es nur zwei Aufenthaltsorte gibt, den der Erwählten und den der Verstoßenen, so kann man nicht in jedem mehrere Stufen zulassen, ohne die Möglichkeit ihrer Überschreitung und infolgedessen den Fortschritt zuzulassen. Wenn es nun aber Fortschritt gibt, so gibt es kein endgültiges Schicksal. Wenn es ein endgültiges Schicksal gibt, so gibt es keinen Fortschritt. Jesus löst die Frage, indem er sagt: “In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen" (“Evangelium aus der Sicht des Spiritismus", Kap. 3).



8. Es ist wahr, dass die Kirche in bestimmten Fällen eine besondere Ansicht zulässt. Die in jungen Jahren verstorbenen Kinder können, da sie nichts Böses getan haben, nicht zum ewigen Feuer verdammt werden; weil sie aber auch nichts Gutes getan haben, haben sie kein Recht auf das höchste Glück. Sie sind dann, so sagt man, in der Vorhölle, in einer gemischten Situation, die niemals genau bestimmt oder bezeichnet worden ist, in der sie, obwohl sie nicht leiden, keineswegs ein vollkommenes Glück genießen. Da jedoch ihr Los unwiderruflich festgelegt ist, so sind sie dieses Glücks auf ewig beraubt. Auch wenn es nicht von ihnen abhing, dass es genauso ist, kommt dieser Entzug einer unverdienten, ewigen Strafe gleich. Ebenso verhält es sich mit den Urmenschen. Da sie die Gnade der Taufe und die Erleuchtung des Glaubens nicht empfangen haben, sündigten sie aus Unwissenheit. Und weil sie sich ihren natürlichen Trieben überließen, können sie weder die Schuld noch die Verdienste derer haben, die in Kenntnis der Sache handeln können. Die einfache Logik weist eine solche Lehre im Namen der Gerechtigkeit Gottes zurück. Die Gerechtigkeit Gottes zeigt sich in jener Aussage von Jesus: “Einem jeden nach seinen Werken.” Aber man muss diesen hinsichtlich der guten oder schlechten Werke verstehen, die man frei und willentlich vollbringt, den einzigen, deren Verantwortung man auf sich nimmt, was weder beim Kind der Fall ist noch beim Urmenschen oder bei dem, von dem es nicht abhing, erleuchtet zu werden.



9. Wir kennen die heidnische Hölle kaum anders als durch die Beschreibung der Dichter. Homer und Virgil haben davon die vollständigste Beschreibung gegeben. Aber man muss berücksichtigen, welchen Zwang die Dichtung der Form auferlegt. Diejenige von Fénelon hat in seinem “Telemach" die deutlichere Einfachheit der Prosa, obwohl sie in Bezug auf die grundlegenden Glaubensansichten aus derselben Quelle stammt. Indem er den traurigen Anblick der Orte beschreibt, bemüht er sich vor allem, jene Art von Leiden hervorzuheben, welche die Schuldigen ertragen. Und wenn er sich eingehend über das Los der schlechten Könige äußert, dann vor allem im Hinblick auf die Erziehung seines königlichen Schülers. Wie volkstümlich sein Werk auch sei, so haben viele Leute zweifellos diese Beschreibung gegenwärtig nicht genügend im Gedächtnis oder sie haben vielleicht nicht genug darüber nachgedacht, um einen Vergleich anzustellen. Darum halten wir es für nützlich, jene Teile davon darzustellen, die einen unmittelbaren Bezug zu dem Thema haben, das uns beschäftigt, nämlich diejenigen, die insbesondere die individuelle Strafe betreffen.


10. Beim Eintritt hört Telemach die Seufzer eines Schattens, der sich nicht trösten konnte. “Was ist denn euer Unglück?”, sprach er zu ihm. “Wer wart ihr auf der Erde?” “Ich war,” gab ihm dieser Schatten zur Antwort, “Nabopharzan, König des stolzen Babylons; alle Völker des Ostens zitterten beim bloßen Klang meines Namens. Ich ließ mich von den BabyIoniern in einem Marmortempel anbeten, wo ich in einer goldenen Statue dargestellt war, vor der man Tag und Nacht die kostbaren Räucherstoffe Äthiopiens verbrannte. Nie wagte mir jemand zu widersprechen, ohne dass er sogleich bestraft worden wäre. Man erfand jeden Tag neue Vergnügungen, um mir das Leben vergnüglicher zu machen. Ich war noch jung und stark. Oh, welche Annehmlichkeiten blieben mir nicht auf dem Throne noch zu kosten! Aber eine Frau, die ich liebte und die mich nicht liebte, hat mich allerdings fühlen lassen, dass ich nicht Gott sei. Sie hat mich vergiftet; ich bin nichts mehr. Man hat meine Asche gestern prachtvoll in eine goldene Urne gelegt, hat geweint und sich die Haare ausgerissen. Man hat getan, als wolle man sich in die Flammen des Scheiterhaufens stürzen, um mit mir zu sterben. Man wird noch seufzen am Fuße des stolzen Grabmals, in das man meine Asche gesetzt hat. Aber niemand betrauert mich; mein Andenken erregt sogar in meiner Familie Schrecken und hier erleide ich bereits eine entsetzliche Behandlung.”

Gerührt von diesem Schauspiel sprach Telemach zu ihm: “Wart ihr während eurer Herrschaft tatsächlich glücklich? Habt ihr jenen süßen Frieden gefühlt, ohne den das Herz inmitten des Vergnügens immer bedrückt und welk bleibt?” “Nein”, antwortete der Babylonier, “ich weiß nicht einmal, was ihr sagen wollt. Die Weisen rühmen diesen Frieden als das einzige Gut: was mich betrifft, habe ich ihn nie empfunden; mein Herz war unaufhörlich hin und her getrieben von neuen Wünschen, von Furcht und Hoffnung. Ich versuchte mich durch die Erschütterung, die von meinen Leidenschaften kam, selbst zu betäuben. Ich bemühte mich, diesen Zustand ständig aufrechtzuerhalten; die geringste Zeitspanne ruhiger Vernunft wäre mir zu bitter gewesen. Das ist der Frieden, den ich genossen habe. Jeder andere erscheint mir als Märchen, als Traum; das sind die Güter, deren Verlust ich beklage.”

Wie er so sprach, weinte der Babylonier wie ein Feigling, der durch die Annehmlichkeiten des Lebens verweichlicht worden ist und nicht daran gewöhnt ist, ein Unglück standhaft zu ertragen. Er hatte einige Sklaven bei sich, die man hatte sterben lassen, um seine Bestattung zu ehren. Merkur, der Götterbote, hatte sie mit ihrem König dem Charon, dem Fährmann der Unterwelt, überliefert und ihnen eine unumschränkte Macht über diesen König gegeben, dem sie auf Erden gedient hatten. Diese Schatten von Sklaven fürchteten den Schatten des Nabopharzan nicht mehr. Sie hielten ihn in Ketten und fügten ihm die grausamsten Qualen zu. Der eine sprach zu ihm: "Waren wir nicht genauso Menschen wie du? Wie konntest du so unsinnig sein, dich für einen Gott zu halten? Und musstest du dich nicht daran erinnern, dass du von der Art der übrigen Menschen warst?” Ein anderer sagte, um ihn zu verhöhnen: “Du hattest Recht damit, nicht zu wollen, dass man dich für einen Menschen halte, denn du warst ein Ungeheuer ohne Menschlichkeit.” Ein anderer sprach zu ihm: “Nun, wo sind jetzt deine Schmeichler? Du hast nichts mehr zu geben, du Unglücklicher! Du kannst nichts Böses mehr tun. Sieh, du bist selbst ein Sklave deiner Sklaven geworden. Die Götter sind langsam damit, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, aber schließlich tun sie es.”

Bei diesen harten Worten warf sich Nabopharzan mit dem Gesicht auf die Erde und riss sich an den Haaren, außer sich vor Wut und Verzweiflung. Aber Charon sprach zu den Sklaven: “Zerrt ihn an seiner Kette, richtet ihn trotz seines Widerstands wieder auf! Er wird nicht einmal den Trost haben, seine Schande zu verbergen; alle Schatten des Styx (Fluss der Unterwelt) müssen Zeugen derselben sein, um die Götter zu rechtfertigen, die so lange darunter gelitten haben, dass dieser Gottlose auf Erden herrschte.”

Er bemerkt bald den schwarzen Tartarus ziemlich nahe bei ihm. Aus diesem drang ein dicker, schwarzer Rauch hervor, dessen verpesteter Gestank den Tod verursachen würde, wenn er sich in den Stätten der Lebenden verbreiten würde. Dieser Rauch bedeckte einen Feuerstrom und viele Flammenwirbel, deren Getöse, reißenden Wasserläufen ähnlich, wenn sie sich von den höchsten Felsen in die Tiefe der Abgründe stürzen, bewirkte, dass man an diesen traurigen Orten nichts deutlich verstehen konnte.

Telemach, heimlich geliebt von Minerva, der Göttin der Klugheit, betrat furchtlos diesen Schlund. Zuerst bemerkte er eine große Zahl von Menschen, die in den niedrigsten Verhältnissen gelebt hatten und dafür bestraft wurden, dass sie Reichtum durch Betrug, Verrat und Grausamkeiten erstrebt hatten. Er nahm dort viele gottlose Heuchler wahr, die so getan hatten, als ob sie die Gottesverehrung liebten und sie als schönen Vorwand genutzt hatten, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen und sich über die leichtgläubigen Menschen lustig zu machen. Diese Menschen, die selbst die Tugend missbraucht hatten, wurden als die lasterhaftesten aller Menschen bestraft. Die Kinder, die ihre Väter und Mütter erwürgten, die Gattinnen, die ihre Hände in das Blut ihrer Gatten tauchten und die Verräter, die, nachdem sie alle Schwüre gebrochen hatten, ihr Vaterland auslieferten, litten weniger entsetzliche Strafen als jene Heuchler. Die drei Richter der Hölle hatten es so gewollt und ihr Grund war der, dass sich diese Heuchler nicht damit begnügen, böse zu sein wie die übrigen Gottlosen; sie wollen auch noch für gut gehalten werden und bewirken durch ihre falsche Tugend, dass die Menschen es nicht mehr wagen, der wahren Tugend zu vertrauen. Die Götter, die sie verspottet und den Menschen gegenüber verächtlich gemacht haben, finden Vergnügen daran, all ihre Macht anzuwenden, um sich für ihre Beschimpfungen zu rächen.

Neben diesen erschienen andere Menschen, die das einfache Volk kaum für schuldig hält, und die die göttliche Rache auf unerbittliche Weise verfolgt. Das sind die Undankbaren, die Lügner, die Schmeichler, die das Laster gelobt haben, die boshaften Kritiker, die versucht haben, die reinste Tugend zu besudeln; schließlich noch diejenigen, die über Dinge bedenkenlos geurteilt haben, ohne sie gründlich zu kennen, und die dadurch den Ruf der Unschuldigen beschädigt haben.

Telemach, der die drei Richter da sitzen und einen Menschen verdammen sah, wagte es, sie zu fragen, welche Verbrechen er begangen hatte. Sogleich ergriff der Verdammte das Wort und rief: “Ich habe nie irgendetwas Böses getan; ich habe mein ganzes Vergnügen darauf gesetzt, Gutes zu tun. Ich bin großartig, freigebig, gerecht und mitfühlend gewesen. Was kann man mir also vorwerfen?” Da sprach Minos zu ihm: “Man wirft dir in Bezug auf die Menschen nichts vor. Aber warst du den Menschen nicht weniger schuldig als den Göttern? Welcher Gerechtigkeit rühmst du dich denn? Du hast keine Pflicht gegenüber den Menschen versäumt, die nichts sind; du bist tugendhaft gewesen, aber du hast die ganze Tugend auf dich selbst bezogen und nicht auf die Götter, die sie dir gegeben hatten. Denn du wolltest die Frucht deiner eigenen Tugend genießen und dich in dich selbst verschließen: du bist deine Gottheit gewesen. Aber die Götter, die alles gemacht haben und nichts für sich selbst, können nicht auf ihre Rechte verzichten; du hast sie vergessen, sie werden auch dich vergessen. Sie werden dich dir selbst überlassen, da du dir gehören wolltest und nicht ihnen. Wenn du kannst, suche jetzt also deinen Trost in deinem eigenen Herzen. Sieh, du bist für immer von den Menschen getrennt, denen du gefallen wolltest. Sieh, du bist allein mit dir selbst, der du dein Abgott warst! Begreife, dass es gar keine wahrhafte Tugend gibt ohne Ehrfurcht vor den Göttern und Liebe zu ihnen, denen man alles verdankt. Deine falsche Tugend, die lange die leicht zu täuschenden Menschen geblendet hat, wird nun zusammenschmelzen. Die Menschen, die Laster und Tugenden nur danach beurteilen, ob sie unanständig oder angenehm sind, sind für das Gute genauso blind wie für das Böse. Hier stößt ein göttliches Licht all ihre oberflächlichen Urteile um; es verurteilt oft, was sie bewundern und rechtfertigt, was sie verdammen.”

Bei diesen Worten erschrak der Philosoph, wie vom Blitz getroffen, vor sich selbst. Die Freude, mit der er früher seine Mäßigung, seinen Mut und seine großmütigen Neigungen betrachtete, verwandelte sich in Verzweiflung. Der Blick auf sein eigenes Herz, den Feind der Götter, wird seine Strafe; er sieht sich und kann nicht aufhören, sich zu sehen; er sieht die Eitelkeit der Urteile der Menschen, denen er mit all seinen Handlungen gefallen wollte. Es vollzieht sich eine durchgängige Umwälzung in allem, was in ihm ist, als ob man all seine Eingeweide umdrehen würde. Er empfindet sich nicht mehr als derselbe. Es fehlt ihm jeglicher Halt in seinem Herzen; sein Gewissen, dessen Beweis ihm so süß gewesen war, erhebt sich gegen ihn und wirft ihm mit Bitterkeit den Irrtum und die Täuschung all seiner Tugenden vor, die nicht die Verehrung der Gottheit als Ausgangspunkt und Ziel gehabt haben: er ist verwirrt, bestürzt, voller Scham, Selbstanklage und Verzweiflung. Die Furien (Rachegöttinnen) quälen ihn nicht, weil es ihnen genügt, ihn sich selbst überliefert zu haben und weil sein eigenes Herz die verachteten Götter hinreichend rächt. Er sucht die finstersten Orte auf, um sich vor den anderen Toten zu verbergen, da er sich nicht vor sich selbst verbergen kann. Er sucht die Finsternis und kann sie nicht finden; ein lästiges Licht folgt ihm überall hin. Die durchdringenden Strahlen rächen überall die Wahrheit, deren Befolgung er vernachlässigt hat. Alles, was er geliebt hat, wird ihm verhasst, da es die Quelle seiner Leiden ist, die niemals enden können. Er spricht zu sich selbst: “Oh, ich Unsinniger! Ich habe also weder die Götter noch die Menschen noch mich selbst gekannt! Nein, nichts habe ich gekannt, weil ich eben nie das einzige und wahre Gute geliebt habe. Alle meine Schritte sind Verirrungen gewesen. Meine Weisheit war nur Dummheit. Meine Tugend war nur ein gottloser und blinder Hochmut, ich war selbst mein Abgott.”

Endlich bemerkte Telemach die Könige, die verdammt waren, weil sie ihre Macht missbraucht hatten. Von einer Seite hielt ihnen eine rächende Furie einen Spiegel vor, der ihnen die ganze Hässlichkeit ihrer Laster zeigte. Da sahen sie und konnten nicht verhindern, all das zu sehen: Ihre grobe Eitelkeit, die auf das lächerlichste Lob versessen war, ihre Härte gegenüber den Menschen, deren Glück sie bewirken sollten; ihre mangelnde Aufgeschlossenheit für die Tugend, ihre Furcht vor der Stimme der Wahrheit, ihre Zuneigung zu den Feiglingen und Schmeichlern; ihren mangelnden Fleiß, ihre Weichlichkeit, ihre Gefühllosigkeit, ihr unangebrachtes Misstrauen, ihren Prunk und ihre auf den Untergang der Völker gegründete, übertriebene Großartigkeit; ihre Sucht, durch das Blut ihrer Mitbürger ein wenig bedeutungslosen Ruhm zu erkaufen; und schließlich ihre Grausamkeit, die jeden Tag unter den Tränen und der Verzweiflung so vieler Unglücklicher neuen Genuss sucht. Sie sahen sich andauernd in diesem Spiegel; sie fanden sich schrecklicher und ungeheuerlicher als die Chimäre, die von Bellerophon besiegt wurde, oder die Lernäische Hydra, die von Herkules niedergeschlagen wurde, oder Cerberus selbst, obwohl er aus seinen drei gähnenden Rachen ein schwarzes, giftiges Blut speit, das geeignet ist, die ganze Gattung der auf Erden lebenden Sterblichen zu verpesten.

Zur gleichen Zeit wiederholte eine andere Furie ihnen höhnisch von einer anderen Seite alle Lobpreisungen, die ihre Schmeichler ihnen ihr Leben lang erteilt hatten. Sie hielt ihnen einen anderen Spiegel vor, in dem sie sich so sahen, wie die Schmeichelei sie beschrieben hatte. Der Unterschied zwischen diesen beiden so gegensätzlichen Bildern war die Strafe ihrer Eitelkeit. Man bemerkte, dass die bösartigsten unter diesen Königen diejenigen waren, denen man ihr Leben lang die großartigsten Lobreden erteilt hatte, weil die Bösen gefürchteter sind als die Guten und weil sie ohne Scham die feigen Schmeicheleien der Dichter und Redner ihrer Zeit verlangen.

Man hört sie seufzen in dieser tiefen Finsternis, wo sie nur die Beschimpfungen und Verhöhnungen sehen können, die sie zu erdulden haben. Sie haben um sich herum nichts, was sie nicht abstößt, was ihnen nicht widerspricht oder sie verwirrt, während sie auf Erden mit dem Leben der Menschen spielten und behaupteten, dass alles dazu gemacht sei, ihnen zu dienen. Im Tartarus sind sie allen Launen gewisser Sklaven ausgeliefert, die sie ihrerseits eine unerträgliche Knechtschaft fühlen ließen. Sie dienen mit Schmerzen und es bleibt ihnen keine Hoffnung, jemals ihre Gefangenschaft mildern zu können. Sie sind den Schlägen dieser Sklaven ausgeliefert, die ihre unerbittlichen Unterdrücker geworden sind, wie ein Amboss unter den Hammerschlägen der Zyklopen, wenn Vulkan (Gott des Feuers) sie drängt, in den brennenden Schloten des Berges Ätna zu arbeiten.

Da erblickte Telemach bleiche, grauenhafte und bestürzte Gesichter. Es ist eine tiefe Traurigkeit, die an diesen Verbrechern nagt. Sie erschrecken sich vor sich selbst und können sich von diesem Schrecken ebenso wenig befreien wie von ihrem eigenen Wesen. Sie brauchen keine andere Bestrafung für ihre Sünden als ihre Sünden selbst. Sie sehen sie unaufhörlich in all ihrer Ungeheuerlichkeit. Sie zeigen sich ihnen wie schreckliche Gespenster und verfolgen sie. Um sich davor zu schützen, suchen sie einen Tod, der mächtiger ist als jener, der sie vom Körper getrennt hat. In ihrer Verzweiflung rufen sie einen Tod zu Hilfe, der jedes Gefühl und jedes Bewusstsein in ihnen auslöschen kann. Sie bitten den Abgrund, sie zu verschlingen, und möchten sich den rächenden Strahlen der sie verfolgenden Wahrheit entziehen. Aber sie bleiben der Rache erhalten, die Tropfen für Tropfen auf sie herabträufelt und niemals versiegen wird. Die Wahrheit, die sie zu sehen gefürchtet haben, macht ihre Strafe aus. Sie sehen sie und haben nur Augen dafür, zu sehen, wie sie sich gegen sie erhebt. Ihr Anblick durchdringt sie, zerfleischt sie und reißt sie aus ihnen selbst heraus. Sie ist wie der Blitz. Ohne im Äußeren etwas zu zerstören, dringt sie bis tief in die Eingeweide.

Unter jenen Dingen, die Telemach die Haare zu Berge stehen ließen, sah er mehrere der ehemaligen Könige von Lydien, die dafür bestraft wurden, dass sie die Freuden eines genüsslichen Lebens der Arbeit vorgezogen hatten, die ihre Völker entlasten und untrennbar vom Königtum sein sollte.

Diese Könige warfen einander ihre Blindheit vor. Der eine sagte zum anderen, der sein Sohn gewesen war: “Hatte ich euch nicht oft während meines Alters und vor meinem Tod empfohlen, die Übel wiedergutzumachen, die ich durch meine Nachlässigkeit hervorgerufen hatte?” “Oh, unglücklicher Vater!”, sagte der Sohn, “Ihr seid es, der mich verdorben hat. Euer Beispiel ist es, das in mir Prunk, Stolz, Leidenschaft und Härte gegen die Menschen hervorgerufen hat. Weil ich euch mit so viel Schwäche und umgeben von feigen Schmeichlern herrschen sah, habe ich mich daran gewöhnt, Schmeichelei und Vergnügungen zu lieben. Ich habe geglaubt, die übrigen Menschen wären im Hinblick auf die Könige, was die Pferde und die anderen Lasttiere im Hinblick auf die Menschen sind, das heißt Tiere, für die man nur so viel Aufwand macht, wie sie Dienste erweisen und Annehmlichkeiten bereiten. Ich habe es geglaubt; ihr seid es, der in mir diesen Glauben geweckt hat. Und jetzt erdulde ich so viele Leiden dafür, weil ich euch nachgeahmt habe.” Zu diesen Vorwürfen fügten sie die hässlichsten Beschimpfungen hinzu und schienen von Wut erfüllt zu sein und gewillt, einander zu zerfleischen.

Um diese Könige herum flatterten auch noch, wie Eulen in der Nacht, die grausamen Verdächtigungen, die selbstgefälligen Befürchtungen, das Misstrauen, die die Völker für die Härte ihrer Könige rächen. Der unersättliche Hunger nach Reichtümern, der immer unterdrückende, falsche Ruhm und die Halbherzigkeit, die alle erduldeten Leiden verdoppelt, ohne jemals dauerhafte Freuden geben zu können. Man sah mehrere dieser Könige schwer gestraft, nicht für das Böse, das sie getan hatten, sondern dafür, dass sie das Gute, das sie hätten tun sollen, versäumt hatten. All die Verbrechen der Völker, die aus der Nachlässigkeit entstehen, mit der man die Einhaltung der Gesetze beachtet, wurden den Königen unterstellt, die nur herrschen sollen, damit die Gesetze durch ihre Regierung herrschen.

Man beschuldigte sie auch aller Unordnungen, die von der Prunksucht, dem Luxus und allen anderen Exzessen stammen, die die Menschen in einen Zustand der Gewalttätigkeit treiben und in die Versuchung, Gesetze zu verletzen, um Wohlergehen zu erlangen. Insbesondere behandelte man die Könige sehr streng, die, anstatt gute und wachsame Hirten der Völker zu sein, nur danach gestrebt hatten, die Herde wie reißende Wölfe zu Grunde zu richten.

Was Telemach jedoch noch mehr bestürzte, war, in diesem Abgrund von Finsternis und Leiden eine große Anzahl von Königen zu sehen, die, nachdem sie auf Erden als ziemlich gute Könige gegolten hatten, zu den Strafen des Tartarus verurteilt worden waren, weil sie sich von bösen und hinterlistigen Menschen leiten ließen. Sie wurden mit den Übeln bestraft, die sie durch ihre Autorität anrichten ließen. Zudem war die Mehrheit dieser Könige weder gut noch böse gewesen; ihre Schwäche war jedoch groß. Sie hatten nie befürchtet, die Wahrheit nicht zu kennen. Sie hatten kein Interesse an der Tugend gehabt und es bereitete ihnen kein Vergnügen, Gutes zu tun.



11. Die Meinung der Theologen über die Hölle lässt sich in folgenden Zitaten kurz wiedergeben. (Diese Zitate sind dem Werk “Die Hölle” von August Callet entnommen.) Da diese Beschreibung aus den heiligen Schriftstellern und dem Leben der Heiligen entnommen ist, so kann sie diesbezüglich umso mehr als Ausdruck des orthodoxen Glaubens betrachtet werden, da sie, von einigen Abweichungen abgesehen, bei jedem Anlass in den (angeblich) evangelischen Kanzelreden und pastoralen Anweisungen wiedergegeben wird.


12. Die Teufel (Dämonen) sind nichts anderes als Geister, und die Verdammten, die sich gegenwärtig in der Hölle befinden, können ebenfalls als solche Geister betrachtet werden, da nur ihre Seele dorthin hinabgestiegen ist und ihre zu Staub gewordenen Gebeine sich unaufhörlich in Gräser, Pflanzen, Früchte, Steine jeder Art und Flüssigkeiten umwandeln, indem sie, ohne es zu wissen, die beständigen Umwandlungen der Materie erfahren. Aber sowohl die Verdammten als auch die Heiligen müssen am jüngsten Tage wieder auferstehen und einen fleischlichen Körper annehmen, ohne ihn wieder zu verlassen, denselben Körper, mit dem man sie unter den Lebenden kannte. Was sie voneinander unterscheiden wird, ist, dass die Erwählten in einem geläuterten und ganz strahlenden Körper auferstehen werden, die Verdammten aber in einem durch die Sünde beschmutzten und missgestalteten. Es wird also in der Hölle nicht mehr nur ausschließlich Geister geben; es werden dort Menschen sein, wie wir es sind. Die Hölle ist daher ein physischer, geographischer und materieller Ort, weil sie von irdischen Geschöpfen bevölkert sein wird, die Füße, Hände, einen Mund, eine Zunge, Zähne, Ohren und Augen haben, die den unseren ähnlich sind, und Blut in den Adern und schmerzempfindliche Nerven.

Wo liegt die Hölle? Einige Lehrer haben sie genau in das Innere unserer Erde verlegt, andere in irgendwelche Planeten. Aber die Frage ist durch keine Kirchenversammlung entschieden worden. Man ist diesbezüglich also auf Vermutungen angewiesen. Das einzige, dessen man sich gewiss sein kann, ist, dass die Hölle, an welchem Ort sie auch liegen mag, eine aus materiellen Bestandteilen zusammengesetzte Welt ist, aber eine Welt ohne Sonne, ohne Mond, ohne Sterne, trauriger, ungastlicher, jeglichen Keimes und jeglichem Anschein des Wohlergehens beraubt, als dies die unbewohnbarsten Teile dieser Welt sind, in der wir sündigen.

Die angesehenen Theologen wagen nicht, so wie die Ägypter, Hindus und Griechen, alle Schrecken dieses Aufenthaltsortes zu schildern. Sie beschränken sich darauf, uns das Wenige als Modell zu zeigen, was die Schrift davon enthüllt, den Feuer- und Schwefelteich der Offenbarung (Apokalypse) des Johannes und die Würmer des Jesaja, diese ewig kriechenden Würmer auf den Kadavern der Wüste Thophel und die Teufel, welche die von ihnen verdorbenen Menschen quälen, und die weinenden und mit den Zähnen knirschenden Menschen, wie die Evangelisten es ausgedrückt haben.

Sankt Augustin stimmt nicht zu, dass diese körperlichen Strafen einfache Bilder der moralischen Strafen seien. Er sieht in einem wirklichen Schwefelteich wirkliche Würmer und Schlangen, die sich auf alle Teile des Körpers der Verdammten stürzen und ihre Bisse den Wunden des Feuers hinzufügen. Einem Vers des heiligen Markus zufolge behauptet er, dass dieses seltsame Feuer, obwohl es stofflich ist wie das unsere und auf physische Körper einwirkt, sie bewahren wird, wie das Salz das Fleisch der Opfertiere konserviert. Aber die Verdammten, die immer dargebrachte und lebendige Opferwesen sind, werden den Schmerz dieses Feuers fühlen, das brennt, ohne zu zerstören. Es dringt unter ihre Haut. Sie werden davon durchtränkt und übersättigt in all ihren Gliedern, bis ins Mark ihrer Knochen, in die Pupillen ihrer Augen und in die verborgensten und empfindsamsten Fasern ihres Wesens. Wenn sie sich hineinstürzen könnten, wäre der Krater eines feuerspeienden Vulkans für sie ein Ort der Erfrischung und Ruhe.

So sprechen die schüchternsten, bescheidensten und zurückhaltendsten Theologen mit fester Überzeugung. Sie leugnen übrigens nicht, dass in der Hölle weitere körperliche Strafen anzutreffen sind. Sie sagen lediglich, dass sie keine ausreichende und zumindest so fundierte Kenntnis davon haben, um darüber reden zu können, jedenfalls wie jene, die ihnen von der schrecklichen Strafe des Feuers und der ekelhaften Würmer gegeben worden ist. Aber es gibt kühnere oder besser aufgeklärte Theologen, die die Hölle detaillierter, umfassender und vollständiger beschreiben können. Und obwohl man nicht weiß, an welchem Ort des Universums diese Hölle liegt, gibt es Heilige, die sie gesehen haben. Sie sind nicht hingegangen, mit der Leier in der Hand wie Orpheus, oder mit dem Degen in der Hand wie Odysseus, sie sind im Geist dorthin versetzt worden. Die heilige Theresa ist eine von ihnen.

Nach dem Bericht dieser Heiligen scheint es, als ob es in der Hölle Städte gibt. Zumindest sah sie dort so etwas wie eine lange und enge Gasse, von denen es so viele in den alten Städten gibt. Sie trat hinein und ging mit Schrecken auf einem schlammigen, stinkenden Boden entlang, auf dem es von ungeheuerlichen kriechenden Tieren wimmelte. Aber sie wurde bei ihrem Spaziergang durch eine Mauer zurückgehalten, die die Gasse versperrte. In diesem Gemäuer war eine Nische angebracht, in die sich Theresa kauerte, ohne recht zu wissen, wie. Es war, sagte sie, die Stelle, die ihr bestimmt war, wenn sie zu Lebzeiten die Gnaden missbrauchte, die Gott über ihre Zelle in Avila goss. Obwohl sie mit einer wunderbaren Leichtigkeit in diese Nische hineingelangt war, konnte sie sich dennoch weder darin setzen noch sich hinlegen oder aufrecht halten. Noch weniger konnte sie hinausgelangen. Diese schrecklichen Mauern, die sich auf sie herabgesenkt hatten, hüllten sie ein und beengten sie, als ob sie belebt worden wären. Es schien ihr, als ob man sie erstickte oder erdrosselte und sie gleichzeitig bei lebendigem Leib quälte und in Stücke riss; und sie fühlte sich brennen und empfand mit einem Mal alle möglichen Ängste. Es gab keine Hoffnung auf Hilfe! Alles um sie herum war nur Finsternis, und dennoch bemerkte sie durch diese Finsternis hindurch mit Staunen noch die schreckliche Gasse, in der sie wohnte, und ihre abscheuliche Nachbarschaft, ein für sie ebenso unerträgliches Schauspiel wie die Umarmungen ihres Gefängnisses. (Man erkennt in dieser Vorstellung alle Anzeichen des Alptraums. Es ist somit wahrscheinlich, dass es ein solches Ereignis war, das bei der heiligen Theresa auftrat.)

Das war zweifellos nur eine kleine Ecke der Hölle. Andere spirituelle Reisende sind mehr begünstigt worden. Sie haben in der Hölle große Städte gesehen, die in Flammen standen: Babylon und Ninive, selbst Rom, deren Paläste und Tempel brannten und alle Bewohner in Ketten waren; den Händler in seiner Schreibstube, Priester und Höflinge in Speisesälen vereint und heulend auf ihren Sitzen, von denen sie sich nicht mehr losreißen konnten, und um ihren Durst zu stillen, hielten sie Schalen an ihren Lippen, aus denen Flammen schlugen; Knechte, die in siedenden Kloaken knieten, die Arme ausgestreckt, und Fürsten, aus deren Hand geschmolzenes Gold auf sie rieselte, so wie alles verschlingende Lava. Andere haben in der Hölle grenzenlose Ebenen gesehen, auf denen ausgehungerte Bauern gegraben und gesät haben, und da aus diesen Ebenen, von ihrem Schweiß dampfend, und aus diesen unfruchtbaren Feldern nichts spross, fraßen sich diese Bauern gegenseitig auf. Danach zerstreuten sie sich scharenweise bis an den Horizont, genauso zahlreich, mager und ausgehungert wie zuvor und suchten vergeblich in der Ferne glücklichere Länder. Auf den Feldern, die sie hinter sich ließen, wurden sie sogleich durch andere umherirrende Siedlerscharen von Verdammten ersetzt. Es gibt Leute, die in der Hölle Gebirge voller Abgründe gesehen haben, ächzende Wälder, Brunnen ohne Wasser, durch Tränen gespeiste Springbrunnen, Flüsse aus Blut, Schneewirbel in eisigen Wüsten, Boote voller Verzweifelter, die auf uferlosen Meeren trieben. Kurzum, man hat dort alles wieder gesehen, was die Heiden da sahen: ein trauriges Spiegelbild der Erde, einen maßlos vergrößerten Schatten ihrer Beschwerden, ihrer mit dem Dasein verbundenen Leiden verewigt, bis hin zu Kerkern, Galgen und Folterwerkzeugen, die unsere eigenen Hände geschmiedet haben.

Es gibt dort unten tatsächlich Teufel, die Körper annehmen, um die Menschen in ihren Körpern besser quälen zu können. Die einen haben Flügel wie Fledermäuse, Hörner, Schuppenpanzer, Klauen und scharfe Zähne; man zeigt sie uns bewaffnet mit Schwertern, Heugabeln, Kneifzangen, glühend heißen Zangen, Sägen, Rosten, Blasebälgen, Keulen und wie sie durch die Ewigkeit mit menschlichem Fleisch den Dienst von Köchen und Fleischern verrichten. Die anderen sind in Löwen oder in ungeheure Schlangen verwandelt, die ihre Beute in einsame Höhlen hineinschleppen. Einige verwandeln sich in Raben, um manchen Schuldigen die Augen auszuhacken und andere in fliegende Drachen, um sie auf ihre Rücken zu laden und sie ganz entsetzt, blutend und laut schreiend durch die finsteren Räume hindurch fortzutragen und sie dann in den Schwefelteich fallen zu lassen. Da gibt es Wolken von Heuschrecken, riesige Skorpione, deren Anblick einen erschauern lässt, deren Geruch Erbrechen bewirkt, deren geringste Berührung Krämpfe hervorruft. Dort gibt es vielköpfige Ungeheuer, die auf allen Seiten gefräßige Mäuler öffnen, auf ihren missgestalteten Köpfen Mähnen von Nattern schütteln, die Verdammten zwischen ihren blutenden Kiefern zermalmen und sie wieder erbrechen, völlig zerhackt, aber lebend, weil sie unsterblich sind.

Diese Teufel von wahrnehmbarer Gestalt, die so offensichtlich an die Götter des Amenthi (ägyptisch: Ort der Seelen) und des Tartarus (Ort der Verdammten) erinnern, und an die Götzen, die von den Phöniziern, den Moabitern und den anderen an Judäa angrenzenden heidnischen Völkern angebetet wurden, diese Teufel handeln keineswegs willkürlich. Jeder hat seine Funktion und sein Werk. Das Böse, das sie in der Hölle tun, steht im Verhältnis zu dem Bösen, zu dem sie angestachelt und bewirkt haben, auf der Erde begangen zu werden. (Gewiss eine sonderbare Bestrafung, die darin bestehen würde, in einem größeren Maße das Böse fortsetzen zu können, das sie auf Erden im Kleinen getan hatten! Es wäre vernünftiger, dass sie selbst unter den Folgen dieses Bösen litten, anstatt sich das Vergnügen zu machen, so andere leiden zu lassen.)

Die Verdammten werden an all ihren Sinnen und Körperteilen bestraft, weil sie Gott mit all jenen beleidigt haben. Bestraft in einer Weise als Fresser durch die Teufel der Völlerei und in einer anderen Weise als Träge durch die Teufel der Trägheit. Und wieder in einer anderen Weise als Unzüchtige durch die Teufel der Unzucht und auf genauso viele verschiedene Arten, wie es verschiedene Arten der Sünde gibt. Ihnen wird kalt sein, obwohl sie brennen und heiß, obwohl sie frieren. Sie werden begierig nach Ruhe sein und begierig nach Bewegung; und immer hungrig und immer durstig und tausendmal müder als ein Sklave am Ende eines Tages, kränker als die Sterbenden, gebrochener, zerschlagener, mehr mit Wunden übersät als die Märtyrer, und das wird kein Ende nehmen.

Kein Teufel lässt sich und wird sich jemals von seiner grauenhaften Aufgabe abschrecken lassen. Sie alle sind in dieser Beziehung sehr diszipliniert und pflichtgetreu in der Ausführung der Rachebefehle, die sie empfangen haben. Was würde denn sonst aus der Hölle werden? Die Kranken würden zur Ruhe kommen, wenn die Henker anfingen, sich zu zanken oder müde zu werden. Aber keine Ruhe für die einen, keine Streitigkeiten unter den anderen! So böse und so unzählig sie auch sein mögen, die Teufel verstehen einander von einem Ende des Abgrunds bis zum anderen. Nie sah man auf Erden Völker, die ihren Fürsten gegenüber gelehriger, nie Heere, die ihren Anführern gehorsamer und nie klösterliche Gemeinschaften, die ihren Oberen demütiger unterworfen gewesen wären. (Dieselben Teufel, die um des Guten willen ungehorsam gegenüber Gott sind, zeigen eine beispielhafte Fügsamkeit, um das Böse zu tun. Keiner von ihnen schreckt zurück oder lässt über eine ewig lange Zeit nach. Welch seltsame Wandlung hat sich an ihnen vollzogen, die wie Engel rein und vollkommen geschaffen wurden! Ist es nicht recht sonderbar, dass sie sich als Beispiel vollkommener Einigkeit, Übereinstimmung und unveränderlicher Eintracht zeigen, während die Menschen unter sich nicht in Frieden zu leben verstehen und sich untereinander auf Erden zerfleischen? Wenn man den Aufwand der Bestrafungen ansieht, die den Verdammten vorbehalten sind, und ihre Lage mit der der Teufel vergleicht, fragt man sich, wer am meisten zu beklagen ist: Henker oder Opfer.)

Man kennt übrigens das Volk der Teufel, dieser niedrigen Geister, nicht so genau, aus denen sich die Scharen der Blutsauger, Fressmäuler, Kröten, Skorpione, Raben, Giftschlangen, Molche und andere namenlose Tiere bilden, die die Tierwelt der höllischen Gebiete ausmachen. Aber man kennt und benennt mehrere der Fürsten, die diese Scharen befehligen, unter anderem Belphegor, den Teufel der Schwelgerei; Abaddon oder Apollyon, den Teufel des Mordes; Beelzebub, den Teufel der unreinen Begierden oder den Herrn der Mücken, die Sittenlosigkeit erzeugen; und Mammon, den Gott der Habgier, Moloch, Belial, Baalgad, Astaroth und so viele andere. Und über ihnen ihr allgemeines Oberhaupt, den düsteren Erzengel, der im Himmel den Namen Luzifer (Lichtträger) trug und in der Hölle den Namen Satan führt.

Das ist kurzgefasst die Idee, die man uns von der Hölle vermittelt, betrachtet unter dem Blickwinkel ihrer physischen Beschaffenheit und den körperlichen Strafen, die man dort erleidet. Öffnet die Schriften der Kirchenväter und der alten ehemaligen Kirchenlehrer; befragt unsere frommen Sagen; betrachtet die Skulpturen und Gemälde unserer Kirchen, hört genau zu, was man auf unseren Kanzeln sagt, und ihr werdet viel mehr davon erfahren."


13. Der Verfasser lässt diesem Bild folgende Erwägungen folgen, deren Tragweite jeder verstehen wird: "Die Auferstehung der Körper ist ein Wunder. Aber Gott lässt ein zweites Wunder geschehen, um diesen sterblichen Körpern, die bereits einmal durch die vorübergehenden Prüfungen des Lebens abgenutzt, schon einmal vernichtet sind, die Kraft zu geben, in einem Ofen, in dem Metalle verdampfen würden, weiterzubestehen, ohne sich aufzulösen. Man mag sagen, die Seele sei ihr eigener Henker, Gott verfolge sie nicht, sondern überlasse sie sich selbst in dem unglücklichen Zustand, den sie gewählt hat. Das kann man im engeren Sinne begreifen, obwohl es mit der Güte Gottes kaum vereinbar erscheint, verirrte und leidende Wesen ewig im Stich zu lassen. Aber was man von der Seele und den geistigen Strafen sagt, das kann man keinesfalls von den Körpern und den körperlichen Strafen sagen. Um diese körperlichen Strafen beständig zu machen, genügt es nicht, dass Gott seine Hand zurückzieht. Im Gegenteil, er muss sie zeigen, muss sich einschalten und handeln; ohne das würde der Körper unterliegen.“

Die Theologen unterstellen, dass Gott nach der Auferstehung wirklich dieses zweite Wunder bewirkt, über das wir gesprochen haben. Er zieht zunächst unsere aus Lehm geformten Körper aus dem Grab heraus, das sie verschlungen hatte. Er zieht sie so heraus, wie sie hineingelangt sind, mit ihren ursprünglichen Leiden und den allmählich eingetretenen altersbedingten Verschlechterungen, Krankheiten und Lastern. Er gibt sie uns in diesem Zustand zurück: verbraucht, kalt, gichtkrank, mit vielen Bedürfnissen, empfindlich gegen einen Bienenstich, voller Makel, die das Leben und der Tod ihnen aufgedrückt haben, und das ist das erste Wunder. Dann weist er diesen elenden Körpern, die voll und ganz bereit sind, zu dem Staub zurückzukehren, aus dem sie hervorgegangen sind, eine Eigenschaft zu, die sie niemals besessen haben, und das ist das zweite Wunder. Er gibt ihnen Unsterblichkeit, genau dieses Geschenk, das er in seinem Zorn oder vielmehr in seiner Barmherzigkeit Adam bei dessen Vertreibung aus dem Garten Eden wieder entzogen hatte. Als Adam unsterblich war, war er unverwundbar und als er aufhörte, unverwundbar zu sein, wurde er sterblich. Der Tod folgte unverzüglich dem Schmerz.

Die Auferstehung versetzt uns also weder in den physischen Zustand des Unschuldigen noch in den des Schuldigen zurück. Es ist nur eine Auferstehung unseres Leidens, aber zusätzlich mit neuen Leiden, die unendlich schrecklicher sind. Es ist zum Teil eine wahre Schöpfung und die boshafteste, die die Fantasie zu erfassen gewagt hat. Gott besinnt sich auf etwas anderes und um den geistigen Qualen der Sünder körperliche hinzuzufügen, die stets weiterbestehen, verändert er aufgrund seiner Macht plötzlich die Gesetze und Eigenschaften, die er selbst von Beginn an den Verbindungen der Materie zugewiesen hatte. Er erweckt wieder krankes und verdorbenes Fleisch, fügt mithilfe eines unauflösbaren Knotens jene Bestandteile hinzu, die von sich selbst aus das Bestreben haben, sich zu trennen, erhält und verewigt diese lebendige Fäulnis entgegen der einfachen, guten Ordnung. Er wirft sie ins Feuer, nicht um sie zu reinigen, sondern um sie so zu erhalten, wie sie ist: empfindsam, leidend, brennend, grauenvoll, so wie er sie haben will, unsterblich.

Durch dieses Wunder macht man aus Gott einen der Henker der Hölle. Denn wenn die Verdammten ihre geistigen Leiden nur sich selbst zurechnen, so können sie die anderen, zu ihrer eigenen Befriedigung, nur ihm zuschreiben. Es war scheinbar zu wenig für Gott, sie nach ihrem Tod der Traurigkeit zu überlassen, der Reue und allen Ängsten einer Seele, die fühlt, dass sie das höchste Gut verloren hat. Den Theologen zufolge wird Gott sie aus dieser Dunkelheit und aus der Tiefe dieses Höllenschlunds wegholen. Er wird sie für einen Augenblick ans Tageslicht zurückrufen, nicht um sie zu trösten, sondern um sie mit einem abscheulichen, flammenden und unvergänglichen Körper zu versehen, der verunreinigter ist als das Kleid der Dejanira, und erst dann verlässt er sie für immer.

Er wird sie nicht einmal ihrem Schicksal überlassen, weil ja die Hölle, genauso wie die Erde und der Himmel, nur durch einen fortwährenden Entschluss seines immer bewussten Willens besteht und alles vergehen würde, wenn er aufgeben würde, alles zu erhalten. Er wird also unaufhörlich die Hand über sie halten, um zu verhindern, dass ihr Feuer erlischt und dass ihr Körper sich verzehrt, da er ja will, dass diese unsterblichen Unglücklichen durch die beständige Fortdauer ihrer Strafe zur Erbauung der Erwählten beitragen.


14. Wir haben aus gutem Grund gesagt, dass die Hölle der Christen die Hölle der Heiden übertroffen habe. Tatsächlich sieht man im Tartarus die Schuldigen angesichts ihrer Verbrechen und Opfer stets von Gewissensbissen gequält, niedergedrückt von denen, welche von ihnen zu Lebzeiten niedergedrückt wurden. Man sieht sie vor dem Licht fliehen, das sie durchdringt, und vergeblich versuchen sie, den sie verfolgenden Blicken zu entkommen. Da ist der Hochmut erniedrigt und gedemütigt. Alle tragen die Spuren ihrer Vergangenheit. Alle werden durch ihre eigenen Fehler bestraft bis zu dem Punkt, dass es für einige genügt, sie sich selbst zu überlassen, und dass man es für sinnlos hält, dem noch weitere Strafen hinzuzufügen. Aber das sind Schatten, das heißt Seelen mit ihren luftartigen (fluidischen) Körpern, ein Abbild ihres irdischen Daseins. Man sieht dort nicht die Menschen wieder ihren fleischlichen Körper annehmen, um physisch zu leiden, noch Feuer unter ihre Haut dringen und sie bis auf das Knochenmark sättigen, und auch nicht den Aufwand und die sorgfältig ausgedachten Strafen, die die Grundlage der christlichen Hölle bilden. Man findet dort unbeugsame, aber gerechte Richter, die jede Strafe entsprechend abwägen; doch im Reich Satans vermischen sich alle Seelen in denselben Qualen; dort beruht alles auf der Materie. Selbst die Gerechtigkeit ist daraus verbannt.

Zweifellos gibt es heutzutage selbst in der Kirche viele vernünftige Menschen, die diese Dinge nicht wörtlich nehmen und darin nur bildliche Redewendungen sehen, deren Sinn man erkennen muss. Aber ihre Ansicht ist nur eine individuelle und bildet nicht die Regel. Daher ist der Glaube an die materielle Hölle mit all ihren Konsequenzen immer noch Bestandteil der kirchlichen Lehre.


15. Man fragt sich: Wie haben die Menschen diese Dinge mit Begeisterung sehen können, wenn es diese gar nicht gibt? Hier ist nun nicht der Ort, um die Herkunft der phantastischen Bilder zu erörtern, die manchmal mit allem Anschein der Realität erzeugt werden. Wir wollen damit nur sagen, dass man darin einen Beweis jenes Satzes erkennen muss, dass die Verzückung die am wenigsten sichere aller Offenbarungen ist (siehe “Das Buch der Geister”, Fragen 443 und 444), weil dieser Zustand der Überreizung nicht immer die Tatsache einer so vollständigen Loslösung der Seele vom Körper darstellt, wie man es glauben könnte, und weil sich darin recht oft die Spiegelung der Beschäftigungen des vorangegangenen Tages findet. Die Vorstellungen, mit denen der Geist genährt wird und von denen das Gehirn bzw. die mit dem Gehirn in Wechselbeziehung stehende, den Geist umgebende Hülle den Abdruck bewahrt hat, bilden sich erweitert aufs Neue, wie in einer Luftspiegelung in dunstartigen Formen, die sich kreuzen, miteinander verbinden und sich zu unwirklichen Gesamtbildern zusammensetzen. Die Verzückten aller Weisen der Gottesverehrung haben immer Dinge entsprechend des Glaubens gesehen, von dem sie überzeugt waren. Es ist also nicht überraschend, dass diejenigen, die wie die heilige Theresa, von den Vorstellungen der Hölle angetan sind, wie sie durch die mündlichen oder schriftlichen Beschreibungen und durch die Gemälde dargestellt werden, Visionen davon haben, die, genau gesagt, nur deren Nachbildung sind und die Wirkung eines Alptraums hervorrufen. Ein gläubiger Heide hätte den Tartarus und die Furien (Rachegöttinnen) genauso gesehen, wie er Jupiter auf dem Olymp mit dem Donnerkeil in der Hand gesehen hätte.




Kapitel V - Das Fegefeuer

1. Das Evangelium (die Heilsbotschaft von Christus) erwähnt das Fegefeuer an keiner Stelle. Es wurde von der Kirche erst im Jahre 593 angenommen. Es ist sicherlich ein vernünftigeres Dogma, das mehr der Gerechtigkeit Gottes entspricht als das der Hölle, da es weniger strenge Strafen vorsieht und auch für mittelschwere Vergehen eine Erlösung ermöglicht.

Das Prinzip vom Fegefeuer beruht also auf Angemessenheit. Denn, verglichen mit der Gerechtigkeit Gottes, ist dies eine Gefangenschaft auf Zeit neben der Verurteilung auf Ewigkeit. Was sollte man von einem Land denken, das für Verbrechen und einfache Vergehen nur die Todesstrafe verhängt? Ohne das Fegefeuer gibt es für die Seelen nur die beiden extremen Alternativen: unbeschränkte Glückseligkeit und ewige Bestrafung. Was wird bei dieser Annahme aus den Seelen, die nur leichte Vergehen begangen haben? Entweder teilen sie das Glück der Auserwählten, ohne vollkommen zu sein, oder sie erleiden die gleichen Strafen wie die größten Verbrecher, ohne viel Böses getan zu haben, was weder gerecht noch vernünftig wäre.


2. Aber der Begriff des Fegefeuers musste gezwungenermaßen unvollständig sein. Deshalb hat man daraus, da man nur die Strafe des Feuers kannte, eine verkleinerte Hölle gemacht. Die Seelen brennen auch dort, aber in einem weniger heftigen Feuer. Da ein Fortschritt mit dem Glaubenssatz von den ewigen Strafen unvereinbar ist, so gehen die Seelen daraus nicht infolge ihres Vorankommens hervor, sondern durch die Kraft der Gebete, die man spricht oder zu ihren Gunsten sprechen lässt.

Wenn der Grundgedanke gut gewesen ist, so gilt dies nicht ebenso für seine Folgerungen, wegen der Missbräuche, deren Quelle er war. Mit Hilfe bezahlter Gebete ist das Fegefeuer eine ergiebigere Geldquelle als die Hölle geworden. („Mit dem Fegefeuer begann der verwerfliche Handel mit Ablassbriefen (Indulgenzen), mit denen man den Eintritt in den Himmel verkaufte. Dieser Missbrauch war die erste Ursache der Erneuerung der Kirche (Reformation). Das hat Luther dazu bewogen, das Fegefeuer abzulehnen.“)


3. Der Ort des Fegefeuers ist nie fest bestimmt worden, ebenso wenig ist die Art der Strafen, die man dort erleidet, klar bezeichnet worden. Es war der neuen Offenbarung vorbehalten, diese Lücke zu schließen, denn sie erklärt uns die Ursachen des Jammers und des Elends des irdischen Lebens, deren Gerechtigkeit uns nur die Vielzahl der Existenzen zeigen konnte.

Dieses Leiden ist notwendigerweise die Folge der Unvollkommenheiten der Seele, denn wenn die Seele vollkommen wäre, so würde sie keine Fehler begehen und hätte nicht die Folgen davon zu tragen. Ein Mensch, der in allem zurückhaltend und maßvoll wäre, würde z.B. nicht den Krankheiten zum Opfer fallen, die durch Maßlosigkeit verursacht werden. Am häufigsten ist er hier auf Erden durch die eigene Schuld unglücklich. Aber wenn er unvollkommen ist, dann deshalb, weil er es bereits war, bevor er auf die Erde kam. Er büßt hier nicht nur seine gegenwärtigen Fehler, sondern die vorhergehenden, die er noch nicht wieder gut gemacht hat. Er erduldet in einem Leben die Prüfungen, die er andere in einer vorherigen Inkarnation hat erdulden lassen. Die Wechselfälle, die er erlebt, sind zugleich eine vorübergehende Bestrafung und ein Hinweis auf die Unvollkommenheiten, die er ablegen soll, um zukünftiges Unheil zu vermeiden und in Richtung des Guten fortzuschreiten. Das sind lehrreiche Erfahrungen für die Seele, manchmal schwer, aber umso nützlicher für die Zukunft, weil sie einen tieferen Eindruck hinterlassen. Die Wechselfälle sind der Anlass für unaufhörliche Kämpfe, die ihre Kräfte und ihre moralischen und geistigen Fähigkeiten entwickelt, sie im Guten bestärkt und aus denen sie immer siegreich hervorgeht, wenn sie den Mut hat, die Verpflichtung bis zum Ende auch auszuhalten. Der Preis des Sieges liegt im geistigen Leben, in das sie strahlend und triumphierend eintritt, wie der Soldat, der aus dem Kampf hervorgeht und nun die Siegespalme empfängt.


4. Jede Inkarnation ist für die Seele eine Gelegenheit, einen Schritt vorwärtszugehen. Von ihrem Willen hängt es ab, dass dieser Schritt so groß wie möglich ist, mehrere Sprossen der Leiter emporzusteigen oder auf derselben Stelle stehenzubleiben. In diesem letzteren Fall hat sie ohne Nutzen gelitten, und da es immer notwendig ist, ihre Schuld früher oder später zu bezahlen, so wird sie eine neue Existenz beginnen müssen, und zwar unter noch schmerzlicheren Verhältnissen, weil sie zu einer nicht bezahlten Schuld noch eine weitere hinzugefügt hat.

In aufeinanderfolgenden Inkarnationen legt die Seele also nach und nach ihre Unvollkommenheiten ab, reinigt sich, kurzgesagt, bis sie hinreichend rein ist, um zu verdienen, dass sie die Welten der Sühne mit glücklicheren Welten tauschen und später auch diese verlassen kann, um das höchste Glück zu genießen.

Das Fegefeuer ist also nicht mehr ein ungenauer und ungewisser Begriff, er hat eine höhere Wirklichkeit, die wir sehen, berühren und ertragen. Er liegt in den Welten der Sühne, und die Erde ist eine dieser Welten. Die Menschen sühnen dort ihre Vergangenheit und ihre Gegenwart zugunsten ihrer Zukunft. Aber entgegen der Vorstellung, die man sich davon macht, hängt es von jedem Einzelnen ab, ob er seinen dortigen Aufenthalt verkürzt oder verlängert, entsprechend des Fortschritts und der Läuterung, zu der er durch seine Arbeit an sich selbst gelangt ist. Man verlässt das Fegefeuer nicht, weil man seine Zeit beendet hat oder durch Verdienste anderer, sondern infolge seines eigenen Verdienstes, gemäß jenem Worte Christi: "Jedem nach seinen Werken!", eine Aussage, die die ganze Gerechtigkeit Gottes zusammenfasst.


5. Derjenige also, der in diesem Leben leidet, soll sich sagen, dass dies geschieht, weil er sich in seiner vorhergehenden Existenz nicht hinreichend gereinigt hat, und dass, wenn er das nicht in der gegenwärtigen tut, er noch in den darauffolgenden leiden wird. Das ist gerecht und logisch zugleich. Da das Leiden mit der Unvollkommenheit verbunden ist, so leidet man genauso lange, wie man unvollkommen ist, ebenso wie man bei einer Krankheit so lange leidet, bis man davon geheilt ist. So kommt es, dass ein Mensch, solange er hochmütig ist, an den Folgen des Hochmuts leiden wird und solange er egoistisch ist, die Folgen des Egoismus leiden wird.


6. Der schuldige Geist leidet zunächst im geistigen Leben im Verhältnis zu dem Maß seiner Unvollkommenheiten. Dann wird ihm das körperliche Leben als Mittel zur Wiedergutmachung gegeben. Aus diesem Grund findet er sich dort wieder, sei es mit denen, die er gekränkt hat, sei es in ähnlichen Umgebungen, in denen er Böses getan hat, sei es in Situationen, die davon das Gegenteil sind, wie z.B. im Elend zu sein, wenn er ein schlechter Reicher gewesen oder in einer demütigen Lebensstellung, wenn er hochmütig gewesen ist.

Die Sühne stellt weder in der geistigen Welt noch auf der Erde eine doppelte Bestrafung für das Geistwesen dar. Sie ist dieselbe, die sich als Ergänzung auf Erden fortsetzt, um seine Verbesserung durch wirksame Arbeit zu erleichtern. Es hängt von ihm ab, diese zu nutzen. Ist es nicht besser für ihn auf die Erde zurückzukehren mit der Möglichkeit, den Himmel zu gewinnen, als ohne Gnade verdammt zu sein, wenn er sie verlässt? Die Freiheit, die ihm hier bewilligt wird, ist ein Zeugnis von der Weisheit, Güte und Gerechtigkeit Gottes, der will, dass der Mensch alles seinen eigenen Anstrengungen verdankt und der Architekt seiner Zukunft wird. Wenn er unglücklich ist und das mehr oder minder lang, kann er daher nur sich selbst dafür verantwortlich machen. Der Weg des Fortschritts steht ihm jederzeit offen.


7. Wenn man bedenkt, wie groß das Leid gewisser mit Schuld beladener Geister in der unsichtbaren Welt ist, wie schrecklich die Lage von so manchen ist, welchen Ängsten sie zum Opfer gefallen sind und wie sehr diese Lage durch ihr Unvermögen zu einer schmerzlichen gemacht wird, dadurch, dass sie außerstande sind, ein Ende derselben abzusehen. Man könnte sagen, dass das für sie die Hölle sei, wenn dieses Wort nicht die Vorstellung einer ewigen und physischen Bestrafung einschließen würde. Dank der Offenbarung der Geistwesen und der Beispiele, die sie uns bieten, wissen wir, dass die Dauer der Sühne von der Besserung des Schuldigen abhängt.


8. Der Spiritismus leugnet also nicht die zukünftigen Strafen, sondern bestätigt sie im Gegenteil. Was er zerstört, ist die örtlich begrenzte Hölle mit ihren Schmelzöfen und unwiderruflichen Strafen. Er leugnet nicht das Fegefeuer, da er ja beweist, dass wir bereits dort sind. Er definiert und bestimmt es genau, indem er sich mit der Ursache der irdischen Leiden auseinandersetzt und bringt damit diejenigen dazu, die es leugnen, daran zu glauben.

Lehnt er die Gebete für die Verstorbenen ab? Ganz im Gegenteil, da leidende Geister ja darum bitten, macht er es zur Pflicht der Nächstenliebe und zeigt ihre Wirksamkeit, indem er sie zum Guten zurückführt und dadurch ihre Qualen verkürzt ("Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus” - Kap. 27: "Die Wirksamkeit des Gebets"). Indem er den Verstand anspricht, hat er die Ungläubigen zum Glauben zurückgebracht und diejenigen zum Gebet, die sich darüber lustig machten. Aber er sagt, dass die Wirksamkeit des Gebets in den Gedanken und nicht in den Worten liegt, dass die besten Gebete die des Herzens und nicht die der Lippen sind und die, die man selbst spricht und nicht die, die man für Geld sprechen lässt. Wer würde es wagen, ihm die Schuld zu geben?


9. Gleichgültig, ob die Strafe im geistigen Leben oder auf der Erde stattfindet und wie lange sie dauern mag, sie hat immer ein mehr oder weniger entferntes oder nahes Ende. Es gibt also in Wirklichkeit für den Geist nur zwei Möglichkeiten: eine zeitlich begrenzte, nach Art der Schuld abgestufte Strafe und eine nach dem Verdienst abgestufte Belohnung. Die Spiritistische Lehre weist eine dritte Möglichkeit zurück, nämlich die der ewigen (endlosen) Verdammnis. Die Hölle - das Wort - bleibt als Symbolfigur der größten Leiden, deren Ende unbekannt ist. Das Fegefeuer ist da die Wirklichkeit.

Das Wort “Fegefeuer” erweckt die Vorstellung einer begrenzten Örtlichkeit. Darum lässt es sich mehr auf die Erde anwenden, die als Ort der Sühne betrachtet wird, weniger auf den unendlichen Raum, wo die leidenden Geister umherirren, und darüber hinaus ist die Art der irdischen Sühne die einer wirklichen und echten Sühne.

Wenn die Menschen sich einmal gebessert haben, so werden sie der unsichtbaren Welt nur gute Geister liefern und diese werden, wenn sie inkarnieren, der Menschheit nur verbesserte Wesen bringen. Dann wird die Erde aufhören, eine Welt der Abbüßungen zu sein, und die Menschen werden auf ihr nicht mehr die Folgen ihrer Unvollkommenheiten erleiden. Diese Transformation vollzieht sich im Augenblick und wird die Erde in der Hierarchie der Welten emporheben. (Siehe:” Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus", Kap. 3).


10. Warum also hat Christus dann nicht vom Fegefeuer gesprochen? Deshalb, weil der Begriff nicht existierte und es keine Worte gab, um es sich vorzustellen. Er benutzte das Wort "Hölle", des einzigen, das in Gebrauch war, als eines entsprechenden Ausdrucks, um die künftigen Strafen ohne Unterschied zu bezeichnen. Hätte er neben das Wort "Hölle" ein mit "Fegefeuer" gleichbedeutendes Wort gestellt, so hätte er dessen wahren Sinn nicht genau erklären können, ohne eine der Zukunft vorbehaltene Frage anzuschneiden. Dies wäre außerdem die Bejahung der Existenz zweier besonderer Orte der Sühne gewesen. Da die Hölle in ihrer allgemeinen Bedeutung die Vorstellung einer Bestrafung erweckte, schloss sie die eines Fegefeuers mit ein, das ja nur eine Form der Strafe ist. Die Zukunft, die die Menschen über die Art der Strafen aufklären sollte, musste gerade deswegen die Hölle auf ihre richtige Bedeutung zurückführen.

Da die Kirche geglaubt hat, sie müsse nach sechs Jahrhunderten das Stillschweigen Jesu ergänzen, indem sie die Existenz des "Fegefeuers" per Erlass festsetzte, dann deshalb, weil sie dachte, er hätte nicht alles gesagt. Warum sollte es bezüglich anderer Punkte damit anders sein als bei diesem hier?



Kapitel VI - Die Lehre von den ewigen Strafen
































Kapitel VII - Die zukünftigen Strafen im Licht des Spiritismus

Es gibt lasterhafte Neigungen, die offensichtlich dem Geist innewohnen, weil sie mehr moralisch als physisch sind. Andere scheinen mehr die Folge des Organismus zu sein. Aus diesem Grund glaubt man, dafür weniger verantwortlich zu sein. Dazu gehören die Veranlagungen zum Zorn, zur Weichlichkeit, zur Sinnlichkeit usw.

Es wird heute von den spiritualistischen Forschern vollkommen anerkannt, dass die Gehirnorgane, die den verschiedenen Fähigkeiten entsprechen, ihre Entwicklung der Aktivität des Geistes zu verdanken haben. Dass diese Entwicklungen also eine Wirkung und keine Ursache sind. Ein Mensch ist kein Musiker, weil er ein Talent für Musik hat, sondern er hat ein Talent für Musik, weil sein Geist Musiker ist.

Wenn die Aktivität des Geistes auf das Gehirn wirkt, dann muss sie in gleicher Weise auf die anderen Bereiche des Organismus einwirken. Der Geist ist also der Schmied seines eigenen Körpers. Er formt ihn und passt ihn seinen Bedürfnissen und der Äußerung seiner Neigungen an. Unter diesen Umständen wäre die Vollkommenheit des Körpers der fortgeschrittenen Völker nicht das Produkt verschiedener Schöpfungen, sondern das Ergebnis der Arbeit des Geistes, der sein Werkzeug in dem Maße perfektioniert, wie seine Fähigkeiten zunehmen.

Als natürliche Folge dieses Prinzips müssen die moralischen Anlagen und Stimmungen des Geistes die Beschaffenheit des Blutes verändern, ihm mehr oder weniger Aktivität verleihen, eine mehr oder weniger reichliche Absonderung von Galle oder anderen Flüssigkeiten bewirken. So geschieht es beispielsweise, dass dem Feinschmecker beim Anblick eines appetitlichen Gerichts der Speichel im Mund zusammenläuft. Nicht das Gericht ist es, das den Geschmackssinn überreizen kann, da es ja keine Berührung gibt. Es ist der Geist, dessen Sinnlichkeit erweckt wird und der durch den Gedanken auf dieses Sinnesorgan einwirkt, während auf einen anderen der Anblick dieses Gerichtes keine Wirkung hat. Aus demselben Grund geschieht es auch, dass ein empfindsamer Mensch leicht Tränen vergießt. Es ist nicht der Überfluss der Tränen, der dem Geist die Empfindsamkeit verleiht, sondern die Empfindsamkeit des Geistes verursacht den reichlichen Ausfluss von Tränen. Unter der Herrschaft der Empfindsamkeit hat sich der menschliche Organismus dieser maßgeblichen Anlage und Stimmung des Geistes angepasst, wie er sich an den des fein schmeckenden Geistes angepasst hat.

Wenn man diesen Gedankengängen folgt, dann versteht man, dass ein jähzorniger Geist zu einem verbitterten Organismus führen muss; woraus folgt, dass ein Mensch nicht zornig ist, weil er verbittert ist, sondern dass er verbittert ist, weil er zornig ist. Genauso verhält es sich mit allen anderen triebhaften Neigungen. Ein schwacher und gefühlloser Geist wird seinen Organismus in einem Zustand von Abgestumpftheit belassen, der zu seinem Charakter im Verhältnis steht, während, wenn er aktiv und energisch ist, er seinem Blut und seinen Nerven ganz andere Qualitäten verleihen wird. Die Wirkung des Geistes auf die Beschaffenheit des Körpers ist so offensichtlich, dass man oft schwere organische Störungen im körperlichen Leben durch den Einfluss starker seelischer Erschütterungen entstehen sieht. Der volkstümliche Ausdruck: "Die Erschütterung hat ihm das Blut in den Adern erstarren lassen" ist nicht ganz so sinnlos, wie man glauben könnte. Was hat das Blut erstarren lassen, wenn nicht die moralischen Zustände und Neigungen des Geistes?

Man kann daher zugeben, dass der Organismus zumindest teilweise durch die Natur des Geistes bestimmt wird, die die Ursache und nicht die Wirkung ist. Wir sagen "teilweise", weil es Fälle gibt, wo das Körperliche offensichtlich Einfluss auf das Moralisch-Geistige ausübt: wenn nämlich ein krankhafter oder anormaler Zustand durch eine äußere, zufällige, vom Geist unabhängige Ursache bewirkt wird, wie: Temperatur, Klima, erbliche Mängel im Körperbau, vorübergehendes Unwohlsein usw. Der moralische Zustand des Geistes kann also in seinen Äußerungen durch ein körperliches Leiden beeinträchtigt werden, ohne dass seine eigentliche Natur verändert wäre.

Sich für seine Vergehen mit der Schwachheit des Fleisches zu entschuldigen, ist also nur eine Ausflucht, um sich der Verantwortung zu entziehen. Das Fleisch ist nur schwach, weil der Geist schwach ist. Das kehrt also die Frage um und überlässt dem Geist die Verantwortung für all seine Handlungen. Das Fleisch, das weder denkt noch Willen hat, beherrscht niemals den Geist, der das denkende und wollende Wesen ist. Es ist der Geist, der dem Fleisch die seinen Trieben entsprechenden Eigenschaften gibt. Ähnlich wie ein Künstler, der seinem materiellen Werk den Stempel seines Geistes aufdrückt. Ein Geistwesen, befreit von tierischen Instinkten, gestaltet sich einen Körper, der seinem Streben nach Spiritualität nicht mehr entgegensteht. Dann wird es so sein, dass der Mensch isst, um zu leben, weil zu leben eine Notwendigkeit ist, und nicht mehr lebt, um zu essen.

Die seelisch-moralische Verantwortung für die Handlungen des Lebens bleibt also vollständig bestehen. Aber die Vernunft sagt, dass die Folgen dieser Verantwortung im Verhältnis zur intellektuellen Entwicklung des Geistes stehen müssen. Je aufgeklärter er ist, desto weniger entschuldbar ist er, weil mit der Intelligenz und dem moralischen Sinn die Begriffe von Gut und Böse, von Recht und Unrecht entstehen.

Dieses Gesetz erklärt in gewissen Fällen die Erfolglosigkeit der Medizin. Da der Organismus eine Wirkung und keine Ursache ist, werden die Bemühungen, die versucht worden sind, sie zu verändern, zwangsläufig durch die moralischen Veranlagungen und Stimmungen des Geistes verhindert, der einen unbewussten Widerstand leistet und die Heilwirkung vereitelt. Auf die erste Ursache muss daher eingewirkt werden. Wenn möglich, gebt dem Feigling Mut und die körperlichen Auswirkungen der Angst werden aufhören.

Dies beweist einmal mehr, wie notwendig es für die Heilkunde ist, sich die Wirkung des geistigen Aspekts auf das körperliche Leben bewusst zu machen (Revue Spirite, März 1869, S. 65).


Die spiritistische Lehre ist in dem, was die zukünftigen Strafen angeht, genauso wenig auf eine vorgefasste Theorie gegründet wie in ihren anderen Teilen. Sie ist kein System, das ein anderes System ersetzt. Sie stützt sich in allem auf Beobachtungen und dies macht ihre Autorität aus. Niemand hat sich also eingebildet, dass sich die Seelen nach dem irdischen Tod in dieser oder jener Lage befinden müssten. Es sind die Wesen selber, die die Erde verlassen haben, die heute zu uns kommen und uns in die Geheimnisse des zukünftigen Lebens einweihen, ihre glückliche oder unglückliche Lage, ihre Eindrücke und ihre Verwandlung nach dem Tod des Körpers beschreiben, mit einem Wort: in diesem Punkt die Lehren Christi vervollständigen.

Es handelt sich hier keineswegs um den Bericht eines einzelnen Geistes, der die Dinge nur von seiner Sicht und unter einem einzigen Aspekt sieht oder von irdischen Vorurteilen beherrscht wird, noch um eine nur an einen Einzelnen gemachte Offenbarung, der sich durch den Schein betrügen lassen könnte, noch um eine ekstatische Vision, die sich Täuschungen hingibt und oft nur der Widerschein einer übersteigerten Vorstellungskraft ist (vgl. Kap. 6, Nr. 7 und Buch der Geister, Nr. 443 und 444). Es handelt sich hierbei vielmehr um unzählige Beispiele, die von allen Kategorien von Geistern gegeben wurden, von der höchsten bis zur untersten Sprosse der Leiter, empfangen mit Hilfe unzähliger Vermittler, die über alle Orte der Erde verstreut sind. Infolgedessen ist die Offenbarung von niemandem ein Vorrecht. Jeder ist imstande zu sehen und zu beobachten. Keiner ist verpflichtet, im Vertrauen auf andere zu glauben.


Strafgesetzbuch des zukünftigen Lebens

Die spiritistische Lehre will also nicht etwa aus eigener Willkür ein Gesetzbuch der Fantasie aufstellen. Was die Zukunft der Seele angeht, kann ihr Gesetz, das aus Beobachtungen abgeleitet wurde, die auf Tatsachen beruhen, in folgende Punkte zusammengefasst werden:

1. Der Geist oder die Seele erleidet im geistigen Leben die Folgen all jener Unvollkommenheiten, von denen sie sich während des körperlichen Lebens nicht befreit hat. Ihr glücklicher oder unglücklicher Zustand hängt vom Grad ihrer Läuterung oder ihrer Unvollkommenheiten ab.

2. Das vollkommene Glück ist an die Vervollkommnung gebunden, d.h. an die vollständige Läuterung des Geistes. Jede Unvollkommenheit ist sowohl eine Ursache für das Leiden als auch für den Verlust an Freude. Genauso wie jede erworbene Fähigkeit eine Ursache für Freude und für die Linderung des Leidens ist.

3. Es gibt nicht eine einzige Unvollkommenheit der Seele, die nicht ihre unglücklichen und unvermeidlichen Folgen nach sich zieht, und nicht eine einzige gute Eigenschaft, die nicht Quelle der Freude ist. Die Summe der Strafen ist also proportional zur Summe der Unvollkommenheiten, genauso wie jene der Freuden sich nach der Summe der guten Eigenschaften richtet.

Eine Seele, die beispielsweise zehn Unvollkommenheiten hat, leidet mehr als eine, die nur drei oder vier hat. Wenn von diesen zehn Unvollkommenheiten nur ein Viertel oder die Hälfte bleiben, so wird sie weniger leiden. Und wenn sie keine mehr hat, wird sie überhaupt nicht mehr leiden und vollkommen glücklich sein. So leidet auf der Erde derjenige mit mehreren Krankheiten stärker als derjenige, der nur eine oder keine hat. Aus demselben Grund hat die Seele mit zehn Fähigkeiten mehr Freuden als die, die weniger hat.

4. Kraft des Gesetzes des Fortschritts hat jede Seele die Möglichkeit, sich das Gute anzueignen, das ihr fehlt und das Schlechte abzulegen, je nach ihren Anstrengungen und ihrem guten Willen. Daraus ergibt sich, dass die Zukunft für keine Seele verschlossen ist. Gott weist keines seiner Kinder zurück. Er nimmt sie in dem Maße in sein Herz auf, wie sie die Vollkommenheit erreichen und überlässt so jedem das Verdienst seiner Werke.

5. Das Leiden ist mit der Unvollkommenheit verbunden, wie die Freude mit der Vollkommenheit. So trägt die Seele in sich selbst ihre individuelle Strafe, überall, wo sie sich befindet. Dafür ist kein begrenzter Ort nötig. Die Hölle ist also überall, wo leidende Seelen sind, wie der Himmel überall dort ist, wo es glückliche Seelen gibt.

6. Das Gute und das Böse, das man tut, ist das Ergebnis der guten und schlechten Eigenschaften, die man besitzt. Das Gute nicht zu tun, das man tun kann, ist also das Ergebnis einer Unvollkommenheit. Wenn jede Unvollkommenheit eine Quelle des Leidens ist, so muss der Geist nicht nur für all das Böse leiden, das er getan hat, sondern auch für all das Gute, das er hätte tun können und das er während seines irdischen Lebens nicht getan hat.

7. Der Geist leidet durch das Böse selbst, das er getan hat, in der Weise, dass seine Aufmerksamkeit beständig auf die Folgen dieses Bösen gerichtet ist und er so dessen negative Folgen besser begreift und angespornt wird, sich davon zu reinigen.

8. Da die Gerechtigkeit Gottes unbegrenzt ist, wird das Gute und das Böse streng berücksichtigt. Wenn es keine einzige schlechte Tat und keinen einzigen schlechten Gedanken gibt, die nicht ihre verhängnisvollen Folgen hätte, so gibt es auch keine einzige gute Tat, keine einzige gute Regung der Seele, mit einem Wort, nicht das geringste Verdienst, das verloren wäre, selbst bei den Verdorbensten, weil es ein Beginn des Fortschritts ist.

9. Jeder begangene Fehler, jedes verübte Böse ist eine eingegangene Schuld, die bezahlt werden muss. Geschieht dies nicht in einer Existenz, dann in der nächsten oder einer folgenden, weil alle Existenzen füreinander haften. Wer sich in der jetzigen Existenz von Schulden freimacht, wird kein zweites Mal bezahlen müssen.

10. Der Geist erleidet die Strafe seiner Unvollkommenheiten, entweder in der geistigen oder in der körperlichen Welt. All das Elend und alle Wechselfälle, die man im körperlichen Leben erleidet, sind die Folgen unserer Unvollkommenheiten, als Sühne für begangene Fehltritte, entweder der gegenwärtigen Existenz oder der früheren Existenzen.

Aus der Beschaffenheit der Leiden und Wechselfälle, die man im irdischen Leben erduldet, kann man die Natur der in einer früheren Existenz begangenen Fehler und Unvollkommenheiten beurteilen, die deren Ursache sind.

11. Die Sühne variiert je nach der Art und Schwere des Fehlers. Dasselbe Verschulden kann auf diese Weise je nach mildernden oder erschwerenden Umständen, unter denen es begangen wurde, zu unterschiedlichen Wiedergutmachungen führen.

12. Hinsichtlich der Art und Dauer der Strafe gibt es keine absolute und einheitliche Regelung. Das einzig allgemeine Gesetz ist, dass jeder Fehler seine Strafe und jede gute Tat ihre Belohnung bekommt, entsprechend ihrem Wert.

13. Die Dauer der Strafe ist von der Besserung des schuldigen Geistes abhängig. Es wird gegen ihn keine Verurteilung auf eine bestimmte Zeit ausgesprochen. Was Gott verlangt, um das Leiden zu beenden, ist eine ernsthafte, wirkliche Besserung und eine aufrichtige Rückkehr zum Guten.

Der Geist ist somit immer der Schiedsrichter seines eigenen Schicksals. Er kann durch seine Verhärtung im Bösen seine Leiden verlängern oder sie durch seine Bemühungen, Gutes zu tun, mildern und abkürzen

Eine Verurteilung für eine bestimmte Zeit würde den doppelten Nachteil mit sich bringen, entweder weiterhin den Geist zu treffen, der sich gebessert hat, oder das Leiden zu beenden, während er noch im Bösen verhaftet wäre. Gott, der gerecht ist, bestraft das Böse, solange es existiert. Er hört auf zu strafen, wenn das Böse nicht mehr existiert (vgl. Kap. 6, Nr. 25, Anführung aus Ezechiel). Oder, wenn man so will, da das moralisch Böse aus sich selbst heraus eine Ursache des Leidens ist, dauert das Leiden genauso lange, wie das Böse besteht. Seine Intensität nimmt in dem Maße ab, wie das Böse schwächer wird.

14. Da die Dauer der Strafe von der Besserung abhängig ist, folgt daraus, dass der schuldige Geist, der sich nie bessern würde, immer leiden müsste und dass die Strafe für ihn ewig wäre. 15. Ein mit den niederen Geistern verbundener Umstand ist der, kein Ende ihrer Situation zu sehen und zu glauben, dass sie immer leiden werden. Es ist für sie eine Strafe, die ihnen ewig erscheinen muss.

Bemerkung: "Immer" ist gleichbedeutend mit “endlos, ewig". Man sagt: die Grenze des ewigen Schnees, das ewige Eis der Pole, man sagt auch: der ständige Sekretär der Akademie, was nicht bedeutet, dass er es auf ewig sein wird, sondern nur auf unbegrenzte Zeit. “Ewig” und “immer” werden daher im Sinne von “unbestimmt” verwendet. In diesem Sinne kann man sagen, dass die Strafen ewig sind, wenn man darunter versteht, dass sie keine begrenzte Dauer haben. Sie sind ewig für den Geist, der ihr Ende nicht sieht.

16. Der erste Schritt zur Besserung ist die Reue. Aber sie allein reicht nicht, es bedarf noch der Sühne und der Wiedergutmachung. Reue, Sühne und Wiedergutmachung sind die drei notwendigen Bedingungen, um die Spuren eines Fehlers und seiner Folgen zu beseitigen.

Die Reue mildert die Schmerzen der Sühne, indem sie Hoffnung gibt und die Wege der Rehabilitierung vorbereitet. Aber nur die Wiedergutmachung kann die Wirkung aufheben, indem sie die Ursache zerstört. Ein Straferlass wäre eine Gunst und keine Tilgung.

17. Die Reue kann jederzeit und überall stattfinden. Tritt sie später ein, so leidet der Schuldige länger.

Die Sühne besteht in den körperlichen und geistigen Leiden, als Folge des begangenen Fehlers, sei es nun im gegenwärtigen Leben oder nach dem Tod im geistigen Leben oder in einer neuen körperlichen Existenz. Sie dauert, bis die Spuren des Fehlers getilgt sind.

Wiedergutmachung besteht darin, denjenigen Gutes zu tun, denen man Schaden zugefügt hat. Wer sein Unrecht in diesem Leben durch Nichtkönnen oder bösen Willen nicht wiedergutmacht, wird sich in einem späteren Dasein in Kontakt mit denselben Menschen wiederfinden, die sich über ihn zu beklagen hatten, und in von ihm selbst gewählten Lebenslagen, so dass er ihnen seine Hingabe beweisen und ihnen so viel Gutes tun kann, wie er ihnen Schaden zugefügt hat.

Nicht alle Fehler verursachen einen direkten und wirklichen Schaden. In diesem Fall wird die Wiedergutmachung dadurch geleistet, indem man tut, was man damals hätte tun sollen und nicht getan hat, indem man die Pflichten, die man vernachlässigt oder ignoriert, die Aufgaben, die man verfehlt hat, erfüllt; das Gute ausübt, entsprechend dem, was man Böses getan hat. Das heißt, indem man demütig ist, wenn man hochmütig war, milde, wenn man hart war, liebevoll, wenn man selbstsüchtig war, wohlwollend, wenn man gehässig war, fleißig, wenn man faul war, nützlich, wenn man unnütz war, enthaltsam, wenn man ausschweifend war, beispielhaft, wenn man ein schlechtes Beispiel gab usw. So schreitet der Geist voran und zieht Nutzen aus seiner Vergangenheit.

Bemerkung: Die Notwendigkeit der Wiedergutmachung beruht auf dem Grundsatz strenger Gerechtigkeit, der als das wahre Gesetz moralischer Rehabilitation der Geistwesen angesehen werden kann. Es ist eine Lehre, die noch von keiner öffentlich ausgeübten Religion verkündet wurde (wenigstens in deutlichen, einfachen Worten).

Manche Leute lehnen sie ab, weil sie es bequemer finden würden, ihre Missetaten durch eine einfache Reue mit Hilfe einiger Formeln tilgen zu können, die nur Worte kosten. Es steht ihnen frei, sich von ihrer Schuld befreit zu glauben. Sie werden später sehen, ob das für sie genügt. Man könnte sie fragen, ob dieses Prinzip nicht im menschlichen Gesetz verankert ist und ob die Gerechtigkeit Gottes der menschlichen Gerechtigkeit gegenüber minderwertig sein kann? Ob sie mit einer Person zufrieden wären, die sie durch Vertrauensmissbrauch ruiniert hat und sich darauf beschränken würde, ihnen zu sagen, dass sie es unendlich bereut? Warum möchten sie vor einer Verpflichtung zurückweichen, die zu erfüllen sich jeder ehrliche Mensch zur Aufgabe macht, entsprechend seiner Kräfte?

Wenn diese Perspektive der Wiedergutmachung einmal in die Vorstellung der Massen eingedrungen sein wird, so wird sie der Zügel von ganz anderer Wirkungskraft sein als wie jene Lehre der Hölle und der ewigen Strafen. Denn sie berührt die Wirklichkeit des Lebens, und der Mensch wird dann die Ursache der schmerzlichen Umstände begreifen, in denen er sich befindet.

18. Die unvollkommenen Geister sind von den glücklichen Welten ausgeschlossen, deren Harmonie sie stören würden. Sie bleiben in den niederen Welten, wo sie ihre Schuld durch die Leiden des Lebens sühnen und sich von ihren Unvollkommenheiten reinigen, bis sie es verdienen, in den moralisch und physisch weiterentwickelten Welten zu inkarnieren.

Wenn man sich einen begrenzten Ort der Bestrafung vorstellen kann, so würde er sich auf den Welten der Sühne befinden. Denn um diese Welten herum wimmelt es von unvollkommenen desinkarnierten Geistern, die auf eine neue Inkarnation warten, die es ihnen ermöglichen soll, begangene Fehltritte wiedergutzumachen und die zu ihrem Voranschreiten weiterhelfen wird.

19. Weil der Geist immer seinen freien Willen hat, so ist seine Verbesserung manchmal langsam und sein Beharren im Bösen sehr hartnäckig. Er kann Jahre und Jahrhunderte darin verharren, aber es kommt immer ein Zeitpunkt, in dem sein Starrsinn, mit der er der Gerechtigkeit Gottes zu trotzen versuchte, sich dem Leiden beugt, und er trotz seiner Prahlerei die höhere Macht erkennt, die ihn beherrscht. Sobald die ersten Schimmer der Reue in ihm auftauchen, lässt Gott ihn die ersten Funken der Hoffnung sehen.

Kein Geist ist in der Lage, sich niemals zu verbessern. Sonst wäre der Geist fatalerweise einer ewigen Niedrigkeit ausgeliefert und würde dem Gesetz des Fortschritts entgehen, das entsprechend der Vorsehung alle Geschöpfe beherrscht.

20. Was auch immer die Unvollkommenheit der Geister sein mag, Gott verlässt sie niemals. Alle haben ihren Schutzengel, der über sie wacht und die Regungen ihrer Seele beobachtet. Er bemüht sich, in ihnen gute Gedanken und den Wunsch nach Fortschritt zu wecken, danach, in einer neuen Existenz das Böse, das sie getan haben, wiedergutzumachen. Der Schutzgeist handelt dabei meist auf verborgene Weise, ohne irgendwelchen Druck auszuüben. Der Geist soll sich durch eigenen Willen verbessern und nicht durch irgendeinen Zwang. Er handelt gut oder schlecht, je nach seinem freien Willen und ohne dabei in die eine oder andere Richtung getrieben zu werden. Wenn er Böses tut, so erleidet er die Folgen, solange er auf dem falschen Weg bleibt. Sobald er einen Schritt zum Guten macht, fühlt er sofort dessen Wirkung.

Bemerkung: Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass nach dem Gesetz des Fortschritts die Gewissheit, früher oder später zur Vervollkommnung und zum Glück zu gelangen, eine Ermutigung sein kann, vorerst im Bösen zu beharren, unter dem Vorbehalt späterer Reue. Zunächst, weil der niedrigstehende Geist kein Ende seiner Lage sieht, zweitens, weil der Geist als Verursacher seines eigenen Unglücks versteht, dass es von ihm abhängt, dass dieses aufhört. Dass er umso länger unglücklich sein wird, je länger er im Bösen verharrt. Dass sein Leiden ewig währt, wenn er es nicht selbst beendet. Es wäre daher eine falsche Berechnung von seiner Seite, deren erster Betrogener er selbst sein würde. Wenn ihm dagegen nach dem Dogma der unwiderruflichen Strafen für immer alle Hoffnung verwehrt ist, so hat er kein Interesse mehr, zum Guten zurückzukehren. Es wäre für ihn ohne Gewinn.

Vor diesem Gesetz fällt der Einwand, der aus der göttlichen Vorahnung gezogen wird. Gott weiß bei der Erschaffung eines Geistes, ob er Kraft seines freien Willens den guten oder den schlechten Weg einschlagen wird. Er weiß, dass der Geist bestraft werden wird, wenn er Böses tut. Aber er weiß auch, dass diese vorübergehende Bestrafung ein Mittel ist, dem Geist seinen Irrtum verständlich zu machen, und um gleichzeitig zu bewirken, dass er den guten Weg wählen wird, auf dem er früher oder später ankommen wird. Nach der Lehre von den ewigen Strafen weiß er, dass er scheitern wird und im voraus zu endlosen Leiden verurteilt ist.

21. Jeder ist nur für seine eigenen Fehltritte verantwortlich. Niemand trägt die Strafe für die Fehler anderer. Es sei denn, er hat Anlass dazu gegeben, indem er sie durch sein Beispiel provoziert hat oder indem er sie trotz seiner Möglichkeiten nicht verhinderte.

So wird z.B. der Selbstmörder immer bestraft. Aber derjenige, der durch seine Härte einen Menschen zur Verzweiflung und damit zur Selbstvernichtung treibt, erleidet eine noch größere Strafe.

22. Obwohl die Verschiedenheit der Bestrafungen unendlich ist, gibt es doch einige, die dem niedrigen Zustand der Geister entsprechen und deren Folgen, von Nuancen abgesehen, fast identisch sind.

Die unmittelbarste Strafe, besonders für diejenigen, die sich durch Vernachlässigung des geistigen Fortschritts an das materielle Leben gebunden haben, besteht in der langsamen Trennung der Seele vom Körper in den Ängsten, die den Tod und das Erwachen im anderen Leben begleiten und in der Dauer der Verwirrung, die Monate und Jahre fortbestehen kann. Bei denen hingegen, deren Gewissen rein ist, die sich schon zu ihren Lebzeiten mit dem geistigen Leben beschäftigt und von den materiellen Dingen losgelöst haben, ist die Trennung schnell und frei von Erschütterungen, das Erwachen friedlich und die Verwirrung fast gleich null.

23. Ein Phänomen, das bei Geistern mit einer gewissen moralischen Unreife sehr häufig vorkommt, besteht darin, dass sie glauben, noch am Leben zu sein. Diese Illusion kann sich über Jahre ausdehnen, in denen sie alle Bedürfnisse, alle Qualen und alle Schwierigkeiten des Lebens empfinden.

24. Für den Verbrecher ist der unaufhörliche Anblick seiner Opfer und der Umstände seines Verbrechens eine grausame Bestrafung.

25. Bestimmte Geister sind in tiefe Finsternis getaucht. Andere befinden sich mitten im Raum in absoluter Isolation, gequält von der Unkenntnis ihrer Situation und ihres Schicksals. Die Schuldigsten leiden Qualen, die umso schmerzhafter sind, je weniger sie deren Ende sehen. Vielen wird der Anblick ihrer Lieben vorenthalten. Ausnahmslos alle ertragen mit verhältnismäßiger Intensität die Leiden, Schmerzen und Nöte, die sie anderen zugefügt haben, bis Reue und der Wunsch nach Wiedergutmachung beginnen, eine Linderung zu bringen, indem ihnen die Möglichkeit aufgezeigt wird, diese Lage aus eigener Kraft zu beenden.

26. Es ist eine Strafe für den Hochmütigen, diejenigen in himmlischer Herrlichkeit zu sehen, umringt und gefeiert, die er auf der Erde verachtet hatte, während er selbst in die letzten Ränge zurückverwiesen ist; für den Heuchler, sich von dem Licht durchdrungen zu sehen, das seine geheimsten Gedanken enthüllt, die jeder lesen kann, ohne Möglichkeit für ihn, sich zu verstecken und zu verstellen; für den Sinnlichen, alle Versuchungen, alle Wünsche zu haben, ohne sie befriedigen zu können; für den Geizigen, sein Geld verschleudert zu sehen und es nicht behalten zu können; für den Egoisten, von allen verlassen zu werden und all das zu erleiden, was andere durch ihn erlitten haben. Er wird durstig sein und niemand wird ihm zu trinken geben. Er wird hungern und niemand wird ihm zu essen geben. Keine freundliche Hand kommt, um seine Hand zu halten. Keine mitfühlende Stimme kommt, um ihn zu trösten. Er dachte zu Lebzeiten nur an sich. Niemand denkt nun an ihn und bemitleidet ihn jetzt nach seinem Tod.

27. Das Mittel, um die Folgen der eigenen Fehler im zukünftigen Leben zu vermeiden oder abzumildern, besteht darin, sie im gegenwärtigen Leben so weit wie möglich loszuwerden. Das bedeutet, dass man das Böse wiedergutmacht, damit man es nicht später auf eine schmerzlichere Weise wiedergutmachen muss. Je länger man damit zögert, seine Fehler abzulegen, desto schmerzlicher sind die Folgen davon und desto strenger ist die erforderliche Wiedergutmachung, die man erbringen muss.

28. Die Situation des Geistes von seinem Eintritt an in das geistige Leben ist die, die er sich durch sein körperliches Leben auf der Erde vorbereitet hat. Später wird ihm eine weitere Inkarnation gegeben, zur Sühne und zur Wiedergutmachung durch neue Prüfungen. Aber er profitiert mehr oder weniger davon, entsprechend der Kraft seines freien Willens. Wenn er davon keinen Gebrauch macht, vergrößert sich seine Aufgabe, jedes Mal unter schmerzlicheren Bedingungen von vorne anzufangen, so dass derjenige, der auf Erden viel zu leiden hatte, sich sagen kann, dass er viel zu sühnen hatte. Diejenigen, die trotz ihrer Laster und ihrer Nutzlosigkeit ein scheinbares Glück genießen, dürfen sicher sein, dass sie es in einem späteren Leben teuer zu bezahlen haben. In diesem Sinne hat Jesus gesagt: "Selig die Leidtragenden; denn sie werden getröstet werden." (“Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus”, Kap. 5).

29. Die Barmherzigkeit Gottes ist zweifellos unendlich, aber sie ist nicht blind. Der Schuldige, dem er vergibt, ist nicht entlastet und solange er der Gerechtigkeit nicht Genüge getan hat, trägt er die Folgen seiner Fehler. Unter unendlicher Barmherzigkeit muss verstanden werden, dass Gott nicht unerbittlich ist und dass er die Tür zur Rückkehr zum Guten immer offenlässt.

30. Da die Strafen vorübergehend und der Reue und Wiedergutmachung untergeordnet sind, die vom freien Willen des Menschen abhängen, sind sie gleichzeitig Bestrafung und Heilmittel, die dazu helfen sollen, die Wunden des Bösen zu heilen. Die Geister in Bestrafung sind also nicht wie auf Zeit verurteilte Galeerensträflinge, sondern wie Kranke im Krankenhaus. Diese leiden an einer Krankheit, die häufig von ihnen selbst verschuldet ist. Sie leiden auch unter den schmerzvollen Heilmitteln, die diese Krankheit erfordert. Sie haben aber Hoffnung auf Genesung und genesen umso schneller, je genauer sie die Vorschriften des Arztes befolgen, der mit Sorgfalt über sie wacht. Wenn sie ihre Leiden durch ihre Schuld verlängern, hat der Arzt nichts damit zu tun.

31. Zu den Strafen, die der Geist im geistigen Leben erleidet, kommen die des körperlichen Lebens hinzu. Sie sind eine Folge der Unvollkommenheiten des Menschen, seiner Leidenschaften, des schlechten Gebrauchs seiner Fähigkeiten und der Sühne seiner gegenwärtigen und vergangenen Fehler. Im körperlichen Leben macht der Geist das Böse seiner früheren Existenzen wieder gut und setzt die im geistigen Leben getroffenen Vorsätze in die Tat um. So erklären sich jene Leiden und Wechselfälle, die auf den ersten Blick keine Existenzberechtigung zu haben scheinen, und sind doch absolut gerecht, weil sie die Quittung für die Vergangenheit sind und dem Fortschritt dienen (siehe 5. Kapitel: “Das Fegefeuer”, Nr. 3ff; - 19. Kapitel: “Beispiele von irdischen Sühnen” - “Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus”, 5. Kapitel: “Selig sind die Leidtragenden”).

32. Würde Gott, so sagt man, nicht eine größere Liebe zu seinen Geschöpfen beweisen, wenn er sie als unfehlbar geschaffen hätte und folglich frei von den Wechselfällen, die mit der Unvollkommenheit verbunden sind?

Dafür hätte er vollkommene Wesen erschaffen müssen, die nichts zu erwerben brauchen, weder an Kenntnissen noch an Tugenden. Ohne Zweifel hätte er das gekonnt. Wenn er dies nicht getan hat, so hat er in seiner Weisheit gewollt, dass der Fortschritt allgemeines Gesetz sei.

Die Menschen sind unvollkommen und als solche mehr oder weniger schmerzhaften Wechselfällen ausgesetzt. Das ist eine Tatsache, die akzeptiert werden muss, da sie existiert. Daraus zu folgern, dass Gott weder gut noch gerecht sei, wäre eine Auflehnung gegen ihn.

Es wäre ungerecht, wenn er privilegierte Wesen geschaffen hätte, die begünstigter wären als die anderen, ohne Arbeit das Glück genießen, das andere nur mit Mühe oder nie erreichen können. Aber wo seine Gerechtigkeit erstrahlt, liegt es in der absoluten Gleichheit, die die Erschaffung aller Geister leitet und bestimmt. Alle haben den gleichen Ausgangspunkt. Da ist bei seiner Erschaffung keiner, der höher begabt wäre als die anderen. Keiner, dessen Fortschritt durch Ausnahmen erleichtert wäre. Diejenigen, die das Ziel erreicht haben, haben den Weg der Prüfungen und der Niedrigkeit durchlaufen.

Wird dies zugegeben, was wäre da gerechter als die jedem überlassene Handlungsfreiheit? Der Weg zum Glück steht allen offen. Das Ziel ist für alle dasselbe. Die Bedingungen dafür sind für alle gleich. Dieses in alle Gewissen eingravierte Gesetz wird allen gelehrt. Gott hat aus dem Glück den Lohn der Arbeit und nicht der Gunst gemacht, damit jeder dessen Verdienst hat.

Jedem steht es frei zu arbeiten oder nichts für seinen Fortschritt zu tun. Wer viel und schnell arbeitet, wird früher dafür belohnt. Wer sich auf seinem Weg verirrt oder seine Zeit verschwendet, verzögert seine Ankunft und kann sich nur selbst dafür verantwortlich machen. Das Gute und das Böse sind freiwillig und optional. Da der Mensch frei ist, wird er unweigerlich weder zu dem einen noch zu dem anderen gezwungen.

33. Trotz der Verschiedenheit der Arten und Stufen des Leidens unvollkommener Geister lässt sich das Strafgesetzbuch des zukünftigen Lebens in diese drei Grundsätze zusammenfassen:

Das Leiden hängt mit der Unvollkommenheit zusammen.

Jede Unvollkommenheit und jeder Fehler, der sich daraus ergibt, bringt ihre individuelle Strafe durch ihre natürlichen und unvermeidlichen Folgen mit sich, so wie Krankheit die Folge von Exzessen, Langeweile die von Müßiggang ist, ohne dass für jeden Fehler und jede Person eine besondere Verurteilung erforderlich wäre.

Jeder Mensch, der seine Unvollkommenheiten durch die Wirkung seines Willens ablegen kann, kann sich die daraus resultierenden Leiden ersparen und sein zukünftiges Glück sichern.

Dies ist das Gesetz der göttlichen Gerechtigkeit: Jedem nach seinen Werken – im Himmel und auf der Erde.



Kapitel VIII - Die Engel

1. Alle Religionen haben unter verschiedenen Namen Engel gehabt, das heißt Wesen, die über der Menschheit stehen, Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Der Materialismus, der jede geistige Existenz außerhalb des organischen Lebens leugnet, hat Engel naturgemäß unter Fiktionen und Allegorien eingeordnet. Der Glaube an Engel ist ein wesentlicher Bestandteil der Dogmen der Kirche. Hier sind ihre Definitionen.

Bemerkung: Wir entnehmen diese Zusammenfassung dem Hirtenbrief von Hochwürden Thomas Gousset, Kardinal-Erzbischof von Reims, zur Fastenzeit 1864. Man kann diesen als den jüngsten Ausdruck des Kirchenglaubens über diesen Punkt ansehen, genauso wie den über die "Dämonen", der aus derselben Quelle stammt und im folgenden Kapitel angeführt ist.


2. „Wir glauben fest daran, sagt ein allgemeines und ökumenisches LateranKonzil, dass es nur einen wahren Gott gibt, ewig und unendlich, der am Anfang der Zeit das eine und das andere Geschöpf aus dem Nichts erschaffen hat, das Geistige und das Körperliche, das Engelhafte und das Weltliche, und danach als mittlere zwischen beiden, die menschliche Art, bestehend aus Körper und Geist.

So ist nach dem Kirchenglauben der göttliche Plan im Werk der Schöpfung beschaffen, ein majestätischer und vollständiger Plan, wie er der ewigen Weisheit entspricht. So konzipiert, bietet er unseren Gedanken das Sein auf allen Stufen und in allen Bedingungen und Lagen. In der höchsten Sphäre erscheinen Dasein und Leben rein geistig, in der letzten Reihe Dasein und Leben rein materiell und in der Mitte als Trennung dieser eine merkwürdige Vereinigung der beiden Arten, ein Leben, das gleichzeitig dem intelligenten Geist und dem organischen Körper gemeinsam ist.

Unsere Seele ist von einfacher und unteilbarer Natur, aber sie ist in ihren Fähigkeiten begrenzt. Die Vorstellung, die wir von der Vollkommenheit haben, lässt uns verstehen, dass es andere Wesen geben kann, einfach wie sie und die in ihren Eigenschaften und Privilegien überlegen sind. Sie ist groß und edel, aber mit der Materie verbunden, die von zerbrechlichen Organen bedient wird und begrenzt in ihrem Handeln und ihrer Kraft. Warum sollte es nicht noch edlere Wesen geben, die frei sind von dieser Unterdrückung und diesen Fesseln und ausgestattet mit größerer Kraft und unvergleichlicher Aktivität? Bevor Gott den Menschen auf die Erde gesetzt hatte, damit derselbe ihn erkenne, liebe und ihm diene, hatte er da nicht bereits andere Geschöpfe gerufen, um seinen himmlischen Hof zu bilden und ihn in der Wohnstätte seiner Herrlichkeit anzubeten? Schließlich empfängt Gott von den Händen des Menschen den Tribut der Ehre und die Huldigung dieses Universums. Ist es erstaunlich, dass er aus den Händen des Engels den Weihrauch und das Gebet der Menschen empfängt? Wenn es also die Engel nicht gäbe, hätte das große Werk des Schöpfers nicht die Krönung und Vollkommenheit, deren es fähig war. Diese Welt, die seine Allmacht bezeugt, wäre nicht mehr das Meisterwerk seiner Weisheit. Selbst unsere Vernunft, obwohl schwach und fehlbar, könnte es leicht vollständiger und vollendeter entwerfen.

Auf jeder Seite der heiligen Bücher des Alten und Neuen Testaments werden diese erhabenen Geistwesen in frommen Anrufungen oder in historischen Zeilen erwähnt. Ihr Eingreifen zeigt sich deutlich im Leben der Stammväter und Propheten. Gott bedient sich ihres Dienstes, manchmal um seine Wünsche auszudrücken, manchmal um zukünftige Ereignisse anzukündigen. Er macht sie fast immer zu Werkzeugen seiner Gerechtigkeit oder seiner Barmherzigkeit. Ihre Gegenwart ist mit den verschiedenen Umständen der Geburt, des Lebens und Leidens des Erlösers verflochten. Ihr Andenken ist untrennbar verbunden mit dem großer Männer und den wichtigsten Ereignissen der religiösen Antike. Es findet sich sogar im Schoße des Polytheismus und unter den Märchen der Mythologie, denn der betreffende Glaube ist so alt und so universell wie die Welt. Und die Anbetung, die die Heiden den guten und den bösen Geistern erwiesen, war nur eine falsche Anwendung der Wahrheit, ein entarteter Überrest des ursprünglichen Dogmas.

Die Worte des heiligen Lateran-Konzils enthalten eine grundlegende Unterscheidung zwischen Engeln und Menschen. Sie lehren uns, dass erstere reine Geister sind, während letztere aus einem Körper und einer Seele bestehen. Das heißt, dass die engelhafte Natur sich durch sich selbst aufrecht hält, nicht nur ohne Vermischung, sondern auch ohne wirklich mögliche Verbindung mit der Materie, wie leicht und fein man sie sich auch vorstellen mag. Während unsere in gleicher Weise geistige Seele derart mit dem Körper verbunden ist, dass sie nur ein einziges und selbes Wesen bildet, und dass dies im Wesentlichen ihre Bestimmung ist.

Solange diese so innige Vereinigung der Seele mit dem Körper dauert, haben diese beiden Grundwesenheiten ein gemeinsames Leben und üben einen wechselseitigen Einfluss aufeinander aus. Die Seele kann sich von dem daraus resultierenden unvollkommenen Zustand nicht ganz befreien. Ihre Vorstellungen kommen ihr durch die Sinne, durch den Vergleich äußerer Gegenstände und immer unter mehr oder weniger offensichtlichen Bildern. Daher kann sie sich selbst nicht betrachten und sich Gott und die Engel nicht vorstellen, ohne ihnen irgendeine sichtbare und greifbare Form zu geben. Deshalb mussten die Engel, um sich vor den Heiligen und Propheten sichtbar zu machen, körperliche Gestalten zu Hilfe nehmen. Aber diese Figuren waren nur Luftkörper, die sie bewegten, ohne dass sie sich mit ihnen ganz vereint hätten. Oder sie waren symbolische Beigaben in Bezug auf die Mission, mit der sie beauftragt waren.

Ihr Wesen und ihre Bewegungen sind nicht an einen Ort gebunden und auf einen festen und begrenzten Punkt des Raumes festgelegt. Da sie an keinen Körper gebunden sind, können sie nicht wie wir Menschen von anderen Körpern festgehalten und eingeschränkt werden. Sie nehmen keinen Raum ein und füllen keine Leere. Aber so wie unsere Seele vollständig in unserem Körper und in jedem seiner Teile ist, so sind sie vollständig und fast gleichzeitig an allen Punkten und in allen Teilen der Welt. Schneller als der Gedanke können sie überall sein und dort durch sich selbst wirken, ohne andere Hindernisse für ihre Pläne, außer dem Willen Gottes und dem Widerstand der menschlichen Freiheit.

Während wir darauf beschränkt sind, die Dinge, die außerhalb von uns sind, nur nach und nach und bis zu einem gewissen Grad zu sehen, und während uns die Wahrheiten der übernatürlichen Ordnung gemäß der Aussage des Apostels Paulus wie ein Rätsel und in einem Spiegel erscheinen, sehen sie mühelos, was ihnen wichtig ist zu wissen und stehen in unmittelbarem Bezug mit dem Gegenstand ihres Denkens. Ihr Wissen ist nicht das Ergebnis von Folgerung und Urteilen, sondern von jener klaren und tiefen inneren Intuition, die gleichzeitig die Gattung und die sich daraus ableitenden Arten umfasst, die Prinzipien und die Folgerungen, die sich daraus ergeben.

Der Abstand der Zeiten, der Unterschied der Orte und die Vielfalt der Gegenstände können in ihrem Geist keine Verwirrung hervorrufen.

Die göttliche Essenz, die unendlich ist, ist unbegreiflich. Sie hat Geheimnisse und Tiefen, in die sie nicht eindringen können. Die besonderen Pläne der Vorsehung sind ihnen verborgen, aber sie enthüllt ihnen das Geheimnis, wenn sie unter bestimmten Umständen von ihr beauftragt werden, sie den Menschen zu verkünden.

Die Mitteilungen von Gott zu den Engeln und von den Engeln untereinander erfolgen nicht wie bei uns durch artikulierte Laute und andere wahrnehmbare Zeichen. Reine Geistwesen brauchen weder Augen zum Sehen noch Ohren zum Hören. Sie haben auch nicht das Organ der Stimme, um ihre Gedanken zu äußern. Diese gewohnheitsmäßige Vermittlung unserer Gespräche ist für sie nicht notwendig. Aber sie teilen ihre Gefühle auf eine Weise mit, die ihnen eigen und völlig geistig ist. Um verstanden zu werden, müssen sie es nur wollen.

Gott allein kennt die Zahl der Engel. Diese Zahl kann zweifellos nicht unendlich sein und ist es auch nicht. Aber laut den ehrwürdigen Schriftstellern und heiligen Lehrern ist sie sehr beträchtlich und wirklich unermesslich. Wenn es naheliegend ist, die Zahl der Einwohner einer Stadt in ein Verhältnis zu ihrer Größe und Ausdehnung zu bringen, und wenn die Erde im Vergleich zum Firmament und den riesigen Regionen des Weltraums nur ein Atom ist, muss daraus geschlossen werden, dass die Zahl der Bewohner des Himmels und der Luft viel größer ist als die der Menschen.

Da nun die Hoheit der Könige ihren Glanz aus der Zahl ihrer Untertanen, Beamten und Diener erhält, was gäbe es da Besseres, um uns eine Vorstellung von der Größe und Hoheit des Königs der Könige zu gewähren, als diese unzählige Menge von Engeln, die den Himmel, die Erde, das Meer und die Abgründe bevölkern und als die Würde derer, die sich unaufhörlich vor seinem Thron niederwerfen oder aufrecht stehen?

Die Kirchenväter und Theologen lehren im Allgemeinen, dass die Engel in drei große Hierarchien oder Fürstentümer eingeteilt sind und jede Hierarchie in drei Gruppen oder Chöre.

Die der ersten und höchsten Hierarchiestufe werden entsprechend den Funktionen ernannt, die sie im Himmel ausüben. Die einen werden Seraphim genannt, weil sie vor Gott mit dem Feuer der Nächstenliebe entzündet werden. Die anderen heißen Cherubim, weil sie eine leuchtende Reflektion seiner Weisheit sind. Wieder andere nennt man Throne, weil sie Gottes Größe verkünden und Sein Licht zurückstrahlen lassen.

Die Engel der zweiten Hierarchiestufe erhalten ihre Namen von den Aufgaben, die ihnen in der allgemeinen Regierung des Universums zugewiesen sind. Diese sind: Herrschaften, die den Engeln der niederen Ordnungen ihre Aufgaben und Funktionen zuweisen; Kräfte, die die Wunder vollbringen, die von den großen Interessen der Kirche und der Menschheit verlangt werden; Mächte, die durch ihre Macht und Wachsamkeit die Gesetze schützen, die die physische und moralische Welt regieren.

Die der dritten Hierarchiestufe haben als ihren Bereich die Leitung der Gesellschaften und Menschen. Die Fürstentümer sind den Königreichen, Provinzen und Bistümern vorgesetzt; die Erzengel, die die Botschaften von hoher Wichtigkeit übermitteln; die Schutzengel, die jeden von uns begleiten, um über unsere Sicherheit und Heiligung zu wachen.”



Widerlegung

3. Das allgemeine Prinzip, das sich aus dieser Lehre ergibt, ist, dass Engel rein spirituelle Wesen sind, die der Menschheit vorausgehen und ihr überlegen sind, privilegierte Geschöpfe, die seit ihrer Erschaffung dem höchsten und ewigen Glück geweiht sind. Aufgrund ihres Wesens sind sie mit allen Tugenden und allem Wissen ausgestattet, ohne etwas getan zu haben, um sie zu erwerben. Sie stehen im Schöpfungswerk an erster Stelle. In der letzten Reihe steht das rein materielle Leben und zwischen den beiden die Menschheit, die aus den Seelen besteht, geistige Wesen, die niedriger stehen als die Engel und mit materiellen Körpern ausgestattet sind.

Aus diesem System ergeben sich mehrere hauptsächliche Schwierigkeiten. Was vor allem ist dieses rein materielle Leben? Handelt es sich um rohe, grobe Materie? Aber rohe Materie ist unbeseelt und hat kein eigenes Leben. Will man von Pflanzen und Tieren reden? Es wäre dann eine vierte Ordnung in der Schöpfung, denn es ist nicht zu leugnen, dass in dem intelligenten Tier mehr steckt als in einer Pflanze und in letzterer mehr als in einem Stein. Die menschliche Seele, die den Übergang bildet, ist direkt mit einem Körper verbunden, der nur rohe Materie ist, weil er ohne Seele nicht mehr Leben als ein Erdklumpen hat.

Dieser Einteilung fehlt offensichtlich die Klarheit und sie stimmt nicht mit der Beobachtung überein. Sie ähnelt der Theorie der vier Elemente, die den Fortschritten der Wissenschaft nicht standgehalten hat. Lassen wir aber diese drei Begriffe zu: die geistige Schöpfung, das menschliche und das körperliche Wesen. So heißt es, ist der göttliche Plan, ein majestätischer und vollständiger Plan, wie er der ewigen Weisheit entsprach. Bemerken wir zunächst, dass es zwischen diesen drei Begriffen keine notwendige Verbindung gibt. Sie sind drei unterschiedliche Schöpfungen, die nacheinander entstanden. Von einem zum anderen gibt es keinen Zusammenhang, während in der Natur alles zusammenhängt. All dies zeigt uns ein bewundernswertes Gesetz der Einheit, von dem alle Elemente, die nur Abwandlungen voneinander sind, ihr Bindeglied haben. Diese Theorie ist insofern wahr, als diese drei Begriffe offensichtlich existieren. Nur ist sie unvollständig. Ihr fehlen die Berührungspunkte, wie man leicht nachweisen kann.


4. Diese drei Höhepunkte der Schöpfung sind, so sagt die Kirche, notwendig für die Harmonie des Ganzen. Gäbe es einen einzigen weniger, so wäre das Werk unvollendet und entspräche nicht mehr der ewigen Weisheit. Einer der grundlegenden Lehrsätze der Religion besagt jedoch, dass die Erde, Tiere, Pflanzen, die Sonne und Sterne und sogar das Licht vor sechstausend Jahren erschaffen und aus dem Nichts hervorgebracht wurden. Vor dieser Zeit gab es also weder ein menschliches noch ein körperliches Wesen. Während der verflossenen Ewigkeit war also das göttliche Werk unvollkommen geblieben. Dass die Erschaffung des Universums auf sechstausend Jahre zurückgeht, ist ein so wesentlicher Glaubenssatz, dass die Wissenschaft noch bis vor wenigen Jahren mit dem Bannfluch belegt wurde, weil sie begann, die biblische Zeitrechnung zu zerstören, indem sie das hohe Alter der Erde und ihrer Bewohner bewies.

Das Lateran-Konzil, eine weltumfassende Kirchenversammlung, das in Fragen der Rechtgläubigkeit Vorschriften macht, sagt jedoch: „Wir glauben fest daran, dass es nur einen wahren Gott gibt, ewig und unendlich, der am Anfang der Zeit das eine und das andere Geschöpf aus dem Nichts erschaffen hat, das Geistige und das Körperliche.” Der “Anfang der Zeit” kann nur als verflossene Ewigkeit verstanden werden, denn die Zeit ist unendlich wie der Raum: Sie hat weder Anfang noch Ende. Dieser Ausdruck “Anfang der Zeit” ist eine Redewendung, die die Vorstellung einer unbegrenzten Vorzeit einbezieht. Das Lateran-Konzil glaubt daher fest daran, dass die geistigen und körperlichen Geschöpfe gleichzeitig geformt und zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt in der Vergangenheit miteinander aus dem Nichts gezogen wurden. Was wird nun aus dem biblischen Text, der diese Schöpfung auf sechstausend Jahre vor unserer Zeit zurückverlegt? Wenn man annimmt, dass dies der Beginn des sichtbaren Universums ist, ist es sicherlich nicht der Anfang der Zeit. Wem soll man glauben, dem Lateran-Konzil oder der Bibel?


5. Dasselbe Lateran-Konzil stellt außerdem eine seltsame Behauptung auf: „Unsere in gleicher Weise geistige Seele ist derart mit dem Körper verbunden, dass sie mit ihm nur ein einziges und selbes Wesen bildet und dies ist im Wesentlichen ihre Bestimmung.” Wenn die wesentliche Bestimmung der Seele darin besteht, mit dem Körper vereinigt zu sein, stellt diese Vereinigung ihren normalen Zustand dar. Das ist ihr Zweck und ihr Ziel, da dies eben ihre Bestimmung ist. Die Seele ist jedoch unsterblich und der Körper sterblich. Ihre Vereinigung mit dem Körper findet nur einmal statt, sagt die Kirche, und selbst wenn sie ein Jahrhundert andauern würde, was wäre das im Vergleich zur Ewigkeit? Aber für eine sehr große Zahl von Menschen sind es kaum ein paar Stunden. Welchen Nutzen kann diese flüchtige Vereinigung für die Seele haben? Wenn ihre größte Dauer im Verhältnis zur Ewigkeit eine nicht wahrnehmbare Zeit ist, ist es dann richtig zu sagen, dass ihre Bestimmung sei, im Wesentlichen mit dem Körper verbunden zu sein? Diese Vereinigung ist in Wirklichkeit nur ein Zwischenfall, ein Punkt im Leben der Seele und nicht ihr wesentlicher Zustand.

Wenn die wesentliche Bestimmung der Seele darin besteht, mit einem materiellen Körper vereinigt zu sein, wenn diese Vereinigung aufgrund ihrer Natur und gemäß dem Vorsehungszweck ihrer Erschaffung für die Manifestation ihrer Fähigkeiten notwendig ist, muss man daraus schließen, dass die menschliche Seele ohne den Körper ein unvollständiges Wesen ist. Um nun das zu bleiben, was sie ihrer Bestimmung nach ist, nachdem sie einen Körper verlassen hat, muss sie einen anderen annehmen. Dies führt zwingend zu einer Pluralität von Existenzen, mit anderen Worten, zur beständigen Reinkarnation. Es ist wirklich seltsam, dass ein Konzil, das als eines der Leuchten der Kirche gilt, geistiges und materielles Dasein so sehr vereinigt hat, dass sie in gewisser Weise nicht ohne einander bestehen können, da die wesentliche Bedingung ihrer Erschaffung darin besteht, vereint zu sein.


6. Das Bild der Hierarchie der Engel lehrt uns, dass mehrere Ordnungen in ihren Befugnissen die Leitung der physischen Welt und der Menschheit haben und dass sie zu diesem Zweck geschaffen sind. Aber laut der Genesis existieren die physische Welt und die Menschheit erst seit sechstausend Jahren. Was machten diese Engel vor dieser Zeit, die Ewigkeit hindurch, da die Objekte ihrer Beschäftigungen nicht vorhanden waren? Sind Engel von Ewigkeit her erschaffen worden? Es muss so sein, da sie ja der Verherrlichung des Allerhöchsten dienen. Wenn Gott sie zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt geschaffen hätte, wäre er bis dahin, das heißt für eine Ewigkeit, ohne Anbeter gewesen.


7. Weiter heißt es: "Solange diese innige Vereinigung der Seele mit dem Körper dauert." Es kommt also ein Zeitpunkt, zu dem diese Vereinigung nicht mehr besteht? Dieser Satz widerspricht dem, der diese Vereinigung zur wesentlichen Bestimmung der Seele macht.

Es heißt auch: "Die Vorstellungen kommen ihr durch die Sinne, durch den Vergleich äußerer Gegenstände." Dies ist eine zum Teil wahre philosophische Lehre, aber nicht im absoluten Sinn. Es ist nach Ansicht jenes hervorragenden Theologen eine der Natur der Seele innewohnende Bedingung, dass sie die Vorstellungen nur durch die Sinne aufnehmen kann. Er vergisst die angeborenen Ideen, die manchmal so überlegenen Fähigkeiten, die Intuition der Dinge, die das Kind von Geburt an mitbringt und keiner Anweisung verdankt. Durch welchen Sinn haben diese jungen, geistig Begabten von Haus aus, die alle Gelehrten in Erstaunen versetzt haben, die notwendigen Ideen erworben, die für die fast augenblickliche Lösung der kompliziertesten Probleme erforderlich sind? Dasselbe gilt für einige frühe Musiker, Maler und Sprachbegabte.

Die Kenntnisse der Engel sind nicht das Ergebnis von Folgerung und Urteil. Sie wissen es, weil sie Engel sind, ohne dass sie lernen mussten. Gott hat sie so geschaffen. Die Seele muss dagegen lernen. Wenn die Seele Ideen nur durch die körperlichen Organe erhält, welche Vorstellungen kann dann die Seele eines Kindes haben, das nach einigen Tagen verstirbt, wenn man mit der Kirche annimmt, dass es nicht wiedergeboren wird?


8. Hier stellt sich eine wichtige Frage: Erwirbt die Seele Ideen und Wissen nach dem Tod des Körpers? Wenn sie, einmal losgelöst vom Körper, nichts erwerben kann, wird die des Kindes, des Unwissenden und geistig Zurückgebliebenen immer das bleiben, was sie beim Tod war. Dann wäre sie für immer der Wertlosigkeit ausgeliefert. Wenn sie nach dem jetzigen Leben neues Wissen erwirbt, dann deshalb, weil sie Fortschritte machen kann. Ohne den jenseitigen Fortschritt der Seele gelangt man zu absurden Folgerungen. Mit dem Fortschritt kommt man zur Verneinung aller Lehren, die auf dem Stillstand der Seele beruhen: das unwiderrufliche Schicksal, ewige Strafen usw.

Wenn sie voranschreitet, wo hört der Fortschritt auf? Es gibt keinen Grund, warum sie nicht die Stufe von Engeln oder reinen Geistern erreicht. Wenn sie dies erreichen kann, war es nicht nötig, besondere und privilegierte Wesen zu erschaffen, die frei von aller Mühe sind und ewiges Glück genießen, ohne etwas dafür getan zu haben, während andere weniger begünstigte Wesen höchste Glückseligkeit nur um den Preis langer und grausamer Leiden und der härtesten Prüfungen erlangen. Gott kann das zweifellos, aber wenn man die Unendlichkeit seiner Vollkommenheit zugibt, ohne die es keinen Gott gibt, muss man auch zugeben, dass er weder Unnützes tut, noch was die uneingeschränkte Gerechtigkeit und Güte in Frage stellen würde.


9. Da nun die Hoheit der Könige ihren Glanz aus der Zahl ihrer Untertanen, Beamten und Diener erhält, was gäbe es da Besseres, um uns eine Vorstellung von der Erhabenheit des Königs der Könige zu gewähren, als diese unzählige Menge von Engeln, die den Himmel, die Erde, das Meer und die Abgründe bevölkern und die Würde derer, die unaufhörlich vor seinem Thron niederfallen oder aufrecht stehen?

Erniedrigt es nicht die Gottheit, seine Herrlichkeit mit der Pracht der Machthaber der Erde gleichzusetzen? Dieser Gedanke, der in den Geist der unwissenden Massen eingeprägt ist, verfälscht die Meinung, die man sich von der wahren Größe Gottes macht. Das meint immer einen Gott, der auf die kleinlichen Verhältnisse der Menschheit reduziert ist. Ihm das Bedürfnis zu unterstellen, Millionen von Anbetern zu haben, die sich ununterbrochen vor ihm niederwerfen oder aufrecht stehen, heißt, ihm die Schwächen der despotischen und stolzen Monarchen des Ostens zuzuschreiben. Was macht wirklich große Herrscher aus? Ist es die Zahl und der Glanz ihrer Höflinge? Nein, es ist ihre Güte und ihre Gerechtigkeit, es ist der verdiente Titel der Väter ihrer Untertanen. Man fragt sich, ob es etwas Besseres gibt, um uns eine Vorstellung von der Majestät Gottes zu geben, als die Vielzahl von Engeln, die seinen Hof bilden? Ja, gewiss, es gibt etwas Besseres, ihn für alle seine Geschöpfe als höchst gütig, gerecht und barmherzig darzustellen, und nicht als einen zornigen, eifersüchtigen, rachsüchtigen, unerbittlichen, zerstörerischen und parteiischen Gott, der zu seiner eigenen Ehre diese privilegierten, mit allen Gaben ausgestatteten, für ewiges Glück geborenen Wesen erschafft. Auf der anderen Seite lässt er die anderen das Glück mühsam erwerben und bestraft einen Augenblick des Irrtums mit einer Ewigkeit des Martyriums.


10. Der Spiritismus bekennt sich in Bezug auf die Vereinigung von Seele und Körper zu einer mehr spiritualistischen, um nicht zu sagen weniger materialistischen Lehre, die den Vorteil hat, dass sie mehr mit der Beobachtung und der Bestimmung der Seele übereinstimmt. Nach dem, was er uns lehrt, ist die Seele unabhängig vom Körper, der nur eine vorübergehende Hülle ist. Die Essenz der Seele ist geistig und ihr normales Leben ist das geistige Leben. Der Körper ist nur ein Instrument zur Ausübung ihrer Fähigkeiten in ihren Beziehungen zur materiellen Welt. Getrennt von diesem Körper genießt sie ihre Fähigkeiten in größerer Freiheit und größerem Umfang.


11. Ihre Vereinigung mit dem Körper, die für ihre ersten Entwicklungsschritte notwendig ist, findet nur in der Zeit statt, die man ihre Kindheit und Jugend nennen kann. Wenn sie einen gewissen Grad an Vervollkommnung und Entmaterialisierung erreicht hat, ist diese Vereinigung nicht mehr notwendig und die Seele schreitet nur noch durch das Leben des Geistes voran. So zahlreich im Übrigen die körperlichen Existenzen auch sein mögen, sie sind zwangsläufig durch das körperliche Leben begrenzt und ihre ganze Gesamtheit umfasst in jedem Fall nur einen unmerklichen Teil des geistigen Lebens, das unendlich ist.



Die Engel aus der Sicht der Spiritistischen Lehre

12. Dass es Wesen gibt, die mit allen Eigenschaften ausgestattet sind, die den Engeln zugeschrieben werden, kann nicht bezweifelt werden. Die spiritistische Offenbarung bestätigt in diesem Punkt den Glauben aller Völker, aber sie lässt uns zugleich die Natur und den Ursprung dieser Wesenheiten erkennen.

Seelen oder Geistwesen wurden einfach und unwissend erschaffen, das heißt ohne Wissen und ohne Bewusstsein von Gut und Böse, aber fähig, alles zu erwerben, was ihnen fehlt. Sie erwerben es durch Arbeit. Das Ziel, das die Vervollkommnung ist, ist für alle gleich. Sie kommen dort mehr oder weniger schnell an, Kraft ihres freien Willens und entsprechend ihrer Bemühungen. Alle haben die gleichen Stufen zu durchlaufen und die gleiche Arbeit zu leisten. Gott gibt den einen nicht einen größeren oder leichteren Anteil als den anderen. Weil alle seine Kinder sind und er gerecht ist, bevorzugt er keinen. Er sagt zu ihnen: „Hier ist das Gesetz, das eure Verhaltensregel sein sollte. Es allein kann euch zum Ziel führen. Alles, was diesem Gesetz entspricht, ist gut, was dagegen ist, ist böse. Es steht euch frei, es zu beachten oder zu übertreten und ihr werdet somit die Schiedsrichter eures eigenen Schicksals sein.” Gott hat also das Böse nicht erschaffen. Alle seine Gesetze sind zum Guten. Es ist der Mensch selbst, der das Böse erschafft, indem er die Gesetze Gottes bricht. Wenn der Mensch sie gewissenhaft beachtet, würde er niemals vom richtigen Weg abweichen.


13. Aber der Seele fehlt es in den ersten Stadien ihres Daseins, wie bei einem Kind, an Erfahrung. Deshalb ist sie fehlbar. Gott schenkt ihr die Erfahrung nicht, aber er gibt ihr die Mittel, sie zu erwerben. Jeder falsche Schritt auf dem Weg des Bösen ist für sie eine Verzögerung. Sie trägt die Folgen davon und lernt auf ihre Kosten, was sie vermeiden muss. So entwickelt sie sich nach und nach, vervollkommnet sich und schreitet in der spirituellen Hierarchie voran, bis sie den Zustand des reinen Geistes oder Engels erreicht hat. Die Engel sind daher die Seelen der Menschen, die zum Grad der Vollkommenheit gelangten, die das Geschöpf seinem Wesen nach erreichen kann, und die die Fülle der versprochenen Glückseligkeit genießen. Bevor sie die höchste Stufe erreicht haben, genießen sie ein im Verhältnis zu ihrem Fortschritt entsprechendes Glück, aber dieses Glück liegt nicht im Müßiggang. Es liegt in den Aufgaben, die Gott ihnen nach seinem Wohlwollen anvertraut und die sie gerne erfüllen, denn diese Beschäftigungen sind ein Mittel zum Fortschritt (siehe Kap. 3 “Der Himmel”).


14. Die Menschheit ist nicht auf die Erde beschränkt. Sie bewohnt die unzähligen Welten, die im Weltraum kreisen, hat jene bewohnt, die verschwunden sind und wird diejenigen bewohnen, die noch entstehen werden. Gott hat die ganze Ewigkeit lang geschaffen und er schafft unaufhörlich. Lange bevor die Erde existierte, so alt sie auch sein mag, gab es inkarnierte Geister auf anderen Welten, die dieselben Stadien durchlaufen haben, die wir, Geister jüngerer Zeit, in diesem Moment durchlaufen, und die das Ziel erreichten, noch bevor wir aus den Händen des Schöpfers hervorgegangen waren. Daher hat es seit aller Ewigkeit Engel oder reine Geister gegeben. Aber da sich ihre menschliche Existenz in der Unendlichkeit der Vergangenheit verliert, ist es für uns so, als ob sie immer Engel gewesen wären.


15. Auf diese Weise wird das große Gesetz der Einheit der Schöpfung verwirklicht. Gott ist niemals untätig gewesen. Er hatte immer reine, zuverlässige und aufgeklärte Geister für die Übermittlung seiner Befehle und für die Leitung aller Teile des Universums, von der Regierung der Welten bis zu den kleinsten Einzelheiten. Er brauchte also keine privilegierten, von Leiden befreite Wesen zu schaffen. Alle, längst vorhandene wie neue, haben ihre Stufen durch Kampf und durch ihre eigenen Verdienste erlangt. Alle sind die Kinder ihrer Werke. Auf diese Weise erfüllt sich gleichmäßig die höchste Gerechtigkeit Gottes.




Kapitel IX - Die Teufel

Der Ursprung des Glaubens an die Existenz von Teufeln

1. Teufel und Dämonen haben zu allen Zeiten in den verschiedenen Lehren von der Entstehung der Götter eine große Rolle gespielt. Obwohl sie in der öffentlichen Wahrnehmung erheblich an Bedeutung verloren haben, gibt doch die Wichtigkeit dieser Frage, die man ihr noch heute zuschreibt, eine gewisse Tragweite, denn sie berührt die Grundlagen der religiösen Glaubensvorstellungen. Darum ist es angebracht, diese Frage und die ihr zuteil gewordenen Entwicklungen zu prüfen.

Der Glaube an eine höhere Macht ist den Menschen angeboren. Man findet ihn in den verschiedensten Formen und in allen Zeitaltern der Welt. Wenn die Menschen jedoch auf der Stufe des geistigen Fortschritts, auf der sie heute angelangt sind, noch immer über das Wesen und die Eigenschaften dieser Macht streiten, wie viel unvollkommener mussten ihre Vorstellungen darüber in der Kindheitsphase der Menschheit gewesen sein.


2. Das Bild, das uns von der Unschuld der Naturvölker bei der Betrachtung der Schönheiten der Natur vermittelt wird, in der sie die Güte des Schöpfers bewundern, ist zweifellos sehr poetisch. Es entspricht jedoch nicht der Wahrheit.

Je mehr sich der Mensch dem Naturzustand nähert, umso mehr herrschen instinktive Triebe in ihm, so wie man es noch bei den ursprünglichen Naturvölkern unserer Tage sehen kann. Was ihn am meisten in Anspruch nimmt, oder vielmehr, was ihn ausschließlich beschäftigt, ist die Befriedigung seiner materiellen Bedürfnisse, weil er keine anderen hat. Der einzige Sinn, der ihn den rein moralischen Aspekten zugänglich machen kann, entwickelt sich erst im Laufe der Zeit und allmählich. Die Seele hat ihre Kindheit, ihre Jugend und das Erwachsenenalter, so wie der menschliche Körper. Aber um das Erwachsenenalter zu erreichen, das sie befähigt, die abstrakten Dinge zu begreifen, wie viele Entwicklungen muss sie dabei in der Menschheit durchmachen! Wie viele Inkarnationen muss sie dabei vollenden!

Ohne in die frühesten Zeiten zurückzugehen, schauen wir uns die Menschen auf dem Land an und fragen uns, welche Gefühle des Staunens durch die Strahlen der aufgehenden Sonne, den sternenübersäten Himmel, das Zwitschern der Vögel, das Murmeln der klaren Wellen, die Blumenpracht auf den Wiesen in ihnen erweckt werden! Für sie geht die Sonne auf, weil sie es immer tut und alles, was sie wollen, ist, dass die Sonne genug Wärme zum Reifen der Ernte gibt, aber nicht zu viel, sodass sie nicht verbrannt wird. Wenn sie den Himmel betrachten, so geschieht dies, weil sie wissen wollen, ob es den nächsten Tag gutes oder schlechtes Wetter geben wird. Ob die Vögel singen oder nicht, ist ihnen gleichgültig, solange sie das Korn nicht fressen. Sie ziehen das Gegackere der Henne und das Grunzen des Schweines dem Gesang der Nachtigall vor. Sie erwarten von den klaren oder schlammigen Bächen, dass sie nicht versiegen und sie nicht überschwemmen; von den Wiesen, dass sie gutes Gras geben, mit oder ohne Blumen; das ist alles, was sie begehren bzw. alles, was sie von der Natur begreifen, und doch haben sie sich schon weit von den Urmenschen entfernt!


3. Wenn wir uns auf diese Urmenschen beziehen, so sehen wir sie noch ausschließlich mit der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse beschäftigt. Was dazu dient, für diese zu sorgen und was ihnen schaden kann, macht für sie das Gute und das Böse in dieser Welt aus. Sie glauben an eine höhere Macht. Aber da sie am meisten berührt, was ihnen einen materiellen Nachteil bringt, führen sie es auf diese Macht zurück, von der sie sich übrigens nur eine sehr vage Vorstellung machen. Da sie außerhalb der sicht- und tastbaren Welt noch nichts begreifen können, stellen sie sich diese Macht als in den Wesen und Dingen innewohnend vor, die ihnen schaden. Die bösartigen Tiere sind für sie die natürlichen und direkten Vertreter dieser Macht. Aus demselben Grund sahen sie die Versinnbildlichung des Guten in den nützlichen Dingen, die ihnen Vorteile verschafften oder hilfreich waren, daher die erwiesene Verehrung für bestimmte Tiere oder Pflanzen und selbst unbelebte Gegenstände. Aber der Mensch ist im Allgemeinen empfänglicher für das Böse als für das Gute. Das Gute scheint ihm selbstverständlich, während das Böse mehr Eindruck auf ihn macht. In allen anfänglichen Kulten sind darum die Gebräuche zu Ehren böser Mächte die zahlreichsten: Die Furcht gewinnt die Oberhand über die Dankbarkeit.

Lange Zeit hindurch begriff der Mensch nur das physische Gute und Böse. Das Gefühl für das moralische Gute und Böse verwies auf einen Fortschritt in der menschlichen Einsicht. Erst dann gewann der Mensch Einblick in die Spiritualität und verstand, dass die höhere Macht außerhalb der sichtbaren Welt liegt und nicht in den materiellen, vergänglichen Dingen. Das war das Werk einiger auserwählter Geister, die jedoch gewisse Grenzen nicht überschreiten konnten.


4. Da man einen unaufhörlichen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen sah, bei dem das Böse oft siegte, und weil man auf der anderen Seite vernünftigerweise nicht zugeben konnte, dass das Böse das Werk einer gutartigen Macht sei, schloss man daraus, dass es zwei rivalisierende Mächte gibt, die diese Welt lenken. Von da entstand die Lehre der zwei Prinzipien, dem des Guten und dem des Bösen, eine für jene Zeit logische Schlussfolgerung, denn der Mensch war noch unfähig, eine andere zu begreifen und die Essenz des höchsten Wesens zu ergründen. Wie hätte er verstehen können, dass das Böse nur ein vorübergehender Zustand ist, aus dem das Gute hervorgehen kann, und dass die Leiden, die ihn heimsuchen, ihn zum Glück führen sollen, indem sie zu seinem Fortschritt beitragen? Die Grenzen seines geistigen Horizontes erlaubten ihm nicht, außerhalb des gegenwärtigen Lebens und darüber hinaus etwas zu sehen, weder davor noch danach. Er konnte weder begreifen, dass er fortgeschritten ist, noch individuell weiter fortschreiten wird und noch weniger, dass die Wechselfälle des Lebens das Ergebnis der Unvollkommenheit des geistigen Wesens sind, das in ihm wohnt; das bereits vor seinem Körper existiert hat, ihn überleben wird und sich in einer Folge von Existenzen läutert, bis es seine Vollendung erreicht hat! Um das Gute, das aus dem Bösen hervorgehen kann, zu begreifen, darf man nicht nur eine einzige Existenz betrachten. Man muss das Ganze erfassen: Nur dann erscheinen die wahrhaftigen Ursachen und ihre ganzen Auswirkungen.


5. Das duale Prinzip vom Guten und Bösen war viele Jahrhunderte hindurch und unter verschiedenen Namen die Grundlage aller religiösen Überzeugungen. Es wurde personifiziert unter den Namen “Ormuz” und “Ariman” bei den Persern, “Jehova”, “Jaweh” oder “Ihoh” und “Satan” bei den Hebräern. Aber so wie jeder Herrscher hohe Diener haben muss, bewundern alle Religionen zweitrangige Mächte, seien es gute oder böse Geister. Die Heiden verkörperten sie in einer Menge unzähliger Einzelwesen, von denen jedes seine besondere Zuteilung für das Gute und das Böse, für die Laster und Tugenden hat, und denen sie den allgemeinen Namen "Götter" gaben. Christen und Moslems erhielten von den Hebräern die Engel und die Teufel.


6. Die Lehre von den Teufeln hat also ihren Ursprung im alten Glauben an die zwei Prinzipien des Guten und Bösen. Wir prüfen dies hier nur vom christlichen Standpunkt aus und untersuchen, ob sie mit den genaueren Erkenntnissen vereinbar ist, die wir heute von den Eigenschaften der Gottheit haben.

Diese Eigenschaften sind der Ausgangspunkt, die Grundlage aller Religionen. Glaubenssätze, Kulte, Bräuche, Zeremonien und Moralvorstellungen: Alles steht in Beziehung mit den mehr oder weniger richtigen und erhabenen Begriffen, die man sich von Gott macht, von der Götzenanbetung bis hin zum Christentum. Auch wenn das innerste Wesen Gottes immer noch ein Geheimnis für unseren Verstand ist, verstehen wir es dank der Lehren Christi besser denn je. Das Christentum, in Übereinstimmung mit der Vernunft, lehrt uns, dass “Gott einzig ist, ewig, unwandelbar, immateriell, allmächtig, im höchsten Maße gerecht und gut und unendlich in all seinen Vollkommenheiten.”

Es ist so wie an anderer Stelle (Kap. 6, "Endlose Strafen") gesagt wurde: "Wenn man das kleinste Teilchen einer einzigen von den Eigenschaften Gottes wegnähme, dann hätte man keinen Gott mehr, weil ein vollkommeneres Wesen vorhanden sein könnte." Diese Eigenschaften sind in ihrer unumschränkten Fülle also das Erkennungszeichen aller Religionen, der Maßstab der Wahrheit einer jeden der Prinzipien, die sie lehren. Insofern eine dieser Prinzipien wahr ist, darf sie keine der Vollkommenheiten Gottes beeinträchtigen. Sehen wir, ob es sich mit der gewöhnlichen Lehre von den Teufeln so verhält.



Die Teufel aus kirchlicher Sicht

7. Nach der Kirchenlehre ist "Satan" als das Haupt oder der König der Teufel durchaus keine sinnbildliche Personifizierung des Bösen, sondern ein wirkliches Wesen, das ausschließlich das Böse tut, während Gott ausschließlich das Gute tut. Nehmen wir ihn also als solchen, wie man ihn uns beschreibt.

Gibt es Satan seit aller Ewigkeit, so wie Gott, oder ist er nach Gott gekommen? Wenn es ihn seit aller Ewigkeit gibt, so ist er ungeschaffen und folglich Gott gleich. Gott ist dann nicht mehr einzig. Es gibt da einen Gott des Guten und einen Gott des Bösen.

Ist er aber erst später gekommen, dann ist er ein Geschöpf Gottes. Weil er eben nur das Böse tut und unfähig ist, Gutes zu tun und zu bereuen, hat Gott ein auf immer dem Bösen ergebenes Wesen erschaffen. Wenn das Böse nicht das Werk Gottes ist, sondern das Werk eines seiner Geschöpfe, das zu solchem Tun vorausbestimmt ist, so ist Gott immer dessen erster Urheber und dann ist er nicht unendlich gut. Dasselbe gilt für alle bösen Wesen, die “Teufel" genannt werden.


8. Über lange Zeit ist der Glaube über diesen Punkt folgender gewesen: (Die hier folgenden Zitate sind dem Hirtenbrief des Monsignore Kardinal Gousset, Kardinal-Erzbischof von Reims, zur Fastenzeit von 1865 entnommen. Mit Rücksicht auf das persönliche Verdienst und die Stellung des Autors kann man sie als den letzten Ausdruck der Kirche über die Lehre von den Teufeln deuten).

"Gott, der seiner Natur nach die Güte und Heiligkeit ist, hatte sie durchaus nicht böse und übeltuend geschaffen. Seine väterliche Hand, die sich darin gefällt, über all ihre Werke einen Widerschein seiner unendlichen Vollkommenheit zu verbreiten, hatte sie mit ihren herrlichsten Gaben überhäuft. Den überragenden Eigenschaften ihres Wesens hatte sie die reichen Schenkungen seiner Gnade zugefügt. Sie hatte sie in Allem den erhabenen Geistern gleich gemacht, die in der Herrlichkeit und der Glückseligkeit sind. Verteilt in all ihren Ordnungen und unter alle Ränge gemischt, hatten sie dasselbe Ziel und dieselben Schicksale. Ihr Anführer ist der schönste der Erzengel gewesen. Auch sie hätten es sich verdienen können, bestärkt zu werden, immer in der Gerechtigkeit zu verweilen und zu einem ewigen Genuss des Glückes der Himmel zugelassen zu sein. Diese letzterwähnte Gunst würde von allen anderen Gunsten, denen sie teilhaftig wurden, übertroffen werden; sie sollte der Lohn ihrer Folgsamkeit sein, aber sie haben sich derselben unwert gemacht. Sie haben dieselbe verloren, infolge einer gewagten und unsinnigen Rebellion.

Welches ist das Hindernis ihrer Beharrlichkeit gewesen? Welche Wahrheit haben sie verleugnet? Welche Handlung der Treue und der Anbetung haben sie Gott verweigert? Die Kirche und die Chroniken der heiligen Geschichte beschreiben es auf keine eindeutige Weise. Aber es scheint sicher, dass sie sich weder der Vermittlung des Sohnes Gottes noch der Erhöhung der menschlichen Natur in Jesus Christus unterworfen haben.

Das göttliche Wort, durch das alle Dinge gemacht sind, ist auch der einzige Mittler und Retter im Himmel und auf Erden. Ihr so hohes Ziel ist den Engeln und den Menschen nur in Voraussicht ihrer Inkarnation und ihrer Verdienste gegeben worden. Denn die Werke der höchsten Geister und diese Belohnung, die nichts anderes als Gott selbst ist, stehen in keinem Verhältnis zueinander. Kein Geschöpf hätte zu ihr gelangen können, ohne diese wunderbare und erhabene Intervention barmherziger Liebe. Um nun den unendlichen Abstand auszufüllen, der das göttliche Wesen von den Werken Seiner Hände trennt, musste es mit seiner Person selbst die beiden Extreme vereinen und seiner Göttlichkeit das Wesen und die Art des Engels oder des Menschen verbinden, und es wählte die menschliche Natur.

Dieses Vorhaben, von aller Ewigkeit her angelegt, wurde den Engeln lange vor seiner Ausführung offenbart. Der Menschengott wurde ihnen in der Zukunft als der gezeigt, der sie in Gnade segnen und sie einführen sollte in die Herrlichkeit, unter der Bedingung, dass sie ihn auf der Erde während seiner Sendung und im Himmel in den Jahrtausenden der Jahrtausende anbeten würden. Eine unverhoffte Enthüllung, eine hinreißende Vision für die edelmütigen und dankbaren Herzen, aber ein tiefes Geheimnis, erdrückend für hochmütige Geister. Dieses erhabene Ziel, dieses unermessliche Maß an Herrlichkeit, welches ihnen unterbreitet war, sollte also nicht einzig die Belohnung ihrer eigenen Verdienste sein! Nie sollten sie sich selbst den Rechtsanspruch und den Besitz zuschreiben können. Ein Mittler zwischen ihnen und Gott, welche ihrer Würde zugefügte Beleidigung! Eine der menschlichen Art bewilligte freie Bevorzugung, welche Ungerechtigkeit! Welche Antastung ihrer Rechte! Diese Menschheit, die so viel niedriger stand als sie, sollen sie sie eines Tages vergöttert sehen, durch ihre Vereinigung mit dem "Wort" und sitzend zur Rechten Gottes, auf einem strahlenden Herrschersitz? Sollen sie dazu einwilligen, ihm ewiglich ihre Huldigungen und Anbetungen darzubringen?

"Luzifer” (der Lichtbringer) und der dritte Teil der Engel erlagen jenen Gedanken des Hochmuts und der Eifersucht. Der Erzengel Michael und mit ihm der größte Teil riefen aus: "Wer ist Gott gleich? Er ist der Herr aller Gaben und der unumschränkte Herrscher aller Dinge. Ehre sei Gott und dem Lamm, das für das Heil der Welt geopfert werden wird!" Aber der Anführer der Rebellen, vergessend, dass er seinem Schöpfer verantwortlich sei für seine Stellung und seine Vorrechte, hörte nur auf seine Vermessenheit und sagte: "Ich selbst werde zum Himmel aufsteigen; ich werde meinen Wohnsitz über den Sternen errichten; ich werde mich auf den Berg des Bundes setzen, zu den Seiten des Nordwinds; ich werde die höchsten Wolken beherrschen und dem Höchsten gleich sein." Jene, die seine Ansichten teilten, nahmen seine Worte mit einem Murmeln des Beifalls auf und es gab sie auf allen Rängen der göttlichen Ordnung; aber ihre Menge schützte sie nicht vor der Strafe.”


9. Diese Lehre ruft mehrere Einwände hervor.

Erstens: Wenn Satan und die Teufel Engel waren, so bedeutet das, dass sie vollkommen waren. Wenn sie vollkommen waren, wie konnten sie dann Fehler begehen und in diesem Punkt die Autorität Gottes verkennen, in dessen Gegenwart sie sich befanden? Man würde es noch verstehen, dass, wenn sie nur schrittweise und nach dem Durchlaufen des Geburtsweges der Unvollkommenheit auf dieser verdienstvollen Stufe angelangt waren, sie einen verdrießlichen Rückfall gehabt hätten. Was aber die Sache noch unbegreiflicher macht, ist, dass man sie uns darstellt, als wären sie vollkommen erschaffen worden.

Eine Folgerung aus dieser Lehre ist diese: Gott hatte in ihnen vollkommene Wesen erschaffen wollen, da Er sie ja mit allen Gaben überhäuft hatte, und Er hat sich geirrt; also ist Gott nach Maßgabe der Kirchenlehre nicht unfehlbar.

Diese ungeheuerliche Folgerung wird durch Moses bekräftigt, wenn er sagt (1. Mose, Kap. 6, Vers 6 - 7): "Es reute Ihn, die Menschen auf Erden gemacht zu haben und, berührt vom Schmerz bis auf den Grund des Herzens, sprach Er: „Ich werde den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Boden der Erde vertilgen. Ich werde alles vertilgen, vom Menschen bis zu den Tieren, von Allem, das auf Erden kriecht, bis zu den Vögeln des Himmels. Denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.“

Ein Gott, der Reue empfindet, über das, was Er getan hat, ist weder vollkommen noch unfehlbar: mithin ist Er kein Gott. Dennoch sind das Worte, welche die Kirche als heilige Wahrheiten verkündet. Man versteht ebenso wenig, was die Tiere mit der Verderbtheit der Menschen gemeinsam haben sollen, um ihre Vernichtung als verdient zu begründen.

Zweitens: Weil weder die Kirche noch die Chroniken der heiligen Geschichte die Ursache der Empörung der Engel gegen Gott aufklären und da es bloß gewiss “scheint”, dass es an ihrer Weigerung lag, die künftige Mission Christi anzuerkennen, welchen Wert kann da die so präzise und detailliert beschriebene Schilderung der Szene haben, die bei dieser Gelegenheit stattfand? Aus welcher Quelle hat man die Worte geschöpft, die so klar beschrieben sind, als ob sie dabei tatsächlich ausgesprochen worden wären - bis hin zu dem einfältigen Murmeln? Es kann nur eines zutreffen: entweder die Szene ist wahr oder sie ist es nicht. Wenn sie wahr ist, gibt es keinerlei Ungewissheit, und warum entscheidet die Kirche dann die Frage nicht? Wenn die Kirche und die Geschichte schweigen, wenn die Sache nur sicher scheint, so ist das nur eine Vermutung und die Beschreibung der Szene ist ein Werk der Fantasie.

Man liest bei Jesaja, Kap. 14, Vers 11 ff: “Dein Hochmut ist in die Unterwelt gestürzt worden; dein toter Leib ist zur Erde gefallen; dein Lager wird Moder sein und deine Kleider werden Würmer sein. – Wie bist du vom Himmel gefallen, Luzifer, du, der so strahlend beim Anbruch des Tages erschien? Wie bist du auf die Erde gestoßen worden, du, der den Völkern Wunden schlug. Du, der in deinem Herzen sprach: ich werde zum Himmel steigen, ich werde meinen Thron über die Sterne Gottes stellen, ich werde mich auf den Berg des Bundes setzen, zu den Seiten des Nordwinds; ich werde mich über den höchsten Wolken niederlassen und in Allem dem Höchsten gleich sein? - Und dennoch bist du von dieser Herrlichkeit in die Unterwelt bis zu den Tiefen des Abgrunds gestürzt worden. Die, welche dich sehen werden, werden nahe zu dir treten und, nachdem sie dir ins Gesicht geblickt haben, zu dir sprechen: ist das jener Mensch, der die Erde in Furcht versetzt, der den Schrecken in die Königreiche geworfen, der aus der Welt eine Wüste gemacht hat, der ihre Städte zerstört und jene in Ketten gelegt hat, die er zu seinen Gefangenen gemacht hatte?”

Diese Worte des Propheten beziehen sich keineswegs auf den Aufstand der Engel, sondern sind eine Anspielung auf den Hochmut und den Fall des Königs von Babylon, der die Juden gefangen hielt, wie es ja die letzten Verse beschreiben. Der König von Babylon ist sinnbildlich mit dem Namen Luzifer bezeichnet; aber die oben beschriebene Szene wird dort nicht erwähnt. Besagte Worte sind die des Königs, der in seinem Herzen sprach und sich in seinem Stolz über Gott setzte, dessen Volk er gefangen hielt. Die Vorhersage von der Befreiung der Juden, vom Untergang Babylons und von der Niederlage der Assyrer ist übrigens das ausschließliche Thema dieses Kapitels.

Drittens: Die Luzifer zugeschriebenen Worte verraten eine Unwissenheit, die man nur mit Verwunderung bei einem Erzengel vernimmt, der aufgrund seiner eigenen Wesensart und auf der Stufe, auf der er steht, nicht die Irrtümer und Vorurteile bezüglich der Einrichtung des Universums teilen darf, zu denen sich die Menschen bekannt haben, bis die Wissenschaft kam und sie aufklärte. Wie kann er sagen: "Ich werde meine Wohnung über die Gestirne setzen; ich werde die höchsten Wolken beherrschen?" Das ist immer der alte Glaube an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls, an den Wolkenhimmel, der sich bis zu den Sternen ausdehnt, an das begrenzte Gebiet der Sterne, die ein Gewölbe bilden und die, wie uns mittlerweile die Astronomie lehrt, in den unendlichen Raum verstreut sind! Man weiß heutzutage, dass sich die Wolken von der Oberfläche der Erde aus nicht mehr als zwei Wegstunden (= ca. 9 km) in das All erstrecken. Um zu sagen, dass er die höchsten Wolken beherrschen werde und um von den Bergen zu sprechen, musste sich die Szene auf der Erdoberfläche abspielen und dort auch der Aufenthaltsort der Engel sein. Wenn dieser Aufenthaltsort in höheren Sphären liegt, war es unnütz zu sagen, dass er sich über die Wolken erheben werde. Engel eine von Unwissenheit geprägte Sprache sprechen zu lassen, heißt einzugestehen, dass die Menschen heutzutage davon mehr wissen als die Engel. Die Kirche hat stets den Fehler gemacht, die Fortschritte der Wissenschaft nicht zu beachten.


10. Die Antwort auf den ersten Einwand findet sich an der folgenden Stelle:

“Die heilige Schrift und die Überlieferung geben den Namen “Himmel" dem Ort, wo die Engel zur Zeit ihrer Erschaffung untergebracht waren. Aber das war nicht der Himmel, der Himmel der seligen Anschauung, wo Gott sich von Angesicht zu Angesicht seinen Auserwählten zeigt, und wo seine Auserwählten ihn ohne Mühen und deutlich anschauen, denn dort gibt es keine Gefahr oder die Möglichkeit mehr zu sündigen. Versuchung und Schwäche sind hier unbekannt. Gerechtigkeit, Freude und Friede herrschen hier in unveränderlicher Sicherheit, unvergänglich in Heiligkeit und Herrlichkeit. Es war demnach eine andere himmlische Region, eine strahlende und beglückte Sphäre, wo diese edlen Geschöpfe, die reichlich mit göttlichen Botschaften begünstigt worden sind, diese empfangen und sich mit Glaubensdemut an sie halten sollten, bevor ihnen gewährt wurde, deren Wahrheit im Wesen Gottes selbst zu sehen.”

Aus den vorherigen Erläuterungen folgt, dass die Engel, die sich schuldig gemacht haben, einer minder erhabenen, minder vollkommenen Kategorie angehörten, und dass sie noch nicht an den höchsten Ort gelangt waren, wo Verfehlungen unmöglich sind. Es mag sein, aber dann findet sich hier ein offenbarer Widerspruch, denn weiter oben wurde gesagt, dass "Gott sie in allem den erhabenen Geistern gleich gemacht hatte; dass sie, verteilt in all deren Ordnungen und vermischt in all deren Reihen, dasselbe Ziel und Schicksal hatten; dass ihr Anführer der schönste der Erzengel war." Wenn sie in allem den anderen gleich geschaffen worden sind, so waren sie nicht von niedrigem Wesen. Wenn sie in all ihren Reihen vermischt waren, so waren sie nicht an einem bestimmten Ort. Der Einwand bleibt also voll bestehen.


11. Es gibt einen anderen Einwand, der unbestritten der schwerwiegendste und ernsteste ist.

Es wird gesagt: "Dieses Vorhaben (die Vermittlung Christi), seit aller Ewigkeit geplant, wurde den Engeln lange Zeit vor dessen Ausführung offenbart.” Gott wusste also seit aller Ewigkeit, dass die Engel, ebenso wie die Menschen, diese Vermittlung brauchen würden. Er wusste oder wusste eben nicht, dass gewisse Engel fallen würden; dass dieser Fall für sie die ewige Verdammnis ohne Hoffnung auf Rückkehr nach sich ziehen würde; dass sie dazu bestimmt sein würden, die Menschen zu verführen; dass jene letzteren, die sich verführen lassen, dasselbe Schicksal erleiden würden. Wusste Er es, so schuf Er diese Engel zu ihrem unwiderruflichen Verderben, wie auch den größten Teil des Menschengeschlechts. Was man auch einwenden möge, es ist bei solcher Voraussicht unmöglich, ihre Erschaffung mit der herrlichen Güte Gottes in Einklang zu bringen. Wusste Gott es nicht, so war Er nicht allmächtig. In beiden Fällen ist es die Verneinung zweier Eigenschaften, ohne deren Fülle Gott nicht Gott wäre.



13. Sehen wir jetzt, welches ihr Schicksal ist und was sie tun. Kaum war ihr Aufstand in der Sprache der Geister, also in ihren Gedankengängen, bekannt geworden, wurden sie unwiderruflich aus ihrer himmlischen Stadt verbannt und in den Abgrund gestürzt.

“Unter diesen Worten verstehen wir, dass sie an einen Ort der Strafen verwiesen wurden, wo sie die Qual des Feuers erleiden, entsprechend dem Wortlaut des Evangeliums, der aus dem Munde des Erlösers selbst gekommen ist: “Gehet hin, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, welches bereitet ist für den Teufel und seine Engel!" Der heilige Petrus sagt ausdrücklich, dass “Gott sie den Ketten und Qualen der Hölle überliefert hat", aber nicht alle bleiben ewig dort. Erst am Ende der Welt werden sie dort gemeinsam mit den Verdammten für immer eingeschlossen werden. Gegenwärtig erlaubt Gott, dass sie in dieser Schöpfung, zu der sie gehören, noch einen Platz einnehmen; in der Ordnung der Dinge, zu der ihre Existenz gehört, letztlich in den Beziehungen, die sie mit den Menschen haben sollten, und mit denen sie den verderblichsten Missbrauch treiben. Während die einen an ihrem finsteren Wohnsitz verweilen und dort der göttlichen Gerechtigkeit als Werkzeug gegen die unglücklichen Seelen dienen, die von ihnen verführt worden sind, wohnt eine endlose Zahl anderer, die unter der Leitung ihrer Anführer unsichtbare Legionen bilden, in den unteren Schichten unserer Atmosphäre und durchstreifen alle Teile der Erde. Sie sind mit allem, was hier unten vorgeht, verbunden und nehmen meistens einen sehr aktiven Anteil daran.”

Was die Worte Christi über die Strafe des ewigen Feuers betrifft, so wird diese Frage im 4. Kapitel "Die Hölle" behandelt.


14. Nach dieser Lehre ist nur ein Teil der Teufel in der Hölle. Der andere irrt in Freiheit umher, mischt sich in alles, was hier unten vor sich geht, macht sich das Vergnügen, Böses zu tun und das bis ans Ende der WeIt, dessen unbestimmter Zeitpunkt wohl nicht so bald eintreten wird. Warum also dieser Unterschied? Sind sie weniger schuldig? Sicher nicht. Es sei denn, es gelänge ihnen, einer nach dem anderen hinauszugelangen, was aus folgendem Satz hervorzugehen scheint: "Während die einen in ihrer finsteren Behausung bleiben und darin der göttlichen Gerechtigkeit als Werkzeug gegen die unglücklichen Seelen dienen, die von ihnen verführt worden sind."

Ihre Aufgaben bestehen also darin, die von ihnen verführten Seelen zu quälen. So sind sie nicht mit der Aufgabe belastet, jene zu strafen, die aus freien Stücken und willentlich begangener Vergehen schuldig sind, sondern die, deren Vergehen sie selbst bewirkt haben. Sie sind gleichzeitig die Ursache der Schuld und das Werkzeug der Bestrafung. Das ist etwas, was von der menschlichen Gerechtigkeit, so unvollkommen sie auch sein mag, nicht zugelassen werden würde. Das Opfer, das aus Schwäche dem Anlass erliegt, den man verursacht, um es in Versuchung zu führen, wird ebenso streng bestraft wie der Anstifter der Tat selbst, der List und Schlauheit anwendet; sogar noch schlimmer, weil es beim Verlassen der Erde direkt in die Hölle geht, aus der es nie wieder herauskommt und dort bis in alle Ewigkeit ohne Ruhe und Erbarmen leidet, während derjenige, der die erste Ursache seines Vergehens ist, bis ans Ende der Welt in Ruhe und Freiheit lebt! Ist die Gerechtigkeit Gottes denn nicht vollkommener als die der Menschen?


15. Das ist noch nicht alles. “Gott erlaubt, dass sie in dieser Schöpfung noch einen Platz einnehmen, in den Beziehungen, die sie gegenüber den Menschen haben sollten und mit denen sie den verderblichsten Missbrauch treiben." Konnte Gott der Missbrauch unbekannt bleiben, den sie mit der Freiheit treiben würden, die Er ihnen gab? Warum bewilligt Er sie ihnen dann? Es geschieht also in Kenntnis der Sachlage, dass Er seine Geschöpfe an ihre Willkür ausliefert, wohlwissend, kraft Seiner Allwissenheit, dass sie unterliegen und das Schicksal der Teufel haben werden. Hatten sie nicht schon genug an ihrer eigenen Schwachheit, um nicht auch noch von einem Feind zum Bösen verführt zu werden, der umso gefährlicher ist, als er unsichtbar ist? Weiterhin, wenn die Strafe nur vorübergehend wäre und der Schuldige sich durch Wiedergutmachung befreien könnte! Aber nein: er ist auf Ewigkeit verdammt. Seine Reue, seine Rückkehr zum Guten und seine Klagen sind überflüssig.

Die Teufel sind auf diese Weise die Lockmittel, vorausbestimmt zum Anwerben von Seelen für die Hölle, und das mit der Erlaubnis Gottes, der bei der Erschaffung dieser Seelen ihr Schicksal kannte, das ihnen bestimmt war. Was würde man auf der Erde von einem Richter sagen, der diese Erlaubnis nutzen würde, um die Gefängnisse zu füllen? Eine seltsame Vorstellung, die man uns von der Gottheit gibt, von einem Gott, dessen wesentliche Eigenschaften unumschränkte Gerechtigkeit und uneingeschränkte Güte sind! Und es geschieht im Namen Jesu Christi, der nur Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung gepredigt hat, dass solche Lehren verbreitet werden! Es gab eine Zeit, in der solche Regelwidrigkeiten unbemerkt blieben; man begriff sie nicht, man fühlte sie nicht; der Mensch, gebeugt unter dem Joch der Gewaltherrschaft, unterwarf seine Vernunft blind oder gab sie oft freiwillig selbst auf. Aber heutzutage hat die Stunde der Befreiung geschlagen. Er begreift die Gerechtigkeit, er will sie während seines Lebens und nach seinem Tode geltend wissen; darum spricht er: "Das gibt es nicht, das kann nicht sein, oder Gott ist nicht Gott."


16. Die Strafe folgt diesen gefallenen und verfluchten Wesen überall hin und sie tragen ihre Hölle stets bei sich. Sie haben keine Ruhe und keinen Frieden mehr. Selbst die Süße der Hoffnung hat sich für sie in Bitterkeit verwandelt; Hoffnung ist ihnen verhasst. Die Hand Gottes hat sie inmitten ihrer sündigen Tat getroffen und ihr Wille hat sich im Bösen verhärtet. Nachdem sie böse geworden sind, wollen sie nicht mehr aufhören, es zu sein und sind es für immer.

Sie sind nach der Sünde, was der Mensch nach dem Tod ist. Die Wiedereingliederung für die Gefallenen ist daher unmöglich. Ihr Verlust ist nunmehr ohne Wiederkehr und sie beharren in ihrem Hochmut gegenüber Gott, in ihrem Hass gegen Christus und in ihrer Eifersucht auf die Menschheit.

Da sie die Herrlichkeit des Himmels nicht erlangen konnten, weil sie in ihrem Ehrgeiz so hochgeflogen sind, trachten sie danach, ihr Reich auf Erden zu errichten und die Herrschaft Gottes von dort zu verbannen. Das zu Fleisch gewordene Wort hat gegen ihren Willen sein Vorhaben für die Rettung und die Würde der Menschheit ausgeführt. Alle ihre Mittel zum Handeln sind auf das Ziel gerichtet, Ihm die Seelen zu entreißen, die er erlöst hat. List, Zudringlichkeit, Lüge und Verführung, alles setzen sie daran, um sie ins Böse zu treiben und ihren Untergang zu vollenden.

Bei solchen Feinden kann das Leben des Menschen von seiner Wiege bis zum Grab doch nur ein beständiger Kampf sein, denn sie sind mächtig und unermüdlich.

ln der Tat sind diese Feinde dieselben, die, nachdem sie das Böse in die Welt gebracht haben, es geschafft haben, die Erde mit der dichten Finsternis des Irrtums und des Lasters zu bedecken; dieselben, die sich viele Jahrhunderte hindurch als Götter anbeten ließen und als Herrscher über die Völker des Altertums geherrscht haben; dieselben, die noch heute ihre tyrannische Herrschaft über die Götzen anbetenden Regionen ausüben und die Unordnung und Skandale bis mitten in den Schoß der christlichen Gemeinschaften stiften.

Um zu begreifen, was ihnen alles an Hilfsmitteln zum Dienst für ihre Bosheit zur Verfügung steht, genügt die Feststellung, dass sie von den erstaunlichen Fähigkeiten, die eine Eigenschaft ihrer engelhaften Natur sind, nichts verloren haben. Ohne Zweifel haben die Zukunft und vor allem die übersinnliche Ordnung Geheimnisse, die sich Gott vorbehalten hat und die sie nicht aufdecken können. Aber ihre Intelligenz ist der unseren weit überlegen, weil sie mit einem Blick die Wirkungen in ihren Ursachen und die Ursachen in ihren Wirkungen erkennen. Dieser Scharfblick erlaubt ihnen, im Voraus Ereignisse anzukündigen, die unseren Vermutungen entgehen. Die Entfernung und Verschiedenheit der Orte verschwinden vor ihrer Beweglichkeit. Schneller als der Blitz und rascher als der Gedanke sind sie fast gleichzeitig an verschiedenen Punkten der Erde und können in der Ferne die Dinge beschreiben, von denen sie Zeuge sind, im gleichen Augenblick, in dem sich diese ereignen.

Die allgemeinen Gesetze, durch die Gott dieses Universum regiert und leitet, gehören nicht zu ihrem Wirkungsbereich. Davon können sie nicht abweichen, folglich auch nicht wahrhaftige Wunder vorhersagen oder bewirken. Aber sie besitzen innerhalb gewisser Grenzen die Kunst der Nachahmung und Fälschung der göttlichen Werke. Sie wissen, welche Phänomene aus der Verbindung der Elemente hervorgehen und sagen mit Bestimmtheit diejenigen voraus, die natürlich eintreten werden, so wie jene, die sie aus eigener Macht hervorbringen können. Daher gibt es jene zahlreichen Vorhersagen, jene außergewöhnlichen Erscheinungen, von denen uns die heiligen und weltlichen Bücher berichten und die als Nährboden für alle Formen des Aberglaubens dienten.

Ihr einfaches und immaterielles Wesen entzieht sie unseren Blicken. Sie sind an unserer Seite, ohne wahrgenommen zu werden. Sie beeindrucken unsere Seele, ohne an unser Ohr zu dringen. Wir glauben, unseren eigenen Gedanken zu folgen, während wir ihren Versuchungen und ihrem verderblichen Einfluss erliegen. Unsere Anlagen und Zustände dagegen sind ihnen durch die Eindrücke, die wir von ihnen haben, bekannt und sie greifen uns gewöhnlich an unserer Schwachstelle an. Um uns sicherer zu verführen, haben sie die Gewohnheit, uns Verlockungen und Einflüsterungen anzubieten, die unseren Neigungen entsprechen. Sie verändern ihre Wirkungsweise je nach den Umständen und den charakteristischen Zügen jeder Stimmungslage. Ihre bevorzugten Waffen sind jedoch Lüge und Heuchelei.


17. Die Strafe, sagt man, folgt ihnen überall hin, sie haben keinen Frieden und keine Ruhe mehr. Das entwertet keineswegs die über die Gnadenfrist gemachte Bemerkung, von der die, die nicht in der Hölle sind, eine umso weniger gerechtfertigte Frist genießen, da sie mehr Böses tun, wenn sie draußen sind. Ohne Zweifel sind sie nicht glücklich, so wie die guten Engel, aber zählt die Freiheit, die sie genießen, nichts? Wenn sie das geistige Glück, das die Tugend bietet, nicht besitzen, so sind sie unbestreitbar weniger unglücklich als ihre Mittäter, die in den Flammen sind. Und für den Bösen ist es dann eine Art Vergnügen, in aller Freiheit Böses zu tun. Fragt einen Verbrecher, ob es ihm gleichgültig ist, im Gefängnis zu sitzen oder durch die Felder zu laufen und ganz nach Belieben seine Missetaten zu verüben.

Die Situation ist genau dieselbe. Die Gewissensbisse, sagt man, verfolgen sie ohne Rast und Erbarmen. Aber man vergisst, dass Gewissensbisse die unmittelbaren Vorläufer der Reue sind, falls sie nicht bereits die Reue selbst sind. Man sagt: “Nachdem sie böse geworden sind, wollen sie durchaus nicht aufhören, es zu sein und bleiben es für immer.” Dass sie nicht aufhören wollen, lasterhaft zu sein, rührt nur daher, dass sie keine Gewissensbisse haben. Fühlten sie das geringste Bedauern, so würden sie aufhören Böses zu tun und um Verzeihung bitten. Also sind die Gewissensbisse für sie keine Strafe.


18. “Sie sind nach der Sünde, was der Mensch nach dem Tod ist. Die Rehabilitierung für die, die gefallen sind, ist daher unmöglich." Woher kommt diese Unmöglichkeit? Man begreift nicht, dass sie die Folge ihrer Ähnlichkeit mit dem Menschen nach dem Tod ist, eine Behauptung, die übrigens nicht sehr klar ist. Kommt diese Unmöglichkeit von ihrem eigenen oder vom Willen Gottes? Wenn sie die Folge ihres Willens ist, bedeutet dies eine äußerste Entartung, eine erbarmungslose Verhärtung im Bösen. Daher begreift man nicht, dass so von Grund auf schlechte Wesen jemals tugendhafte Engel gewesen sein konnten und dass sie während der endlosen Zeit, die sie unter den Guten verbracht haben, in der Lage waren, keine Spur ihres bösen Wesens durchscheinen zu lassen. Wenn man den Willen Gottes betrachtet, versteht man noch weniger, dass Gott als Strafe für einen ersten Fehltritt die Unmöglichkeit der Rückkehr zum Guten auferlegt. Das Evangelium sagt nichts dergleichen.


19. “Ihr Verlust", so fügt man hinzu, “ist nunmehr ohne Wiederkehr und sie verharren in ihrem Hochmut gegenüber Gott”. Wozu sollte es ihnen dienen, nicht darin zu beharren, da ja alle Reue umsonst ist? Wenn sie Hoffnung auf Wiedergutmachung hätten, um welchen Preis es auch immer sei, so würde das Gute einen Zweck für sie haben, während es so keinen gibt. Wenn sie auf dem Bösen beharren, so geschieht es also, weil ihnen die Tür der Hoffnung verschlossen bleibt. Aber warum verschließt Gott sie ihnen? Um sich für die Beleidigungen zu rächen, die er durch ihr Verweigern der Unterwerfung empfangen hat. Um also seinen Groll gegen einige Schuldige zu besänftigen, zieht er es vor, sie nicht nur leiden zu sehen, sondern lieber das Böse als das Gute tun; alle seine Geschöpfe des Menschengeschlechts zum Bösen zu verleiten und in das ewige Verderben zu stoßen, obwohl eine einfache Tat des Erbarmens genügt hätte, um ein so großes Unglück zu verhindern, ein Unglück das von aller Ewigkeit her vorgesehen war.

Hätte es sich bei dem Akt der Barmherzigkeit noch um eine reine und einfache Gnade gehandelt, die vielleicht eine Ermutigung zum Bösen gewesen wäre? Nein, sondern eine Verzeihung mit Bedingung, abhängig von einer aufrichtigen Rückkehr zum Guten. Anstatt eines Wortes der Hoffnung und der Barmherzigkeit lässt man Gott sagen: „Lieber soll das ganze Menschengeschlecht zugrunde gehen als meine Rache!“ Und man wundert sich, dass es bei einer solchen Lehre Ungläubige und Gottesleugner gibt! Stellt Jesus uns so seinen himmlischen Vater dar? Er, der uns das Vergessen und Vergeben der Beleidigungen ausdrücklich zum Gesetz macht und uns sagt, dass wir Böses mit Gutem vergelten sollen? Er, der die Liebe zu seinen Feinden in die erste Reihe der Tugenden stellt, die uns den Himmel verdienen sollen, würde Er verlangen, dass die Menschen besser, gerechter, mitfühlender wären als Gott selbst?



Die Teufel im Lichte des Spiritismus

20. Nach der Spiritistischen Lehre sind weder Engel noch Teufel besondere Wesen. Die Schöpfung der intelligenten Wesen ist eine Einheit. Vereinigt mit materiellen Körpern machen sie die Menschheit aus, die die Erde und die anderen bewohnten Welten bevölkern. Befreit von diesem Körper, bilden sie die geistige Welt oder die Welt der Geister, die den Raum bevölkern. Gott hat sie vervollkommnungsfähig erschaffen. Er hat ihnen als Ziel die Vollkommenheit auferlegt und das Glück, das daraus folgt; aber er hat ihnen nicht die Vollkommenheit gegeben. Er wollte, dass sie diese ihrer eigenen Arbeit verdanken, damit sie das Verdienst davon haben. Vom Augenblick ihrer Entstehung an, schreiten sie voran, sei es im Zustand der Inkarnation oder im geistigen Zustand. Sind sie auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung angekommen, sind sie reine Geistwesen oder Engel nach der üblichen Bezeichnung, so dass es von der Keimzelle des intelligenten Wesens bis hin zum Engel eine ununterbrochene Kette gibt, in der jedes Glied eine Stufe auf dem Weg des Fortschritts kennzeichnet.

Daraus ergibt sich, dass es Geistwesen auf allen Stufen des moralischen und intellektuellen Aufstiegs gibt, je nachdem ob sie oben, unten oder auf der Mitte der Entwicklungsleiter stehen. Folglich gibt es sie auf allen Stufen des Wissens und der Ignoranz, der Güte und der Bosheit. In den niederen Reihen gibt es welche, die noch zutiefst dem Bösen verfallen sind und sich darin gefallen. Man kann sie Dämonen nennen, wenn man will, denn sie sind zu allen ihnen zugeschriebenen Missetaten fähig. Wenn die Spiritistische Lehre ihnen nicht diesen Namen gibt, so geschieht das, weil sich damit die Vorstellung von Wesen verbindet, die sich von der Menschheit unterscheiden, von grundsätzlich boshafter Natur, auf ewig dem Bösen geweiht und unfähig sind, im Guten fortzuschreiten.


21. Nach der Lehre der Kirche sind die Dämonen als gut erschaffen worden und durch ihren Ungehorsam böse geworden: das sind die gefallenen Engel. Sie wurden von Gott auf die Höhe der Leiter gestellt und sind herabgefallen. Nach der Spiritistischen Lehre sind es unvollkommene Geister, die sich aber bessern werden; sie stehen noch unten auf der Leiter und werden aufsteigen.

Diejenigen, die durch ihre Sorglosigkeit, ihre Nachlässigkeit, ihre Verstocktheit und ihren schlechten Willen länger in den niederen Reihen verbleiben, tragen die Strafe davon, und die Gewohnheit des Bösen macht es ihnen schwerer, aus diesen herauszukommen. Aber es kommt eine Zeit, wo sie dieser mühevollen Existenz und der Leiden müde werden, die die Folge davon sind. Dann vergleichen sie ihre Lage mit der der guten Geister, begreifen, dass ihr Vorteil im Guten liegt und streben danach, sich zu bessern. Aber sie tun es aus eigenem Willen und ohne dazu gezwungen zu werden. Sie sind wegen ihrer Fähigkeit fortzuschreiten dem Gesetz des Fortschritts unterworfen, aber sie schreiten durchaus nicht gegen ihren Willen fort. Gott bietet ihnen unaufhörlich die Mittel dazu; aber es steht ihnen frei, sie zu nutzen oder nicht. Wenn der Fortschritt unumgänglich wäre, so hätten sie kein Verdienst und Gott will, dass sie das ihrer Werke haben. Er stellt niemanden aufgrund von Privilegien in die erste Reihe, sondern die erste Reihe steht allen offen, und sie gelangen nur durch ihre Anstrengungen dahin. Die erhabensten Engel haben ihre Stufe wie alle anderen erobert, indem sie die gemeinsame Laufbahn durchschritten haben.


22. Sobald die Geister auf einer gewissen Stufe der Läuterung angelangt sind, erhalten sie Aufgaben, die ihrem Fortschritt entsprechen. Sie erfüllen all jene, die den Engeln der verschiedenen Ordnungen zugewiesen sind. Da Gott von aller Ewigkeit her geschaffen hat, haben sich von aller Ewigkeit solche gefunden, um alle Bedürfnisse der Leitung des Weltalls zu befriedigen. Eine einzige Gattung intelligenter Wesen, dem Gesetz des Fortschritts unterworfen, genügt also für alles. Diese Einheit in der Schöpfung, zusammen mit dem Gedanken, dass alle einen gleichen Ausgangspunkt und dieselben Wege zu durchlaufen haben, und dass sie durch ihr eigenes Verdienst aufsteigen, entspricht weit mehr der Gerechtigkeit Gottes, als die Erschaffung verschiedener mehr oder weniger begünstigter Arten, die mit natürlichen Gaben ausgestattet wären, die ebenso viele Privilegien sein würden.


23. Die gewöhnliche Lehre über das Wesen der Engel, der Dämonen und der menschlichen Seelen, die das Gesetz des Fortschritts nicht anerkennt und dennoch Wesen auf verschiedenen Stufen sieht, hat daraus geschlossen, sie seien die Hervorbringung von ebenso vielen besonderen Schöpfungen. Sie schafft es auf diesem Wege, aus Gott einen parteiischen Vater zu machen, der einigen seiner Kinder alles schenkt, während er den anderen die härteste Arbeit auferlegt. Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen lange Zeit hindurch nichts Anstößiges in diesen Bevorzugungen gefunden haben, zu einer Zeit, in der sie es durch das Erstgeburtsrecht und der Privilegien der Geburt ebenso bezüglich ihrer eigenen Kinder hielten, konnten sie glauben, schlechter als Gott zu handeln? Aber heute hat sich der Horizont der Vorstellungen erweitert. Sie sehen klarer. Sie haben klarere Vorstellungen von Gerechtigkeit. Sie beanspruchen sie für sich, und wenn sie diese nicht immer auf der Erde finden, so hoffen sie wenigstens, sie im Himmel vollkommener zu finden. Darum widerstrebt jede Lehre ihrer Vernunft, in der die göttliche Gerechtigkeit ihnen nicht in ihrer größten Reinheit erscheint.




Kapitel X - Manifestation von Teufeln in den modernen Kundgebungen

1. Die modernen Phänomene aus der Geisterwelt haben die Aufmerksamkeit auf ähnliche Tatsachen gelenkt, die zu allen Zeiten stattgefunden haben, und nie ist die Geschichte in dieser Beziehung mehr durchforscht worden als in jüngster Zeit. Von der Ähnlichkeit der Wirkungen hat man auf die Einheit der Ursache geschlossen. Wie bei allen außerordentlichen Tatsachen, deren Ursache unbekannt war, hat die Unwissenheit darin etwas Übersinnliches gesehen, und der Aberglaube hat diese Tatsachen durch das Hinzufügen von sinnlosen Dingen, die für wahr gehalten wurden, verstärkt. So kommt von daher eine Vielzahl von Legenden, die zum größten Teil eine Mischung von ein wenig Wahrem und viel Falschem sind.


2. Die Lehren über den Teufel, die so lange vorgeherrscht haben, hatten seine Macht dermaßen übertrieben, dass sie sozusagen Gott darüber vergessen lassen haben. Dem Teufel gab man deshalb die Ehre von allem, was menschliches Vermögen zu überschreiten schien. Überall trat die Hand Satans hervor. Die besten Dinge, die nützlichsten Entdeckungen, all jene vor allem, die den Menschen aus der Unwissenheit ziehen und den Kreis seiner Vorstellungen erweitern konnten, sind so manches Mal als teuflische Werke betrachtet worden. Die spiritistischen Phänomene, die sich in unseren Tagen vervielfachen, besser beobachtet mit Hilfe der Einsicht, der Vernunft und den Daten der Wissenschaft, haben allerdings das Eingreifen verborgener Intelligenzen bestätigt, die aber immer in den Grenzen der Naturgesetze handeln und als Wesen, die durch ihr Handeln eine neue Kraft und bis heute unbekannte Gesetze offenbaren. Die Frage beschränkt sich also darauf, von welcher Ordnung diese Intelligenzen sind.

Solange man von der geistigen WeIt nur unbestimmte Vorstellungen oder bloße Theorien hatte, konnte man sich irren. Aber heutzutage, wo streng geführte Beobachtungen und experimentelle Studien ein Licht auf das Wesen der Geister, ihren Ursprung, ihre Bestimmung, ihre Aufgabe im Weltall und ihre Vorgehensweise geworfen haben, ist die Frage durch Tatsachen entschieden. Man weiß jetzt, dass es die Seelen derer sind, die auf der Erde gelebt haben. Man weiß auch, dass die verschiedenen Kategorien von guten und bösen Geistern keine Wesen von verschiedenen Arten bilden, sondern nur verschiedene Stufen des Fortschritts bezeichnen. Gemäß dem Rang, den sie aufgrund ihrer geistigen und moralischen Entwicklung einnehmen, zeigen sich die, die sich manifestieren, auf sehr unterschiedliche Weise, was nicht ausschließt, dass sie aus der großen menschlichen Gattung hervorgegangen sind, genauso wie der Wilde, der Barbar und der zivilisierte Mensch.


3. In diesem Punkt, wie in vielen anderen, hält die Kirche in Bezug auf die Teufel an ihren alten Anschauungen fest. Sie sagt: "Wir haben Prinzipien, die sich seit achtzehn Jahrhunderten nicht verändert haben und unveränderlich sind." Das Unrecht der Kirche liegt darin, dass sie den Fortschritt der Ideen nicht berücksichtigt und dass sie Gott für so wenig weise hält, die Offenbarung nicht an die Entwicklung der Intelligenz anzupassen und bei den primitiven Menschen die gleiche Sprache zu sprechen wie bei den fortgeschrittenen. Wenn sich während des Fortschreitens der Menschheit die Religion an alte Irrtümer klammert, sowohl in spirituellen Dingen, als auch in Bezug auf die Wissenschaft, so kommt ein Zeitpunkt, wo sie vom Unglauben überholt wird.


4. Sehen wir, wie die Kirche das ausschließliche Eingreifen der Teufel bei den modernen Kundgebungen erklärt. (Die Anführungen in diesem Kapitel sind demselben Hirtenbrief entlehnt wie die des vorhergehenden. Sie sind dessen Fortsetzung und genießen dasselbe Ansehen.)

In ihrem äußeren Eingreifen sind die Teufel nicht weniger darauf bedacht, ihre Gegenwart zu verschleiern, um jeden Verdacht von sich abzuwenden. Immer listig und gemein, locken sie den Menschen in ihre Fallen, ehe sie ihm die Ketten der Unterdrückung und der Knechtschaft anlegen. Hier erwecken sie durch Erscheinungen und kindische Spiele die Neugierde; dort setzen sie in Erstaunen und unterjochen durch den Reiz des Wunderbaren. Wenn das Übersinnliche in Erscheinung tritt, wenn ihre Macht sie entlarvt, so beruhigen und besänftigen sie die Furcht. Sie werben um Vertrauen, ja sie rufen “manchmal” Vertrautheit hervor. Einmal geben sie sich für Gottheiten und gute Geister aus; einmal leihen sie sich die Namen und selbst die Merkmale der Toten, die unter den Lebenden in Erinnerung geblieben sind. Begünstigt durch diese der alten Schlange würdigen Täuschungen beginnen sie ihr Spiel und man hört sie an. Sie stellen Theorien auf und man glaubt ihnen. Sie mischen einige Wahrheiten in ihre Lügen und bewirken, dass der Irrtum in allen Formen angenommen wird. Darauf zielen die scheinbaren Offenbarungen aus dem Jenseits. Um dieses Ergebnis zu gewinnen, geben das Holz, der Stein, die Wälder und Brunnen, das Heiligtum der Götzen, der Fuß der Tische, die Hand der Kinder: Orakel. Zu diesem Zweck prophezeit die Pythia (amtierende weissagende Priesterin im Orakel von Delphi, die in veränderten Bewusstseinszuständen ihre Prophezeiungen verkündete) in ihrem Delirium und wird der Unwissende in einem geheimnisvollen Traum plötzlich ein Lehrer der Wissenschaft. Täuschen und verführen, das ist überall und zu allen Zeiten der einzige Zweck dieser seltsamen Offenbarungen.

Die überraschenden Ergebnisse dieser Beobachtungen oder dieser größtenteils sonderbaren und lächerlichen Handlungen können weder aus ihrer inneren Kraft, noch aus der von Gott errichteten Ordnung hervorgehen. Man kann sie daher nur durch die Mitwirkung verborgener Mächte erwarten. Dieser Art sind erfahrungsgemäß die außergewöhnlichen Phänomene, die heutzutage durch die anscheinend durchschaubaren Vorgänge des Magnetismus und das intelligente Werkzeug der sprechenden Tische bewirkt werden. Mit Hilfe dieser Ausübungen der neuen Zauberkunst sehen wir unter uns die wieder auftretenden Anrufungen und Vorhersagen, Befragungen, Heilungen und Täuschungen, die die Götzentempel und die Höhlen der Sibyllen (Weissagerinnen) berühmt gemacht haben. Wie in alter Zeit befiehlt man dem Holz und das Holz gehorcht; man befragt es und es antwortet in allen Sprachen und auf alle Fragen. Man befindet sich in der Gegenwart unsichtbarer Wesen, die sich die Namen Verstorbener anmaßen und deren angebliche Offenbarungen von Widerspruch und Lüge geprägt sind. Leichte und formlose Wesen erscheinen plötzlich und zeigen sich mit übermenschlicher Kraft ausgestattet.

Wer sind die geheimen Akteure dieser Phänomene und die wahren Schauspieler in diesen unerklärbaren Auftritten? Engel würden diese unwürdigen Rollen nicht übernehmen, noch sich zu all den Launen einer eitlen Neugier hergeben. Die Seelen der Verstorbenen, deren Befragung Gott verbietet, befinden sich an dem Aufenthaltsort, den Seine Gerechtigkeit ihnen zugewiesen hat und können sich ohne Seine Erlaubnis nicht den Befehlen der Lebenden stellen. Die geheimnisvollen Wesen, die sich auf diese Weise dem ersten Anruf des Abtrünnigen und des Gottlosen wie des Gläubigen, des Verbrechens ebenso wie der Unschuld fügen, sind weder die Gesandten Gottes, noch die Apostel der Wahrheit und des Heils, sondern die Gehilfen des Irrtums und der Hölle. Trotz der Sorgfalt, die sie anwenden, um sich hinter den ehrwürdigsten Namen zu verbergen, verraten sie sich nicht weniger durch das Nichts ihrer Lehren, als durch die Niedrigkeit ihrer Handlungen und die Zusammenhanglosigkeit ihrer Worte. Sie bemühen sich, von dem religiösen Glaubensbekenntnis die Sätze von der Erbsünde, der Auferstehung der Körper, der Endlosigkeit der Strafen und die gesamte göttliche Offenbarung zu löschen, um den Gesetzen ihre Weihe und Kraft zu rauben und dem Laster alle Türen zu öffnen. Könnten ihre Einflüsterungen die Oberhand gewinnen, würden sie einen bequemen Glauben gestalten, zum Gebrauch von unsinnigem Sozialismus und für alle, denen der Begriff von Pflicht und Gewissen unbequem ist. Der Unglaube unseres Jahrhunderts hat ihnen die Wege gebahnt. Mögen die christlichen Gesellschaften durch einfache Rückkehr zum katholischen Glauben doch der Gefahr dieser neuen und furchtbaren Invasion entfliehen.


5. Diese ganze Theorie beruht auf jenem Prinzip, dass Engel und Teufel von den Seelen der Menschen unterschiedliche Wesen und dass diese Seelen das Erzeugnis einer besonderen Schöpfung seien, diesen Teufeln sogar an Einsicht, Kenntnissen und Fähigkeiten aller Art unterlegen. Sie schließt auf das ausschließliche Eingreifen der “gefallenen Engel” in den Offenbarungen alter und neuer Zeit, wie sie den Geistern der Verstorbenen zugeschrieben worden sind.

Ob es den Seelen möglich sei, sich den Lebenden mitzuteilen, ist eine Tatsachenfrage, bei der es sich um ein Ergebnis der Erfahrung und der Beobachtung handelt, das wir hier nicht erörtern wollen. Im Sinn einer hypothetischen Vermutung wollen wir einmal die obige Lehre zugeben und dann sehen, ob sie sich nicht durch ihre eigene Beweisführung selbst zerstört.


6. In den drei Kategorien von Engeln der Kirchenlehre befasst sich die eine ausschließlich mit dem Himmel; eine andere mit der Leitung des Weltalls; der dritten ist die Erde in Amt und Auftrag gegeben und in dieser dritten finden sich die Schutzengel, die dem Schutz jedes Einzelnen übergeordnet sind. Nur ein Teil der Engel dieser Kategorie nahm an dem Aufstand teil und wurde in Teufel verwandelt. Wenn Gott diesen letzteren erlaubt hat, die Menschen durch Einflüsterungen aller Art und eindeutiger Manifestationen ins Verderben zu stoßen, warum, wenn Er im höchsten Maße gerecht und gut ist, sollte Er ihnen die unermessliche Macht bewilligt haben, die sie genießen, und ihnen eine Freiheit gelassen haben, von der sie einen so verderblichen Gebrauch machen, ohne gleichermaßen den guten Engeln (Gottesboten) zu erlauben, dass sie ein Gegengewicht zu ihnen durch ähnliche Kundgebungen bilden, die auf das Gute zielen? Nehmen wir an, Gott habe den Guten und den Bösen einen gleichen Machtanteil gegeben, was schon eine ganz außerhalb des Gesetzes liegende Begünstigung dieser letzteren wäre, so hätte der Mensch wenigstens die Freiheit gehabt zu wählen. Aber ihnen das alleinige Recht der Versuchung zu geben mit der Fähigkeit, das Gute zu heucheln, während sie sich an demselben vergreifen, um so sicherer zu verführen, würde bedeuten, eine wahre Schlinge für seine Schwäche, Unerfahrenheit und seinen guten Glauben zu legen. Mehr noch: Es würde bedeuten, sein Vertrauen auf Gott zu missbrauchen. Die Vernunft wehrt sich gegen die Annahme einer solchen Vergünstigung zum Vorteil des Bösen. Schauen wir auf die Tatsachen.


7. Man bewilligt den Teufeln übersinnliche Fähigkeiten; sie haben nichts von ihrer Engelhaftigkeit verloren. Sie haben das Wissen, den Scharfsinn, die Vorausschau, das Hellsehen der Engel und mehr als das: Schlauheit, Geschicklichkeit und List im höchsten Maße. Ihr Zweck ist, die Menschen vom Guten abzuwenden und besonders, sie von Gott zu entfernen, um sie in die Hölle zu schleppen, deren Lieferanten und Werber sie sind.

Man begreift, dass sie sich an diejenigen wenden, die auf einem guten Weg und für sie verloren sind, wenn sie an diesem festhalten. Man begreift die Verführung und die Vortäuschung des Guten, um sie in ihre Netze zu locken. Aber was an der Sache unbegreiflich ist, das ist, dass sie sich an die wenden, die ihnen bereits mit Leib und Seele angehören, um sie zu Gott und zum Guten zurückzuführen. Wer ist nun mehr in ihren Klauen als derjenige, der Gott leugnet und lästert, der sich ins Laster und in die Unordnung der Leidenschaften stürzt? Ist er nicht bereits auf dem Weg zur Hölle? Begreift man, dass diese, ihrer Beute sicher, ihn dazu treiben, zu Gott zu beten und sich Seinem Willen zu unterwerfen, dem Bösen zu entsagen, dass sie vor seinen Augen die Freuden des Lebens der guten Geister verherrlichen und ihm die Lage der Bösen mit Schrecken malen? Hat man jemals einen Kaufmann gesehen, der seinen Kunden die Ware seines Nachbarn auf Kosten der seinigen anpreist und sie nötigt, zu diesem zu gehen? Einen Werber, der das Militärleben herabsetzt und die Ruhe des häuslichen Lebens lobt? Und zu den Rekruten sagt, dass sie ein Leben voller Beschwerden und Entbehrungen haben werden; dass sie zehn zu einer Chance haben, getötet zu werden oder wenigstens Arme und Beine abgeschossen zu bekommen?

Das ist doch die dumme Rolle, die man den Teufel spielen lässt; denn es ist eine bekannte Tatsache, dass man infolge der Lehren, die aus der unsichtbaren Welt kommen, alle Tage sieht, wie Ungläubige und Atheisten zu Gott zurückgeführt werden und mit Inbrunst beten, wie sie es niemals vorher getan hatten; wie lasterhafte Leute mit Eifer an ihrer Besserung arbeiten. Behaupten zu wollen, das sei das Werk der Listen des Teufels, heißt, einen wahren Dummkopf aus ihm zu machen. Da dies hier nun keine bloße Unterstellung ist, sondern ein Ergebnis der Erfahrung, und da eine Tatsache sich unmöglich wegleugnen lässt, muss man daraus schließen, dass entweder der Teufel als oberster Führer ungeschickt sei; weder so listig, noch so bösartig, wie man behauptet, und folglich nicht sehr zu fürchten sei, da er ja seinen Interessen entgegenarbeitet; oder alle jene Kundgebungen stammen nicht von ihm.


8. Sie bewirken, dass der Irrtum in jeder Gestalt als wahr hingenommen wird; nämlich um das Ergebnis zu erzielen, dass das Holz, der Stein, die Wälder, die Brunnen, das Heiligtum der Götzen, der Fuß der Tische, die Hand der Kinder Orakel hervorbringen.

Was ist denn danach der Wert jener Worte des Evangeliums: "Ich will ausgießen von meinem Geist über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter sollen weissagen; eure Jünglinge sollen Gesichte sehen und eure Greise sollen Träume haben. In jenen Tagen will ich ausgießen von meinem Geist über meine Knechte und meine Mägde und sie werden weissagen" (Apostelgeschichte Kap. 2, Verse 17 und 18). Ist das nicht die Vorhersage der "Medialität", der Vermittlung des Verkehrs mit der Geisterwelt, aller Welt gegeben, selbst den Kindern, die sich in unseren Tagen verwirklicht? Haben die Apostel auf diese Fähigkeit den Bannstrahl geworfen? Nein; sie künden sie als eine Gunst Gottes an und nicht als ein Werk des Teufels. Wissen die Theologen unserer Tage denn über diesen Punkt mehr als die Apostel? Sollten sie in der Erfüllung jener Worte nicht den Finger Gottes sehen?


9. Mit Hilfe dieser Ausübung der modernen Magie sehen wir unter uns die Anrufungen und Orakel, Befragungen, Heilungen und Illusionen wieder auftreten, die die Tempel der Götzenbilder und die Höhlen der Sibyllen berühmt gemacht haben.

Wo sieht man die Ausübung der Zauberei in den auf die Spiritistische Lehre gegründeten Anrufungen? Es gab eine Zeit, in der man an ihre Wirkungskraft glauben konnte; aber heutzutage ist sie lächerlich. Niemand glaubt daran und die Spiritistische Lehre verurteilt sie. Zu einer Zeit, wo die sogenannte Zauberei blühte, hatte man nur eine sehr unvollkommene Vorstellung von der Natur der Geister. Man dachte sich dieselben als mit übermenschlicher Macht begabte Wesen. Man rief sie nur an, um von ihnen, und wäre es selbst um den Preis seiner Seele, die Gunst des Schicksals und den Besitz von Vermögen zu erlangen, die Entdeckung von Schätzen, die Offenbarung der Zukunft oder Liebestränke. Man nahm an, dass Zauberei aus der jüdischen Kabbala mit ihren Zeichen, Formeln und Ausführungen sie in den Besitz angeblicher Geheimnisse bringt, um Wunder zu bewirken, indem Geister dazu gezwungen würden, den Menschen als Werkzeuge zu dienen und ihre Wünsche zu befriedigen. Heutzutage weiß man, dass die Geister nur die Seelen der Menschen sind. Man ruft sie nur, um von den Guten Ratschläge zu empfangen, um die Unvollkommenen moralisch zu verbessern und die Beziehungen mit den Wesen fortzusetzen, die uns lieb sind. Sehen wir, was der Spiritismus zu diesem Thema sagt.


10. Es gibt kein Mittel, einen Geist zu zwingen, gegen seinen Willen zu kommen - wenn er euch moralisch gleich ist oder über euch steht, weil ihr über ihn keine Macht habt. Steht er tiefer als ihr, so könnt ihr es, falls es zu seinem Wohl dient, denn dann helfen euch andere Geister. (Buch der Medien, Kap. 25.)

Der wesentlichste aller Gefühlszustände für Anrufungen, wenn man mit höheren Geistern zu tun haben will, ist die geistige Sammlung. Mit festem Wunsch für das Gute ist man wirkungsvoller, die höheren Geister anzurufen. Wenn man zum Zeitpunkt der Anrufung für einige Augenblicke der Sammlung seine Seele erhebt, vereint man sich mit den guten Geistern und ermöglicht es ihnen zu kommen. (Buch der Medien, Kap. 25.)

Kein Gegenstand, keine Münze und kein Talisman hat die Eigenschaft, Geister anzuziehen oder abzustoßen. Die Materie hat keine Wirkung auf sie. Niemals rät ein guter Geist zu solchen Geschmacklosigkeiten. Die Kraft der Talismane hat nur in der Einbildung leichtgläubiger Leute bestanden. (Buch der Medien, Kap. 25.)

Es gibt keinerlei geheiligte, zauberkräftige Formel für die Anrufung von Geistern. Wer da behauptet, eine solche zu bieten, kann entschlossen der Scharlatanerie beschuldigt werden; denn für die Geister bedeutet die Form nichts. Jedoch soll eine Anrufung stets im Namen Gottes geschehen. (Buch der Medien, Kap. 27)

Die Geister, die an schaurigen Orten und zu ungehörigen Stunden ein Treffen einberufen, sind Geister, die sich auf Kosten derer belustigen, die auf sie hören. Es ist immer unnütz und oft gefährlich, solchen Einflüsterungen nachzugeben; unnütz, weil man schlichtweg nichts dabei gewinnt, als dass man hinters Licht geführt wird; gefährlich, nicht wegen des Bösen, das die Geister tun, sondern wegen des Einflusses, den sie auf schwache Hirne ausüben können. (Buch der Medien, Kap. 25)

Es gibt weder Tage, noch Stunden, die besser oder schlechter für Anrufungen geeignet wären. Das ist für die Geister völlig belanglos, wie alles, was gegenständlich und äußerlich ist, und zu glauben, einen solchen Einfluss zu haben, wäre Aberglaube. Die günstigsten Augenblicke sind die, in denen der Anrufer am wenigsten durch seine gewohnten Beschäftigungen zerstreut ist; in denen sein Körper und Geist die größte Ruhe haben. (Buch der Medien, Kap. 25.)

Boshafter Kritik hat es gefallen, die Mitteilungen aus der Welt der Geister als von lächerlichen und abergläubischen Zauberkünsten und Geisterbeschwörung begleitet darzustellen. Wenn die, die vom Spiritismus sprechen, ohne ihn zu kennen, sich die Mühe gegeben hätten, zu ergründen, wovon sie sprechen wollen, so hätten sie sich manche Kosten der Erfindung oder der Anführung fremder Aussprüche erspart; denn dies beweist nur ihre Unwissenheit oder ihren schlechten Willen. Zur Erbauung von Leuten, die mit der Wissenschaft nicht vertraut sind, wollen wir sagen, dass es für den Verkehr mit den Geistern weder Tage, noch Stunden, noch Orte gibt, die günstiger wären als andere; dass es weder geweihter, kabbalistischer Formeln, noch solcher Worte bedarf, dass keinerlei Vorbereitung und keinerlei Einweihung nötig ist; dass die Anwendung jedes Zeichens oder äußeren Gegenstandes, sei es die Geister anzuziehen oder abzustoßen, ohne Wirkung ist und dass der Gedanke genügt; schließlich, dass die Medien ihre Mitteilungen empfangen, ohne ihren Normalzustand zu verlassen, auf ebenso einfache, wie natürliche Weise, so als wären diese von einem lebenden Menschen diktiert worden. Nur Scharlatanerie könnte eine Vorliebe für ausschreitende, ungewöhnliche Verfahrensweisen haben und Iächerliche Nebensächlichkeiten hinzufügen. (Was ist Spiritismus? Kap. 2, Satz 49.)

Im Grunde soll die Zukunft dem Menschen verborgen sein. Nur in seltenen und Ausnahmefällen erlaubt Gott deren Enthüllung. Würde der Mensch die Zukunft kennen, so würde er die Gegenwart vernachlässigen und nicht mit derselben Freiheit handeln. Er würde von dem Gedanken beherrscht sein, dass, wenn eine Sache kommen soll, er sich nicht im voraus damit zu beschäftigen braucht, oder sogar versuchen, sie zu verhindern. Gott hat nicht gewollt, dass es so wäre, damit ein jeder seinen Teil zur Erfüllung der Dinge beiträgt, sogar solcher, denen er sich widersetzen würde. Gott gestattet die Enthüllung der Zukunft dann, wenn dieses Vorherwissen die Erfüllung der Sache erleichtern soll, anstatt ihr entgegenzuwirken, dass sie dazu bewegen würde, anders zu handeln, als man es ohne dieses getan hätte. (Buch der Geister, 3. Buch, Kap. 10.)

Die Geister können bei wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen nicht anleiten. Die Wissenschaft ist das Werk des Genies. Sie soll nur durch die Arbeit erworben werden; denn nur die Arbeit ist es, die den Menschen auf seinem Wege fördert. Welchen Verdienst hätte er, wenn er nur die Geister fragen müsste, um alles zu wissen? Jeder Schwachkopf könnte um diesen Preis ein Gelehrter werden. Mit den Erfindungen und Entdeckungen der Industrie verhält es sich ebenso.

Wenn die Zeit einer Entdeckung gekommen ist, suchen sich die Geister, die mit der Leitung des Verlaufs beauftragt sind, einen Menschen aus, der fähig ist, diese zum Ziel zu führen. Sie flößen ihm die nötigen Gedanken so ein, dass sie ihm den ganzen Verdienst lassen; denn er muss diese Gedanken ausgestalten und umsetzen. So geht es mit allen großen Arbeiten des menschlichen Verstandes. Die Geister lassen jeden Menschen in seinem Kreis. Aus einem, der nur für das Umgraben des Bodens geeignet ist, werden sie keinen Bewahrer der Geheimnisse Gottes machen. Aber sie werden wissen, den zur Unterstützung ihrer Absichten Befähigten aus dem Dunkeln zu ziehen. Lasst euch deshalb nicht von Neugierde oder Ehrgeiz auf einen Weg verleiten, der nicht das Ziel einer würdigen Beschäftigung mit dem Spiritismus ist und der für euch in den lächerlichsten Täuschungen enden würde. (Buch der Medien, Kap. 26.)

Die Geister können nicht dazu befähigen, verborgene Schätze zu entdecken. Höhere Geister befassen sich nicht mit diesen Dingen; aber Spottgeister melden oft das Dasein von Schätzen, die nicht vorhanden sind, oder dass ein solcher an einem Ort gesehen wird, während er an einem entgegengesetzten ist. Das hat seinen Nutzen, um zu zeigen, dass das wahre Glück in der Arbeit liegt. Wenn die Vorsehung irgendjemandem verborgene Reichtümer zugedacht hat, wird er sie auf einfache, naheliegende Weise finden, nicht anders. (Buch der Medien, Kap. 26.)

Die Spiritistische Lehre klärt uns über die Eigenschaften der Fluide auf, die die Wirkungsmittel der unsichtbaren Welt sind und eine der Kräfte und der Gewalten der Natur bilden, und gibt uns auf diese Weise den Schlüssel zu einer Vielzahl unerklärter und durch kein anderes Mittel erklärbarer Vorgänge, die in vergangenen Zeiten für Wunder gelten konnten. Sie offenbart, ebenso wie der Magnetismus, ein, wenn nicht unbekanntes, dann wenigstens schlecht verstandenes Gesetz; oder besser gesagt, man kannte die Wirkungen, denn sie sind zu allen Zeiten aufgetreten; aber man kannte das Gesetz nicht, und eben der Mangel an Kenntnis hat den Aberglauben hervorgebracht. Ist dieses Gesetz bekannt, so schwindet das Wundersame, das Staunen, und die Erscheinungen treten in die Ordnung der gesetzmäßigen Dinge zurück. Darin liegt die Ursache, mit deren Hilfe die Spiritisten nicht mehr Wunder vollbringen, wenn sie bewirken, dass sich Tische drehen oder dass die Verstorbenen schreiben, als der Arzt, wenn er einen im Sterben liegenden Menschen wiederbelebt, oder der Physiker, wenn er Blitze hervorruft und niedergehen lässt. Wer behaupten wollte, er könne mit Hilfe dieser Wissenschaft Wunder tun, wäre der Sache entweder nicht kundig oder ein Betrüger. (Buch der Medien, Kap. 2.)

Gewisse Leute machen sich von den Anrufungen eine ganz falsche Vorstellung. Es gibt Menschen, die glauben, dass diese darin bestehen, die Toten wiederkehren zu lassen, einschließlich dem schaurigen Zubehör des Grabes. Nur in Romanen, den abenteuerlichen Erzählungen von Gespenstern und auf der Bühne sieht man die Totengerippe aus ihren Gruften hervorkommen, in Leinentücher gehüllt und mit ihren Knochen klappernd. Der Spiritismus, der niemals Wunder bewirkt hat, hat das genauso wenig getan wie andere und niemals einen toten Körper wieder zum Leben erweckt. Wenn der Körper im Grab ruht, befindet er sich endgültig dort. Aber das spirituelle, luftartige, einsichtige Wesen ist dort keineswegs mit seiner groben Hülle begraben. Dieses hat sich im Augenblick des Todes von ihm getrennt, und nachdem die Trennung einmal vollzogen ist, hat es mit dieser Hülle nichts mehr gemein. (Was ist Spiritismus? Kap. 2, Stück 48.)


11. Wir sind auf diese Aussagen eingegangen, um zu zeigen, dass die Grundsätze des Spiritismus keinerlei Beziehung zur Magie haben. Also: es gibt hier keine Geister, die den Befehlen der Menschen gehorchen; keine Mittel, sie zu zwingen; keine kabbalistischen Zeichen oder Formeln; keine Entdeckungen von Schätzen oder Mittel zum Reichwerden; keine Wunder oder Sensationen; keine Wahrsagereien oder fantastischen Erscheinungen; kurz, nichts von dem, was das Ziel und die wesentlichen Bestandteile der Zauberei ausmacht! Die Spiritistische Lehre missbilligt nicht nur all diese Dinge, sondern sie beweist deren Unmöglichkeit und Wirkungslosigkeit. Es gibt also keine Ähnlichkeit zwischen Zweck und Mitteln der Zauberei und denen der Spiritistischen Lehre. Sie als einander ähnlich zu zeigen, kann nur eine Sache von Unwissenheit oder Unredlichkeit sein; und da die Grundsätze des Spiritismus nichts Geheimes beinhalten, da sie vielmehr in klaren und eindeutigen Worten formuliert sind, so vermag der Irrtum nichts auszurichten.

Was die Tatsache von Heilungen betrifft, die in dem vorerwähnten Hirtenbrief als wirklich anerkannt sind, so ist das Beispiel schlecht gewählt, um Beziehungen zu den Geistern abzuweisen. Das ist eine der Wohltaten, die am meisten berühren und die ein jeder zu schätzen weiß. Wenige Leute werden geneigt sein, darauf zu verzichten, vor allem, nachdem sie alle anderen Mittel ausgeschöpft haben – aus Furcht vom Teufel geheilt zu werden. Im Gegenteil, mehr als einer wird sagen, wenn ihn der Teufel heilt, so vollbringt er eine gute Tat.

(Indem man von Geistwesen Geheilten hat einreden wollen, dass sie es durch den Teufel seien, hat man eine große Anzahl von ihnen endgültig von der Kirche getrennt, die nicht daran dachten, diese zu verlassen.)


12. “Welches sind die geheimen Kräfte dieser Erscheinungen und die wahren Schauspieler in diesen unerklärbaren Auftritten? Engel würden diese unwürdigen Rollen nicht annehmen und sich nicht dazu hergeben, all die Launen einer eitlen Neugierde zu befriedigen.”

Der Verfasser des Erlasses will von den physischen Manifestationen der Geister sprechen. Unter ihnen finden sich augenscheinlich solche, die höherer Geister wenig würdig wären; und wenn man das Wort "Engel" durch "reine Geister" oder "höhere Geister" ersetzt, so hat man genau das, was die Spiritistische Lehre darüber sagt. Aber man kann die durch Schrift, Wort, Gehör oder jedes andere Mittel erlangten intelligenten Mitteilungen nicht auf dieselbe Linie stellen, die den guten Geistern nicht weniger unwürdig sind, als sie auf der Erde den hervorragendsten Menschen unwürdig sind, noch die Erscheinungen, Heilungen und eine Menge anderer Dinge, die die heiligen Bücher überreichlich als von Engeln oder Heiligen bewirkt anführen. Wenn demnach Engel und Heilige ehemals derartige Erscheinungen bewirkt haben, warum sollten sie diese nicht auch heutzutage bewirken? Warum sollten dieselben Tatsachen heutzutage in den Händen gewisser Leute ein Werk des Teufels sein, während sie bei anderen als heilige Wunder gelten? Eine solche These aufrechtzuerhaIten, bedeutet alle Logik zu missachten.

Der Verfasser des Hirtenbriefes ist im Irrtum, wenn er sagt, diese Erscheinungen seien unerklärbar. Sie sind im Gegenteil heutzutage vollkommen erklärt, und aus diesem Grund betrachtet man sie nicht mehr als wunderbar und aus den Gesetzen fallend; und wären sie noch unerklärt, so wäre es nicht logischer, sie dem Teufel zuzuschreiben, als ihm wie einst die Ehre all der natürlichen Phänomene zu geben, die man nicht begriff.

Unter unwürdigen Rollen muss man lächerliche und solche Rollen verstehen, die darin bestehen, Böses zu tun. Aber man kann doch so nicht diejenigen Geister bezeichnen, die Gutes tun und die Menschen zu Gott und zur Tugend zurückführen. Nun sagt der Spiritismus ausdrücklich, dass unwürdige Rollen nicht in den Zuordnungen der höheren Geister liegen, wie es folgende Vorschriften beweisen:


13. Man erkennt die Eigenschaft der Geister an ihrer Sprache. Die der wahrhaft guten, höheren Geister ist stets würdig, edel, logisch und frei von Widersprüchen. Sie atmet Weisheit, Wohlwollen, Bescheidenheit und reinste Moral; sie ist kurz gefasst und ohne unnütze Worte. Bei den niederen, unwissenden oder hochmütigen Geistern wird die Gedankenarmut fast immer durch einen Überfluss an Worten ausgeglichen. Jeder offensichtlich falsche Gedanke, jeder der gesunden Moral entgegengesetzte Grundsatz, jeder lächerliche Rat, jeder grobe, gemeine oder schlichtweg leichtfertige Ausdruck, schließlich jedes Zeichen von Böswilligkeit, Überheblichkeit oder Arroganz sind unbestreitbare Zeichen der niedrigen Stufe eines Geistes.

Die höheren Geister befassen sich nur mit intelligenten Mitteilungen hinsichtlich unserer Belehrung. Wahrnehmbare oder rein materielle Manifestationen gehören mehr in den Bereich der niederen Geister, die allgemein als “Klopfgeister” bezeichnet werden. Wie unter uns, sind Kraftakte die Sache der Gaukler und nicht der Wissenschaftler. Es wäre absurd zu denken, dass - seien es noch so wenig - erhabene Geister sich ein Vergnügen daraus machen, sich zur Schau zu stellen. (“Was ist Spiritismus?”, Kap. 2, Abs. 37, 38, 39, 40 u. 60; “Buch der Geister”, 2. Buch, Kap. 1: Verschiedene Ordnungen der Geister; die Stufenleiter der Geister; “Buch der Medien”, 2. Teil, Kap. 24: Identität der Geistwesen, Unterscheidung der guten und der bösen Geister.)

Welcher ehrliche Mensch kann in diesen Vorschriften eine den erhabenen Geistern zugewiesene unwürdige Rolle erblicken? Nicht nur, dass der Spiritismus die Geister nicht vermischt, sondern, während man den Teufeln eine den Engeln gleiche Einsicht zuschreibt, stellt er durch Tatsachen fest, dass die niederen Geister mehr oder weniger unwissend sind, dass ihr geistiger Horizont beschränkt, ihr Scharfsinn begrenzt ist; dass sie von den Dingen eine oft falsche und unvollständige Vorstellung haben und unfähig sind, gewisse Fragen zu lösen, was alles es ihnen unmöglich machen würde, all das zu tun, was man den Teufeln zuschreibt.


14. "Die Seelen der Toten, deren Befragung Gott verbietet, wohnen an einem Ort, den Seine Gerechtigkeit ihnen zugewiesen hat, und sie können sich den Lebenden ohne Seine Erlaubnis nicht zur Verfügung stellen."

Die Spiritistische Lehre sagt gleichfalls, dass sie ohne Gottes Erlaubnis nicht kommen können, aber sie ist noch weit strenger. Denn sie sagt, dass kein guter oder böser Geist ohne diese Erlaubnis kommen kann, während die Kirche den Teufeln die Macht zuschreibt, ohne diese Erlaubnis zu kommen. Die Spiritistische Lehre geht noch weiter, indem sie nämlich sagt, dass selbst mit dieser Erlaubnis, wenn sie dem Ruf der Lebenden folgen, sie dies nicht tun, um sich unter deren Befehle zu stellen.

Frage: Kommt ein angerufener Geist freiwillig oder ist er dazu gezwungen? Antwort: Er gehorcht dem Willen Gottes, das heißt dem allgemeinen Gesetz, das das Weltall lenkt. Er beurteilt, ob es nützlich sei, zu kommen, und dann unterliegt es noch seinem freien Willen. Ein höherer Geist kommt immer, wenn er zu einem nützlichen Zweck gerufen wird. Er weigert sich nicht, zu antworten, außer wenn er von wenig ernsten Leuten umgeben ist, die die Sache als Belustigung sehen. (Buch der Medien, Kap. 25.)

Frage: Kann ein angerufener Geist sich weigern, auf einen Ruf zu kommen, der an ihn gerichtet wird? Antwort: Vollkommen; wo würde sonst seine Willensfreiheit bleiben? Glaubt ihr etwa, dass alle Wesen des Weltalls zu euren Befehlen stehen? Und ihr selbst, glaubt ihr all denen zu einer Antwort verpflichtet zu sein, die euren Namen aussprechen? Wenn ich sage, dass er sich weigern könne, so meine ich auf die Bitte des Anrufenden; denn ein niederes Geistwesen kann von einem höheren gezwungen werden zu kommen. (Buch der Medien, Kap. 25.)

Die Spiritisten sind dermaßen davon überzeugt, dass sie keine unmittelbare Gewalt über die Geister haben und von diesen nichts ohne Gottes Erlaubnis erlangen können, dass sie, wenn sie irgendeinen Geist rufen, sagen: "Ich bitte den allmächtigen Gott, einem guten Geist zu erlauben, mit mir in Verbindung zu treten; ich bitte auch meinen Schutzengel, mir beizustehen und die bösen Geister zu entfernen.” Oder auch, falls es sich um einen Ruf an einen bestimmten Geist handelt: “Ich bitte den allmächtigen Gott, dem Geist von dem und dem zu erlauben, sich mir mitzuteilen." (Buch der Medien, Kap. 27, Abs. 203.)


15. Die von der Kirche gegen die Praxis der Anrufungen geschleuderten Anklagen treffen also nicht die Beschäftigung mit dem Spiritismus, indem sie hauptsächlich gegen die Vorgänge der Zauberei gehen, mit der der Spiritismus nichts gemeinsam hat; weil er bei dieser verurteilt, was die Kirche selber verurteilt; weil er ferner die guten Geistwesen keineswegs eine unwürdige Rolle spielen lässt; und weil er schließlich erklärt, nichts zu verlangen und ohne die Erlaubnis Gottes nichts zu erhalten.

Ohne Zweifel gibt es Leute, die die Anrufungen missbrauchen, die sich ein Vergnügen daraus machen, das sie von ihrem vorsehungsmäßigen Zweck wegführt, um sie ihren eigenen Interessen dienstbar zu machen; die sich ferner aus Unwissenheit, Leichtsinn, Hochmut oder Habgier von den wahren Grundsätzen der Lehre entfernen. Der ernste Spiritismus hat nichts mit solchen Leuten gemeinsam, so wenig wie der wahre Gottesglaube mit Scheinheiligen und fanatischen Ausschreitungen. Es ist demnach weder logisch noch berechtigt, dem Spiritismus die Missbräuche, die er verdammt, anzulasten oder die Fehler derjenigen, die ihn nicht verstehen. Ehe man eine Anklage ausspricht, muss man sehen, ob sie auch zutrifft. Wir sagen daher: Der Tadel der Kirche fällt auf die Scharlatane, die Ausbeuter, die Praxis der Zauberei und der "Hexerei"; darin hat sie Recht. Wenn kirchliche oder kritische Beurteilung die Missbräuche brandmarkt und die Scharlatanerie verurteilt, so hilft sie, dass die Reinheit der heiligen Lehre nur umso besser zur Geltung kommt, und sich auf diese Weise von ihren schlechten Schlacken zu befreien; damit erleichtert sie unsere Aufgabe. Ihr Unrecht besteht darin, dass sie das Gute und das Böse vermischt; bei der Mehrzahl geschieht es aus Unwissenheit, bei Einzelnen aus Unehrlichkeit. Aber die Unterscheidung, die sie nicht macht, machen andere. In allen Fällen kann ihr Tadel, dem sich jeder aufrichtige Spiritist anschließt, mit Ausnahme dessen, was für das Böse gilt, die Lehre nicht treffen.


16. "Die geheimnisvollen Wesen, die auf diese Weise dem ersten Ruf des Ketzers und des Gottlosen, wie des Gläubigen, des Verbrechens, ebenso wie der Unschuld folgen, sind weder die Abgesandten Gottes noch die Apostel der Wahrheit, sondern die Werkzeuge des lrrtums und der Hölle."

Also, dem Abtrünnigen, dem Gottlosen und dem Verbrecher erlaubt Gott nicht, dass gute Geister kommen, um sie aus dem Irrtum zu ziehen, um sie vor dem ewigen Verderben zu retten! Er sendet ihnen nur Gehilfen der Hölle, die sie immer tiefer in den Sumpf ziehen sollen! Weit mehr noch, er sendet der Unschuld nur bösartige Wesen, um sie zu verführen! Findet sich also unter den Engeln, diesen privilegierten Geschöpfen Gottes, kein Wesen, das mitfühlend genug ist, um jenen verlorenen Seelen zu Hilfe zu kommen? Wozu dann die glänzenden Eigenschaften, mit denen sie ausgestattet wurden, wenn diese nur ihren eigenen Freuden dienen? Sind sie wirklich gut, wenn sie, in die Freude der Kontemplation versunken, jene Seelen auf dem Wege zur Hölle gehen sehen, ohne dass sie kommen, um sie davon abzubringen? Ist das nicht das Bild des egoistischen Reichen, der, obwohl er alles im Überfluss hat, ohne Mitleid den Armen an seiner Tür vor Hunger sterben lässt? Ist das nicht der zur Tugend erhobene Egoismus und sogar zu den Füßen des Ewigen sitzend?

Ihr wundert euch, dass die guten Geister zum Ketzer und Gottlosen gehen. Ihr vergesst also jenes Wort Christi: “Der Gesunde bedarf des Arztes nicht.” Möchtet ihr die Dinge nicht von einem erhabeneren Standpunkt aus sehen, als es die Pharisäer seinerzeit taten? Und ihr selbst, wenn ihr vonseiten eines Ungläubigen gerufen werdet, werdet ihr euch weigern, zu ihm zu gehen, um ihn auf den guten Weg zu bringen? Die guten Geister tun also, was ihr tun würdet; sie gehen zum Gottlosen, um ihn gute Worte hören zu lassen. Anstatt die Mitteilungen aus dem Jenseits zu verdammen, segnet die Wege des Herrn und bewundert seine Allmacht und seine unendliche Güte!


17. Es gibt Schutzengel, sagt man. Wenn sich nun aber diese Schutzengel nicht durch die geheimnisvolle Stimme des Gewissens oder Inspiration verständlich machen können, warum sollten sie nicht unmittelbarere und mehr materielle Maßnahmen anwenden, von einer Art, die die Sinne beeindrucken, da diese da sind? Gott stellt also diese Mittel, die sein Werk sind, da ja alles von Ihm kommt und nichts ohne Seine Erlaubnis geschieht, nur den bösen Geistern zur Verfügung, während Er es den guten verwehrt, sich ihrer zu bedienen? Woraus man ja schließen muss, dass Gott es den Teufeln weitaus leichter macht, die Menschen ins Verderben zu stoßen, als den Schutzengeln, sie zu retten!

Nun gut! Was die Schutzengel nicht tun können – gemäß der Kirchenlehre – das tun die Teufel für sie. Mit Hilfe dieser sogenannten teuflischen Mitteilungen führen sie diejenigen zu Gott zurück, die ihn leugneten, und die zum Guten, die im Bösen versunken waren. Sie bieten uns das seltsame Schauspiel von tausenden und abertausenden Menschen, die an Gott glauben "durch die Macht des Teufels", während die Kirche machtlos gewesen war, sie zu bekehren; dass Menschen, die niemals gebetet hatten, heute mit Inbrunst beten, dank den Belehrungen dieser nämlichen Teufel! Wieviele sieht man, die aus hochmütigen, egoistischen und ausschweifenden Menschen demütige, liebevolle und weniger sinnliche Menschen geworden sind! Und man sagt, dies sei das Werk der Teufel! Wenn dem so ist, so muss man gestehen, dass der Teufel ihnen einen größeren Dienst erwiesen und besser beigestanden hat als die Engel. Man muss eine recht schwache Meinung vom Urteilsvermögen der Menschen in diesem Jahrhundert (19. Jh.) haben, um zu glauben, dass sie blindlings solche Vorstellungen annehmen können! Eine Religion, die aus einer derartigen Lehre ihren Eckstein macht, die sich an ihrer Basis als erschüttert erklärt, wenn man ihr ihre (eigenartigen) Teufel, ihre Hölle, ihre endlosen Strafen und ihren mitleidlosen Gott nimmt, begeht Selbstmord.


18. Hat Gott, sagt man, der Seinen Christus gesandt hat, um die Menschen zu retten, nicht Seine Liebe zu Seinen Geschöpfen bewiesen und hat Er sie ohne Schutz gelassen? Ohne Zweifel ist Christus der göttliche Messias, der gesandt wurde, um die Menschen die Wahrheit zu lehren und ihnen den rechten Weg zu zeigen. Zählt man seither aber nur die Zahl derjenigen, die sein Wort der Wahrheit verstehen konnten, wieviele sind gestorben und wieviele werden sterben, ohne es zu kennen, und unter denen, die es kennen, wieviele gibt es denn, die es ausüben! Warum sollte Gott in Seiner Fürsorge für das Heil Seiner Kinder ihnen nicht andere Boten senden, die überall auf die Erde kommen, in die bescheidensten Schlupfwinkel dringen, zu den Großen und den Kleinen, den Gelehrten und den Unwissenden, den Ungläubigen wie den Gläubigen kommen, um denen die Wahrheit zu lehren, die sie nicht kennen, durch ihre unmittelbare und vielfältige Unterweisung die unzureichende Verbreitung des Evangeliums zu ergänzen und auf solche Weise das Kommen des Reiches Gottes zu beschleunigen? Und wenn diese Boten in Massen kommen, um nach dem Vorbild Jesu den Blinden die Augen zu öffnen, die Gottlosen zu bekehren, die Kranken zu heilen, die Betrübten zu trösten, so stoßt ihr diese zurück und weist das Gute ab, das sie tun, indem ihr sagt, es seien die Teufel. Das ist auch die Sprache der Pharisäer in Bezug auf Jesus; denn auch sie sagten, er tue das Gute durch die Macht des Teufels. Was hat er ihnen geantwortet? "Erkennt den Baum an seiner Frucht! Ein schlechter Baum kann keine guten Früchte bringen."

Für sie aber waren die durch Jesus hervorgebrachten Früchte schlecht, weil er kam, um die Missbräuche auszurotten und die Freiheit zu verkünden, die ihr Ansehen vernichten sollte. Wäre er gekommen, um ihrem Hochmut zu schmeicheln, ihre Pflichtversäumnisse zu rechtfertigen und ihre Macht zu stützen, so wäre er in ihren Augen der von den Juden erwartete Messias gewesen. Er war allein, arm und schwach; sie haben ihm den Untergang bereitet und geglaubt, sein Wort zu töten. Aber sein Wort war göttlich und hat ihn überlebt. Jedoch hat es sich nur langsam verbreitet und ist nach 1800 Jahren kaum für ein Zehntel der Menschheit bekannt, und zahlreiche Spaltungen sind bei seinen eigenen Schülern ausgebrochen. Da sendet nun Gott in Seiner Barmherzigkeit die Geister, um jenes Wort zu bestätigen, es zu vervollständigen, es in die Reichweite aller zu rücken und es über die ganze Erde zu verbreiten. Aber die Geister werden nicht in einem einzigen Menschen inkarniert, dessen Stimme beschränkt gewesen wäre; sie sind unzählig, gehen überall hin und man kann sie nicht festnehmen; seht, darum breitet sich ihre Unterweisung mit der Schnelligkeit des Blitzes aus. Sie sprechen zum Herzen und zur Vernunft; seht, darum werden sie von den einfachsten Menschen verstanden.


19. "Ist es himmlischer Boten nicht unwürdig", sagt ihr, "ihre Belehrungen durch ein so gewöhnliches Mittel, wie das der sprechenden Tische zu übermitteln? Heißt es nicht, sie zu beleidigen, wenn man unterstellen will, dass sie sich an Nichtigkeiten belustigen und ihren glänzenden Aufenthaltsort verlassen, um sich dem ersten Besten zur Verfügung zu stellen?”

Hat Jesus nicht die Wohnung seines Vaters verlassen, um in einem Stall geboren zu werden? Wo habt ihr übrigens je gesehen, dass der Spiritismus höheren Geistern nichtige Dinge zuweist? Er sagt im Gegenteil, dass die alltäglichen Dinge das Ergebnis alltäglicher Geister sind. Aber durch ihre Alltäglichkeit selbst haben jene Dinge nur umsomehr die Tätigkeit der Einbildungskraft geweckt. Sie haben dazu gedient, die Existenz der Geisterwelt zu beweisen, und gezeigt, dass jene Welt eine ganz andere ist, als man sich vorgestellt hatte. Das war der Anfang. Er war einfach, wie alles, was beginnt. Aber der aus einem kleinen Samen hervorgegangene Baum breitet darum später nicht weniger weithin sein Blätterwerk aus. Wer hätte geglaubt, dass von der ärmlichen Krippe zu Bethlehem eines Tages das Wort ausgehen würde, das die Welt bewegen sollte? Ja, Christus ist der göttliche Messias. Ja, sein Wort ist die Wahrheit.

Ja, der auf diesem Wort gegründete Glaube wird unerschütterlich sein, aber unter der Bedingung, dass man seine erhabenen Unterweisungen befolgt und ausübt und nicht aus dem gerechten und gütigen Gott, den er uns kennen lehrt, einen parteiischen, rachsüchtigen und mitleidlosen macht.



Kapitel XI - Vom Verbot der Anrufung Toter

1. Die Kirche leugnet in keiner Weise die Tatsache der Geisterkundgebungen. Im Gegenteil, sie gibt all diese zu, wie man in den oben erwähnten Ausführungen gesehen hat, schreibt sie jedoch dem ausschließlichen Eingreifen der Teufel zu. Zu Unrecht beziehen sich einige auf das Evangelium, als ob es sie verbiete, aber das Evangelium erwähnt kein Wort darüber. Die wichtigste Begründung, die man geltend macht, ist das Verbot durch Mose. Nachfolgend ist der Wortlaut des in den vorherigen Kapiteln angeführten Hirtenbriefes zu diesem Thema aufgeführt:

"Es ist nicht erlaubt, sich mit ihnen (den Geistern) in Verbindung zu setzen, sei es unmittelbar oder durch Vermittlung derer, die sie anrufen und befragen. Das mosaische Gesetz bestrafte diese verabscheuenswerten Fähigkeiten, die unter den Heiden gebräuchlich waren, mit dem Tod. "Gehet nicht hin zu den Zauberern, so steht es im Buch Levitikus, und richtet keine Frage an die Wahrsager; habt Furcht, euch dadurch zu verunreinigen, dass ihr euch an sie wendet!" (Levitikus, 3. Buch Mose, Kap. 19, Vers 31). "Wenn ein Mann oder ein Weib einen Beschwörer- oder Wahrsagegeist hat, so seien sie mit dem Tod bestraft; sie sollen gesteinigt werden, ihr Blut komme auf ihr Haupt." (3. Buch Mose, Kap. 20, Vers 27). Und im Buch des Deuteronomiums (der Gesetzeswiederholung) steht: “Es sei niemand unter euch, der die Wahrsager befragt oder auf Träume, An- und Vorzeichen achtet oder der sich der Verführung der Zeichendeutereien und der Zauberei bedient oder der diejenigen befragt, die einen Beschwörergeist haben, Wahrsagerei betreiben oder die Toten befragen, um die Wahrheit zu erfahren, denn dem Herrn sind all diese Dinge ein Greuel, und er wird bei eurer Ankunft die Völker ausrotten, die diese Verbrechen verüben." (Deuteronomium, 5. Buch Mose, Kap. 18, Vers 10 - 12).


2. Es dient dem Verständnis des wahren Sinnes der Worte Moses, sich den vollständigen Wortlaut zu vergegenwärtigen, der im Folgenden nur wenig verkürzt dargestellt ist:

“Wendet euch nicht von eurem Gott ab, um Zauberer aufzusuchen und befragt nicht die Wahrsager; habt Furcht, euch dadurch zu verunreinigen, dass ihr euch an sie wendet! Ich bin der Herr, euer Gott.” (3. Buch Mose, Kap. 19, Vers 31).

"Wenn ein Mann oder ein Weib einen Beschwörer- oder Wahrsagegeist hat, so seien sie mit dem Tode bestraft. Sie sollen gesteinigt werden, und ihr Blut soll über ihr Haupt kommen." (3. Buch Mose, Kap. 20, Vers 27).

“Wenn ihr in das Land gekommen seid, das der Herr, euer Gott euch geben wird, so seid auf der Hut und ahmt nicht die Greuel dieser Völker nach; es sei niemand unter euch, der begehrt, seinen Sohn oder seine Tochter zu reinigen, indem er sie durchs Feuer gehen lässt, oder der die Wahrsager befragt oder auf Träume, An- und Vorzeichen achtet oder der sich der Verführung der Zeichendeutereien und der Zauberei bedient oder der die befragt, die einen Beschwörergeist haben, sich mit Wahrsagerei abgeben oder die Toten befragen, um die Wahrheit zu erfahren. Denn der Herr verabscheut all diese Dinge und wird bei eurer Ankunft all diese Völker wegen dieser Art von Verbrechen, die sie begangen haben, ausrotten." (5. Buch Mose, Kap. 18, Vers 9 - 12).


3. Wenn das Gesetz von Mose in diesem Punkt so streng beachtet werden soll, so muss es dies auch in gleicher Weise in all den anderen. Denn warum sollte es gut sein, wenn es die Anrufungen betrifft und schlecht bei anderen Themen? Man muss konsequent vorgehen. Erkennt man an, dass sein Gesetz bezüglich gewisser Dinge nicht mehr mit unseren Sitten und unserer Zeit im Einklang steht, so gibt es keinen Grund zu glauben, dass es nicht auch für das Verbot gilt, um das es sich handelt.

Übrigens muss man die Beweggründe berücksichtigen, die jenes Verbot veranlasst haben. Beweggründe, die damals ihre Berechtigung hatten, aber sicherlich heutzutage nicht mehr vorhanden sind. Der hebräische Gesetzgeber wollte, dass sein Volk mit allen in Ägypten übernommenen Gewohnheiten bricht, wo Anrufungen üblich und ein Anlass zu Missbrauch waren, wie das jene Worte Jesajas beweisen: “Der Geist Ägyptens soll in ihr zugrunde gerichtet werden, und ich werde ihre Klugheit niederwerfen. Sie werden ihre Götzen, Wahrsager, Beschwörer und Zauberer befragen." (Jesaja, Kap. 19, Vers 3).

Außerdem durften die Israeliten keine Verbindung mit fremden Völkern eingehen; nun aber fanden sie dieselben Künste bei denen, in die sie demnächst eindringen wollten und die von ihnen bekämpft werden sollten. Mose musste also dem Staatsinteresse dienen und versuchen, dem hebräischen Volk eine Abneigung gegen alle Gewohnheiten einzuflößen, die Berührungspunkte gewesen wären, falls es diese angenommen hätte. Um diese Abneigung zu begründen, musste man sie so erklären, als seien sie von Gott selbst verboten worden. Darum spricht er: "Der Herr verabscheut all diese Dinge, und Er wird bei eurer Ankunft die Völker ausrotten, die jene Verbrechen begehen."


4. Das Verbot des Mose war umso mehr gerechtfertigt, als man die Toten nicht aus Achtung und Zuneigung für sie oder einem Gefühl von Frömmigkeit anrief. Es war ein Mittel für Weissagungen, wie so manche Deutungen von Omen, ausgebeutet von betrügerischer Scharlatanerie und vom Aberglauben. Obwohl er es hätte tun können, so gelang es ihm nicht, diese nun geschäftlich genutzte Gewohnheit zu entwurzeln, wie das die folgenden Stellen des gleichen Propheten bezeugen:

"Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsst die Totengeister und Beschwörer befragen, die da flüstern und murmeln, so sprecht: Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen? Oder soll man für Lebendige die Toten befragen?” (Jesaja, Kap. 8, Vers 19).

"Ich bin es, der die Zeichen der Wahrsager zunichtemacht und die Weissager zu Narren; der die Weisen zurücktreibt und ihre Kunst zur Torheit macht.” (Jesaja, Kap. 44, Vers 25).

"Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne. Es sollen hertreten und dir helfen die Meister des Himmelslaufs und die Sterngucker, die an jedem Neumond kundtun, was über dich kommen werde! Siehe, sie sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt, sie können ihr Leben nicht erretten vor der Flamme Gewalt. Denn es wird nicht eine Glut sein, an der man sich wärmen, oder ein Feuer, um das man sitzen könnte. So sind alle, um die du dich bemüht hast, die mit dir Handel trieben von deiner Jugend auf: Ein jeder wird hierhin und dorthin wanken, und du hast keinen Retter!" (Jesaja, Kap. 47, Vers In diesem Kapitel wendet sich Jesaja in Vers 1 an die BabyIonier, unter der sinnbildlichen Gestalt der "jungfräulichen Tochter Babylon, der Tochter der Chaldäer." Er sagt, dass die Zauberer den Untergang ihrer Alleinherrschaft nicht aufhalten werden. Im folgenden Kapitel wendet er sich unmittelbar an die Israeliten.

"Ihr aber, tretet herzu, ihr Söhne der Zauberin, ihr Kinder des Ehebrechers und der Hure! Mit wem wollt ihr euren Spott treiben? Über wen wollt ihr das Maul aufsperren und die Zunge herausstrecken? Seid ihr nicht abtrünnige Kinder, ein verkehrtes Geschlecht, die ihr bei den Götzeneichen in Brunst geratet, unter allen grünen Bäumen, und die Kinder schlachtet in den Tälern unter den Felsklippen? Bei den glatten Steinen im Tal ist dein Teil, sie sind dein Los. Ihnen hast du dein Trankopfer ausgeschüttet, hast du Speisopfer geopfert. Sollte ich mich darüber nicht empören?” (Jesaja, Kap. 57, Vers 3 - 6).

Diese Worte sind eindeutig. Sie beweisen klar, dass Anrufungen zu jener Zeit der Wahrsagerei dienten und man aus ihnen ein Gewerbe machte. Sie waren mit der Ausübung geheimer Kunst und des Zauberbannes verbunden und sogar von Menschenopfern begleitet. Mose hatte also Recht, diese Dinge zu verbieten und zu sagen, Gott würde sie verabscheuen. Diese abergläubischen Praktiken haben sich bis ins Mittelalter hinein erhalten. Heutzutage aber hat sie die Vernunft widerlegt, und die Spiritistische Lehre ist gekommen, die ausschließlich moralische, tröstliche und Gott ehrende Absicht der Berichte aus dem Jenseits aufzuzeigen. Da die Spiritisten ja "keine kleinen Kinder opfern und keine Trankopfer bringen, um die Götter zu ehren", da sie weder die Sterne noch die Toten oder die Zeichendeuter befragen, um die Zukunft zu erfahren, die Gott den Menschen wohlweislich verborgen hat, da sie sämtlichen Gewinn zurückweisen aus der Fähigkeit, die einige empfangen haben, sich mit den Geistern einzulassen, da sie weder von Neugierde noch von Gier getrieben werden, sondern von einem frommen Gefühl und dem alleinigen Wunsch zu lernen, sich zu verbessern und leidende Seelen zu trösten, so betrifft sie das Verbot des Moses in keinster Weise. Diejenigen, die es gegen die Spiritisten anführen, hätten es verstanden, wenn sie den Sinn der biblischen Worte tiefer erfasst hätten. Sie hätten erkannt, dass es keine Übereinstimmung zwischen dem, was sich bei den Hebräern zutrug, und den Grundsätzen des Spiritismus gibt. Weit mehr noch: Dass der Spiritismus genau das verurteilt, was das Verbot des Moses begründete. Aber geblendet von dem Wunsch, einen Beweis gegen die neue Denkweise zu finden, haben sie nicht bemerkt, dass diese Argumentation zu vollständig falschen Schlüssen führt.

Das bürgerliche Gesetz unserer Tage bestraft alle Missbräuche, die Mose beenden wollte. Wenn Mose das Höchstmaß an Strafe gegen die Übeltäter verkündet hat, dann bedurfte es eben strenger Maßnahmen, um dieses an Disziplin noch nicht gewöhnte Volk zu lenken. Auch wird die Todesstrafe in seiner Gesetzgebung ausgiebig angewandt. Er hatte übrigens keine große Wahl in seinen Maßnahmen der Bestrafung; er hatte weder Gefängnisse noch Zuchthäuser in der Wüste, und sein Volk zeigte keine Angst vor reinen Gefängnisstrafen. Er konnte seine Strafmaßnahmen nicht abstufen, wie man es heutzutage tut. Zu Unrecht stützt man sich also auf die Härte der Bestrafung, um das Ausmaß der Schuld für die Anrufungen der Toten zu begründen. Sollte es aus Achtung für das Gesetz von Mose erforderlich sein, die Todesstrafe in allen Fällen aufrechtzuerhalten, wo er sie anwendete? Aus welchem anderen Grund lässt man diese Bestimmung mit so viel Beharrlichkeit wiederaufleben, während man doch stillschweigend über den Anfang des Kapitels hinwegsieht, das den Priestern verbietet, irdische Güter zu besitzen und an irgendeiner Erbschaft teilzuhaben, weil der Herr selbst ihr Erbe sei? (5. Buch Mose, Kap. 18, Vers 1 - 2).


5. Es gibt zwei unterschiedliche Teile im Gesetz Moses, das eigentliche Gesetz Gottes, das auf dem Berg Sinai verkündet wurde, und das bürgerliche oder Strafgesetz, das den Sitten und dem Weltbild des Volkes angepasst ist. Das eine ist unveränderlich, das andere verändert sich im Laufe der Zeit, und es kann niemand auf den Gedanken kommen, dass wir mit denselben Mitteln gelenkt und geleitet werden könnten wie die Hebräer in der Wüste, ebensowenig wie die Gesetze und Verordnungen (Kapitularien) Karls des Großen sich auf das Frankreich des 19. Jahrhunderts anwenden lassen würden (Anmerkung: Himmel und Hölle erschien im August 1865). Wer möchte z.B. daran denken, jene Verfügung des mosaischen Gesetzes in der heutigen Zeit wieder aufleben zu lassen: “Wenn ein Ochse einen Mann oder eine Frau mit seinem Horn verletzt und sie dadurch sterben, so soll der Ochse gesteinigt werden und man soll nicht von seinem Fleisch essen; aber der Herr des Ochsen soll als unschuldig gelten?” (2. Buch Mose, Kap. 21, Vers 28 - 29).

Diese Bestimmung, die uns so sinnlos erscheint, bezog sich aber nicht auf die Bestrafung des Ochsen und den Freispruch seines Herrn. Sie bedeutete einfach die Wegnahme und Beschlagnahme des Tieres als Verursacher des Unfalls und sollte den Eigentümer zu größerer Wachsamkeit veranlassen. Der Verlust des Ochsen war die Strafe für den Besitzer, eine Strafe, die bei einem Hirtenvolk empfindlich genug sein musste, so dass es nicht erforderlich wurde, ihm eine andere aufzuerlegen. Aber der Verlust durfte für niemanden von Nutzen sein; darum war es untersagt, das Fleisch des Ochsen zu essen. Andere Bestimmungen regeln den Fall, in dem der Herr und Besitzer verantwortlich gemacht wird.

Alles hatte in der Gesetzgebung des Moses seine Berechtigung. Denn dort ist alles vorgesehen, bis in die kleinsten Einzelheiten hinein. Aber die Form und der Inhalt entsprachen den Umständen, in denen er sich befand. Wenn Mose heutzutage wiederkäme, um einem gesitteten europäischen Volk ein Gesetzbuch zu geben, so würde er ihm gewiss nicht das der Hebräer geben.


6. Dem hält man entgegen, dass alle Gesetze Moses im Namen Gottes erlassen seien, ebenso wie das vom Sinai. Wenn man alle beurteilt, dass sie aus göttlicher Quelle stammen, warum werden dann die Gebote auf die "Zehn Gebote" (den Dekalog) beschränkt? Das geschieht doch, eben weil man sie unterschieden hat. Wenn alle von Gott stammen, so sind alle in gleicher Weise verbindlich. Warum beachtet man sie nicht alle? Warum hat man zudem die Beschneidung nicht aufrechterhalten, die an Jesus vollzogen wurde und die er niemals aufgehoben hat? Man vergisst, dass alle Gesetzgeber aus früher Zeit, um ihren Gesetzen mehr Geltung zu verleihen, gesagt haben, dass sie diese von einer Gottheit hätten. Mose benötigte diese Stütze aufgrund der Einstellung seines Volkes mehr als jeder andere. Wenn er trotzdem so viel Mühe hatte, sich Gehorsam zu verschaffen, so wäre es noch weit schlimmer gewesen, wenn er die Gesetze in seinem eigenen Namen ausgerufen hätte.

Ist nicht Jesus gekommen, um das mosaische Gesetz zu verändern, und ist sein Gesetz nicht das Gebot der Christen? Hat er nicht gesagt: "Ihr habt gehört, dass den Alten dies und das gesagt worden ist, und ich, ich sage euch das und noch weiteres?” Aber hat er das Gesetz vom Sinai angetastet? In keinster Weise. Er bestätigt und festigt es, und seine ganze Morallehre ist nur eine Weiterentwicklung dessen. Nun aber spricht er nirgends von einem Verbot der Anrufung der Toten. Dies war jedoch eine sehr wesentliche Frage, um in seinen Weisungen nicht übergangen zu werden, während er hingegen unbedeutendere Fragen erörtert hat.


7. Zusammenfassend geht es um die Frage, ob die Kirche das mosaische über das christliche Gesetz stellt, mit anderen Worten, ob sie mehr jüdisch als christlich ist. Es muss sogar erwähnt werden, dass von allen Religionen die jüdische diejenige ist, die dem Spiritismus den geringsten Widerstand entgegengesetzt hat, und dass sie sich bezüglich des Kontaktes mit den Toten keineswegs auf das Gesetz des Moses berufen hat, auf das sich Teile der christlichen Kirche stützen.


8. Ein anderer Widerspruch in sich: Wenn Mose verboten hat, die Geister der Toten anzurufen, so können diese Geister also doch kommen, ansonsten wäre sein Verbot unnütz gewesen. Wenn sie zu seiner Zeit kommen konnten, so können sie das noch heute. Wenn es die Geister der Verstorbenen sind, so sind es also nicht ausschließlich Teufel. Übrigens spricht Mose überhaupt nicht von diesen letzteren.

Ganz offensichtlich könnte man sich in diesem Fall nicht logischerweise auf das Gesetz Moses stützen, und das aus zweifachem Grund: weil es nicht das Christentum dominiert und weil es nicht den Sitten unserer Zeit angepasst ist. Will man ihm aber die ganze Autorität zuschreiben, die einige ihm zugestehen, so kann man es, wie wir gesehen haben, nicht auf den Spiritismus anwenden.

Mose bezieht zwar die Befragung der Toten in sein Verbot ein. Aber das ist nur zweitrangig der Fall und als Anhängsel der Methoden der Zauberei. Das Wort “befragen" selbst, das neben den Wörtern "Wahrsager" und “Zeichendeuter" steht, beweist, dass Anrufungen bei den Hebräern ein Mittel zum Wahrsagen waren. Nun befragen die Spiritisten die Toten nicht, um von ihnen unerlaubte Offenbarungen zu erlangen, sondern weise Ratschläge zu empfangen und den Leidenden Erleichterung zu verschaffen. Hätten die Hebräer sich der Mitteilungen aus dem Jenseits gewiss nur zu diesem Zweck bedient, so hätte Mose, fern davon, ihnen diese zu verbieten, sie sogar dazu ermutigt, weil so sein Volk leichter zu führen gewesen wäre.


9. Wenn es einigen witzigen oder übelgesinnten Kritikern gefallen hat, spiritistische Vereinigungen als Versammlungen von Zauberern und Geisterbeschwörern und die Vermittler (Medien) als Verkünder des Glücks darzustellen, wenn einige gewinnsüchtige Betrüger diesen Namen mit lächerlichen Praktiken verbinden, die der Spiritist verabscheut, so wissen genug Leute, woran man sich in Bezug auf die durchaus moralische und würdige Art und Weise der Zusammenkünfte ernsthafter Spiritisten zu halten habe. Die für die ganze Welt geschriebene Lehre widersetzt sich vehement den Missbräuchen aller Art, so dass die Verleumdung auf denjenigen zurückfällt, der sie verdient.


10. Man sagt, dass die Anrufung der Toten, deren Asche man nicht stören soll, zu wenig Respekt erweist. Wer sagt das? Die Gegner aus zwei entgegengesetzten Lagern, die sich die Hand reichen: Die Ungläubigen, die nicht an das Dasein der Seelen glauben und diejenigen, die daran glauben, aber behaupten, dass diese nicht kommen könnten und nur der Teufel erscheine.

Wenn die Anrufung mit Respekt und innerer Sammlung geschieht, wenn man die Geister nicht aus Neugierde, sondern aus einem Gefühl von Zuneigung und Anteilnahme ruft und mit dem aufrichtigen Wunsch, zu lernen und besser zu werden, so ist nicht zu verstehen, inwiefern es respektloser sein soll, die Menschen nach ihrem Tod als zu ihren Lebzeiten zu rufen. Aber es gibt eine andere sehr entscheidende Antwort auf diesen Einwand, nämlich dass die Geister vollkommen freiwillig und nicht unter Zwang kommen; dass sie sogar aus eigenem Antrieb kommen, also ohne gerufen zu werden; dass sie ihre Genugtuung darin zeigen, sich den Menschen mitteilen zu können und sich häufig über die Vergessenheit beklagen, der sie manchmal zum Opfer fallen. Wenn sie in ihrer Ruhe gestört würden oder mit unserer Anrufung unzufrieden wären, so würden sie es sagen oder würden nicht kommen. Weil sie aber frei sind, wenn sie kommen, so geschieht dies, weil es ihnen zusagt.


11. Man führt einen anderen Grund an: "Die Seelen", sagt man, "bleiben an dem Aufenthaltsort, den die Gerechtigkeit Gottes ihnen zugewiesen hat, d.h. in der Hölle oder im Paradies". So können also diejenigen, die in der Hölle sind, nicht hinausgelangen, obwohl den Teufeln diesbezüglich jede Freiheit gegeben ist. Diejenigen Seelen, die im Paradies sind, befinden sich ganz und gar in ihrer Glückseligkeit. Sie sind zu hoch über den Sterblichen, um sich mit ihnen beschäftigen zu können und zu glücklich, um auf diese Erde des Elends zurückzukommen und sich für das Schicksal ihrer Verwandten und Freunde zu interessieren, die sie hier zurücklassen. Sind sie also wie jene Reichen, die den Blick von den Armen abwenden, aus Angst, das Bild könnte ihre Verdauung stören? Wenn dem so wäre, dann wären sie des höchsten Glücks wenig würdig, das dann der Lohn des Egoismus wäre. Es bleiben die Seelen übrig, die im Fegefeuer sind. Aber diese leiden und müssen vor allem an ihre Rettung denken. Da also weder die einen noch die anderen kommen können, so ist es nur der Teufel, der an ihrer Stelle kommt. Können sie nicht kommen, so ist also nicht zu befürchten, dass man ihre Ruhe stört.


12. Hier aber zeigt sich eine andere Schwierigkeit. Wenn die Seelen, die die Glückseligkeit genießen, ihren glücklichen Wohnort nicht verlassen können, um den Sterblichen zu Hilfe zu kommen, warum ruft dann die Kirche den Beistand der Heiligen an, die sich ihrerseits der größtmöglichen Fülle von Seligkeit erfreuen müssen? Warum sagt sie den Gläubigen, sie sollen diese bei Krankheiten und Schmerzen anrufen und um sich vor dem Elend der Landplagen zu schützen? Warum kommen nach ihrer Lehre die Heiligen, die heilige Jungfrau selbst, um sich den Menschen zu zeigen und Wunder zu vollbringen? Sie verlassen also den Himmel, um auf die Erde zu kommen. Wenn diejenigen von ihnen, die sich im höchsten der Himmel aufhalten, diesen verlassen können, warum sollten diejenigen das nicht können, die weniger erhaben sind?


13. Dass die Ungläubigen die Manifestation der Seelen leugnen, versteht sich, weil sie ja nicht an die Existenz der Seele glauben. Es ist aber seltsam zu sehen, wie jene, deren Glaubensvorstellungen auf der Existenz und Zukunft der Seele beruhen, gegen die Beweismittel für deren Existenz aufbegehren und sich bemühen, die Unmöglichkeit der Existenz der Seele zu beweisen. Dagegen würde der Gedanke naheliegend erscheinen, dass diejenigen, denen am meisten an ihrer Existenz liegt, mit Freuden und zwar als eine Wohltat der Vorsehung Mittel sammeln müssten, um die Leugner durch unwiderlegbare Beweise zu Fall zu bringen, weil das ja die Leugner des Gottesglaubens sind.

Die Erstgenannten beklagen unaufhörlich das Überhandnehmen der Ungläubigkeit, das die Schar der Gläubigen verkleinert, und wenn sich ihnen das mächtigste Mittel zu seiner Bekämpfung zeigt, so stoßen sie es mit größerer Hartnäckigkeit von sich, als es die Ungläubigen selbst tun.

Wenn zudem die Beweise an einen Punkt gelangen, an dem es keinen Zweifel mehr gibt, so greift man als wichtigste Begründung, um jede Beschäftigung damit zu verbieten und dies auch zu rechtfertigen, auf einen Satz im Gesetz des Moses zurück, an den niemand dachte und in dem man unter allen Umständen eine Anwendbarkeit sehen will, die gar nicht vorhanden ist. Man ist über diese Entdeckung so glücklich, dass man gar nicht bemerkt, wie sehr jene Gesetzesbestimmung eine Rechtfertigung der aus dem Spiritismus geschaffenen Lehre ist.


14. Alle angeführten Gründe gegen die Beziehungen zu den Geistwesen können einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten. Doch aus dem Widerstand, mit dem darauf beharrt wird, kann man schließen, dass sich mit dieser Frage ein großes Interesse verbindet; ansonsten würde man sie nicht mit so viel Beharrlichkeit verfolgen.

Beim Anblick dieses Kreuzzuges aller Glaubensrichtungen gegen die Kundgebungen möchte man sagen, sie fürchteten sich davor. Der wahre Beweggrund könnte womöglich die Furcht sein, dass die Geister, die sehr hellsehend sind, kommen und die Menschen über die Punkte aufklären möchten, die man so beharrlich im Dunkeln lässt, und sie genau erkennen lassen möchten, was es mit der anderen Welt und den wahren Bedingungen für dortiges Glücklich- oder Unglücklichsein auf sich hat.

Genauso wie man deshalb zu einem Kind sagt: "Geh nicht dorthin, dort ist ein Werwolf!", sagt man zu den Menschen: "Ruft nicht die Geister, es ist der Teufel!" Aber man wird noch so viel tun können: Wenn man die Menschen davon abhält, die Geister zu rufen, so wird man die Geister nicht daran hindern, zu den Menschen zu kommen, um das Licht unter dem Scheffel hervorzuholen.

Ein Glaubensbekenntnis, das in absoluter Wahrheit liegt, wird vom Licht nichts zu befürchten haben. Denn das Licht wird die Wahrheit leuchten lassen, und der Teufel vermag gegen die Wahrheit nichts auszurichten.


15. Die Mitteilungen aus dem Jenseits abzulehnen, das bedeutet, das mächtige Mittel der Unterweisungen zu verwerfen, die sich durch die Einweihung in das künftige Leben für sich selbst ergeben und aus den Beispielen, die sie uns geben. Da die Erfahrung uns weiterhin lehrt, wieviel Gutes man dadurch tun kann, dass man unvollkommene Geister vom Bösen abwendet und denen, die leiden müssen, hilft, sich von der Materie zu lösen und sich zu bessern, so heißt ein Verbot jener Mitteilungen nichts anderes als unglücklichen Seelen die Unterstützung zu entziehen, die wir ihnen geben können. Die folgenden Worte eines Geistes fassen in wunderbar treffender Weise die Folgen zusammen, die eine zu wohltätigen Zwecken praktizierte Anrufung haben kann:

"Jeder leidende und klagende Geist wird euch die Ursache seines Versagens erzählen, die überwältigenden Gewalten schildern, denen er unterlegen ist. Er wird auch von seinen Hoffnungen, Kämpfen und Qualen sprechen. Er wird euch seine Gewissensbisse, seine Schmerzen und seine Verzweiflung erzählen. Er wird euch Gott als den zu Recht Erzürnten zeigen, der den Schuldigen mit der ganzen Strenge seiner Gerechtigkeit bestraft. Wenn ihr ihm zuhört, werdet ihr von Mitleid für ihn und vor Furcht für euch selbst ergriffen sein. Wenn ihr ihm im Geist bei seinen Klagen folgt, werdet ihr sehen, wie Gott ihn nicht aus dem Auge verliert, den reuigen Sünder erwartet und ihm die Arme entgegenstreckt, sobald dieser versucht, voranzuschreiten. Ihr werdet die Fortschritte des Schuldigen sehen und das Glück und den Ruhm genießen, dazu beigetragen zu haben. Ihr werdet ihnen fürsorglich folgen, so wie der Chirurg die Fortschritte der Wunde überwacht, die er täglich verbindet."




Zweiter Teil - Beispiele

Kapitel I - Der Übergang

1. Das Vertrauen in das zukünftige Leben schließt nicht die Angst vor dem Übergang von diesem Leben in das andere aus. Viele Leute fürchten den Tod nicht um seiner selbst willen, vor was sie zurückschrecken, ist der Zeitpunkt des Übergangs. Leidet man oder leidet man nicht beim Übergang? Das ist es, was sie beunruhigt, und die Sache ist umso mehr die Mühe einer Überlegung wert, als keiner ihr entrinnen kann. Man kann von einer irdischen Reise zurücktreten. Aber hier muss reich wie arm den Schritt wagen, und wenn er schmerzlich ist, können weder Rang noch Vermögen seine Bitterkeit mildern.


2. Sieht man die sanfte Art des Todes bei manchen und die schrecklichen Zuckungen des Todeskampfes in vielen Fällen vor sich, kann man sich schon vorstellen, dass die Empfindungen nicht immer dieselben sind. Aber wer kann uns in dieser Hinsicht aufklären? Wer kann uns das physiologische Phänomen der Trennung von Seele und Körper beschreiben? Wer kann uns sagen, wie die Eindrücke in diesem letzten Augenblick sind? In diesem Punkt schweigen sich Wissenschaft und Religion aus.

Und warum? Weil weder die eine noch die andere die Kenntnisse über Gesetze hat, die die Beziehung zwischen dem Geist und der Materie beherrschen. Die eine bleibt an der Schwelle des geistigen Lebens stehen, die andere an der des materiellen Lebens. Der Spiritismus ist das Bindeglied zwischen beiden. Nur er vermag zu sagen, wie sich der Übergang vollzieht, sei es durch die konkreten Kenntnisse, die er von dem Wesen der Seele gibt, oder durch den Bericht derer, die das Leben verlassen haben. Die Kenntnis des fluidischen Bandes, das die Seele mit dem Körper vereint, ist der Schlüssel zu diesem Vorgang, wie zu vielen anderen.


3. Die träge Materie ist empfindungslos; das ist eine erwiesene Tatsache. Die Seele empfindet die Regungen des Vergnügens und des Schmerzes. Während des Lebens wirkt sich jeder Zerfall der Materie auf die Seele aus, die davon einen mehr oder weniger schmerzlichen Eindruck erhält. Es ist die Seele, die leidet, und nicht der Körper. Dieser ist nur das Werkzeug des Schmerzes, die Seele ist die Leidende. Nach dem Tod kann der Körper, da er von der Seele getrennt ist, ungestraft verstümmelt werden, denn er empfindet nichts. Von ihm losgelöst, empfängt die Seele keine Impulse mehr von seiner Auflösung. Sie hat ihre eigenen Empfindungen, deren Quelle nicht in der fühlbaren Materie liegt.

Der Perispirit ist die fluidische Hülle der Seele, von der sie weder vor noch nach dem Tode getrennt ist und mit der sie sozusagen eine Einheit bildet; denn der eine ist ohne die andere nicht denkbar. Während des Lebens durchdringt perispiritales Fluidum den Körper in all seinen Teilen und dient als Träger für die physischen Empfindungen der Seele. Zudem ist es der Vermittler, mit dem die Seele auf den Körper wirkt und dessen Bewegungen lenkt.


4. Das Erlöschen des organischen Lebens führt zur Trennung von Körper und Seele. Das Erlöschen des organischen Lebens führt durch den Bruch des fluidischen Bandes, das sie zusammenhält, zur Trennung von Körper und Seele. Aber die Trennung ist nie plötzlich. Das perispirituale Fluidum löst sich nach und nach von allen Organen, so dass die Trennung erst dann vollständig und absolut ist, wenn kein einziges Atom des Perispirits mehr mit irgendeinem Molekül des Körpers vereint ist. Die schmerzhafte Empfindung, die die Seele in diesem Moment verspürt, steht im Verhältnis zu der Gesamtheit der Berührungspunkte, die zwischen dem Körper und dem Perispirit bestehen und zu der mehr oder weniger großen Schwierigkeit und Langsamkeit, die die Trennung mit sich bringt. Man darf daher nicht verschweigen, dass der Tod je nach den Umständen mehr oder weniger schmerzhaft sein kann. Diese unterschiedlichen Umstände wollen wir nun untersuchen.


5. Nehmen wir zunächst, der übersichtlichen Erörterung wegen, folgende vier Fälle, die man als die entgegengesetzten Situationen verschiedener Verhältnisse der Lage ansehen kann, zwischen denen es eine Menge von Abstufungen gibt:

Erstens: Wenn das Loslösen des Perispirits im Moment des Erlöschens des organischen Lebens vollständig abgeschlossen wäre, so würde die Seele schlichtweg nichts empfinden.

Zweitens: Wenn zu diesem Zeitpunkt der Zusammenhang der beiden Bestandteile seine ganze Kraft besitzt, so vollzieht sich eine Art Ablösung, die sich schmerzhaft auf die Seele auswirkt.

Drittens: Wenn der Zusammenhang schwach ist, so ist die Trennung leicht und vollzieht sich ohne Erschütterung.

Viertens: Wenn nach dem vollständigen Aufhören des organischen Lebens noch zahlreiche Berührungspunkte zwischen dem Körper und dem Perispirit vorhanden sind, so wird die Seele die Auswirkungen der körperlichen Zersetzung spüren können, bis das Band vollständig zerrissen ist.

Hieraus ergibt sich, dass das Leiden, das den Tod begleitet, von der Kraft der Verbindung abhängig ist, die den Körper und den Perispirit vereint, dass alles, was zur Verminderung dieser Kraft und zur Beschleunigung der Loslösung helfen kann, den Übergang weniger schmerzlich macht, und schließlich, dass die Seele, wenn die Loslösung sich ohne jede Schwierigkeit vollzieht, davon keine unangenehmen Empfindungen erhält.


6. Beim Übergang vom körperlichen zum geistigen Leben tritt noch ein anderes Phänomen von besonderer Tragweite auf: das der Verwirrung. In diesem Moment erleidet die Seele eine Betäubung, die vorübergehend ihre Fähigkeiten lähmt und zumindest teilweise ihre Empfindungen aufhebt. Sie ist sozusagen in Katalepsie verfallen, so dass sie fast nie bewusster Zeuge des letzten Seufzers ist. Wir sagen: "fast nie", weil es einen Fall gibt, wo sie das Bewusstsein davon haben kann, wie wir sogleich sehen werden. Die Verwirrung kann somit als der normale Zustand im Augenblick des Todes betrachtet werden. Ihre Dauer ist unbestimmt; sie reicht von einigen Stunden bis zu einigen Jahren. In dem Maße, wie die Verwirrung abnimmt, ist die Seele in der Lage eines Menschen, der aus einem tiefen Schlaf erwacht. Die Gedanken sind verworren, schwankend, vage. Man sieht wie durch einen Nebel. Allmählich hellt sich der Blick auf, das Gedächtnis kehrt zurück und man erkennt sich wieder. Aber dieses Wiedererwachen ist sehr verschiedenartig, je nach Art der Persönlichkeit. Bei den einen ist es ruhig und bringt ein angenehmes Gefühl. Bei anderen ist es voller Schrecken und Angst und ruft die Wirkung eines schrecklichen Alptraums hervor.


7. Der Augenblick des letzten Atemzuges ist somit nicht der schmerzlichste, da sich gewöhnlich die Seele ihrer selbst nicht bewusst ist. Vorher aber leidet sie durch den Zerfall der Materie während der Zuckungen des Todeskampfs und nachher durch die Ängste der Verwirrung. Beeilen wir uns zu sagen, dass dieser Zustand nicht allgemein ist. Die Heftigkeit und die Dauer des Leidens hängen, wie bereits erwähnt, von der Verbindung zwischen dem Körper und dem Perispirit ab. Je größer die Verbindung ist, desto länger und schmerzvoller sind die Anstrengungen, die der Geist macht, um sich von seinen Banden zu befreien. Es gibt jedoch Menschen, bei denen der Zusammenhang so schwach ist, dass sich die Loslösung von selbst und in einfachster Weise vollzieht. Der Geist trennt sich vom Körper, wie sich eine reife Frucht vom Stiel löst. Dies ist der Fall bei einem sanften Tod und dem friedlichen Erwachen.


8. Der moralische Zustand der Seele ist die Hauptursache, die die größere oder geringere Leichtigkeit der Loslösung beeinflusst. Die Verbindung zwischen dem Körper und dem Perispirit steht im Verhältnis zur Bindung des Geistes an die Materie. Sie ist am größten bei einem Menschen, dessen Voreingenommenheit sich nur auf das körperliche Leben sowie die materiellen Genüsse konzentriert. Sie fehlt beinahe ganz bei demjenigen, dessen geläuterte Seele sich im Voraus mit dem geistigen Leben identifiziert hat. Da die Langsamkeit und die Schwierigkeit der Trennung im Verhältnis zur Stufe der Läuterung und Dematerialisierung der Seele stehen, hängt es von jedem Einzelnen ab, ob der Übergang mehr oder weniger leicht oder beschwerlich, angenehm oder schmerzlich ist.

Nachdem wir dies zugleich als Theorie und Ergebnis der Beobachtung aufgestellt haben, bleibt uns, den Einfluss der Todesart auf die Empfindungen der Seele in den letzten Augenblicken zu erforschen.


9. Beim natürlichen Tod, der aus dem Erlöschen der Lebenskräfte infolge von Alter oder Krankheit herrührt, vollzieht sich die Befreiung stufenweise. Bei einem Menschen, dessen Seele entmaterialisiert ist und dessen Gedanken sich von den irdischen Dingen gelöst haben, ist die Befreiung nahezu vollständig vor dem wirklichen Tod vollendet. Der Körper lebt nur noch organisch weiter, während die Seele bereits in das geistige Leben eingetreten ist und am Körper nur noch durch ein schwaches Band hängt, ein Band, so schwach, dass es beim letzten Herzschlag ohne Mühe reißt. In dieser Lage kann der Geist schon seine Klarheit wiedererlangt haben und bewusster Zeuge von dem Verlöschen des Lebens seines Körpers sein. Er fühlt sich glücklich, von ihm befreit zu sein. Für ihn gibt es nahezu keine Verwirrung. Es ist nur eine kurze Zeit im friedlichen Schlaf, aus dem er mit einem unsagbaren Eindruck voller Glück und Hoffnung erwacht.

Bei einem materiellen, sinnlichen Menschen, der mehr durch den Körper als durch den Geist gelebt hat, für den das geistige Leben nichts ist, nicht einmal in seinen Gedanken eine Wirklichkeit ist, hat alles dazu beigetragen, die Bande enger zu schnüren, die ihn an den Körper fesseln. Nichts hat sie während des Lebens gelockert. Beim Herannahen des Todes vollzieht sich die Befreiung gleichfalls stufenweise, aber unter anhaltenden Anstrengungen. Die Zuckungen des Todeskampfes sind ein Hinweis vom Kampf, den der Geist austrägt. Manchmal möchte dieser die Bande zerreißen, die ihm Widerstand leisten, und ein anderes Mal klammert er sich an seinen Körper, von dem ihn eine unwiderstehliche Kraft Stück für Stück gewaltsam losreißt.


10. Der Geist hält umso mehr am körperlichen Leben fest, wie er darüber hinaus nichts davon sieht. Er merkt, dass ihm das Leben entrinnt und will es festhalten. Anstatt sich der Bewegung hinzugeben, die ihn mit fortreißen will, widersetzt er sich mit aller Kraft. Auf diese Weise kann er den Kampf um Tage, ja sogar Wochen und ganze Monate verlängern. Allerdings hat der Geist in diesem Augenblick nicht seine ganze Klarheit. Die Verwirrung hat lange vor dem Tod begonnen, aber er leidet nicht weniger darunter, und die Unbestimmtheit, in der er sich befindet, und die Ungewissheit über das, was aus ihm werden wird, vergrößern seine Angst. Der Tod kommt und es ist nicht alles aus mit ihm. Die Verwirrung dauert an. Er fühlt, dass er lebt, aber er weiß nicht, ob es materielles oder geistiges Leben ist. Er kämpft noch, bis die letzten Bande des Perispirits getrennt sind. Der Tod hat die tatsächliche Krankheit beendet, aber nicht deren Folgen. Solange noch Berührungspunkte zwischen dem Körper und dem Perispirit vorhanden sind, fühlt der Geist deren Auswirkungen und leidet darunter.


11. Ganz anders ist die Lage des entmaterialisierten Geistes, selbst bei den schrecklichsten Krankheiten. Da die fluidischen Bande, die ihn mit dem Körper vereinen, sehr schwach sind, zerreißen sie ohne irgendeine Erschütterung. Danach lässt sein Vertrauen in die Zukunft, in die er durch sein Denken, manchmal sogar in Wirklichkeit schon einen Blick wirft, ihn den Tod als eine Befreiung und seine Leiden als eine Prüfung ansehen. Daraus entsteht in ihm eine geistige Ruhe und Ergebenheit, die den Schmerz lindern. Da diese Bande augenblicklich zerrissen werden, so vollzieht sich nach dem Tod keine schmerzliche Reaktion in ihm. Er fühlt sich bei seinem Erwachen frei, munter, um eine große Last leichter und voller Freude darüber, dass er nun nicht mehr leiden muss.


12. Beim gewaltsamen Tod sind die Verhältnisse nicht genau die gleichen. Kein teilweise erfolgter Zerfall der Materie konnte die vorherige Trennung zwischen dem Körper und dem Perispirit herbeiführen. Das organische Leben wird in seiner ganzen Kraft plötzlich abgebrochen. Das Ablösen des Perispirits beginnt erst nach dem Tod und kann in diesem Fall, wie bei den anderen, nicht sofort erfolgen. Der Geist, unerwartet betroffen, ist wie betäubt. Da er aber fühlt, dass er denkt, glaubt er noch am Leben zu sein, und diese Täuschung dauert an, bis er sich über seine wirkliche Lage bewusst ist. Dieser Zustand zwischen dem körperlichen und dem geistigen Leben ist für die Erforschung einer der interessantesten, weil er das eigenartige Schauspiel eines Geistes gewährt, der seinen fluidischen Körper für seinen materiellen hält und alle Empfindungen des organischen Lebens hat. Er bietet eine unendliche Vielfalt von Abstufungen, je nach Charakter, Wissen und der moralischen Fortschrittsstufe des Geistes. Er ist von kurzer Dauer für jene, deren Seele geläutert ist, denn bei ihnen hat ein vorgezogenes Ablösen stattgefunden, dessen Vollendung den Tod, selbst wenn er noch plötzlich eintritt, lediglich beschleunigt. Bei anderen kann er sich über Jahre hinziehen. Dieser Zustand ist sehr häufig, selbst in den Fällen eines gewöhnlichen Todes und hat entsprechend der Eigenschaften des Geistes für einige nichts Schmerzliches, aber für andere ist es eine schreckliche Lage. Vor allem beim Selbstmord ist dieser Zustand besonders schmerzvoll. Der Körper hält mit allen seinen Fasern am Perispirit fest, alle Zuckungen des Körpers wirken sich auf die Seele aus, die dadurch entsetzlich leidet.


13. Der Zustand des Geistes im Augenblick des Todes lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Der Geist leidet um so viel mehr, wie die Ablösung des Perispirits sich verlangsamt. Die Schnelligkeit der Ablösung steht im Verhältnis zur moralischen Fortschrittsstufe des Geistes. Für einen entmaterialisierten Geist, dessen Gewissen rein ist, ist der Tod ein Schlaf von einigen Augenblicken, frei von jeglichem Leiden. Das Erwachen daraus ist voller Sanftheit.


14. Um an seiner Läuterung zu arbeiten, seine schlechten Neigungen zu bekämpfen und seine Leidenschaften zu besiegen, muss man die sich daraus in der Zukunft ergebenden Vorteile sehen. Um mit dem zukünftigen Leben vertraut zu werden, seine Bestrebungen und Wünsche auf dieses zu richten und es dem irdischen Leben vorzuziehen, muss man nicht nur an dasselbe glauben, sondern es verstehen. Man muss es sich unter einem Gesichtspunkt vorstellen, der die Vernunft befriedigt, in vollständiger Übereinstimmung mit der Logik, dem gesunden Menschenverstand und der Vorstellung, die man sich von der Größe, Güte und Gerechtigkeit Gottes macht. Von allen philosophischen Lehren ist der Spiritismus diejenige, die in dieser Beziehung den größten Einfluss ausübt, aufgrund des unerschütterlichen Glaubens, den sie gewährt.

Der ernsthafte Spiritist beschränkt sich nicht darauf, zu glauben. Er glaubt, weil er versteht, und er begreift, weil man sich an sein Urteilsvermögen wendet. Das zukünftige Leben ist eine Wirklichkeit, die sich unaufhörlich vor seinen Augen abspielt. Er sieht es und berührt es sozusagen in jedem Augenblick. Der Zweifel kann nicht in seine Seele dringen. Das begrenzte, körperliche Leben erlischt für ihn gegenüber dem geistigen, das das wahre ist. Daher kommt es, dass er sich so wenig aus den Zwischenfällen auf seinem Weg macht und er eine Ergebenheit gegenüber den Wechselfällen des Lebens hat, deren Ursache und Nutzen er begreift. Seine Seele erhebt sich aufgrund der direkten Beziehungen, die er mit der unsichtbaren Welt unterhält. Die fluidischen Bande, die ihn an die Materie fesseln, werden schwächer, und so vollzieht sich eine teilweise erste Befreiung, die den Übergang von diesem in das andere Leben erleichtert. Die mit dem Übergang unlöslich verbundene Verwirrung ist von kurzer Dauer, weil er sich gleich wiedererkennt, nachdem der Schritt vollzogen ist. Nichts ist ihm fremd, er ist sich seiner Lage bewusst.


15. Die Lehre vom Spiritismus ist für dieses Ergebnis sicherlich nicht notwendig. Auch erhebt sie nicht den Anspruch, dass sie allein das Seelenheil sichert, aber sie erleichtert es durch die Kenntnisse, die sie vermittelt, die Denkweise, die sie hervorruft, und die Empfindungen in die sie den Geist versetzt, den sie die Notwendigkeit erkennen lässt, sich zu verbessern. Außerdem gibt sie einem jeden die Mittel, die Befreiung anderer Geistwesen in dem Augenblick zu erleichtern, wenn sie ihre irdische Hülle verlassen, und die Dauer der Verwirrung durch Gebet und Anrufung abzukürzen. Durch ein aufrichtiges Gebet, das eine geistige Anziehung ist, ruft man eine schnellere Ablösung des Perispirits hervor. Durch eine mit Verständnis und Bedacht geleitete Anrufung sowie durch Worte des Wohlwollens und der Ermutigung zieht man den Geist aus der Erstarrung, in der er sich befindet und hilft ihm, sich früher wiederzuerkennen. Wenn er leidet, so bewegt man ihn zur Reue, die allein die Leiden verkürzen kann.

Die Beispiele, die wir nun anführen, zeigen Geistwesen in verschiedenen Stufen von Glück und Unglück im geistigen Leben. Wir sind nicht darauf aus gewesen, sie unter den mehr oder weniger berühmten Leuten des Altertums zu suchen, deren Lage sich seit ihrer Existenz, die man bei ihnen gekannt hat, erheblich verändert haben könnte und die außerdem nicht genügend Beweise auf Echtheit bieten würden. Wir haben sie aus den gewöhnlichsten Verhältnissen zeitgenössischen Lebens entnommen, weil das diejenigen sind, in denen jeder die meisten Ähnlichkeiten finden und aus denen man durch Vergleich die passendsten Ratschläge erhalten kann. Je mehr uns der irdische Lebenslauf der Geister aufgrund der gesellschaftlichen Stellung, der Beziehungen oder der Verwandtschaftsbande ähnlich ist, desto mehr interessieren sie uns und desto leichter ist es, ihre Identität zu beurteilen. Die gewöhnlichen Lebensstellungen sind in der Mehrzahl, deshalb kann sie jeder leichter auf sich anwenden. Die außergewöhnlichen Stellungen berühren uns weniger, da sie über den Kreis unserer Gewohnheiten hinausgehen. Wir haben also nicht nach Berühmtheiten gesucht. Wenn sich in diesen Beispielen einige bekannte Persönlichkeiten finden, so sind die meisten völlig unbekannt. Klangvolle Namen hätten nichts zur Aufklärung beigetragen und empfindsame Gemüter verletzen können. Wir wenden uns weder an die Neugierigen, noch an die Freunde des Anstößigen, sondern an diejenigen, die sich ernsthafte Kenntnisse aneignen wollen.

Diese Beispiele könnten ins Unendliche vermehrt werden, aber da wir gezwungen waren, ihre Zahl zu beschränken, haben wir solche ausgewählt, die das meiste Licht in den Zustand der geistigen Welt werfen konnten, sei es durch die Stellung des Geistes, sei es durch Erklärungen, die er geben konnte. Die meisten wurden noch nicht veröffentlicht. Nur einige wurden bereits in der französischen Zeitschrift "Revue Spirite" veröffentlicht. Wir haben in diesen die überflüssigen Einzelheiten weggelassen und nur die wesentlichen Teile für den uns hier gesetzten Zweck beibehalten und ihnen ergänzende Erklärungen hinzugefügt, zu denen sie maßgeblichen Anlass gegeben haben.



Kapitel II - Selige Geister

Herr Sanson, ehemaliges Mitglied der Spiritistischen Gesellschaft von Paris, starb am 21. April 1862 nach einem Jahr langen entsetzlichen Leidens. Sein Ende vorhersehend, hatte er einen Brief an den Vorsitzenden der Gesellschaft gerichtet, der die folgende Passage enthielt:

"Für den Fall von der Trennung meiner Seele von meinem Körper überrascht zu werden, habe ich die Ehre, Sie an eine Bitte zu erinnern, die ich vor etwa einem Jahr an Sie gerichtet habe; nämlich meinen Geist so bald wie möglich und so oft, wie Sie es für notwendig halten, anzurufen, damit ich, ein ziemlich nutzloses Mitglied unserer Gesellschaft während meiner Anwesenheit auf Erden, dieser im Jenseits von Nutzen sein kann. Ich möchte ihr die Mittel bieten, in diesen Anrufungen, Schritt für Schritt, die verschiedenen Umstände zu erforschen, die dem folgen, was der Volksmund den Tod nennt, der aber für uns Spiritisten nur eine Umwandlung ist, die den unergründlichen Absichten Gottes entspricht, aber immer nützlich für den Zweck ist, den er vorschlägt."

“Über diese Ermächtigung und Bitte hinaus, mir die Ehre eines Berichts von einer solchen geistigen Selbstbetrachtung zu erweisen, die mein zu geringer geistiger Fortschritt vielleicht unfruchtbar machen wird, wobei Ihre Umsicht Sie von selbst dazu bringen wird, es nicht weiter als bis zu einer gewissen Anzahl von Versuchen zu führen, wage ich es, Sie Ihrerseits, sowie alle meine Vereinskollegen zu bitten, so freundlich zu sein, den Allmächtigen anzuflehen, dass er den guten Geistern erlaubt, mir mit ihrem wohlwollenden Rat beizustehen; insbesondere den heiligen Ludwig, unseren geistigen Vorsitzenden, dass er mich bei der Wahl und dem richtigen Zeitpunkt einer neuen Reinkarnation begleitet. Denn von nun an beschäftigt mich diese Angelegenheit schon sehr. Ich fürchte, dass ich mich über meine spirituellen Kräfte täusche und Gott zu früh und zu anmaßend um einen körperlichen Zustand bitte, in dem ich die göttliche Güte nicht rechtfertigen könnte, was dann, anstatt meinem Fortschritt zu dienen, meinen kurzen Aufenthalt auf Erden oder anderswo verlängern würde, falls ich versagen sollte.”

Um seinem Wunsch nachzukommen, möglichst bald nach seinem Tod angerufen zu werden, begaben wir uns mit einigen Mitgliedern der Gesellschaft ins Leichenhaus und in Gegenwart des Körpers fand die nachfolgende Unterhaltung eine Stunde vor der Beerdigung statt. Wir hatten hierbei einen doppelten Zweck, den, einen letzten Willen zu erfüllen, und den, ein weiteres Mal die Lage der Seele zu einem Zeitpunkt zu beobachten, der dem Tod so nahe ist, und das bei einem überaus intelligenten und aufgeklärten Mann, der tief von spiritistischen Wahrheiten durchdrungen war. Wir wollten den Einfluss dieser Anschauungen auf den Zustand des Geistes feststellen, um zu wissen, was seine ersten Eindrücke waren. Unsere Erwartung ist nicht enttäuscht worden. Herr Sanson beschrieb den Augenblick des Übergangs mit vollkommener Klarheit. Er hat sich sterben und wiederaufleben sehen, ein ungewöhnlicher Umstand, der auf die Erhebung seines Geistes zurückzuführen war.

Aufbahrungsraum, 23. April 1862.

1. Anrufung.

Antwort: Ich komme auf euren Ruf, um mein Versprechen zu erfüllen.

2. Lieber Herr Sanson, wir haben uns eine Pflicht und ein Vergnügen daraus gemacht, Sie sobald wie möglich nach Ihrem Tod anzurufen, wie Sie es gewünscht haben.

Antwort: Das ist eine besondere Gnade Gottes, der meinem Geist vergönnt, sich äußern zu können. Ich danke euch für euren guten Willen, aber ich bin schwach und zittere.

3. Sie waren so leidend, dass wir, so denke ich, Sie fragen dürfen, wie es Ihnen jetzt geht. Haben Sie immer noch Schmerzen? Welches Gefühl empfinden Sie, wenn Sie Ihre gegenwärtige Lage mit der vor zwei Tagen vergleichen?

Antwort: Meine Lage ist recht glücklich, denn ich spüre keine meiner früheren Schmerzen mehr. Ich bin wie neu geboren und wiederhergestellt, wie ihr bei euch sagt. Der Übergang vom irdischen zum spirituellen Leben hatte mir anfänglich alles unverständlich gemacht. Denn es braucht manchmal mehrere Tage, bis wir unsere Klarheit wiedergewinnen. Vor dem Sterben aber betete ich zu Gott, um von Ihm zu erbitten, mit denen sprechen zu dürfen, die ich liebe, und Gott hat mich erhört.

4. Nach wie langer Zeit haben Sie die Klarheit Ihrer Gedanken wiedererlangt?

Antwort: Nach acht Stunden. Gott, das wiederhole ich euch, hatte nur ein Zeichen seiner Güte gegeben. Er hatte mich für würdig genug erachtet und ich werde ihm niemals genug danken können.

5. Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht mehr auf unserer Welt sind, und womit begründen Sie das?

Antwort: Oh, gewiss bin ich nicht mehr auf eurer Welt. Aber ich werde immer bei euch sein, um euch zu beschützen und zu unterstützen, auf dass ihr die Liebe und die Selbstverleugnung predigt, die in meinem Leben die Leitprinzipien gewesen sind. Und dann werde ich den wahren Glauben lehren, den spiritistischen Glauben, der die wahre Vorstellung von Gerechtigkeit und dem Guten wiederherstellen soll. Ich bin stark, sehr stark, verändert, in einem Wort. Ihr würdet den schwachen Greis nicht mehr wiedererkennen, der alles vergessen musste, als er alle Vergnügen und Freude weit hinter sich ließ. Ich bin Geist. Meine Heimat ist der weite Raum und meine Zukunft Gott, der in die Unendlichkeit strahlt. Ich würde gerne mit meinen Kindern sprechen können. Ich würde sie nämlich lehren, was sie wegen ihres schlechten Willens immer nicht geglaubt haben.

6. Welche Wirkung lässt Sie der Anblick Ihres Körpers hier neben Ihnen empfinden?

Antwort: Mein Körper, ärmliche und schwache abgelegte Hülle, du musst zu Staub werden, und ich, ich bewahre eine gute Erinnerung an alle, die mich geschätzt haben. Ich betrachte dieses arme missgestaltete Fleisch, Wohnung meines Geistes, Prüfung von so vielen Lebensjahren! Danke, armer Körper! Du hast meinen Geist gereinigt, und das zehnmal heilige Leiden hat mir einen wohlverdienten Platz verliehen, weil ich ja sofort die Fähigkeit finde, zu euch zu sprechen.

7. Haben Sie Ihre Vorstellungen bis zum letzten Augenblick bewahrt?

Antwort: Ja, mein Geist hat seine Fähigkeiten bewahrt. Ich sah nicht mehr, aber ich ahnte. Mein ganzes Leben hat sich vor meiner Erinnerung abgespielt. Mein letzter Gedanke, mein letztes Gebet war, zu euch sprechen zu können, was ich nun tue. Und danach habe ich Gott gebeten, euch zu schützen, damit der Traum meines Lebens erfüllt würde.

8. Haben Sie den letzten Seufzer Ihres Körpers bewusst erlebt? Was ist in jenem Augenblick in Ihnen vorgegangen? Welche Gefühle haben Sie gehabt?

Antwort: Das Leben entflieht und die Sehkraft oder vielmehr die Sehkraft des Geistes erlischt. Man hat das Leere, das Unbekannte vor sich, und, hingerissen von ich weiß nicht welcher Illusion, findet man sich in einer Welt, wo alles Freude und Größe ist. Ich empfand nicht mehr, ich hatte keine Klarheit, und doch erfüllte mich ein unaussprechliches Glück. Ich fühlte keine Schmerzen mehr.

Haben Sie Kenntnis … (von dem, was ich vorhabe an Ihrem Grab zu lesen?)

Die ersten Worte der Frage waren kaum ausgesprochen, da antwortete der Geist, ohne es vollenden zu lassen. Er antwortete zudem, und ohne dass eine Frage gestellt war, auf einen Wortwechsel, der sich unter den Anwesenden erhoben hatte, über den Nutzen der Verlesung dieser Mitteilung auf dem Friedhof, mit Rücksicht auf die Leute, die diese Meinungen teilen können oder nicht.

Antwort: Oh, mein Freund, ich weiß es, denn ich habe Sie gestern gesehen und ich sehe Sie heute, meine Befriedigung ist recht groß!… Danke! Danke! Sprechen Sie, damit man mich versteht und Sie schätzt. Fürchten Sie nichts, denn man hat Respekt vor dem Tod. Sprechen Sie also, damit die Ungläubigen Glauben bekommen. Gott sei mit Ihnen. Sprechen Sie! Mut, Vertrauen. Ach, könnten sich meine Kinder zu einem verehrten Glauben bekehren!

J. Sanson.

Während der Feierlichkeit auf dem Friedhof hat er folgende Worte diktiert:

Möge der Tod euch nicht erschrecken, meine Freunde. Er ist ein Ruhepunkt für euch, wenn ihr würdig zu leben gewusst habt. Er ist ein Glück, wenn ihr würdig und gut eure Prüfungen durchschritten habt. Ich wiederhole: Habt Mut und guten Willen! Legt nur einen mittelmäßigen Wert auf die Güter der Erde, und ihr werdet belohnt werden. Man kann nicht zu viel genießen, ohne andere in ihrem Wohlergehen zu beeinträchtigen und ohne sich in moralischer Hinsicht immensen Schaden zuzufügen. Möge die Erde mir leicht sein!

II.

(Spiritistische Gesellschaft von Paris, 25. April 1862)

1. Anrufung.

Antwort: Ich bin bei euch, Freunde!

2. Wir freuen uns sehr über die Unterhaltung, die wir am Tag Ihrer Beerdigung hatten und da Sie ja erlauben, so werden wir sehr erfreut sein, diese unserer Belehrung zuliebe vervollständigen zu können.

Antwort: Ich bin bestens vorbereitet, froh darüber, dass ihr an mich gedacht habt.

3. Alles, was uns über den Zustand der unsichtbaren Welt aufklären und uns diesen begreiflich machen kann, ist von hohem Lernwert. Denn es ist die falsche Vorstellung, die man davon hat, was in den meisten Fällen zum Unglauben führt. Seien Sie also nicht überrascht von den Fragen, die wir Ihnen stellen werden!

Antwort: Ich werde keineswegs darüber erstaunt sein und bin auf eure Fragen gespannt.

4. Sie haben den Übergang vom Leben zum Tode mit leuchtender Klarheit beschrieben. Sie sagten, dass in dem Augenblick, in dem der Körper den letzten Seufzer von sich gibt, das Leben schwindet und die Sehkraft des Geistes erlischt. Ist dieser Augenblick von einem verwirrenden, schmerzlichen Gefühl begleitet?

Antwort: Allerdings, denn das Leben ist eine beständige Folge von Schmerzen und der Tod der Ausgleich aller Schmerzen. Es folgt dann ein heftiges Zerreißen, als ob der Geist eine übermenschliche Anstrengung machen müsste, um aus seiner Hülle herauszuschlüpfen. Und diese Anstrengung erfasst eben unser ganzes Sein und lässt ihn das Wissen von dem, was aus ihm wird, verlieren.

Dies ist nicht generell der Fall. Die Erfahrung beweist, dass viele Geister das Bewusstsein verlieren, bevor sie aus dem Leben scheiden und dass bei denen, die einen gewissen Grad der Entmaterialisierung erreicht haben, die Trennung ohne Anstrengung erfolgt.

5. Wissen Sie, ob es Geister gibt, für die dieser Augenblick schmerzvoller ist? Ist er z. B. schmerzhafter für den Materialisten, für denjenigen, der glaubt, dass in diesem Augenblick alles für ihn aus sei?

Antwort: Das ist gewiss, denn der vorbereitete Geist hat das Leiden bereits vergessen, oder vielmehr, er ist es gewohnt, und die Ruhe, mit der er dem Tod entgegensieht, hindert ihn, zweifach zu leiden, weil er weiß, was ihn erwartet. Der geistige Schmerz ist der schwerere und seine Abwesenheit im Augenblick des Todes ist eine recht große Erleichterung. Der, der nicht glaubt, gleicht dem zur Todesstrafe Verurteilten, der in Gedanken das Messer und das Unbekannte sieht. Es gibt eine Ähnlichkeit zwischen diesem Tod und dem des Atheisten.

6. Gibt es Materialisten, die genügend verhärtet sind, um in diesen letzten Augenblicken ernsthaft zu glauben, dass sie ins Nichts getaucht werden?

Antwort: Ohne Zweifel gibt es bis zur letzten Stunde jene, die an das Nichts glauben, aber im Augenblick der Trennung hält der Geist eine gründliche Rückschau. Zweifel ergreift und quält ihn, denn er fragt sich, was aus ihm werden wird. Er will etwas greifen und kann es nicht. Die Trennung kann sich ohne diesen Eindruck nicht vollziehen.

Ein Geist gab uns in einem anderen Fall folgende Schilderung vom Ende des Ungläubigen:

"Der verhärtete Ungläubige verspürt in seinen letzten Augenblicken die Qual jenes schrecklichen Albtraums, in dem man sich am Rand eines Abgrunds sieht, kurz davor, in diesen hineinzufallen. Man macht vergebliche Anstrengungen, um zu fliehen und kommt nicht vorwärts. Man will sich an etwas festhalten, einen Stützpunkt ergreifen und spürt, dass man abrutscht. Man will rufen und kann keinen Ton hervorbringen. Da sieht man eben den Sterbenden sich winden, die Hände ballen und erstickte Schreie ausstoßen, sichere Zeichen eines Albtraums, in dem er gefangen ist. Beim gewöhnlichen Albtraum kommt man beim Erwachen aus der Unruhe heraus und ihr fühlt euch glücklich, zu erkennen, dass es nur ein Traum war. Aber der Albtraum des Todes dauert oft recht lang, sogar Jahre über den Tod hinaus. Und was das Empfinden für den Geist noch schmerzlicher macht, ist die Finsternis, in die er manchmal eingehüllt ist."

7. Sie haben gesagt, dass Sie im Augenblick des Sterbens nicht mehr sahen, sondern dass Sie ahnten. Sie sahen nicht mehr auf körperliche Art, das ist verständlich. Aber ehe das Leben erloschen war, gewannen Sie da schon einen Einblick in die Herrlichkeit der Geisterwelt?

Antwort: Genau das habe ich ja bereits gesagt: Der Augenblick des Todes gibt dem Geist den klaren Blick wieder, es sehen nicht mehr die Augen, sondern der Geist, der einen weit tieferen Blick besitzt, entdeckt in diesem Augenblick eine unbekannte Welt. Und die Wahrheit, die ihm plötzlich offenbar wird, gewährt ihm, für wenige Augenblicke zwar, entweder eine tiefe Freude oder einen unaussprechlichen Schmerz, gemäß dem Zustand seines Gewissens und der Erinnerung an sein vergangenes Leben.

Es ist von dem Augenblick die Rede, der dem vorausgeht, in dem der Geist sein Bewusstsein verliert, was den Gebrauch der Worte “für Augenblicke” erklärt, da dieselben angenehmen oder schmerzlichen Eindrücke beim Erwachen anhalten.

8. Sagen Sie uns doch bitte, was Ihnen in dem Augenblick, in dem sich Ihre Augen wieder für das Licht öffneten, aufgefallen ist, was Sie gesehen haben. Bitte schildern Sie uns, wenn möglich, wie die Dinge aussahen, die sich Ihnen gezeigt haben.

Antwort: Als ich wieder zu mir kam und sehen konnte, was ich vor meinen Augen hatte, war ich wie geblendet und konnte mir darüber keine Klarheit verschaffen, denn die Klarheit des Geistes kehrt nicht sofort zurück. Gott aber, der mir ein klares Zeichen seiner Güte gegeben hatte, hat erlaubt, dass ich meine Fähigkeiten wiedererlange. Ich sah mich von unzähligen und treuen Freunden umgeben. Alle Schutzgeister, die kommen, um uns beizustehen, umgaben mich und lächelten mir zu. Ein unvergleichliches Glück beseelte mich und ich selbst, da ich mich stark und wohl fühlte, konnte mich mühelos durch den freien Raum bewegen. Was ich gesehen habe, hat in den menschlichen Sprachen keinen Namen.

Ich möchte euch übrigens ausführlicher von all meinem Glück erzählen, ohne jedoch die Grenze zu überschreiten, die von Gott gesetzt wurde. Wisst, dass das Glück, wie ihr es untereinander versteht, eine Illusion ist! Lebt weise, heilig, im Geiste der Barmherzigkeit und Liebe, und ihr werdet euch auf die Eindrücke vorbereitet haben, die eure größten Dichter nicht zu beschreiben vermögen!

Die Feenmärchen sind ohne Zweifel voll sinnloser Dinge. Aber sind sie nicht in einigen Punkten das Bild dessen, was in der Welt der Geister passiert? Gleicht der Bericht des Herrn Sanson nicht dem eines Menschen, der in einer ärmlichen und dunklen Hütte eingeschlafen ist und nun in einem prächtigen Palast, inmitten eines glänzenden Hofes, erwacht?

III.

9. In welcher Gestalt haben sich Ihnen die Geister gezeigt? Ist es die gleiche wie die menschliche?

Antwort: Ja, werter Freund, die Geister hatten uns auf Erden gelehrt, dass sie in der anderen Welt die vorübergehende Gestalt beibehalten, die sie auf Erden gehabt hätten, und das ist die Wahrheit. Aber was für ein Unterschied zwischen der unförmigen Maschine, die sich mühsam mit ihrem Gepäck von Prüfungen dahinschleppt, und der wunderbaren Fluidität des Körpers der Geister! Die Hässlichkeit ist nicht mehr vorhanden, denn die Gesichtszüge haben die Härte des Ausdrucks verloren, die das grundlegende Unterscheidungsmerkmal der menschlichen Art bildet. Gott hat alle diese anmutigen Körper gesegnet, die sich mit allen Feinheiten der Form bewegen. Die Sprache hat einen für euch unübertragbaren Tonfall und der Blick hat die Tiefe einer Sonne. Versucht, euch in Gedanken vorzustellen, was Gott in seiner Allmacht tun kann, er, der Baumeister aller Baumeister, und ihr werdet eine schwache Vorstellung von der Gestalt der Geister haben.

10. Was Sie betrifft, wie sehen Sie sich selbst? Erkennen Sie an sich eine begrenzte, bestimmte, wenn auch fluidische Form? Fühlen Sie an sich einen Kopf, einen Oberkörper, Arme, Beine?

Antwort: Der Geist, der seine menschliche Gestalt bewahrt hat, aber als eine vergöttlichte, veredelte, hat ohne Widerrede alle Glieder, von denen ihr sprecht. Ich fühle vollkommen deutlich an mir Beine und Finger, denn wir können euch Kraft unseres Willens erscheinen oder euch die Hände drücken. Ich bin bei euch und habe die Hand all meiner Freunde gedrückt, ohne dass sie etwas davon merkten. Unser fluidisches Wesen kann überall sein, ohne den Raum zu beengen, ohne irgendeine Empfindung zu erregen, wenn das unser Wunsch ist. In diesem Moment haben Sie die Hände gekreuzt und ich habe meine in den Ihren. Ich sage euch: ich liebe euch, aber mein Körper nimmt keinen Platz ein, das Licht durchströmt ihn, und was ihr ein Wunder nennen würdet, wenn es sichtbar wäre, ist für die Geister das ständige Handeln in allen Augenblicken.

Die Sehkraft der Geister steht in keinem Verhältnis zur menschlichen Sehkraft, ebenso wie ihr Körper keine wirkliche Ähnlichkeit darstellt, denn alles ist im Ganzen und von Grund auf verändert. Der Geist, ich wiederhole es, hat eine göttliche Scharfsicht, die sich auf alles erstreckt, indem er sogar eure Gedanken erraten kann. Auch kann er nach Anlass die Gestalt annehmen, an die ihr euch am besten erinnern könnt. Tatsächlich jedoch liebt der höhere Geist, der seine Prüfungen beendet hat, die Gestalt, die ihn in Gottes Nähe führen konnte.

11. Die Geister haben kein Geschlecht. Indessen ist es ja erst wenige Tage her, dass Sie Mensch waren. Gehören Sie in Ihrem neuen Zustand eher zur männlichen als zur weiblichen Gattung? Verhält es sich ebenso mit einem Geist, der vor langer Zeit seinen Körper verlassen hat?

Antwort: Wir halten nichts davon, von männlicher oder weiblicher Natur zu sein - die Geister pflanzen sich nicht fort. Gott erschafft sie nach seinem Willen und wenn er für seine wunderbaren Absichten gewollt hat, dass die Geister auf Erden wiedergeboren werden, so musste er die Fortpflanzung der Arten durch das Männliche und das Weibliche hinzufügen. Aber ihr fühlt es, ohne dass es irgendeiner Erklärung bedarf, dass die Geister kein Geschlecht haben können.

Es ist immer gesagt worden, dass die Geister kein Geschlecht haben. Die Geschlechter sind nur für die Fortpflanzung der Körper notwendig. Da nun die Geister sich nicht fortpflanzen, wären die Geschlechter für sie unnütz. Unsere Frage hatte durchaus nicht den Zweck, Tatsachen festzustellen, sondern aufgrund des kürzlich erfolgten Todes von Herrn Sanson wollten wir wissen, ob ihm ein Eindruck von seinem irdischen Zustand blieb. Die geläuterten Geister sind sich ihrer Natur vollkommen bewusst, aber unter den niederen Geistern, die nicht entmaterialisiert sind, gibt es viele, die glauben, sie seien noch das, was sie auf Erden waren und dieselben Leidenschaften und Wünsche behalten.

Solche glauben, sie seien noch Männer oder Frauen, und darum gibt es Geister, die gesagt haben, die Geister hätten ein Geschlecht. So stammen gewisse Widersprüche aus dem mehr oder minder fortgeschrittenen Zustand der sich äußernden Geister. Der Irrtum liegt hier nicht bei den Geistern, sondern bei denen, die sie befragen und sich nicht die Mühe machen, ihre Fragen zu vertiefen.

12. Welchen Aspekt bietet Ihnen diese Sitzung? Ist sie für Ihre neue Sichtweise so, wie sie zu Ihren Lebzeiten erschien? Haben die Teilnehmer für Sie dasselbe Aussehen? Ist alles ebenso klar, ebenso offenbar?

Antwort: Viel klarer, denn ich kann in den Gedanken von allen lesen und bin recht glücklich von dem guten Eindruck, den mir der gute Wille aller versammelten Geister hinterlässt. Ich wünsche, dass sich dieselbe Übereinstimmung durch die Vereinigung aller Gruppen nicht nur in Paris herstellen lässt, sondern ebenso in ganz Frankreich, wo sich die Gruppen trennen und aufeinander eifersüchtig sind, getrieben durch wirre Geister, die an der Unruhe Gefallen finden, während der Spiritismus gleichbedeutend sein soll mit der vollständigen, absoluten Selbstvergessenheit.

13. Sie sagen, dass Sie in unseren Gedanken lesen. Könnten Sie uns begreiflich machen, wie diese Gedankenübertragung stattfindet?

Antwort: Das ist nicht einfach. Um euch dieses einzigartige Wunder der Sehweise der Geister zu erklären, müsste ich euch ein ganzes Arsenal neuer wirkender Kräfte öffnen. Und ihr müsstet ebenso gelehrt sein wie wir, was nicht möglich ist, da eure Fähigkeiten durch die grobe Materie beschränkt sind. Geduld! Werdet gut und ihr werdet dahin gelangen! Ihr habt zur Zeit nur, was Gott euch bewilligt, jedoch mit der Hoffnung auf beständigen Fortschritt. Später werdet ihr sein wie wir. Strebt also danach, gut zu sterben, um viel zu wissen! Die Wissbegierde, die der Antrieb des denkenden Menschen ist, begleitet euch ruhig bis zum Tod und behält euch die Befriedigung all eures Wissensdurstes aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor. In Erwartung dessen möchte ich euch sagen, um gut oder schlecht auf eure Frage zu antworten: die Luft, die euch umgibt, ungreifbar wie wir, trägt den Charakter eurer Gedanken mit sich. Der Hauch, den ihr ausatmet, ist sozusagen eine mit euren Gedanken beschriebene Buchseite. Diese werden gelesen und von den Geistern analysiert, die ständig um euch sind – sie sind die Boten einer göttlichen Telegrafie, der nichts entgeht.

Der Tod des Gerechten.

Nach der ersten Anrufung von Herrn Sanson vor der Spiritistischen Gesellschaft in Paris machte ein Geist unter diesem Titel die folgende Mitteilung:

Der Tod des Mannes, mit dem Ihr euch in diesem Augenblick beschäftigt, war der eines Gerechten. Das heißt, begleitet von Frieden und Hoffnung. Wie der Tag ganz natürlich auf die Morgendämmerung folgt, folgt für ihn das spirituelle Leben dem irdischen Leben. Ohne Schock, ohne Tränen und sein letzter Seufzer wurde in einer Hymne der Dankbarkeit und Liebe ausgehaucht. Wie wenige überqueren auf solche Weise diese raue Passage! Wie wenige begreifen nach dem Rauschen und den Trostlosigkeiten des Lebens den harmonischen Rhythmus der geistigen Sphären! Wie der gesunde Mensch, wenn er durch einen Unfall verstümmelt wird und in seinen abgetrennten Gliedmaßen immer noch Schmerzen spürt, so wird die Seele eines Menschen, der ohne Glaube und Hoffnung stirbt, abgerissen und zuckt, wenn sie den Körper verlässt und unbewusst in den Weltraum stürzt. Betet für diese verwirrten Seelen.

Betet für alles, was leidet. Die Nächstenliebe beschränkt sich nicht auf die sichtbare Menschheit. Sie hilft und tröstet auch die Wesen, die das Universum bevölkern. Ihr habt einen rührenden Beweis dafür durch die plötzliche Bekehrung dieses Geistes erhalten, der von den spiritistischen Gebeten erweicht wurde. Sie wurden am Grab des guten Mannes gesprochen, den ihr fragen sollt und der euren Fortschritt auf dem heiligen Weg voranbringen möchte (Anspielung auf den Geist von Bernard, der sich aus freien Stücken kundgab, am Tage der Bestattung des Herrn Sanson. Zu sehen in der “Rundschau” vom Mai 1862, S.132). Die Liebe kennt keine Grenzen. Sie erfüllt den Raum und gibt und empfängt im Wechsel ihre göttlichen Tröstungen. Das Meer rauscht dahin in endlose Ferne. Seine äußerste Grenze scheint mit dem Himmel zu verschmelzen, und der Geist ist geblendet vom großartigen Schauspiel dieser beiden Größen und der Geist wird vom großartigen Schauspiel dieser beiden Dimensionen geblendet. So soll die Liebe, die tiefer als der Meeresgrund ist, euch alle vereinen, Lebende und Geistwesen in derselben Gemeinschaft, echte Barmherzigkeit und die wundersame Verschmelzung des Endlichen und des Ewigen bewirken.

Georg.


Direktor des Industriemuseums in Brüssel, geboren in Baissey (HauteMarne), starb am 27. Oktober 1861 im Alter von 65 Jahren in Brüssel an einem plötzlichen Schlaganfall.

Herr Jobard war Ehrenvorsitzender der Spiritistischen Gesellschaft in Paris. Man nahm sich vor, ihn in der Sitzung vom 8. November anzurufen, als er diesem Wunsch zuvorkam und ohne Aufforderung von selbst folgende Mitteilung machte:

Hier bin ich, den ihr anrufen wollt. Ich will mich zuerst diesem Medium offenbaren, das ich bisher vergeblich ersucht habe.

Ich möchte euch zunächst meine Eindrücke zum Zeitpunkt der Trennung meiner Seele schildern. Ich fühlte eine unglaubliche Erschütterung und erinnerte mich plötzlich an meine Geburt, meine Jugend und mein reiferes Alter. Mein ganzes Leben hat sich wieder deutlich in meinem Gedächtnis abgezeichnet. Ich empfand nur den bescheidenen Wunsch, mich in den Regionen wiederzufinden, die sich durch unseren erhabenen Glauben eröffneten. Dann legte sich dieser ganze Tumult. Ich war frei und mein Körper lag regungslos da. Ach, meine Freunde, welch ein Glücksgefühl, die schwere Last des Körpers abzustreifen. Was für ein Glücksgefühl, das Universum zu umarmen! Glaubt jedoch nicht, dass ich plötzlich ein Auserwählter des Herrn geworden bin! Nein, ich gehöre zu den Geistern, die ein wenig behalten haben und noch viel lernen müssen. Ich habe nicht gezögert, mich an euch, meine Brüder im Exil zu erinnern. Ich versichere euch, meine ganze Zuneigung, all meine Wünsche halten euch umschlungen. Ihr wollt wissen, welche Art Geister mich empfangen haben? Was meine Eindrücke waren? Meine Freunde waren alle diejenigen, die wir anrufen, alle die Brüder, die an unseren Arbeiten teilgenommen hatten. Ich habe die Pracht gesehen, aber ich kann sie nicht beschreiben. Ich habe mich bemüht zu unterscheiden, was in den Mitteilungen wahr gewesen ist und war bereit, alle falschen Behauptungen zu korrigieren, endlich bereit, der Ritter der Wahrheit in der anderen Welt zu sein, so wie ich es in eurer gewesen bin.

Jobard

1. Zu Ihren Lebzeiten haben Sie uns empfohlen, dass wir Sie anrufen, wenn Sie die Erde verlassen haben. Wir tun dies nicht nur, um Ihrem Wunsch nachzukommen, sondern vor allem, um Ihnen das Zeugnis unserer lebhaften und aufrichtigen Verbundenheit und Zuneigung zu erneuern, auch im Interesse unserer Unterweisung, denn Sie sind besser als irgendjemand in der Lage, uns bestimmte Auskunft über die Welt zu geben, in der Sie sich befinden. Wir freuen uns daher, wenn Sie unsere Fragen beantworten wollen.

Antwort: Was in dieser Stunde das Wichtigste ist, ist eure Unterweisung. Was eure Anteilnahme und Zuneigung betrifft, so sehe ich diese und höre deren Ausdruck nicht mehr nur mit den Ohren, was einen großen Fortschritt darstellt.

2. Um unsere Gedanken festzuhalten und um nicht ins Leere zu reden, wollen wir Sie zunächst fragen, wo Sie sind und wie wir Sie sehen würden, wenn wir es könnten?

Antwort: Ich bin dem Medium nahe. Ihr würdet mich in der Erscheinung und dem Aussehen des Jobard sehen, der an eurem Tisch saß. Eure sterblichen, noch so beschränkten Augen können die Geister nur in ihrer sterblichen Gestalt sehen.

3. Wäre es Ihnen möglich, sich für uns sichtbar zu machen, und wenn Sie es nicht können, was stellt sich Ihnen entgegen?

Antwort: Zustand und Verfassung, die jedem Einzelnen anhaftet. Ein sehendes Medium würde mich sehen. Die anderen sehen mich nicht.

4. Dieser Platz ist derjenige, den Sie zu Ihren Lebzeiten eingenommen haben und den wir für Sie reserviert haben. Die also, von denen Sie dort gesehen worden sind, müssen sich vorstellen, Sie dort zu sehen, wie Sie damals waren. Wenn Sie nicht mit Ihrem materiellen Körper da sind, so sind Sie mit Ihrem seelischen Körper da, der die gleiche Form hat. Wenn wir Sie nicht mit leiblichen Augen sehen können, so sehen wir Sie mit denen des Gedankens. Wenn Sie sich nicht durch das gesprochene Wort mitteilen können, so können Sie es durch die Schrift mit Hilfe eines Vermittlers tun. Unsere Beziehungen zu Ihnen sind durch Ihren Tod also in keiner Weise unterbrochen und wir können uns mit Ihnen genauso leicht und vollständig unterhalten wie vorher. Ist das so?

Antwort: Ja, und das wisst ihr längst. Diesen Platz werde ich nun oft einnehmen und selbst ohne dass ihr es wisst, denn mein Geist wird unter euch weilen.

Bemerkung: Wir lenken die Aufmerksamkeit auf diese letzte Äußerung: "Mein Geist wird unter euch weilen". Unter den gegenwärtigen Umständen ist es keine Bildersprache, sondern Realität. Durch das Wissen, das uns der Spiritismus über die Natur der Geister vermittelt, weiß man, dass ein Geist nicht nur durch Gedanken unter uns sein kann, sondern mit seinem persönlichen Dasein, mit Hilfe seines ätherischen Körpers, der ein individuelles Wesen aus ihm macht. Ein Geist kann daher sowohl nach dem Tod als auch während der Lebenszeit seines Körpers unter uns weilen, und noch besser, da er kommen und gehen kann, wann er will. Wir haben also eine Menge unsichtbarer Begleiter, manche gleichgültig, andere durch Zuneigung an uns gebunden. Für letztere gelten besonders die Worte: “Sie weilen unter uns”, was wie folgt übersetzt werden kann: Sie stehen uns bei, inspirieren und beschützen uns.

5. Es ist noch nicht sehr lange her, da saßen Sie an dieser Stelle. Kommen Ihnen die Umstände, unter denen Sie sich da befinden, befremdend vor? Welche Wirkung ruft diese Änderung in Ihnen hervor?

Antwort: Diese Umstände erscheinen mir nicht befremdend, weil mein körperloser Geist sich einer Klarheit erfreut, die keine der betrachteten Fragen im Dunkeln stehen lässt.

6. Erinnern Sie sich, dass Sie vor Ihrer letzten Existenz in demselben Zustand waren? Und finden Sie da etwas verändert?

Antwort: Ich erinnere mich an meine früheren Existenzen und finde, dass ich mich verbessert habe. Ich sehe und eigne mir an, was ich sehe. In der Zeit nach meinen vorhergehenden Inkarnationen bemerkte ich als verwirrter Geist nur irdische Lücken.

7. Erinnern Sie sich an Ihre vorletzte Inkarnation, die Herrn Jobard vorausgegangen ist?

Antwort: In meinem vorletzten Dasein war ich ein Arbeiter an Triebwerken, zerfressen vom Elend und dem Wunsch, meine Arbeit zu vervollkommnen. Als Jobard verwirklichte ich die Träume des armen Arbeiters und ich lobe Gott, dessen unendliche Güte die Pflanze zum Keimen brachte, deren Samen er in mein Gehirn gelegt hatte.

8. Haben Sie sich schon woanders geäußert?

Antwort: Ich habe mich bisher nur wenig geäußert. An vielen Orten hat ein Geist meinen Namen angenommen. Manchmal war ich ihm nahe, ohne es direkt tun zu können. Mein Tod ist so frisch, dass ich noch gewissen irdischen Einflüssen unterliege. Es bedarf einer vollkommenen seelischen Sympathie dafür, dass ich meine Gedanken ausdrücken kann. In Kürze werde ich unterschiedslos handeln. Ich kann es noch nicht, das wiederhole ich. Wenn ein etwas bekannter Mensch stirbt, so wird er von allen Seiten gerufen. Tausend Geister beeilen sich, um seine Individualität anzunehmen. Das ist mir in mehreren Umständen passiert. Ich versichere euch, dass unmittelbar nach der Befreiung nur wenige Geister kommunizieren können, selbst mit einem vorzüglichen Medium.

9. Sehen Sie die Geister, die hier bei uns sind?

Antwort: Ich sehe besonders Lazarus und Erastus. Dann, weiter weg, den Geist der Wahrheit im Raume schwebend. Dann eine Menge befreundeter Geister, die euch umgeben, eifrig und wohlwollend. Seid glücklich, Freunde, denn gute Einflüsse schützen euch gegen die Nachteile des Irrtums.

10. Sie haben zu Ihren Lebzeiten die Meinung geteilt, welche von der Gestaltung der Erde durch Verkrustung von vier Wandelsternen ausgegangen ist, die zusammengeschweißt worden wären. Sind Sie heute noch derselben Ansicht?

Antwort: Es ist ein Irrtum. Die neuen geologischen und erdgeschichtlichen Entdeckungen belegen die Erschütterungen der Erde und ihre allmähliche Entstehung. Die Erde hat wie die anderen Planeten ihr eigenes Leben gehabt, und Gott hat dieser großen Unordnung oder der Anhäufung von Planeten nicht bedurft. Wasser und Feuer sind die einzigen organischen Elemente der Erde.

11. Sie dachten auch, die Menschen könnten auf unbegrenzte Zeit in Starrkrampf verfallen und dass die menschliche Rasse auf diese Weise auf die Erde gebracht wurde?

Antwort: Illusion meiner Vorstellungskraft, die immer über das Ziel hinausschoss. Der Starrkrampf kann lang sein, aber nicht endlos. Überlieferungen, Legenden verstärkt durch die Vorstellungskraft der Völker des Ostens. Meine Freunde, ich habe bereits viel gelitten, indem ich die Illusionen wieder durchlief, mit denen ich meinen Verstand fütterte, täuscht euch darin nicht. Ich hatte viel gelernt und ich kann sagen: mein Verstand, der sich diese umfangreichen und verschiedenartigen Forschungen schnell aneignete, hatte von meiner letzten Inkarnation her die Liebe zum Wunderbaren bewahrt, so wie zu der aus den Vorstellungen der Völker geschaffenen Vielfalt.

Ich habe mich noch wenig mit rein geistigen Fragen beschäftigt, in dem Sinne wie ihr es nehmt. Wie könnte ich es auch, geblendet, hingerissen wie ich bin, von dem wunderbaren Schauspiel, das mich umgibt? Das Band der Spiritistischen Lehre, stärker als ihr Menschen es fassen könnt, vermag es allein, mein Wesen zu dieser Erde hinzuziehen, die ich verlasse, zwar nicht mit Freude, das wäre Gottlosigkeit, aber mit tiefer Dankbarkeit für die Befreiung. Während der von der Gesellschaft zugunsten der Arbeiter von Lyon im Februar 1862 eröffneten Unterzeichnung hat ein Mitglied 50 Franken gespendet. Davon 25 auf eigene Kosten und 25 im Namen von Herrn Jobard. Der Letztere machte zu dieser Angelegenheit folgende Mitteilung: Es schmeichelt mir und ich bin dankbar dafür, dass ich unter meinen spiritistischen Brüdern nicht vergessen worden bin. Danke an das edelmütige Herz, das euch die Spende gebracht hat, die ich euch gegeben hätte, wenn ich noch auf eurer Welt gelebt hätte. In derjenigen, die ich jetzt bewohne, benötigt man kein Geld. Ich musste deshalb in die Tasche der Freundschaft greifen, um den materiellen Beweis zu erbringen, dass mir das Unglück meiner Brüder in Lyon nahe geht. Tapfere Arbeiter, die ihr eifrig den Weinberg des Herrn bebaut, wie sehr müsst ihr glauben, dass Nächstenliebe kein leeres Wort ist, da Groß und Klein euch Mitgefühl und Brüderlichkeit gezeigt haben. Ihr befindet euch auf dem großen, menschenfreundlichen Weg des Fortschritts. Möge Gott euch dort bewahren und möget Ihr glücklicher sein. Die befreundeten Geister werden euch unterstützen und ihr werdet den Sieg erringen. Ich beginne spirituell zu leben, bin friedvoller und weniger beunruhigt durch die allerorts auf mich niederregnenden Anrufungen. Mode, Brauch und Sitte herrschen selbst über die Geister. Zu der Zeit, wo die Mode Jobard einem anderen Platz machen wird und ich zurücktreten werde in das Nichts menschlicher Vergessenheit, werde ich meine ernsthaften Freunde bitten, und damit meine ich diejenigen, deren Intelligenz nicht vergisst. Ich werde sie bitten, mich anzurufen. Dann werden wir Fragen ergründen, die zu oberflächlich behandelt worden sind, und es wird euer vollständig umgewandelter Jobard nützlich sein können, was er sich von ganzem Herzen wünscht.

Jobard.

Nach der ersten Zeit, die der Beruhigung seiner Freunde gewidmet war, hat sich Herr Jobard unter den Geistern eingereiht, die aktiv für die Neubildung der gesellschaftlichen Verhältnisse arbeiten. Er erwartet seine nahe Inkarnation, um sich direkt daran zu beteiligen. Seit dieser Zeit hat er in der Pariser Gesellschaft, zu der er als Mitglied weiterhin gehört, oft Mitteilungen von unbestreitbar höherer Art gegeben, ohne von der Ursprünglichkeit und geistreichen Einfällen abzuweichen, die einen Grundzug seines Charakters bildeten und ihn wiedererkennen lassen, ehe er seine Unterschrift gegeben hat.


Samuel Philippe war im wahrsten Sinne des Wortes ein guter Mann. Keiner erinnerte sich daran, ihn bei einer bösen Tat gesehen oder jemandem vorsätzlich Schaden zugefügt zu haben. Mit grenzenloser Hingabe für seine Freunde fand er sich immer bereit, wenn es darum ging, jemandem einen Gefallen zu erweisen, selbst auf Kosten seines eigenen Vorteils. Schmerzen, Mühen, Opfer, nichts war ihm zu viel, wenn es darum ging, nützlich zu sein. Und er tat es ganz natürlich, ohne Prahlerei und wunderte sich, wie man ihm ein Verdienst daraus machen könnte. Er nahm es denjenigen nicht übel, die ihm Böses zugefügt hatten, und er war sehr darauf bedacht, ihnen zu Dank verpflichtet zu sein, als hätten sie ihm Gutes getan. Wenn er mit Undankbaren zu tun hatte, so sagte er: “Nicht ich bin zu beklagen, sondern sie.” Obwohl er sehr intelligent und von Haus aus mit viel Geist begabt war, war sein arbeitsvolles Leben dunkel und sein Weg von harten Prüfungen begleitet. Er war einer dieser auserwählten Art, die im Schatten blüht, von denen die Welt nicht spricht und deren Glanz sich nicht auf der Erde widerspiegelt. Er hatte aus dem Wissen des Spiritismus glühenden Glauben an das zukünftige Leben und eine große Ergebenheit gegenüber den Leiden des irdischen Lebens geschöpft. Er starb im Dezember 1862 im Alter von fünfzig Jahren an den Folgen einer schmerzhaften Krankheit, aufrichtig betrauert von seinen Angehörigen und einigen Freunden. Mehrere Monate nach seinem Tod wurde er angerufen.

Frage: Haben Sie eine klare Erinnerung an Ihre letzten Momente auf Erden?

Antwort: Vollkommen. Die Erinnerung daran ist mir nach und nach wieder gekommen. Zu Beginn waren meine Gedanken noch durcheinander. Frage: Würden Sie uns zu unserer Belehrung und aus Wertschätzung, die Ihr vorbildliches Leben in uns weckt, schildern, wie bei Ihnen der Übergang vom körperlichen zum geistigen Leben abgelaufen ist und wie Ihre Situation in der geistigen Welt ist?

Antwort: Gerne. Diese Beschreibung wird nicht nur für euch nützlich sein, sie wird es auch für mich sein. Indem ich meine Gedanken wieder auf die Erde lenke, lerne ich durch diesen Vergleich die Güte des Schöpfers noch besser zu würdigen.

Ihr wisst, mit wie vielen Sorgen mein Leben übersät war. Mir hat es in Schwierigkeiten nie an Mut gefehlt, Gott sei Dank! Heute freue ich mich darüber. Was hätte ich alles verloren, wenn ich der Entmutigung nachgegeben hätte! Ich schaudere bei dem bloßen Gedanken, dass durch meine Schuld das Erlittene ohne Nutzen gewesen wäre und neu begonnen werden müsste. Meine Freunde, könntet ihr völlig von dieser Wahrheit durchdrungen werden. Es handelt sich hier um euer zukünftiges Glück. Sicher ist dieses Glück nicht zu teuer erkauft, wenn man es mit einigen Leidensjahren bezahlt. Wenn ihr wüsstet, wie wenig ein paar Jahre angesichts der Unendlichkeit bedeuten!

Wenn meine letzte Existenz in euren Augen einiges an Wert hatte, hättet ihr das nicht von meinen Existenzen gesagt, die dieser vorausgegangen sind. Nur durch die Arbeit an mir selbst habe ich mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Um die letzten Spuren meiner früheren Fehler auszulöschen, musste ich mich noch diesen letzten Prüfungen unterziehen, die ich bereitwillig angenommen habe. Aus der Festigkeit meiner Entschlüsse schöpfte ich die Kraft, sie ohne Murren zu ertragen. Ich segne sie heute, diese Prüfungen. Durch sie habe ich mit der Vergangenheit gebrochen, die für mich nur noch eine Erinnerung ist. Ich kann fortan mit berechtigter Befriedigung den Weg betrachten, den ich gegangen bin.

Oh ihr, die ihr mir auf Erden Leid verursacht habt, die ihr hart und boshaft gegen mich gewesen seid, die ihr mich gedemütigt und mit Bitterkeit getränkt habt, ihr, die mir oft die härtesten Entbehrungen auferlegt habt. Ich verzeihe euch nicht nur, sondern ich danke euch. Indem ihr mir Schaden zufügen wolltet, habt ihr nicht vermutet, dass ihr mir ebenso viel Gutes tun würdet. Es ist ja doch wahr, dass ich das Glück, das ich genieße, zu einem großen Teil euch verdanke, denn ihr habt mir die Gelegenheit gegeben, zu verzeihen und Gutes für Böses zu erweisen. Gott hat euch auf meinen Weg gestellt, um meine Geduld zu prüfen und mich zu üben in der schwierigsten Ausübung der Nächstenliebe, der Liebe zu den eigenen Feinden.

Werdet mit dieser Abschweifung nicht ungeduldig. Ich komme nun zu dem, wonach ihr mich fragt.

Obwohl ich in meiner letzten Krankheit schwer litt, hatte ich doch keinen Todeskampf gehabt. Der Tod kam zu mir wie der Schlaf, ohne Kampf, ohne Erschütterung. Da ich keine Angst vor der Zukunft hatte, so habe ich mich nicht an das Leben geklammert. Ich habe folglich nicht unter letzten Nöten zu ringen gehabt. Die Trennung hat sich ohne Anstrengung, ohne Schmerz und ohne dass ich es bemerkte vollzogen.

Ich weiß nicht, wie lange dieser letzte Schlaf gedauert hat, aber er war kurz. Das Erwachen war begleitet von einem Frieden, der einen Gegensatz zu meinem vorhergehenden Zustand bildete. Ich fühlte keinen Schmerz mehr und freute mich darüber. Ich wollte aufstehen und gehen, aber eine Lähmung, die nichts Unangenehmes hatte, die sogar einen gewissen Reiz hatte, hielt mich zurück. Ich gab mich ihr mit einer Art Genuss hin, ohne mir meiner Lage klar zu sein und ohne zu vermuten, dass ich die Erde verlassen hatte. Ich sah meine Frau und einige Freunde im Zimmer auf den Knien und ich sagte mir, dass sie mich zweifellos für tot hielten. Ich wollte sie von dieser Täuschung befreien, brachte aber kein Wort heraus, woraus ich schloss, dass ich träumte. Was mich in dieser Vorstellung bestärkte, war, dass ich mich von mehreren geliebten Wesen umgeben sah, die schon lange tot waren und von anderen, die ich anfangs nicht erkannte und die über mich zu wachen und mein Erwachen zu erwarten schienen.

Dieser Zustand war vermischt mit klaren Momenten und solchen von Schläfrigkeit. Währenddessen erlangte und verlor ich abwechselnd das Bewusstsein meiner selbst. Nach und nach gewannen meine Gedanken mehr Klarheit. Das Licht, das ich nur durch einen Nebel hindurch schimmern sah, wurde heller. Dann fing ich an, mir bewusst zu werden und verstand, dass ich nicht mehr zur irdischen Welt gehörte. Wenn ich den Spiritismus nicht gekannt hätte, hätte die Illusion zweifellos viel länger gedauert.

Meine sterbliche Hülle war noch nicht beerdigt. Ich betrachtete sie mit Mitleid und beglückwünschte mich, dass ich endlich davon befreit war. Ich genoss das Glück, frei zu sein! Ich atmete leicht, wie jemand, der aus einer ekelerregenden Luftschicht heraustritt. Ein unsagbares Glücksgefühl durchdrang mein ganzes Wesen. Die Anwesenheit derer, die ich geliebt hatte, erfüllte mich mit Freude. Ich war keineswegs überrascht, sie zu sehen. Es schien mir ganz selbstverständlich. Aber ich glaubte, sie nach einer langen Reise wiederzusehen. Eines hat mich anfangs verwundert, dass wir einander verstanden, ohne ein Wort zu sagen. Unsere Gedanken wurden allein durch den Blick und eine fluidische Durchdringung übermittelt.

Allerdings war ich noch nicht ganz frei von irdischen Vorstellungen. Die Erinnerung an das, was ich erlitten hatte, kam von Zeit zu Zeit wieder in meinen Sinn so, wie um mich meine neue Lage besser würdigen zu lassen. Ich hatte körperlich, aber vor allem moralisch gelitten. Ich war das Ziel der Böswilligkeit gewesen, jener tausenderlei schmerzlichen Überraschungen, die vielleicht schmerzhafter waren als wirkliches Unglück, weil sie ständige Angst verursachen. Ihr Eindruck war nicht ganz erloschen, und manchmal fragte ich mich, ob ich auch wirklich und wahrhaftig von ihnen befreit war. Ich schien immer noch gewisse unangenehme Stimmen zu hören. Ich fürchtete die Verlegenheiten, die mich so oft gequält hatten und zitterte gegen meinen Willen. Ich betastete mich, um mich sozusagen zu vergewissern, dass ich nicht der Spielball eines Traums war. Als ich mir sicher war, dass das wohl alles vorbei war, schien es mir, als sei eine gewaltige Last von mir genommen worden. Es ist also völlig wahr, sagte ich mir, dass ich endlich von all diesen Sorgen befreit war, die die Qual des Lebens ausmachen und dankte Gott dafür. Ich war wie ein armer Mann, dem plötzlich ein großes Vermögen zufällt. Eine Zeit lang zweifelt er an dessen Realität und fühlt noch die Furcht vor der Not. Oh, wenn die Menschen das künftige Leben begreifen könnten, welche Kraft, welchen Mut würde ihnen diese Überzeugung im Unglück geben! Was würden sie nicht tun, während sie auf der Erde sind, um sich dieses Glück zu sichern, das Gott für diejenigen seiner Kinder vorbehält, die seine Gesetze befolgen! Sie würden sehen, wie wenig die Genüsse bedeuten, die sie begehren im Vergleich zu denen, die sie vernachlässigen!

Frage: Hat diese für Sie so neue Welt, neben der unsere so unbedeutend erscheint, haben die zahlreichen Freunde, die Sie dort wiedergefunden haben, Sie Ihre Angehörigen und Freunde auf der Erde aus den Augen verlieren lassen?

Antwort: Wenn ich sie vergessen hätte, wäre ich des Glücks, das ich genieße, unwürdig. Gott belohnt den Egoismus nicht, er bestraft ihn. Die Welt, in der ich bin, kann mich die Erde geringschätzen lassen, aber nicht die Geister, die dort inkarniert sind. Nur unter den Menschen sieht man, wie das Glück dahin führt, dass die Gefährten des Unglücks in Vergessenheit geraten. Ich komme häufig, um die Meinen wiederzusehen. Ich freue mich über das gute Andenken, das sie an mich bewahrt haben. Ihr Gedanke zieht mich an. Ich nehme an ihren Gesprächen teil, ich genieße ihre Freuden, ihre Sorgen machen mich traurig, aber es ist nicht diese ängstliche Traurigkeit des menschlichen Lebens, weil ich verstehe, dass sie nur vorübergehend sind und zu ihrem eigenen Besten dienen. Ich bin glücklich mit dem Gedanken, dass sie eines Tages an diesen glücklichen Ort kommen werden, an dem der Schmerz unbekannt ist. Gerade um sie dafür würdig zu machen, setze ich mich ein. Ich bemühe mich, ihnen gute Gedanken einzuflößen und vor allem die Hingabe, die ich selbst an den Willen Gottes besessen hatte. Mein größter Kummer ist, wenn ich sehe, wie sie diesen Moment durch ihren Mangel an Mut, ihr Murren, ihren Zweifel an der Zukunft oder durch irgendeine verwerfliche Handlung hinauszögern. Ich versuche dann, sie vom falschen Weg abzulenken. Gelingt es mir, so ist es für mich ein großes Glück, und wir alle freuen uns darüber. Wenn es nicht gelingt, sage ich mir mit Bedauern: Wieder eine Verzögerung für sie, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass nicht alles unwiederbringlich verloren ist.


Ein ehemaliger Beamter, der 1863 in Antwerpen im Alter von achtzig Jahren starb.

Als ein Medium kurze Zeit nach seinem Tod seinen Geistführer fragte, ob man ihn anrufen könne, wurde ihm geantwortet: "Dieser Geist tritt langsam aus seiner Verwirrung heraus. Er könnte euch bereits antworten, aber die Mitteilung würde ihn weit mehr Mühe kosten. Ich bitte euch daher, noch vier Tage zu warten, und er wird euch antworten. Bis dahin wird er schon die guten Absichten erfahren, die ihr ihm gegenüber ausgedrückt habt, und er wird dankbar und als guter Freund zu euch kommen."

Vier Tage später diktierte der Geist Folgendes:

“Lieber Freund, mein Leben hatte ein sehr kleines Gewicht auf der Waage der Ewigkeit. Dennoch bin ich weit davon entfernt, unglücklich zu sein. Ich bin in der bescheidenen, aber verhältnismäßig glücklichen Lage eines Menschen, der wenig Böses getan hat, außer um auf die Vervollkommnung zu zielen. Wenn es in einem kleinen Kreis glückliche Menschen gibt, dann bin ich einer von ihnen. Nur eines bedaure ich, nämlich nicht gekannt zu haben, was ihr jetzt wisst. Meine Verwirrung wäre weniger lang und weniger schmerzhaft gewesen. Sie war in der Tat groß: zu leben und nicht zu leben; seinen Körper zu sehen, mit starken Banden an ihn gefesselt zu sein und ihn dennoch nicht mehr benutzen zu können; diejenigen zu sehen, die man geliebt hat, und zu fühlen, wie der Gedanke erlischt, der uns an sie bindet, das ist schrecklich! Oh, was für entsetzliche Augenblicke! Was für ein Augenblick, wenn euch die Erstarrung ergreift und erwürgt! Und im Handumdrehen Finsternis! Zu fühlen und einen Augenblick später vernichtet zu werden. Man will das Bewusstsein seiner selbst haben und kann es nicht wiedererlangen. Man ist nicht mehr da und fühlt doch, dass man es ist; aber man befindet sich in einer tiefen Verwirrung! Und dann, nach einer nicht abschätzbaren Zeit, einer Zeit verhaltener Angst, weil man nicht mehr die Kraft hat, sie zu fühlen, nach dieser unendlich erscheinenden Zeit, langsam ins Dasein wiedergeboren zu werden, in einer neuen Welt zu erwachen! Kein materieller Körper mehr, kein irdisches Leben mehr: das Leben der Unsterblichkeit! Keine fleischlichen Menschen mehr, sondern leichte Gestalten, Geister, die nach allen Seiten dahingleiten, um euch herumschwirren und die ihr nicht alle mit dem Blick erfassen könnt, denn sie schweben dahin in der Unendlichkeit! Vor sich den Raum zu haben und ihn allein durch den Willen durchqueren zu können! Durch den Gedanken mit allem zu kommunizieren, was euch umgibt. Freund, was für ein neues, was für ein glänzendes Leben! Was für ein Leben voller Freude! Sei gegrüßt, oh sei gegrüßt, Ewigkeit, die du mich in deinem Schoß hältst! Lebe wohl, Erde, die du mich so lange von dem natürlichen Element meiner Seele fernhieltest! Nein, ich möchte nichts mehr von dir, denn du bist eine Erde der Verbannung, und dein größtes Glück ist nichts!

Hätte ich aber gewusst, was ihr wisst, wie viel leichter und angenehmer wäre mir der Einstieg in das andere Leben geworden! Ich hätte vor meinem Sterben gewusst, was ich später, zum Zeitpunkt des Loslösens, habe lernen müssen und meine Seele hätte sich leichter lösen können. Ihr seid auf dem Weg, aber nie, nein, nie werdet ihr weit genug gehen! Sagt es meinem Sohn, aber sagt es ihm so oft, bis er glaubt und sich unterrichtet. Dann werden wir bei seiner Ankunft hier nicht getrennt sein.

Lebt wohl, ihr Freunde alle, lebt wohl! Ich warte auf euch und während der Zeit, die ihr auf der Erde seid, will ich öfters kommen, um mich bei euch zu unterrichten, denn ich weiß noch nicht so viel wie viele von euch. Aber ich werde es hier schnell erfahren, weil ich keine Fesseln mehr trage, die mich zurückhalten, und nicht mehr das Alter fühle, das meine Kräfte schwächt. Hier lebt man in großer Einheit und schreitet voran, denn man sieht so schöne Horizonte vor sich, dass man vor Ungeduld brennt, diese zu umfassen.”

Van Durst


Ein außergewöhnlicher Mann, der durch einen Unfall starb und dem Medium zu Lebzeiten bekannt war. (Bordeaux, 11. Februar 1861)

Frage: Könnten Sie mir einige Einzelheiten über Ihren Tod mitteilen?

Antwort: Ab dem Ertrinken, ja!

Frage: Warum nicht vorher?

Antwort: Du kennst sie (das Medium kannte sie tatsächlich).

Frage: Möchten Sie mir also bitte Ihre Empfindungen nach Ihrem Tod beschreiben?

Antwort: Es hat lange gedauert, bis ich mir wieder bewusst war, aber mit der Gnade Gottes und der Hilfe derer, die mich umgaben, bin ich, als das Licht kam, von diesem überflutet worden. Du kannst hoffen: du wirst immer mehr finden, als du erwartest. Nichts Materielles! Alles setzt die verborgenen Sinne in Erstaunen: was weder Auge noch Hand erfassen können; verstehst du mich? Es ist eine geistige Verwunderung, die euer Verständnis übersteigt, denn es gibt keine Worte, um sie zu erklären: das lässt sich nur mit der Seele fühlen.

Mein Erwachen war sehr glücklich. Das Leben ist einer jener Träume, die ich trotz der seltsamen Vorstellung, die man mit diesem Wort verbindet, nur als schrecklichen Alptraum bezeichnen kann. Träume, du wärst in einem verpesteten Versteck eingeschlossen; dein Körper, von Würmern zerfressen, die bis ins Mark deiner Knochen vordringen, wäre über einem glühenden Ofen aufgehängt, dein ausgetrockneter Mund findet nicht einmal Luft, die ihn kühlt; dein erschreckter Geist nur Ungeheuer um dich herum sieht, die bereit sind, dich zu verschlingen! Stelle dir schließlich alles vor, was die Phantasie des Traums Abscheulichstes und Schrecklichstes hervorbringen kann und finde dich plötzlich in ein entzückendes Eden versetzt! Erwache, umgeben von all denen, die du geliebt und beweint hast! Sieh um dich herum ihre verehrten Gesichter, die dich glücklich anlächeln. Atme die süßesten Düfte ein. Erfrische deine ausgetrocknete Kehle an der Quelle des lebendigen Wassers! Fühle, wie sich dein Körper in den unendlichen Raum erhebt, der ihn trägt und wiegt, wie ein Windhauch eine Blüte, die hoch von einem Baum abgefallen ist. Fühle dich von der Liebe Gottes umfangen, wie das Kind, das geboren wird, von der Liebe seiner Mutter eingehüllt wird, und du wirst nur eine unvollkommene Vorstellung von diesem Übergang haben. Ich habe versucht, dir das Glück des Lebens zu erklären, das den Menschen nach dem Tod erwartet, aber ich konnte es nicht. Erklärt man das Unendliche demjenigen, dessen Augen dem Licht gegenüber verschlossen sind und dessen Glieder niemals aus dem engen Kreis, in dem sie eingeschlossen sind, heraustreten konnten? Um dir das ewige Glück zu erklären, will ich dir sagen: Liebe! Deine Liebe allein kann dich dazu bringen, es zu erahnen. Und wer Liebe sagt, sagt Abwesenheit von Egoismus.

Frage: Ist Ihre Lage seit Ihrem Eintritt in die geistige Welt eine glückliche gewesen?

Antwort: Nein. Ich musste die Schuld des Menschen bezahlen. Mein Herz ließ mich die Zukunft des Geistes erahnen, aber ich hatte keinen Glauben. Ich musste meine Gleichgültigkeit gegenüber meinem Schöpfer büßen, aber seine Barmherzigkeit rechnete mir das wenige Gute an, das ich hatte tun können, sowie die Schmerzen, die ich trotz meines Leidens mit Ergebung ertragen hatte, und seine Gerechtigkeit, die eine Waage hält, die die Menschen niemals begreifen werden, wog das Gute mit so viel Güte und Liebe, dass das Böse schnell verschwunden war. Frage: Möchten Sie uns etwas über Ihre Tochter mitteilen? (Sie starb vier oder fünf Jahre nach ihrem Vater.)

Antwort: Sie erfüllt auf eurer Erde eine Aufgabe.

Frage: Ist sie als Geschöpf glücklich? Ich will Ihnen keine indiskrete Frage stellen.

Antwort: Ich weiß es wohl. Sehe ich denn nicht deinen Gedanken wie ein Gemälde vor meinen Augen? Nein, als Geschöpf ist sie nicht glücklich. Im Gegenteil, all das Elend eures Lebens muss sie treffen. Aber sie soll mit ihrem Beispiel jene großen Tugenden verkünden, mit denen ihr so prahlt. Ich werde ihr helfen, denn ich soll über sie wachen. Aber sie wird keine große Mühe haben, die Hindernisse zu überwinden. Sie leistet keine Sühne, sondern eine Aufgabe. Sei also ihretwegen beruhigt und hab Dank für deine Erinnerung.

In diesem Augenblick empfindet das Medium eine Schwierigkeit beim Schreiben, und es sagt: Wenn das ein leidender Geist ist, der mich zurückhält, so bitte ich ihn, seinen Namen zu schreiben.

Antwort: Eine Unglückliche.

Frage: Möchten Sie mir Ihren Namen sagen?

Antwort: Valerie. Frage: Wollen Sie mir sagen, wofür Sie bestraft wurden?

Antwort: Nein. Frage: Bereuen Sie Ihre Fehler?

Antwort: Du siehst es wohl. Frage: Wer hat Sie hierher geführt?

Antwort: Sixdeniers.

Frage: Zu welchem Zweck hat er das getan?

Antwort: Damit du mir hilfst. Frage: Sind Sie es, die mich soeben vom Schreiben abgehalten hat?

Antwort: Er hat mich an seinen Platz gestellt.

Frage: Welche Beziehung besteht zwischen Ihnen beiden?

Antwort: Er leitet mich.

Frage: Bitten Sie ihn, sich mit uns zum Gebet zu vereinen.

Antwort: (Nach dem Gebet übernimmt wieder Sixdeniers das Wort.)

Hab Dank für sie! Du hast begriffen, ich werde dich nicht vergessen. Denke an sie!

Frage: (An Sixdeniers) Haben Sie als Geist viele leidende Geister zu leiten?

Antwort: Nein, aber sobald wir einen zum Guten zurückgeführt haben, nehmen wir einen anderen vor, ohne deshalb die Ersteren im Stich zu lassen.

Frage: Wie können Sie der Pflicht einer Beaufsichtigung genügen, die sich mit den Jahrhunderten ins Unendliche vervielfältigen muss?

Antwort: Versteh doch, dass die, die wir zurückgeführt haben, sich läutern und fortschreiten. Daher machen sie uns weniger Mühe und gleichzeitig erheben wir uns selbst, und beim Aufsteigen schreiten unsere Fähigkeiten voran, unser Können strahlt im Verhältnis zu unserer Reinheit.

Bemerkung: Die niederen Geister erhalten also Beistand von guten Geistern, deren Aufgabe es ist, sie zu leiten. Diese Aufgabe ist nicht ausschließlich den Inkarnierten überlassen, aber sie sollen dabei mitwirken, weil das für sie ein Mittel zum Voranschreiten ist. Wenn ein niederer Geist kommt und eine gute Kommunikation durchkreuzt, wie in diesem Fall, so tut er es ohne Zweifel nicht immer in einer guten Absicht, aber die guten Geister lassen es zu, sei es als Prüfung oder damit der, an den er sich wendet, an der Verbesserung des Geistes arbeitet. Dessen Beharrlichkeit artet zwar manchmal in Besessenheit aus, aber je hartnäckiger sie ist, desto mehr beweist sie, wie groß das Bedürfnis nach Hilfe ist. Es ist also ein Unrecht, ihn abzuweisen. Man muss ihn als einen Armen betrachten, der kommt, um um Almosen zu bitten, und sich sagen: Es ist ein unglücklicher Geist, den mir die guten Geister schicken, damit ich seine Erziehung bewirke. Gelingt sie mir, so habe ich dann die Freude, eine Seele zum Guten zurückgeführt und ihre Leiden abgekürzt zu haben. Diese Aufgabe ist oft mühsam. Es wäre zweifellos angenehmer, immer schöne Kommunikationen zu haben und nur mit Geistern seiner Wahl zu verkehren. Aber man verdient den Schutz der guten Geister nicht dadurch, dass man nur seine eigene Befriedigung sucht und die Gelegenheiten zurückweist, die einem geboten werden, um Gutes zu tun.


Gestorben in Albi (Tarn) am 25. Januar 1865.

Herr Demeure war ein sehr angesehener homöopathischer Arzt aus Albi. Sein Charakter, ebenso wie sein Wissen, hatten ihm die Achtung und Verehrung seiner Mitbürger eingebracht. Seine Güte und Nächstenliebe waren unerschöpflich, und trotz seines hohen Alters war ihm keine Mühe zu groß, wenn es sich darum handelte, sich um arme Kranke zu kümmern. Der Preis für seine Besuche war seine geringste Sorge. Es kostete ihn weniger Mühe, seine Bequemlichkeit für einen Unglücklichen zu opfern, als wenn er es für einen tat, von dem er wusste, dass er zahlen konnte, denn dieser Letztere konnte, wie er sich sagte, in seiner Abwesenheit immer einen Arzt besorgen. Dem Ersteren gab er nicht nur die Arzneimittel kostenlos, sondern hinterließ oft auch etwas zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse, was manchmal das nützlichste aller Heilmittel ist. Man kann von ihm sagen, dass er der heilkundige Menschenhirte von Ars war.

Herr Demeure hatte die spiritistische Lehre mit Begeisterung angenommen, in der er den Schlüssel zu den wesentlichsten Fragen gefunden hatte, deren Lösung er vergeblich in der Wissenschaft und allen Philosophien gesucht hatte. Sein tiefer und forschender Geist ließ ihn unmittelbar die ganze Tragweite dieser Lehre verstehen; auch war er einer ihrer eifrigsten Verbreiter. Beziehungen lebendiger und gegenseitiger Zuneigung zwischen ihm und uns sind durch Briefwechsel entstanden.

Wir erfuhren am 30. Januar von seinem Tod und unser erster Gedanke war, uns mit ihm zu unterhalten. Hier ist die Mitteilung, die er uns am selben Tag gab:

"Da bin ich. Ich hatte mir zu Lebzeiten vorgenommen, sobald ich tot sein würde, zu kommen, wenn es mir möglich wäre, um meinem lieben Meister und Freund, Herrn Allan Kardec, die Hand zu drücken.

Der Tod hatte meiner Seele jenen schweren Schlaf gebracht, den man Lethargie nennt, aber mein Denkvermögen war wach. Ich schüttelte diese unheilvolle Erstarrung ab, die die Verwirrung nach dem Tod verlängert, ich bin erwacht und mit einem Sprung habe ich die Reise vollbracht.

Wie glücklich ich bin! Ich bin nicht mehr alt oder schwach. Mein Körper war nur eine aufgezwungene Verkleidung. Ich bin jung und schön, schön dank jener ewigen Jugend der Geister, deren Gesichter nie faltig werden, deren Haare im Laufe der Zeit nicht erbleichen. Ich bin leicht wie ein Vogel, der mit raschem Flug den Horizont eures nebligen Himmels durchkreuzt, und ich bewundere, betrachte, segne, liebe und verneige mich, das Sandkorn, vor der Größe, der Weisheit, der Wissenschaft unseres Schöpfers, vor den Wundern, die mich umgeben.

Ich bin glücklich, ich bin in der Herrlichkeit. Oh, wer kann jemals die herrlichen Schönheiten des Landes der Auserwählten beschreiben, die Himmel, die Welten, die Sonnen und ihre Rolle an dem großen Zusammenwirken der universellen Harmonie? Wohlan! Ich will es versuchen, mein lieber Meister. Ich fange an, es zu erforschen, ich werde kommen und die Huldigung meiner Studien, die ich Ihnen im Voraus widme, überbringen. Bis bald."

Demeure.

Die beiden folgenden Mitteilungen, die am 1. und 2. Februar gegeben wurden, beziehen sich auf die Krankheit, von der wir zu jener Zeit befallen waren. Obwohl sie persönlich sind, so geben wir sie hier wieder, weil sie beweisen, dass Herr Demeure als Geist ebenso gütig ist, wie er es als Mensch war.

"Guter Freund, haben Sie Vertrauen zu uns und seien Sie guten Mutes! Diese Krise, obwohl beschwerlich und schmerzlich, wird nicht lang sein, und mit den vorgeschriebenen Maßnahmen werden Sie, Ihren Wünschen gemäß, das Werk vervollständigen können, das der Hauptzweck Ihres Daseins gewesen ist. Doch bin ich ja immer bei Ihnen mit dem Geist der Wahrheit, der mir erlaubt, in seinem Namen das Wort zu ergreifen, als der letzte Ihrer Freunde, der unter die Geister gekommen ist. Diese erweisen mir die Ehre, mich willkommen zu heißen. Lieber Meister, wie beglückt es mich, dass ich rechtzeitig gestorben bin, um zu diesem Zeitpunkt bei diesen zu sein! Wäre ich früher gestorben, so hätte ich vielleicht diese Gefahr von Ihnen abwenden können, die ich nicht vorhersah. Ich war erst zu kurze Zeit desinkarniert, um mich mit etwas anderem als dem Geistigen befassen zu können. Aber jetzt werde ich über Sie wachen, lieber Meister. Es ist ja ihr Bruder und Freund, der froh ist, Geist zu sein, um bei Ihnen zu sein und Ihnen in Ihrer Krankheit seine Fürsorge widmen zu dürfen. Aber Sie kennen ja das Sprichwort: "Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!" Helfen Sie also den guten Geistern bei der Pflege, die sie Ihnen widmen und halten sich genau an ihre Vorschriften.

Es ist zu warm hier, diese Kohle wirkt ermüdend. Solange Sie krank sind, brennen Sie keine Kohle, denn sie verstärkt Ihr Leiden. Der sich daraus entwickelnde Rauch hat einen zerstörenden Einfluss.”

Ihr Freund Demeure.

"Ich bin es, Demeure, der Freund von Herrn Kardec. Ich bin gekommen, um ihm zu sagen, dass ich zur Zeit des Unfalls, der ihm zugestoßen ist, bei ihm war und der ohne ein wirksames Eingreifen fatal hätte sein können. Ich freue mich, dass ich dabei mitwirken konnte. Nach meinen Beobachtungen und den Lehren, die ich aus guter Quelle erhalten habe, ist es für mich einleuchtend, dass, je früher seine Desinkarnation stattfinden wird, desto eher kann seine Reinkarnation geschehen, mit der er sein Werk vollenden wird. Jedoch muss er vor seinem Ableben letzte Hand an die Werke legen, die die Lehre vervollständigen sollen, zu der er die Grundlage gelegt hat. Und er macht sich der vorsätzlichen Tötung schuldig, wenn er durch ein Übermaß an Arbeit dazu beiträgt, seine Lebenskräfte zu erschöpfen. Und das bedroht ihn mit einem plötzlichen Ableben, einem Eintritt in unsere Welten. Man braucht sich nicht davor scheuen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen, damit er wachsam ist und buchstäblich unsere Verordnungen befolgt.”

Demeure.

Die folgende Mitteilung erhielt man am 26. Januar in Montauban, dem Tag nach seinem Tod, im Kreise der spiritistischen Freunde, die er in dieser Stadt hatte.

"Anton Demeure. Ich bin nicht tot für euch, meine guten Freunde, sondern für diejenigen, die nicht wie ihr diese heilige Lehre kennen, die diejenigen vereinigt, die sich auf dieser Erde geliebt und die gleichen Gedanken und Gefühle der Liebe und des Erbarmens gehabt haben.

Ich bin glücklich, glücklicher, als ich hoffen konnte, denn ich erfreue mich einer Klarheit, die bei den seit so kurzer Zeit von der Materie befreiten Geistern selten ist. Fasst Mut, gute Freunde! Ich werde oft bei euch sein und es nicht versäumen, euch über viele Dinge zu unterrichten, die wir nicht wissen, solange wir an unsere arme Körperhülle gebunden sind, die uns so viel Großartiges und Erfreuliches verbirgt! Betet für diejenigen, denen dieses Glück vorenthalten wird, denn sie wissen nicht, welchen Schaden sie sich selbst zufügen.

Ich werde heute nicht lange bleiben, aber ich möchte euch sagen, dass ich mich in dieser Welt der Unsichtbaren nicht ganz fremd fühle. Es scheint mir, als habe ich diese immer bewohnt. Ich bin dort glücklich, denn ich sehe meine Freunde und kann mit ihnen verkehren, so oft ich will.

Weint nicht, Freunde! Ihr würdet mich bedauern lassen, euch kennengelernt zu haben. Lasst die Zeit kommen und Gott wird euch an diesen Ort führen, wo wir uns alle wiedervereint finden sollen. Guten Abend, Freunde! Gott tröste euch! Ich bin bei euch.”

Demeure.

Ein anderer Brief aus Montauban enthält folgenden Bericht:

"Wir hatten Frau G., einem hellsichtigen Medium und sehr klaren Somnambulen, den Tod des Herrn Demeure verschwiegen, um ihre äußerst große Empfindlichkeit zu schonen, und der gute Doktor, zweifellos auf unsere Absichten eingehend, hatte es vermieden, sich ihr zu offenbaren. Vor kurzem, am 10. Februar, hatten wir auf Einladung unserer geistigen Mentoren eine Versammlung. Diese wollten, so sagten sie, Frau G. von einer Verrenkung befreien, unter der sie seit dem Vortag sehr litt. Wir wussten weiter nichts davon und waren weit davon entfernt, die Überraschung zu erwarten, die sie uns bereiteten. Kaum war die Dame im Zustand des Hellsehens, da ließ sie ohrenbetäubende Schreie vernehmen, wobei sie auf ihren Fuß zeigte.”

Es geschah Folgendes:

"Frau G. sah einen über ihr Bein gebeugten Geist, dessen Gesichtszüge ihr verborgen blieben. Er rieb und massierte, indem er auf die kranke Stelle von Zeit zu Zeit einen Längsstrich übte, genauso, wie es ein Arzt hätte tun können. Die Behandlung war so schmerzhaft, dass die Leidende sich manchmal zu lautem Schreien und zu ungeordneten Bewegungen hinreißen ließ. Aber dieser Zustand war nicht von langer Dauer, nach zehn Minuten war jede Spur von Verrenkung verschwunden, keine Schwellung mehr da und der Fuß hatte sein normales Aussehen wiedererlangt. Frau G. war geheilt.

Indessen blieb der Geist dem Medium immer noch unbekannt und beharrte darauf, seine Gesichtszüge nicht zu zeigen. Er machte sogar eine Miene, als wollte er sich entfernen, als unsere Kranke, die einige Minuten zuvor nicht einen Schritt tun konnte, auf die Mitte des Zimmers zustürzt, um die Hand ihres spirituellen Arztes zu ergreifen und zu drücken. Auch diesmal hatte der Geist den Kopf wieder abgewandt, wobei er jedoch seine Hand in der ihren ließ. In diesem Augenblick stößt Frau G. einen Schrei aus und fällt ohnmächtig zu Boden. Sie hatte soeben in dem heilenden Geist Herrn Demeure erkannt. Während dieses Anfalls empfing sie die eilige Fürsorge mehrerer mitfühlender Geister. Als endlich die hellsehende Klarheit wieder erschien, unterhielt sie sich mit den Geistern und tauschte warme Händedrücke mit ihnen aus, insbesondere mit dem Geist des Arztes, der ihre Zuneigungsbekundungen erwiderte, und sie mit einem der Genesung dienenden Fluidum durchströmte.

Ist diese Szene nicht ergreifend und dramatisch, und möchte man nicht glauben, alle diese Personen ihre Rolle im menschlichen Leben spielen zu sehen? Ist das nicht ein Beweis unter Tausenden, dass die Geister sehr reale Wesen sind, die einen Körper haben und handeln, ganz so wie sie es auf Erden taten? Wir waren froh, unseren vergeistigten Freund mit seinem vortrefflichen Herzen und seiner zarten Fürsorge wiederzusehen. Er war zu Lebzeiten der Arzt des Mediums gewesen. Er kannte ihre sehr große Empfindlichkeit und hatte sie schonend behandelt, als wäre sie sein eigenes Kind. Ist dieser Beweis der Identität, der denen, die der Geist liebte, gegeben wurde, nicht beeindruckend und gut geeignet, um einen Blick in das künftige Leben in seinem tröstlichen Aspekt werfen zu lassen.”

Bemerkung: Die Lage von Herrn Demeure als Geist ist genau die, die sein so würdig und nützlich erfülltes Leben erahnen ließ. Aber eine andere, nicht weniger lehrreiche Tatsache geht aus diesen Mitteilungen hervor, nämlich die Tätigkeit, die er beinahe unmittelbar nach seinem Tod entwickelte, um nützlich zu sein. Durch seine hohe Intelligenz und seine moralischen Eigenschaften gehört er zur Ordnung der sehr fortgeschrittenen Geister. Er ist glücklich, aber sein Glück besteht nicht aus Untätigkeit. Einige Tage zuvor hatte er als Arzt Kranke behandelt und kaum war er befreit, eilte er hin und behandelte sie als Geist. Was gewinnt man denn davon, in der anderen Welt zu sein, werden gewisse Leute sagen, wenn man dort keine Ruhe genießt? Da wollen wir sie vor allem fragen, ob das nichts ist, keine Sorgen, keine Bedürfnisse, keine Gebrechen des Lebens mehr zu haben, frei zu sein und ohne Beschwerlichkeit den Raum mit der Schnelligkeit des Gedankens zu durcheilen, seine Freunde zu jeder Stunde zu besuchen, egal wie weit sie entfernt sind? Dem wollen wir dann noch hinzufügen: Wenn ihr einmal in der anderen Welt sein werdet, so wird euch nichts zwingen zu tun, was es auch sei. Es wird euch vollkommen freistehen, in seligem Müßiggang zu verharren, solange es euch gefällt. Aber ihr werdet dieser selbstsüchtigen Ruhe bald müde werden und die Ersten sein, die um eine Beschäftigung bitten. Dann wird man euch antworten: Wenn ihr euch beim Nichtstun langweilt, so sucht euch selbst etwas zu tun. An Gelegenheiten, sich nützlich zu machen, mangelt es in der Geisterwelt ebenso wenig wie unter den Menschen. So ist also die geistige Tätigkeit kein Zwang, sondern ein Bedürfnis, eine Genugtuung für die Geister, die eine Beschäftigung suchen, die im Verhältnis zu ihrem Geschmack und ihren Fähigkeiten steht und vorzugsweise eine solche wählen, die ihrem Fortschritt zugutekommen kann.


Die Witwe, Frau Foulon, gestorben am 3. Februar 1865 in Antibes, hatte lange in Havre gewohnt, wo sie sich den Ruf erworben hatte, eine sehr geschickte Miniaturmalerin zu sein. Ihre bemerkenswerte Begabung war anfänglich für sie nur eine Ablenkung aus Liebhaberei und als Zeitvertreib. Aber später, als schlechte Tage kamen, wusste sie für sich eine kostbare Hilfsquelle daraus zu machen. Was sie besonders liebens- und schätzenswert machte, was allen, die sie gekannt haben, ihr Andenken wertvoll sein lässt, war die anmutende Schönheit ihres Charakters; waren ihre verborgenen Eigenschaften, die nur diejenigen in vollem Ausmaß zu würdigen vermochten, die ihr privates Leben gekannt haben. Denn wie bei allen, bei denen der Sinn für das Gute angeboren ist, prahlte sie niemals damit; sie ahnte diesen nicht einmal bei sich. Wenn es jemanden gibt, auf den der Egoismus keinen Einfluss hatte, so war es zweifellos sie. Die Haltung der Aufopferung wurde vielleicht nie in größerem Maße weitergetragen. Immer bereit, ihre Ruhe, ihre Gesundheit, ihren Vorteil für diejenigen zu opfern, denen sie nützlich sein konnte, war ihr Leben eine lange Reihe von Hingabe, wie es von ihrer Jugend an nur eine lange Folge von rauen und harten, schweren Prüfungen gewesen ist, vor denen ihr Mut, ihre Ergebung und ihre Beharrlichkeit niemals versagt haben. Aber leider erlosch ihre Sehkraft, ermüdet durch ihre mühsame Arbeit von Tag zu Tag mehr; noch einige Zeit, und die schon sehr fortgeschrittene Blindheit wäre vollständig gewesen.

Als Frau Foulon die Spiritistische Lehre kennenlernte, war das für sie wie ein aufblitzender Lichtstrahl. Es schien ihr, als ob sich ein Schleier von etwas lüftete, das ihr nicht unbekannt gewesen war, von dem sie aber nur eine vage Ahnung hatte. Von da an studierte sie mit Eifer, aber gleichzeitig mit jener Klarheit des Geistes, jener Richtigkeit der Einschätzung, die eine Eigenschaft ihres scharfen Verstandes war. Man muss alle schmerzlichen Überraschungen ihres Lebens kennen. Überraschungen, die nicht von ihr selbst, sondern von Wesen, die ihr wichtig waren, verursacht wurden, um all die Tröstungen zu verstehen, die sie aus dieser erhabenen Offenbarung schöpfte, die ihr einen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft gaben und ihr die Nichtigkeit der irdischen Dinge zeigten.

Ihr Tod ist ihres Lebens würdig gewesen. Sie hat ihn ohne jede schmerzliche Furcht kommen sehen. Für sie war er die Befreiung von den irdischen Banden, die ihr jenes selige geistige Leben öffnen sollte, mit dem sie durch das Studium der Spiritistischen Lehre vertraut geworden war. Sie ist in Frieden gestorben, denn sie hatte das Bewusstsein, die Aufgabe, die sie bei Ankunft auf der Erde übernommen hatte, als Ehefrau und Mutter gewissenhaft ihren Pflichten nachgekommen zu sein, erfüllt zu haben. Hatte sie doch während ihres Lebens auch allem Groll gegen diejenigen abgeschworen, über die sie sich zu beklagen hatte und die sie mit Undank bezahlt hatten. Sie hatte ihnen immer Gutes für Böses erwiesen und das Leben verlassen, indem sie ihnen verzieh und für sich selbst auf die Güte und Gerechtigkeit Gottes baute. Sie ist letztendlich mit der Heiterkeit des Herzens gestorben, die aus einem reinen Bewusstsein und aus der Gewissheit entsprang, nun von ihren Kindern weniger getrennt zu sein als während des irdischen Lebens; da sie ja als Geist bei ihnen sein kann, an welchem Ort der Welt sie sich auch befinden, um ihnen mit ihrem Rat zu dienen und sie mit ihrem Schutz zu bedecken.

Sobald wir vom Tod von Frau Foulon erfuhren, war es unser erster Wunsch, uns mit ihr zu unterhalten. Die Beziehungen der Freundschaft und Sympathie, die die Spiritistische Lehre zwischen ihr und uns hatte entstehen lassen, erklären einige ihrer Aussagen und die Vertraulichkeit ihrer Ausdrucksweise.

I.

(Paris, 8. Februar 1865, 3 Tage nach ihrem Tod)

Ich war mir dessen sicher, dass Sie den Gedanken haben würden, mich kurz nach meiner Befreiung anzurufen und hielt mich bereit, Ihnen zu antworten. Denn die Verwirrung habe ich nicht kennengelernt; nur die, die sich ängstigen, werden in deren dichtes Dunkel eingehüllt.

Gut! Freunde, ich bin jetzt glücklich. Diese armen Augen, die schwach geworden waren und mir nur die Erinnerung an das Farbenspiel ließen, das meine Jugend mit seinem schillernden Glanz färbte, haben sich hier geöffnet und die strahlenden Landschaften wiedergefunden, die etliche eurer großen Künstler in wechselnden Abbildungen verherrlicht haben, deren erhabene Wirklichkeit aber, ernst und doch reizvoll wie sie ist, von der vollkommensten Wirklichkeit geprägt ist.

Ich bin erst vor drei Tagen gestorben und fühle, dass ich Künstlerin bin. Mein Bestreben nach der idealen Schönheit in der Kunst war nur die Intuition von Fähigkeiten, die ich erforscht und in anderen Inkarnationen erworben hatte und sich in meiner letzten irdischen Existenz entwickelt haben. Aber was muss ich tun, um ein Kunstwerk hervorzubringen, das der großen Darstellung würdig ist, das den Geist bei seiner Ankunft im Reich des Lichtes in Staunen versetzt! Pinsel her, Pinsel! Und ich will der Welt beweisen, dass die geistige Kunst die Krönung der heidnischen Kunst, der gefährdeten christlichen Kunst ist und dass allein der Spiritistischen Lehre der Ruhm vorbehalten ist, sie in all ihrem Glanz auf eurer enterbten Welt wiedererstehen zu lassen.

Genug von der Künstlerin! Nun ist die Freundin an der Reihe!

Warum, gute Freundin (Frau von Allan Kardec), betrüben Sie sich so über meinen Tod? Sie besonders, die Sie die Täuschungen und Bitterkeiten meines Lebens kennen, sollten sich im Gegenteil freuen, zu sehen, dass ich jetzt nicht mehr aus dem bitteren Kelch der irdischen Schmerzen trinken muss, den ich bis auf den Grund geleert habe. Glauben Sie mir, die Toten sind glücklicher als die Lebenden, und um sie zu trauern heißt: an der Wahrheit der Spiritistischen Lehre zu zweifeln. Sie, Freundin, werden mich wiedersehen; seien Sie sich dessen sicher! Ich bin als Erste gegangen, weil meine Aufgabe auf der Erde beendet war. Jeder hat die seinige auf Erden zu erfüllen, und wenn die Ihrige beendet sein wird, werden Sie kommen, um sich ein wenig bei mir auszuruhen. Wenn nötig, werden sie danach von neuem anfangen, weil es eben nicht in der Natur liegt, untätig zu bleiben. Jeder hat seine Bestrebungen und geht ihnen nach; das ist oberstes Gesetz, durch das die Macht des freien Willens bewiesen wird. Gute Freundin, auch brauchen wir gegenseitig Nachsicht und Liebe, sei es in der sichtbaren, sei es in der unsichtbaren Welt. Mit dieser Devise geht alles gut.

Sie sollten mir nicht sagen, dass ich aufhören solle. Wissen Sie, ich plaudere zum ersten Mal lange! Auch verlasse ich Sie für meinen außergewöhnlichen Freund, Herrn Kardec. Ich will ihm für die liebevollen Worte danken, die er gütig an eine Freundin gerichtet hat, die ihm ins Grab vorausgegangen ist. Denn beinahe wären wir ja zusammen in die Welt gereist, in der ich mich befinde, guter Freund. (Anspielung an die Krankheit, von der Dr. Demeure spricht.) Was würde die geliebte Gefährtin Ihrer Tage gesagt haben, wenn die guten Geister hier nicht Ordnung geschaffen hätten? Da würde sie geweint und geseufzt haben, und ich begreife das. Aber sie muss auch wachsam sein, dass Sie sich nicht von neuem der Gefahr aussetzen, ehe Sie Ihre Arbeit der Einpflanzung der Spiritistischen Lehre beendet haben. Ohne dies werden Sie Gefahr laufen, zu früh unter uns anzukommen und wie Mose das verheißene Land nur aus der Ferne zu sehen. Seien Sie also auf der Hut! Es ist eine Freundin, die Sie warnt.

Nun gehe ich weg; ich kehre zu meinen lieben Kindern zurück. Dann werde ich jenseits der Meere sehen, ob mein reisendes Schäfchen endlich im Hafen angelangt ist, oder ob es ein Spielball des Sturmes ist. (Eine ihrer Töchter, die in Amerika wohnte.) Mögen die guten Geister es beschützen; ich werde mich ihnen hierfür anschließen. Ich will wiederkommen, um mit Ihnen zu plaudern, Freund; denn ich bin eine unermüdliche Schwätzerin; ihr wisst's ja noch. Auf Wiedersehen also, ihr guten, lieben Freunde! Auf bald!

Witwe Foulon.

II.

(Paris, 8. Februar 1865)

Frage: Liebe Frau Foulon; ich bin recht erfreut von der Mitteilung, die Sie mir neulich haben machen lassen und von Ihrem Versprechen, unsere Unterhaltungen fortzusetzen.

Ich habe Sie in der Mitteilung vollkommen wiedererkannt. Sie sprachen da von Dingen, von denen das Medium nichts wusste und die nur von Ihnen kommen können. Sodann ist Ihre in Hinsicht auf uns so liebevolle Ausdrucksweise so recht die Ihrer liebenden Seele. Aber in Ihren Worten liegt eine Zuversicht, eine Bestimmtheit, eine Festigkeit, die ich zu Ihren Lebzeiten an Ihnen nicht wahrnahm. Sie wissen, dass ich mir diesbezüglich unter gewissen Umständen mehr als einmal eine Ermahnung erlaubt habe.

Antwort: Das ist wahr. Aber von da an, als ich gesehen habe, dass ich schwer krank war, habe ich meine geistige Festigkeit wiedererlangt. Sie war durch den Kummer und die Schicksale verloren gegangen, die mich während meines Lebens manchmal ängstlich gemacht hatten. Ich habe mir gesagt: Du bist Spiritistin; vergiss die Erde; bereite dich auf die Umgestaltung deines Wesens vor und schau mit dem Geistesblick auf den leuchtenden Pfad, den deine Seele beim Scheiden aus dem Körper verfolgen soll und der sie, die Beglückte, Befreite, in die himmlischen Gefilde führen wird, in denen du von nun an wohnen sollst.

Sie werden mir sagen, dass es von meiner Seite ein wenig anspruchsvoll war, beim Verlassen der Erde mit vollkommener Freude zu rechnen. Doch ich hatte so lange gelitten, wie ich meine Fehltritte aus dieser Inkarnation und aus den vorhergehenden hatte sühnen sollen. Diese Betrachtungsweise hatte mich nicht irregeführt und gerade sie hat mir den Mut, den Frieden und die Festigkeit der letzten Augenblicke wiedergegeben. Diese Festigkeit hat sich, wie das naheliegt, erhöht, als ich nach meiner Befreiung meine Hoffnungen verwirklicht gesehen habe.

Frage: Möchten Sie uns jetzt Ihren Übergang, Ihr Erwachen und Ihre ersten Eindrücke beschreiben?

Antwort: Ich habe gelitten, aber mein Geist ist stärker gewesen als das äußere Leiden, das er durch die Loslösung empfinden sollte. Ich habe mich nach dem letzten Seufzer gleichsam in einem Schwächeanfall befunden, hatte kein Bewusstsein von meinem Zustand, dachte an nichts und fühlte eine Art Schlafsucht, die weder den Schlaf des Leibes noch das Erwachen der Seele bedeutete. Dieser Zustand hat lange gewährt; dann, als ob ich aus einer langen Ohnmacht käme, bin ich allmählich inmitten von Brüdern erwacht, die ich nicht kannte. Sie wandten mir reichlich ihre Fürsorge und ihre Liebkosungen zu, zeigten mir einen Punkt im Raum, der einem glänzenden Stern glich, und sagten zu mir: "Dahin sollst du mit uns kommen; du gehörst nicht mehr der Erde an." Da habe ich mich erinnert, mich auf sie gestützt und wie eine holde Schar, die sich nach unbekannten Weltkreisen hinschwingt, aber mit der Gewissheit, dort die Seligkeit zu finden. So sind wir gestiegen, gestiegen, und der Stern wurde größer. Es war eine glückliche, eine höhere Welt, wo Ihre gute Freundin nun endlich Ruhe finden wird. Ich will sagen: Ruhe im Hinblick auf die körperlichen Beschwerden, die ich erduldet habe, und auf die Wechselfälle des irdischen Lebens, jedoch nicht geistige Teilnahmslosigkeit, denn geistige Tätigkeit ist ein Genuss.

Frage: Haben Sie die Erde endgültig verlassen?

Antwort: Ich lasse zu viele Wesen dort, die mir teuer sind, um sie jetzt schon endgültig zu verlassen. Ich werde also als Geist wiederkommen, denn ich habe eine Aufgabe bei meinen Enkeln zu erfüllen. Sie wissen ja von sonst her gut, dass sich dem kein Hindernis entgegenstellt, wenn Geister, die höhere Welten bewohnen, zur Erde kommen, um sie zu besuchen.

Frage: Die Lage, in der Sie sind, scheint Ihre Beziehungen zu denen abschwächen zu müssen, die Sie auf dieser Erde verlassen haben?

Antwort: Nein, Freund, die Liebe nähert die Seelen einander an. Glauben Sie mir, man kann auf der Erde denen, die die Vollendung erreicht haben, näher sein als denen, die ihre niedrige Gesinnung und Selbstsucht in dem irdischen Kreise herumwirbeln lässt. Wohlwollen und Liebe sind zwei Triebkräfte von mächtiger Anziehung. Dies ist das Band, das das Bindemittel für die Einigung einander anhänglicher Seelen hergibt und dieselbe trotz örtlicher Entfernung aufrechterhält. Nur für die materiellen Körper gibt es eine Entfernung, für die Geister gibt es keine.

Frage: Welche Vorstellung machen Sie sich gegenwärtig von meinen, die Spiritistische Lehre betreffenden Arbeiten?

Antwort: Ich finde, dass Sie eine Mission über Seelen haben und dass dessen Bürde schwer zu tragen ist; aber ich sehe das Ziel und weiß, dass Sie es erreichen werden. Ich werde Ihnen, wenn möglich, mit meinem geistigen Rat beistehen, damit Sie die Schwierigkeiten überwinden können, die man Ihnen bereiten wird, indem ich Sie nach Bedarf veranlassen werde, gewisse Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, die erneuernde Bewegung zu Ihren Lebzeiten in Gang zu bringen, zu der der Spiritismus den Anstoß gibt. Ihr Freund Demeure, zusammen mit dem "Geist der Wahrheit", wird Ihnen eine noch nützlichere Unterstützung geben. Er ist gelehrter und ernster als ich. Da ich aber weiß, dass der Beistand guter Geister Sie stark macht und in Ihrer Arbeit unterstützt, so glauben Sie, dass die meinige Ihnen überall und immer gesichert sein wird.

Frage: Man könnte aus einigen Ihrer Worte folgern, dass Sie dem Werk des Spiritismus keine eigene, sehr aktive Mitarbeit schenken.

Antwort: Sie irren sich. Jedoch sehe ich so viele andere Geister, die fähiger sind als ich, diese wichtige Frage zu behandeln, dass ein unbesiegbares Gefühl von Ängstlichkeit mich für den Augenblick hindert, Ihnen Ihren Wünschen entsprechend zu antworten. Das wird vielleicht kommen; ich werde mehr Mut und Tapferkeit haben; vorher aber muss ich Ihre Wünsche besser kennenlernen. Es sind erst vier Tage, seit ich gestorben bin; ich stehe noch unter der Wirkung des Strahlenkegels, der mich umgibt; Freund, begreifen Sie das nicht? Ich kann die neuen Gefühle nicht genügend ausdrücken, die ich empfinde. Ich musste mich zwingen, um mich der Bezauberung zu entreißen, die auf mein Wesen die Wunder, die es anstaunt, ausüben. Ich kann Gott in seinen Werken nur preisen und anbeten. Aber das wird vorübergehen; die Geister versichern mir, dass ich bald an all diese Herrlichkeit gewöhnt sein werde und dass ich dann mit geistiger Klarheit all die auf die irdische Erneuerung bezüglichen Fragen werde behandeln können. Sodann bedenken Sie bitte bei all dem, dass ich zu diesem Zeitpunkt besonders Angehörige trösten muss.

Leben Sie wohl; bald mehr! Ihre gute Freundin, die Sie liebt und Sie immer lieben wird, mein Meister; denn Ihnen hatte sie den einzigen dauernden und wahren Trost zu verdanken, den sie auf Erden empfunden hat.

Witwe Foulon.

III.

Die folgende Mitteilung wurde am 9. Februar für ihre Kinder gegeben.

Meine vielgeliebten Kinder, Gott hat mich aus eurer Mitte genommen, aber die Belohnung, die Er mir in Seinem Wohlwollen gewährt, ist recht groß im Vergleich zu dem Wenigen, das ich auf Erden getan habe. Gute Kinder, ergebt euch in den Willen des Höchsten. Schöpft aus allem, was ihr durch Seine Erlaubnis empfangen habt, die Kraft, die Prüfungen des Lebens zu ertragen. Haltet stets in eurem Herzen jenen Glauben fest, der so sehr meinen Übergang vom irdischen Leben in das, das uns beim Weggang aus dieser niedrigen Welt erwartet, erleichtert hat! Gott hat nach meinem Tod seine unerschöpfliche Güte über mich ausgebreitet, wie Er es wohlwollend getan hat, als ich auf Erden war. Dankt ihm für alle Wohltaten, die er euch gewährt. Preist ihn, Kinder, preist ihn allezeit, in jedem Augenblick! Verliert nie das Ziel aus den Augen, das euch gesetzt worden ist, noch den Weg, den ihr zu verfolgen habt! Überlegt, wie ihr die Zeit, die Gott euch auf Erden gewährt, nutzen könnt. Ihr werdet dort glücklich sein, meine Vielgeliebten, glücklich die einen durch die anderen, wenn unter euch Eintracht herrscht; glücklich durch eure Kinder, wenn ihr sie auf gutem Weg leitet und erzieht, auf dem, der euch durch Seine Gunst offenbart worden ist.

Oh, wenn ihr mich nicht sehen könnt, so wisst wohl, dass das Band, das uns auf der Erde vereinte, durch den physischen Tod nicht zerrissen ist! Denn nicht die Hülle verband uns, sondern der Geist. Deswegen, meine Lieben, werde ich euch durch die Güte des Höchsten noch immer leiten können und euch auf eurem Weg ermutigen, um uns später wieder zu vereinen.

Geht, meine Kinder, pflegt mit derselben Liebe diesen erhabenen Glauben! Schöne Tage sind für euch, die ihr glaubt, vorbehalten. Man hat es euch gesagt, aber auf Erden sollte ich diese nicht sehen. Von oben her will ich die glücklichen Zeiten beurteilen, die der gute, gerechte und barmherzige Gott versprochen hat.

Weint nicht, Kinder! Mögen diese Unterhaltungen eure Treue, eure Liebe zu Gott stärken, der so viele Gaben über euch ausgestreut und eurer Mutter so viele Male Hilfe geschickt hat! Bittet ihn stets; das Gebet macht stark! Führt das Leben, das Gott euch schenkt, entsprechend Seinen Weisungen, die ich so eifrig befolgte!

Ich werde wieder zu euch kommen, liebe Kinder, aber ich muss meine arme Tochter unterstützen, die mich noch so sehr braucht. Gott mit euch; auf bald! Glaubt an die Güte des Allmächtigen; ich erbitte es für euch. Auf Wiedersehen.

Witwe Foulon.

Bemerkung: Jeder ernste und erleuchtete Spiritist wird unschwer aus diesen Mitteilungen die Lehren ziehen, die daraus hervorgehen. Wir wollen die Aufmerksamkeit also nur auf zweierlei lenken. Das Erste ist, dass dieses Beispiel uns die Möglichkeit zeigt, auf der Erde nicht mehr inkarnieren zu müssen und von hier in eine höhere WeIt zu gehen, ohne deshalb von den geliebten Wesen getrennt zu werden, die man auf ihr zurücklässt. Diejenigen also, die die Reinkarnation wegen des Elends und Jammers des Lebens fürchten, können sich davon freimachen, indem sie tun, was notwendig ist, d.h. indem sie an ihrer Besserung arbeiten. Derjenige also, der nicht in den niederen Reihen ein Leben ähnlich dem der Pflanze führen will, muss sich unterrichten und arbeiten, um zu einer höheren Stufe zu gelangen.

Das Zweite ist die Bestätigung jener Wahrheit, dass wir nach dem Tod weniger von unseren Lieben getrennt sind, als während des Lebens. Frau Foulon, die durch Alter und Gebrechen in einer kleinen Stadt des Südens bleiben musste, hatte nur einen Teil ihrer Lieben bei sich. Die Mehrzahl ihrer Kinder und ihrer Freunde waren weithin verstreut und durch äußere Hindernisse war es nicht möglich, dass sie diese so oft sehen konnte, wie die einen und die anderen es gewünscht hätten. Die große Entfernung machte für einige sogar den Briefwechsel selten und schwierig. Kaum war sie von ihrer Hülle befreit, ging sie, leicht wie sie ist, zu jedem, überwindet die Entfernungen mit der Geschwindigkeit der Elektrizität ohne Beschwerlichkeit, schaut nach ihnen, wohnt ihren vertrauten Zusammenkünften bei, umgibt sie mit ihrem Schutz und kann, mit Hilfe der Medialität, sich mit ihnen in jedem Augenblick unterhalten wie zu ihren Lebzeiten. Und was soll man nun dazu sagen, dass es Leute gibt, die diesem tröstlichen Gedanken die Vorstellung einer endlosen Trennung vorziehen!


Ein russischer Arzt

Herr P… war Arzt in Moskau. Aufgrund seines hervorragenden moralischen Charakters und seines Wissens war er sehr angesehen. Die Person, die ihn anrief, kannte ihn nur vom Hörensagen und stand nur indirekt in Beziehung zu ihm. Die ursprüngliche Mitteilung erfolgte in russischer Sprache.

Frage (nach der Anrufung): Sind Sie hier?

Antwort: Ja. Am Tag meines Todes habe ich Sie mit meiner Gegenwart verfolgt, aber Sie haben all meinen Versuchen, Sie zum Schreiben zu bringen, widerstanden. Ich hatte Ihre Worte über mich gehört und das ließ mich Sie erkennen. Da hatte ich den Wunsch, mich mit Ihnen zu unterhalten, um Ihnen nützlich zu sein.

Frage: Warum haben Sie, der Sie so gut waren, so viel gelitten?

Antwort: Es war die Güte des Herrn, der mich dadurch den Wert meiner Befreiung doppelt hat fühlen lassen und bewirken wollte, dass ich hier auf der Erde so weit wie möglich voranschreite.

Frage: Hat Sie der Gedanke an den Tod erschreckt?

Antwort: Nein, dafür war mein Glaube an Gott zu stark.

Frage: Ist die Trennung schmerzlich gewesen?

Antwort: Nein, was Ihr den letzten Augenblick nennt, ist nichts. Ich habe nur ein sehr kurzes Krachen verspürt und bald danach habe ich mich sehr glücklich gefühlt, dass ich meinen armseligen Körper los war.

Frage: Was ist danach geschehen?

Antwort: Ich hatte die Freude zu sehen, dass viele meiner Freunde mir entgegenkamen und mich willkommen hießen, insbesondere diejenigen, bei denen ich die Befriedigung hatte zu helfen.

Frage: Welche Gegend bewohnen Sie? Sind Sie auf einem Planeten?

Antwort: Alles, was kein Planet ist, ist das, was ihr den leeren Raum nennt; genau da bin ich. Aber wie viele Abstufungen gibt es in dieser Unermesslichkeit, wovon der Mensch sich keine Vorstellung machen kann! Wie viele Sprossen auf dieser Jakobsleiter, die von der Erde bis zum Himmel reicht, nämlich von der Erniedrigung der Inkarnation in einer niederen Welt, wie es die Eure ist, bis zur vollständigen Vervollkommnung der Seele! Dorthin, wo ich bin, gelangt man nur nach vielen Prüfungen, d.h. nach vielen Inkarnationen.

Frage: Bei dieser Rechnung müssen Sie schon viele Inkarnationen gehabt haben?

Antwort: Wie könnte es anders sein? Nichts ist eine Ausnahme in der unwandelbaren, von Gott errichteten Ordnung. Die Belohnung kann nur nach dem im Kampf errungenen Sieg kommen. Und wenn diese groß ist, so muss es der Kampf folgerichtig auch gewesen sein. Aber das menschliche Leben ist so kurz, dass der Kampf nur in Zeitspannen ein wirklicher ist, und diese Abstände sind die verschiedenen, aufeinanderfolgenden Existenzen. Da ich nun schon auf einer der höheren Sprossen stehe, so ist es sicher, dass ich dieses Glück durch eine fortlaufende Reihe von Kämpfen erreicht habe, in denen ich durch Gottes Gnade manchmal den Sieg davontrug.

Frage: Worin besteht Ihr Glück?

Antwort: Es ist schwieriger, Ihnen dies verständlich zu machen. Das Glück, das ich genieße, ist eine tiefe Zufriedenheit; nicht aufgrund meiner Verdienste, das wäre Hochmut, und Hochmut ist Sache der niederen Geistwesen, sondern eine Zufriedenheit, die sozusagen in der Liebe Gottes und in der Dankbarkeit für seine unendliche Güte eingetaucht ist. Es ist die große Freude, das Gute, die wahre Fürsorge zu sehen, sich zu sagen: vielleicht habe ich zur Besserung einiger von denen beigetragen, die sich zu Gott, dem Herrn, erhoben haben. Man ist mit dem Wohlbefinden gleichsam verbunden; es ist eine Art Verschmelzung des Geistes und der göttlichen Güte. Man hat die Gabe, die mehr geläuterten Geister zu sehen, sie in ihren Missionen zu verstehen und zu wissen, dass man auch selbst dahin gelangen wird. Man sieht in der unermesslichen Unendlichkeit die Gebiete, die so vom göttlichen Feuer strahlen, dass man geblendet wird, selbst wenn man sie durch den Schleier betrachtet, der sie noch bedeckt. Aber was sage ich Ihnen? Verstehen Sie meine Worte? Dieses Feuer, von dem ich spreche, glauben Sie, dass es z.B. der Sonne ähnlich ist? Nein, nein, es ist etwas, das für den Menschen nicht zu beschreiben ist, weil Worte nur der Ausdruck für die Gegenstände sind, die materiellen oder übersinnlichen Dinge, von denen er durch die Erinnerung oder die innere Wahrnehmung seiner Seele Kenntnis hat, während er diese Erinnerung nicht vom völlig Unbekannten haben kann und es darum keine Bezeichnungen gibt, die ihm davon einen Begriff geben könnten. Beachtet aber: Es ist schon ein sehr großes Glück, denken zu dürfen, man könne endlos aufsteigen.

Frage: Sie waren so freundlich, mir zu sagen, dass Sie mir nützlich sein wollten; worin bitte?

Antwort: Ich kann Ihnen bei Ihren Mängeln helfen, Sie bei Ihren Schwächen stützen, Sie in Ihrem Kummer trösten. Wenn Ihr Glaube aufgrund einer für Sie beunruhigenden Erschütterung ins Wanken gerät, rufen Sie mich! Gott wird mir Worte geben, um Sie an Ihn, den Ewigen, zu erinnern und Sie zu Ihm zurückzuführen. Wenn Sie unter dem Gewicht der Neigungen, die Sie selbst als strafbar erkennen, kurz vor einer Niederlage stehen, so rufen Sie mich! Ich will Ihnen helfen, Ihr Kreuz zu tragen, so wie man damals Jesus half, das Seine zu tragen, jenes, das uns so laut die Wahrheit und die barmherzige Liebe verkünden sollte. Wenn Sie unter der Last Ihres Kummers schwach werden, wenn Verzweiflung sich Ihrer bemächtigt, rufen Sie mich! Ich will kommen und Sie aus diesem Abgrund ziehen, indem ich von Geist zu Geist zu Ihnen spreche, Sie zu den Pflichten zurückrufe, die Ihnen auferlegt wurden - nicht aufgrund von gesellschaftlichen oder materiellen Erwägungen, sondern durch die Liebe, die Sie durch mich fühlen werden. Eine Liebe, die Gott in mein Wesen gelegt hat, damit sie auf diejenigen übertragen werde, die Er retten kann.

Zweifellos haben Sie Freunde auf der Erde. Diese teilten vielleicht Ihre Schmerzen und haben Sie vielleicht schon einmal gerettet. Sie, Werte, gehen in Ihrem Kummer aus, um jene zu finden und wollen Ihre Klagen und Tränen zu ihnen tragen. Und die Freunde geben Ihnen als Gegenleistung für diese Liebesbekundung Ratschläge, Hilfe und Liebkosungen. Nun, denken Sie nicht, dass ein Freund von hier auch etwas Gutes ist? Ist es nicht tröstlich, sich sagen zu können: Wenn ich einmal sterbe, so werden meine Freunde von der Erde an meinem Bett stehen, für mich beten und um mich weinen, aber meine Freunde aus der geistigen Welt werden an der Schwelle des Lebens stehen und lächelnd kommen, um mich an den Ort zu führen, den ich durch meine Tugenden verdient habe?

Frage: Womit habe ich denn den Schutz verdient, den Sie mir freundlicherweise gewähren wollen?

Antwort: Hören Sie, warum ich seit dem Tag meines Todes an Ihrer Seite bin! Ich habe gesehen, dass Sie eine Spiritistin, ein gutes Medium und eine aufrichtige Anhängerin sind. Unter denen, die ich hier auf der Erde zurückließ, habe ich zunächst nur Sie gesehen. Da habe ich mich entschlossen zu kommen, um zu Ihrem Voranschreiten beizutragen, sicherlich zu Ihrem Vorteil, aber noch mehr zum Vorteil all derer, zu denen Sie berufen sind, sie in der Wahrheit zu unterrichten. Sie sehen, Gott liebt Sie so sehr, um Sie zur Gesandten zu machen. Alle um Sie herum teilen nach und nach Ihre Ansichten. Die Widerwilligsten hören Sie wenigstens an, und eines Tages werden auch sie Ihnen glauben. Werden Sie nicht müde, schreiten Sie immer voran, trotz der Steine, die auf dem Weg liegen: Nehmen Sie mich als Stütze in der Schwachheit!

Frage: Ich wage nicht zu glauben, dass ich eine so große Gunst verdiene.

Antwort: Sicher sind Sie noch weit entfernt von der Vollkommenheit. Aber Ihr brennendes Verlangen, die gesunden Lehren zu verbreiten, den Glauben derer zu stützen, die auf Sie hören, Mitgefühl, Güte und Wohlwollen zu predigen, selbst wenn man sich gegen Sie schlecht benimmt, Ihr Widerstand gegen ihre Wutausbrüche, die Sie denen gegenüber, die Sie betrüben oder Ihre Absichten verkennen, so leicht befriedigen könnten - das alles vermag glücklicherweise als Ausgleich zu dem dienen, was Sie Schlechtes in sich tragen. Und wissen Sie: Das Verzeihen ist ein mächtiges Gegengewicht!

Gott überhäuft Sie mit Seinen Gnaden durch die Fähigkeit, die Er Ihnen gibt und deren Erweiterung durch Ihre Anstrengungen eben von Ihnen abhängt, damit Sie wirksam zum Wohle des Nächsten arbeiten. Ich werde Sie nun verlassen, aber zählen Sie auf mich! Versuchen Sie, Ihre irdischen Gedanken einzuschränken und öfter bei Ihren Freunden von hier zu sein!

P …


Bernardin

(Bordeaux, April 1862)

Ich bin ein seit vielen Jahrhunderten vergessener Geist. Ich habe auf Erden in Elend und Schmach gelebt, habe ohne Unterlass gearbeitet, um den Meinen täglich ein unzureichendes Stück Brot zu bringen. Aber ich liebte meinen wahrhaftigen Herrn, und wenn Er, der mir auf Erden Last auferlegte, meine Schmerzenslast stärker werden ließ, so sprach ich: Mein Gott, gib mir Kraft, diese Bürde zu tragen, ohne mich zu beklagen! Ich sühnte, liebe Freunde. Aber als ich aus dieser rauen Prüfung herauskam, hat mich der Herr in den Frieden aufgenommen und mein liebster Wunsch ist es, euch alle um mich zu vereinen, meine Kinder, meine Geschwister, und zu euch zu sprechen: Welchen Wert ihr ihm auch geben mögt, das Glück, das euch erwartet, geht noch weit darüber hinaus.

Ich gehörte keinem Stand an. Als Sohn eines zahlreichen Hauskreises habe ich jedem gedient, der mir dabei helfen konnte, mein Leben zu ertragen. Geboren in einer Zeit, in der die Sklaverei entsetzlich war, habe ich alle Ungerechtigkeiten, Frondienste und Beschwerden ertragen, die die Untergebenen des Herrn beliebten, mir aufzuerlegen. Ich habe gesehen, wie meine Frau beschimpft wurde, wie mir meine Töchter weggenommen und dann wieder verstoßen wurden, ohne dass ich mich beklagen durfte. Ich habe gesehen, wie meine Söhne in Plünderungskriege und Verbrechen geführt wurden und wie sie für Fehltritte, die sie nicht begangen hatten, aufgehängt wurden. Wenn ihr wüsstet, arme Freunde, was ich in meiner zu langen Existenz ausgestanden habe! Aber ich wartete, ich wartete auf ein Glück, das nicht auf der Erde wohnt, und der Herr hat es mir gewährt. Euch allen also, meine Geschwister, wünsche ich Mut, Geduld und Ergebenheit.

Mein Kind, du magst bewahren, was ich dir gegeben habe, das ist eine nützliche Lehre. Man hört denjenigen, der predigt, weit lieber an, wenn er sagen kann: Ich habe mehr ertragen als ihr, ich habe ertragen, ohne mich zu beklagen. Frage: In welchem Zeitraum lebten Sie?

Antwort: Von 1400 bis 1460.

Frage: Haben Sie seitdem eine andere Existenz gehabt?

Antwort: Ja, ich habe nochmals als Missionar unter euch gelebt, als Missionar des Glaubens, aber des wahren, des reinen, jenem, der aus der Hand Gottes kommt und nicht dem, den die Menschen euch gemacht haben.

Frage: Haben Sie als Geist zurzeit noch Beschäftigungen?

Antwort: Könntest Du etwa glauben, dass die Geister untätig bleiben? Untätigkeit und Nutzlosigkeit wäre für sie eine harte Strafe. Meine Aufgabe ist es, Arbeitsgruppen zur Spiritistischen Lehre hinzuführen. Ich flöße ihnen gute Gedanken ein und bemühe mich, jene unschädlich zu machen, die böse Geister ihnen einzuflüstern versuchen.

Bernardin


Gräfin Paula

Sie war eine schöne, reiche und junge Frau, von Geburt an gesellschaftlich angesehen und außerdem ein vollendetes Beispiel aller Werte des Geistes und des Herzens. Sie starb 1851, im Alter von 36 Jahren. Sie gehörte zu den Personen, deren Grabrede sich in aller Munde in diese Worte zusammenfassen lässt: "Warum entreißt Gott solche Menschen so früh von der Erde?" Selig sind diejenigen, die es ermöglichen, dass man ihr Andenken so achtet! Sie war gut, sanft und nachsichtig mit jedem, immer bereit, Böses zu entschuldigen oder abzuschwächen, statt es zu vergiften. Nie hat die Verleumdung ihre Lippen beschmutzt. Sie behandelte ihre Untergebenen ohne Stolz und Hochmut mit einem Wohlwollen, das nichts von gewöhnlicher Vertrautheit an sich hatte. Und sie zeigte sich ihnen gegenüber auch nicht in einer anmaßenden oder demütigend beschützenden Art. Sie verstand, dass Menschen, die von ihrer Arbeit leben, nicht durch Zinseinnahmen beglückt sind und dass das Geld, das ihnen zusteht, benötigt wird, sei es für ihren gesellschaftlichen Status oder ihren Lebensunterhalt, und so blieb sie ihnen niemals einen Lohn schuldig. Der Gedanke, dass jemand durch ihre Schuld unter der ausbleibenden Zahlung Not leiden könnte, hätte ihr Gewissensbisse bereitet. Sie gehörte nicht zu den Leuten, die immer Geld finden, um ihre Launen zu befriedigen und dieses niemals haben, um zu bezahlen, was sie schuldig sind. Sie begriff nicht, wie es für einen Reichen zum guten Geschmack gehören könnte, Schulden zu haben, und sie hätte sich gedemütigt gefühlt, wenn man hätte sagen können, ihre Lieferanten seien genötigt, ihr Vorschusszahlungen zu geben. Außerdem gab es bei ihrem Tod nur aufrichtiges Bedauern und keine Rückforderung.

Ihre Wohltätigkeit war unerschöpflich, aber das war nicht jene offenkundige Wohltätigkeit, die sich am helllichten Tage zur Schau stellt. Bei ihr war es die Anteilnahme des Herzens und keine Prahlerei. Gott allein kennt die Tränen, die sie getrocknet und die Leiden, die sie gelindert hat. Denn diese guten Taten hatten nur Gott und die Unglücklichen, denen sie beistand, als Zeugen. Sie verstand es besonders, jenes versteckte Unglück zu entdecken, das das Qualvollste ist, und dem sie mit einem Mitgefühl zu Hilfe kam, das die Moral wieder anhob, anstatt sie niederzudrücken.

Ihr Rang und die hohen Ämter ihres Gatten zwangen sie, einen Haushalt zu führen, den sie nicht einschränken durfte. Während sie aber den Anforderungen ihrer Stellung ohne Geiz nachkam, brachte sie eine Ordnung in den Haushalt hinein, indem sie unnütze Verschwendung und überflüssige Ausgaben vermied. Dies erlaubte ihr, den Ansprüchen mit der Hälfte dessen zu genügen, was es andere gekostet hätte, ohne dass diese deshalb mehr getan hätten.

So konnte sie von ihrem Vermögen einen größeren Teil für die Bedürftigen verwenden. Sie hatte davon einen bedeutenden Geldbestand zurückgelegt, dessen Ertrag ausschließlich für diese ihr heilige Verwendung bestimmt war, und betrachtete es so, als was sie weniger für ihr Haus auszugeben hatte. Auf diese Weise fand sie eine Möglichkeit, ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft und die gegenüber dem Leid miteinander in Einklang zu bringen. (Man kann sagen, dass diese Dame das lebende Abbild einer wohltätigen Frau darstellte, so wie es im "Evangelium aus der Sicht des Spiritismus" in Kap. 13, beschrieben ist.)

Zwölf Jahre nach ihrem Tod, angerufen durch einen dem Spiritismus zugewandten Verwandten, teilte sie als Antwort auf verschiedene an sie gestellte Fragen Folgendes mit: (Wir entnehmen dieser Mitteilung, die ursprünglich in deutscher Sprache gegeben wurde, nur diejenigen Abschnitte, die für das Thema, das uns beschäftigt, lehrreich sind, und lassen weg, was nur häuslichen und familiären Anliegen dient.)

"Sie haben Recht, mein Freund, wenn Sie denken, ich sei glücklich. Ich bin es wirklich, weit über das hinaus, was man in Worte fassen kann, und doch bin ich noch weit von der obersten Leitersprosse entfernt. Ich war dennoch eine unter den Glücklichen der Erde, denn ich erinnere mich nicht, wirklichen Kummer empfunden zu haben. Jugend, Gesundheit, Vermögen, Anerkennung, alles hatte ich, was unter euch die Glückseligkeit ausmacht. Doch was ist dieses Glück neben demjenigen, das man hier genießt? Was sind schon eure glänzendsten Feste, wo sich der reichste Schmuck zur Schau stellt, im Vergleich zu den Versammlungen von Geistwesen, die in einem Glanz erstrahlen, den euer Blick nicht ertragen könnte und der ein Erbteil der Reinheit ist? Was sind eure Paläste und eure in Gold schimmernden Säle gegen die luftigen Wohnungen, die weiten Gefilde des Raumes, bunt von Farben, die den Regenbogen verblassen lassen würden? Was sind eure Spaziergänge mit abgezählten Schritten in euren Parkanlagen gegen die Bewegung durch das Unermessliche, die schneller ist als der Blitz? Was sind eure begrenzten, nebligen Horizonte gegen das großartige Schauspiel der Welten, die sich im grenzenlosen All unter der mächtigen Hand des Allerhöchsten bewegen? Wie ist eure klangreichste Musik traurig und schrill gegen jene süße Harmonie, die die Fluide des Äthers der Himmelsluft und alle Fasern der Seele in Schwingung versetzt? Wie traurig und fad sind eure größten Freuden gegen die unaussprechliche Empfindung von Glück, die unaufhörlich unser ganzes Wesen wie eine angenehme Strömung durchdringt, ohne Beimengung irgendeiner Unruhe, Furcht oder eines Leides? Hier atmet alles Liebe, Vertrauen und Aufrichtigkeit aus. Überall sind liebende Herzen und Freunde, nirgends Neider und Eifersüchtige. So ist die Welt, in der ich bin, mein Freund, und in die Sie zweifellos gelangen werden, wenn Sie den rechten Weg verfolgen.

Jedoch würde man eines monotonen Glücks bald überdrüssig werden. Glauben Sie nicht, unseres wäre vom Entwicklungsgesetz ausgenommen! Es ist weder eine ständige Musik noch eine endlose Feier oder selige Sicht durch die Ewigkeit, nein, es ist Bewegung, Leben, Tätigkeit. Obwohl sie nicht beschwerlich sind, bringen die Beschäftigungen eine unaufhörliche Vielfalt von körperlichen und gefühlsmäßigen Eindrücken mit sich, durch die tausend Zwischenfälle, von denen sie durchsetzt sind. Jeder hat seine Mission zu erfüllen, seinen Schützlingen beizustehen, Freunde auf der Erde zu besuchen, Mechanismen der Schöpfung zu leiten, leidende Seelen zu trösten. Man geht und man kommt, nicht von einer Straße in die andere, sondern von einer Welt in eine andere. Man versammelt sich, man trennt sich, um sich danach wieder zu vereinen. Man trifft sich an einem Punkt, teilt sich mit, was man getan hat und beglückwünscht sich zu den erzielten Erfolgen. Man verabredet sich und steht sich in schwierigen Fällen gegenseitig bei. Kurzum, ich versichere Ihnen, keiner hat Zeit, sich eine Sekunde lang zu langweilen.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Erde unser großes Arbeitsfeld. Was für eine Bewegung unter den Geistern! Welche zahllosen Scharen strömen dorthin, um zu ihrer Umgestaltung beizutragen! Man möchte sagen: Eine Welle von Arbeitern ist unter der Leitung erfahrener Führer damit beschäftigt, einen Wald zu roden. Die einen fällen die alten Bäume mit der Axt und reißen die tiefen Wurzeln heraus, die anderen räumen auf. Diese ackern und säen, jene erbauen die neue Stadt über den von Würmern zerfressenen Trümmern der alten Welt. Währenddessen versammeln sich die Leiter, beraten sich und schicken Boten aus, um Befehle in alle Richtungen zu geben. Die Erde muss in einer vorgegebenen Zeit erneuert werden, die Absichten der Vorsehung müssen sich erfüllen. Deshalb ist jeder an der Arbeit. Glauben Sie nicht, ich sei bloß Zuschauerin bei dieser großen Arbeit. Ich würde mich schämen, untätig zu bleiben, wenn jeder beschäftigt ist. Mir ist eine wichtige Mission anvertraut, und ich bemühe mich, sie so gut ich vermag zu erfüllen.

Ich bin nicht ohne Kämpfe zu der Stufe gelangt, die ich im geistigen Leben einnehme. Glauben Sie mir, meine letzte Existenz hätte dafür nicht gereicht, so verdienstvoll sie Ihnen erscheinen mag. Während mehrerer Inkarnationen habe ich Prüfzeiten der Arbeit und des Elends durchlaufen, die ich freiwillig gewählt hatte, um meine Seele zu stärken und zu läutern. Ich habe das Glück gehabt, siegreich daraus hervorzugehen. Aber es blieb eine übrig, der ich mich unterziehen musste, die klippenreichste von allen: Die des Glücks und des materiellen Wohlbefindens, eines Wohlergehens ohne Beimischung von Bitterkeit, da lag die Gefahr. Ehe ich sie einging, wollte ich mich stark genug fühlen, um nicht zu unterliegen. Gott hat meinen guten Absichten Rechnung getragen und mir die Gnade erwiesen, mich aufrechtzuerhalten. Viele andere Geister, durch den Schein verführt, beeilen sich, diese Prüfung zu wählen; sie sind zu schwach, um der Gefahr zu trotzen! So siegt die Verführung über deren Unerfahrenheit.

Arbeiter, ich habe in euren Reihen gestanden. Ich, die vornehme Dame, habe mein Brot wie ihr im Schweiße meines Angesichts verdient. Ich habe Entbehrungen ertragen, habe unter den Widrigkeiten der Witterung gelitten, und genau das hat die männlichen Kräfte meiner Seele entwickelt. Ohne das hätte ich bei meiner letzten Prüfung wahrscheinlich versagt, was mich in meiner Weiterentwicklung recht weit zurückgeworfen hätte. Wie ich werdet auch ihr eine Prüfzeit des Glücks durchlaufen, aber beeilt euch nicht, zu früh um sie zu bitten. Und ihr, die ihr reich seid, seid euch immer darüber im Klaren, dass das wahre, das unvergängliche Glück nicht auf der Erde ist und begreift, zu welchem Preis ihr die Wohltaten des Höchsten verdienen könnt.”

Paula, auf Erden Gräfin von …


Jean Reynaud

(Spiritistische Gesellschaft Paris, spontane Mitteilung)

“Oh Freunde, wie prächtig ist dieses neue Leben! Einem Lichtstrom ähnlich reißt es in seinem unvermessenen Lauf die von der Unendlichkeit erfüllten Seelen dahin.

Nach der Trennung der fleischlichen Bande haben meine Augen die neuen Horizonte umfasst, die mich umgeben, und sich an den glänzenden Wundern der Unendlichkeit erfreut. Ich bin in der strahlenden Materie angekommen, die den Allmächtigen ankündigt. Ich bin gerettet, nicht durch das Verdienst meiner Werke, sondern durch die Kenntnis des ewigen Prinzips, das mich die Fehler hat vermeiden lassen, die die Unwissenheit der armen Menschheit prägen. Mein Tod ist gepriesen worden. Meine Biografen werden ihn als zu früh beurteilen, die Blinden! Sie werden einige aus Staub geborene Schriften vermissen und nicht begreifen, wie sehr das bisschen Lärm, das um mein halb geschlossenes Grab entsteht, nützlich für die heilige Sache der Spiritistischen Lehre ist. Mein Werk ist zu Ende, die mir vorausgingen, hatten dieselbe Laufbahn. Ich hatte jenen Höhepunkt erreicht, wo der Mensch das Beste gegeben hat, das er hatte, und wo er nicht mehr tun kann als von vorne anzufangen. Mein Tod belebt wieder die Aufmerksamkeit der Gelehrten und lenkt sie auf mein Hauptwerk zurück, das die große spiritistische Frage berührt, bei der sie tun, als würden sie diese nicht kennen, und in deren Schlingen sie bald gefangen sein werden, Gott sei gelobt! Unterstützt von den höheren Geistern, die die neue Lehre beschützen, will ich einer der Aufklärer sein, die eure Bahn abstecken.”

Jean Reynaud

(Paris, Hauskreis, eine andere spontane Mitteilung)

1. Der Geist erwidert eine über seinen unerwarteten Tod angestellte Betrachtung, der in einem wenig fortgeschrittenen Alter erfolgte und viele überraschte.

"Wer sagt Ihnen, dass mein Tod nicht eine Wohltat für die Spiritistische Lehre sei, für ihre Zukunft, für ihre Folgen? Haben Sie, mein Freund, den Weg bemerkt, den der Fortschritt verfolgt, den Kurs, den der spiritistische Glaube nimmt? Gott hat von Anfang an materielle Beweise gegeben: Tanzen der Tische, Klopftöne und alle Arten von Erscheinungen. Das geschah, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Es war ein belustigendes Vorwort. Die Menschen benötigen greifbare Beweise, um zu glauben. Nun ist es etwas ganz anderes. Nach den äußeren Tatsachen spricht Gott zur Einsicht, zum gesunden Verstand und zur kalten Vernunft. Es sind keine Wundertaten mehr, sondern der Vernunft sich zuwendende Dinge, die selbst die Ungläubigen, darunter die hartnäckigsten, überzeugen und zusammenbringen sollen. Und das ist erst der Anfang. Bemerken Sie wohl, was ich Ihnen sage: Eine ganze Reihe von aufschlussreichen, unwiderlegbaren Tatsachen werden einander folgen, und die Zahl der Anhänger des spiritistischen Glaubens, die bereits so groß ist, wird noch zunehmen. Gott wird sich dabei an die auserlesensten Köpfe, an die Spitzen des Geistes, der Begabung und des Wissens halten. Das wird ein strahlender Kreis sein, der sich über die ganze Erde ausbreiten wird, wie ein unwiderstehliches, magnetisches Fluidum, und den Widerspenstigsten einen Anstoß geben wird zur Erforschung des Weltalls, zur Ergründung dieser wunderbaren Wissenschaft, die uns so erhabene Grundsätze lehrt. Alle werden sich um euch scharen und indem sie auf das Diplom des Genies, das ihnen verliehen wurde, verzichten, werden sie sich demütig und klein machen, um zu lernen und sich zu überzeugen. Später dann, wenn sie gut unterrichtet und überzeugt sein werden, werden sie sich ihres Ansehens und der Bekanntheit ihres Namens bedienen, um noch weiter Antrieb und Anstoß zu geben und die letzten Grenzen des Ziels zu erreichen, das ihr euch alle gesetzt habt: Die Erneuerung der menschlichen Spezies durch die gründliche und vertiefte Kenntnis der vergangenen und der künftigen Inkarnationen. Das ist meine aufrichtige Meinung über den gegenwärtigen Stand der Spiritistischen Lehre.”

(Bordeaux)

Anrufung: Ich folge mit Vergnügen Ihrem Ruf, gnädige Frau. Ja, Sie haben Recht; die geistige Verwirrung hat für mich sozusagen nicht bestanden (dies war die Antwort auf einen Gedanken des Mediums). Als freiwilliger Verbannter auf eurer Erde, wo ich den ersten ernsthaften Samen der großen Wahrheiten auszusäen hatte, die die Welt in diesem Augenblicke umhüllen, hatte ich immer ein Bewusstsein vom Vaterland und habe mich inmitten meiner Brüder schnell wiedererkannt.

Frage: Ich danke Ihnen, dass Sie die Güte hatten zu kommen. Ich hätte jedoch nicht geglaubt, dass mein Wunsch, mich mit Ihnen zu unterhalten, Einfluss auf Sie hat. Es muss notwendigerweise eine so große Verschiedenheit zwischen uns bestehen, dass ich nur mit großem Respekt daran denke.

Antwort: Danke für diese gute Meinung, mein Kind! Aber Sie müssen auch wissen, welchen Abstand immerhin mehr oder minder zutreffend, mehr oder minder glücklich vollbrachte Prüfungen zwischen uns erzeugen können, gibt es dennoch ein mächtiges Band, das uns vereint: Sympathie, und dieses Band haben Sie durch Ihr beständiges Denken enger geknüpft.

Frage: Obwohl viele Geistwesen ihre ersten, nach dem Wiedererwachen folgenden Gefühle erläutert haben, würden Sie dennoch wohl die Güte haben, mir zu sagen, was sie empfanden, als Sie Klarheit gewonnen haben, und wie sich die Trennung Ihres Geistes und Ihres Körpers vollzogen hat?

Antwort: Wie bei allen. Ich habe gefühlt, wie der Zeitpunkt der Befreiung näher rückte. Aber weil ich glücklicher als viele bin, hat sie bei mir keine Angst verursacht, da ich ihre Ergebnisse kannte, obwohl sie noch größer waren, als ich es dachte. Der Körper ist eine Fessel für die geistigen Fähigkeiten, und welche Einsicht man sich auch immer behalten hat, wird diese durch die Berührung mit der Materie immer mehr oder minder erstickt. Ich bin in der Hoffnung auf ein glückliches Erwachen eingeschlafen. Der Schlaf ist kurz gewesen, die Verwunderung grenzenlos. Der himmlische Glanz, der sich vor meinen Blicken ergoss, erstrahlte in seiner vollen Pracht. Mein verwunderter Blick tauchte in die Unermesslichkeiten dieser Welten, deren Dasein und Bewohnbarkeit ich beteuert hatte. Es war eine Spiegelung, die mir die Wahrheit meiner Empfindungen entschleierte und bestätigte. Der Mensch fühlt sich nur durch Selbstbetrug sicher. Wenn er redet, gibt es im Grunde seines Herzens Augenblicke des Zweifels und der Ungewissheit. Er misstraut sich, wenn nicht bezüglich der Wahrheit, die er verkündet, so doch oft den unvollkommenen Mitteln, die er anwendet, um sie zu beweisen. Überzeugt von der Wahrheit, die dich zugegeben sehen wollte, habe ich oft zu kämpfen gehabt gegen mich selbst, gegen die Entmutigung, die darin liegt, zu sehen und sozusagen die Wahrheit zu berühren und sie denen nicht greifbar machen zu können, die es so sehr nötig hätten, daran zu glauben, um sicher auf dem Weg zu schreiten, dem sie folgen müssen.

Antwort: Zwischen Bekennen und Ausüben ist ein großer Unterschied. Viele Leute bekennen sich zu einer Lehre, ohne sie auszuüben. Ich übte aus und bekannte nicht. Ebenso wie jeder Mensch ein Christ ist, der die Gesetze des Christus befolgt, selbst ohne sie zu kennen, kann auch jeder Mensch Spiritist sein, der an die Existenz seiner unsterblichen Seele glaubt, an ihre erneuten Inkarnationen, an ihren unaufhörlichen Fortschritt, an ihre irdischen Prüfungen, als Läuterungen, die notwendig für ihre Selbstreinigung sind. Ich glaubte daran, war also ein Spiritist. Ich habe den Zustand des Umherirrens begriffen, dieses Band, das sich vermittelnd hinschlingt zwischen den Inkarnationen, diesen Läuterungsweg, wo der sündige Geist seine beschmutzten Gewänder ablegt, um ein neues Kleid anzuziehen, wo der Geist im Fortschreiten mit Sorgfalt das Kleid webt, das er bald von Neuem tragen wird und rein halten will. Ich habe, wie gesagt, begriffen, und ohne öffentlich zu bekennen, habe ich dauernd ausgeübt.

Bemerkung: Diese drei Mitteilungen wurden durch drei verschiedene Medien erhalten, die einander vollständig fremd waren. Bei der Ähnlichkeit der Gedanken und der Form der Sprache kann man zumindest eine Vermutung der Identität gelten lassen. Die Redensart “webt mit Sorgfalt das Kleid, das er bald von neuem tragen wird" ist ein prächtiges Wortbild, das die Bemühung malt, mit welcher der fortschreitende Geist sich auf die neue Inkarnation vorbereitet, die ihn wiederum voranbringen soll. Zurückgebliebene Geistwesen üben weniger Vorsicht und treffen mitunter eine unglückliche Wahl, die sie zwingt, von vorn anzufangen.


Antoine Costeau

Mitglied der spiritistischen Gesellschaft von Paris, beigesetzt am 12. September 1863 im Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof von Montmartre. Er war ein Mann von Herz, den die Spiritistische Lehre zu Gott zurückgeführt hat. Sein Glaube an die Zukunft war vollkommen, aufrichtig und tief. Als einfacher Pflasterer übte er Nächstenliebe in Gedanken, Worten und Taten, gemäß seinen geringen Mitteln, denn er fand immer noch einen Weg, denen beizustehen, die weniger hatten als er. Wenn die Gesellschaft sich keine Kosten für ein besonderes Grab gemacht hat, so deshalb, weil es eine nützlichere Verwendung der Geldmittel gab, die ohne Vorteil für die Lebenden auf eine eitle Befriedigung der Eigenliebe verwandt worden wären; und vor allem die Spiritisten wissen ja, dass ein Gemeinschaftsgrab ebenso ein Tor ist, das zum Himmel führt, wie das kostspieligste Grabmal.

Herr Canu, der Schriftführer der Gesellschaft, vordem ein überzeugter Materialist, hielt am Grab des Mannes folgende Ansprache:

Lieber Bruder Costeau, es ist kaum einige Jahre her, da hätten viele von uns und, ich bekenne es, ich zuallererst, vor diesem offenen Grab nur ein Ende menschlichen Elends und Jammers gesehen und nach ihm: das Nichts, das scheußliche Nichts, nämlich keine Seele für Verdienste oder Sühnen und folglich keinen Gott fürs Belohnen, Bestrafen oder Vergeben. Heutzutage, dank unserer göttlichen Lehre, sehen wir da das Ende der Prüfungen und für Sie, lieber Bruder, dessen sterbliche Hülle wir der Erde übergeben, den Triumph Ihrer Arbeiten und den Anfang der Belohnungen, die Sie durch Ihren Mut, Ihre Ergebenheit, Ihre barmherzige Liebe, in einem Wort Ihre Tugenden erworben haben, und sehen über allem die Verherrlichung eines weisen, allmächtigen, gerechten und guten Gottes. Tragen Sie denn, lieber Bruder, unsere Danksagungen zu den Füßen des Ewigen hin, dessen Barmherzigkeit das Dunkel des Irrtums und des Unglaubens um uns herum zerstreut hat. Denn es ist erst seit kurzer Zeit, dass wir Ihnen im gleichen Falle mit düsterer Stirn und Entmutigung im Herzen gesagt hätten: "Leben Sie wohl, Freund, für immer!" Heute sagen wir Ihnen mit hoher, von Hoffnung strahlender Stirn, das Herz voller Mut und Liebe: "Lieber Bruder, auf Wiedersehen! Beten Sie für uns!"

Bemerkung: Weitere Einzelheiten und die anderen Ansprachen findet man in der "Revue Spirite" vom Oktober 1863, S. 297.

Eins der Medien der Gesellschaft erhielt an dem noch nicht geschlossenen Grab selbst folgende Mitteilung, deren Verlesung alle Anwesenden, die Totengräber mit inbegriffen, mit entblößtem Haupt und mit tiefer Rührung angehört haben. Es war wirklich ein neues und ergreifendes Schauspiel, die Worte eines Toten zu hören, aufgefangen aus dem Schoße des Grabes selbst.

"Danke, Freunde, danke! Mein Grab ist noch nicht geschlossen und doch, eine Sekunde noch, und die Erde beginnt, meine sterblichen Überreste zu bedecken. Aber ihr wisst, unter diesem Staub wird meine Seele nicht begraben sein. Sie wird im Raum umherschweben, um zu Gott emporzusteigen!

Wie ist es da so tröstlich, sich trotz dem Zerfall der Hülle noch sagen zu können: Oh, nein, ich bin gar nicht tot, ich sehe das wahre Leben, das ewige Leben!

Dem Trauerzug der Armen folgen nur wenige. Eitle Kundgebungen fanden an seinem Grab nicht statt. Und dennoch, glaubt mir, Freunde, eine ungemein große Menge fehlt hier durchaus nicht, und gute Geistwesen sind mit euch und diesen frommen Frauen hierher, dem Körper dessen gefolgt, der dort eingebettet ist! Ihr alle wenigstens glaubt und liebt den guten Gott!

Oh, bestimmt nicht, wir sterben nicht, weil unser Körper zerfällt, meine geliebte Frau! Und von nun an werde ich immer bei dir sein, um dich zu trösten und dir helfen, deine Prüfung zu ertragen. Es wird hart für dich sein, das Leben; aber ist dein Herz erfüllt vom Gedanken an die Ewigkeit und an Gottes Liebe, wie werden dann deine Leiden dir leicht sein!

Ihr Verwandten, die ihr meine geliebte Gefährtin umgebt, liebt sie, ehrt sie, seid ihr Brüder und Schwestern! Vergesst nicht, dass ihr alle einander Beistand auf Erden schuldig seid, wenn ihr in den Wohnsitz des Herrn eintreten wollt!

Und ihr, Spiritisten, Brüder, Freunde, habt Dank, dass Ihr gekommen seid, mir Lebewohl zu sagen, bis zu dieser Wohnung des Staubes und der Erde! Aber ihr wisst ja, ihr wisst wohl, dass meine Seele als unsterbliches Wesen lebt und dass sie manchmal hingehen wird, euch um Gebete zu bitten, die mir ja nicht versagt sein werden, um mir auf jenem erhabenen Weg zu helfen, den ihr mir während meines Lebens eröffnet habt.

Lebt wohl ihr alle, die ihr hier seid, wir werden uns woanders wiedersehen können als an diesem Grab. Die Seelen rufen mich zu ihrer Verabredung. Lebt wohl, betet für jene von ihnen, die leiden! Auf Wiedersehen!”

Costeau

Drei Tage später übermittelte der Geist des Herrn Costeau, angerufen in einer privat arbeitenden Gruppe, durch Vermittlung eines anderen Mediums Folgendes:

"Der Tod, er ist das Leben. Ich kann nur wiederholen, was gesagt wurde. Aber für euch gibt es keinen anderen Ausdruck als jenen, trotz allem, was die Materialisten darüber sagen, die, die blind bleiben wollen. Oh Freunde, welch schöne Erscheinung auf Erden, wenn man die Fahne der Spiritistischen Lehre flattern sieht! Unermessliche Wissenschaft, von der ihr kaum die ersten Worte kennt! Welche Klarheiten bringt sie Menschen, die guten Willens sind, denen, die die schrecklichen Ketten des Hochmuts zerbrochen haben, um ihren Glauben an Gott hoch aufzurichten! Betet, Menschenkinder, dankt ihm für all seine Wohltaten! Arme Menschheit! Wenn es dir gegeben wäre zu begreifen! ... Aber nein, noch ist die Zeit nicht gekommen, wo sich die Barmherzigkeit des Herrn über alle Menschen erstrecken soll, damit sie seinen Willen erkennen und sich ihm unterwerfen!

Durch deine leuchtenden Strahlen, gepriesene Wissenschaft, werden sie dazu hingelangen und begreifen. Zu deiner wohltuenden Wärme werden sie kommen, um ihre Herzen an dem göttlichen Feuer zu erwärmen, das den Glauben bringt. Unter deinen belebenden Strahlen werden Herr und Arbeiter beginnen, miteinander zu verschmelzen und eine Einheit zu bilden. Denn sie werden jene brüderliche Liebe begreifen, die durch den göttlichen Messias gepredigt wurde.

Oh Brüder, denkt an das große Glück, das ihr besitzt, unter den ersten Eingeweihten in das erneuernde Werk gewesen zu sein! Ehre sei euch, Freunde! Fahrt fort, und wie ich werdet ihr eines Tages, wenn ihr in die Heimat der Geistwesen kommt, sagen: Der Tod, er ist das Leben, oder vielmehr, er ist ein Traum, eine Art von Alptraum, das den Zeitraum einer Minute währt und aus dem man hervorgeht, um sich von Freunden umringt zu sehen, die euch beglückwünschen und sich freuen, euch die Arme entgegenstrecken zu können! Mein Glück ist so groß gewesen, dass ich nicht begreifen konnte, wie Gott mir so viele Gnaden erweisen konnte, dafür, dass ich so wenig getan habe! Ich glaubte zu träumen, und so, wie ich manchmal geträumt hatte, ich sei gestorben, so habe ich einen Augenblick gefürchtet, dass ich in jenen unglückseligen Körper zurückkehren muss. Aber ich habe bald die Wirklichkeit erkannt und Gott gedankt. Ich pries den Herrn, der sowohl gewusst hatte, in mir das Gefühl für die Pflichten eines Menschen zu erwecken, der an das zukünftige Leben denkt. Ja, ich pries ihn und dankte ihm, denn das "Buch der Geister" hatte in meiner Seele die Schwingen der Liebe zu meinem Schöpfer erweckt!

Habt Dank, gute Freunde, dass ihr mich zu euch hingezogen habt! Sagt unseren Brüdern, dass ich oft in der Gesellschaft unseres Freundes Sanson bin. Auf Wiedersehen. Mut! Der Sieg erwartet euch. Glücklich die, die am Kampf teilgenommen haben werden!"

Von da an hat sich Herr Costeau häufig mitgeteilt, sei es in der Gesellschaft, sei es in anderen Zusammenkünften, wo er immer Beweise von jener Erhabenheit der Gedanken bot, welche die fortgeschrittenen Geistwesen kennzeichnet.


Fräulein Emma Livry

Eine junge Frau, die an den Folgen eines durch Feuer verursachten Unfalls und nach entsetzlichen Leiden verstarb. Es hatte sich jemand vorgenommen, die Spiritistische Gesellschaft zu Paris um ihre Anrufung zu bitten, als sie am 31. Juli 1863, kurze Zeit nach ihrem Tod, sich aus freien Stücken vorstellte.

“Ihr seht mich also noch auf der Schaubühne der Welt, ich, die ich mich für immer begraben glaubte in meinem Schleier der Unschuld und Jugend. Das Feuer der Erde bewahrte mich vor dem Feuer der Hölle, so dachte ich in meinem katholischen Glauben! Und wenn ich nicht wagte, in den Glanz des Paradieses einen scheuen Blick zu werfen, so flüchtete meine zitternde Seele in die Sühne des Fegefeuers hinein und ich betete, litt und weinte. Aber wer gab meiner Schwachheit die Kraft, meine Angst zu ertragen? Wer hat sich in den langen, schlaflosen, schmerzlichen Fiebernächten über mein Leidensbett gebeugt? Wer hat meine trockenen Lippen angefeuchtet? Das warst du, mein Schutzengel, dessen weiße Strahlenkrone mich umhüllte, das wart auch ihr, teure befreundete Geistwesen, die ihr kamt, in mein Ohr Worte der Hoffnung und der Liebe zu murmeln.

Die Flamme, die meinen schwachen Leib verzehrte, befreite mich von der Anhänglichkeit an das Vergängliche. Auch starb ich, indem ich bereits das wahre Leben lebte. Ich lernte nicht die Verwirrung kennen und trat heiter und gesammelt in den strahlenden Tag hinein, der diejenigen umgibt, die, nachdem sie viel gelitten hatten, ein wenig hofften. Meine Mutter, meine liebe Mutter, war die letzte irdische Schwingung, die in meiner Seele erklang. Wie wünschte ich jetzt, dass sie Spiritistin werden würde!

Ich habe mich wie eine reife Frucht vor der Zeit vom irdischen Baum losgerissen. Ich war nur erst gestreift vom Dämon des Hochmuts, der die Seelen der unglücklichen Frauen anstachelt, die vom glänzenden Erfolg und vom Rausch der Jugend hingerissen werden! Ich segne die Flamme, ich segne die Leiden und segne die Prüfung, die der Sühne diente. Ähnlich jenen leichten weißen Kindern des Herbstes schwebe ich dahin, fortgerissen vom Lichtstrom. Es sind nicht mehr die Diamantsterne, die auf meiner Stirn glänzen, sondern die goldenen Sterne des guten Gottes."

Emma

In einem anderen Lieblingsort, in Le Havre, machte derselbe Geist ebenso freiwillig am 30. Juli 1863 die folgende Mitteilung:

"Diejenigen, die auf Erden leiden, werden im anderen Leben belohnt. Gott ist voller Gerechtigkeit und Barmherzigkeit für die, die hier unten leiden. Er gewährt ein so reines Glück, eine so vollkommene Glückseligkeit, dass man weder die Leiden noch den Tod fürchten müsste, wenn es den armen menschlichen Geschöpfen möglich wäre, die geheimnisvollen Absichten unseres Schöpfers zu ergründen. Aber die Erde ist ein Ort von oft sehr großen Prüfungen, oft solchen, die voll recht stechender Schmerzen sind. In allen seid ergeben, wenn ihr davon betroffen werdet, in allen beugt euch vor der allerhöchsten Güte Gottes, der ja allmächtig ist, wenn er euch eine schwere Last zu tragen gibt! Wenn er euch nach großen Leiden zu sich zurückruft, so werdet ihr im anderen, dem glücklichen Leben sehen, wie gering diese Schmerzen und Mühen auf der Erde waren, dann, wenn ihr den Lohn ermessen könnt, den Gott euch bereithält. Falls keine Klage, kein Murren in euer Herz gekommen ist. Recht jung habe ich die Erde verlassen. Gott hat mir in seiner Gnade verziehen und mir das Leben derer geschenkt, die seinen Willen getan haben. Verehrt Gott immer, liebt ihn von ganzem Herzen! Bittet ihn vor allem, bittet ihn unermüdlich. Das wird auf der Erde eure Stütze sein, eure Hoffnung, eure Rettung."

Emma


Doktor Vignal

Ehemaliges Mitglied der Pariser Spiritistischen Gesellschaft, gestorben am 27. März 1865.

Am Tag vor seiner Beerdigung gab ein sehr hellsichtiges Medium, das sehr gut die Geister sieht und gebeten wurde, sich zu ihm zu versetzen und zu sagen, ob es ihn sehe, folgende Antwort:

"Ich sehe einen Leichnam, in dem sich eine ungewöhnliche Arbeit vollzieht; man könnte sagen, eine Masse, die sich hin und her bewegt und einem Etwas gleicht, das Anstrengungen macht, sich von ihr loszumachen, das aber Schwierigkeiten hat, den Widerstand zu überwinden. Ich kann keine bestimmte Geistgestalt erkennen.”

Er wurde am 31. März in jener Pariser Gesellschaft angerufen.

Frage: Lieber Herr Vignal, alle Ihre ehemaligen Mitgenossen von der Pariser Gesellschaft haben Sie in bester Erinnerung bewahrt und ich insbesondere die ausgezeichneten Beziehungen, die ohne Unterbrechung zwischen uns bestanden haben. Wenn wir Sie in unsere Mitte rufen, verfolgen wir zunächst den Zweck, Ihnen einen Beweis unserer Zuneigung zu geben, und würden uns sehr freuen, wenn Sie freundlicherweise kommen möchten – oder aber kommen können – sich mit uns zu unterhalten.

Antwort: Lieber Freund und würdiger Meister, Ihr gutes Andenken und Ihre Beweise der Zuneigung sind sehr fühlbar für mich. Wenn ich heute zu Ihnen komme und befreit und ungehindert dieser Versammlung all unserer guten Freunde und spiritistischen Brüder beiwohnen kann, so geschieht das dank Ihrer guten Meinung und dem Beistand, den mir Ihre Gebete gebracht haben, Meister. Wie mein junger Schriftführer zutreffend sagte, war ich ungeduldig, um mich zu äußern. Seit Beginn des heutigen Abends habe ich alle meine geistigen Kräfte eingesetzt, um dieses Verlangen zu beherrschen. Ihre Unterhaltungen und die wesentlichen Fragen, die Sie da erörtert haben, haben, indem ich ihnen große Aufmerksamkeit schenkte, mein Warten weniger schmerzhaft gemacht. Verzeihen Sie, lieber Freund, aber meine Dankbarkeit begehrte, sich mitzuteilen.

Frage: Möchten Sie uns zunächst sagen, wie Sie sich in der Welt der Geister fühlen? Möchten Sie uns gleichzeitig den Schmerz der Trennung, Ihre Empfindungen in jenem Moment beschreiben und uns sagen, wie lange es gedauert hat, bis Sie sich wiedererkannt haben?

Antwort: Ich bin so froh, wie man nur sein kann, wenn man alle geheimen Gedanken, die man über eine tröstende und bessernde Lehre geäußert haben mag, sich völlig bestätigen sieht. Ich bin froh! Ja, das bin ich, denn jetzt sehe ich die Zukunft der spiritistischen Wissenschaft und Forschung sich ohne jedes Hindernis vor mir enthüllen.

Aber lassen wir für heute diese unangebrachten Abschweifungen. Ich werde wiederkommen, um mich mit Ihnen über dieses Thema zu unterhalten, da ich weiß, dass meine Anwesenheit Ihnen genauso viel Freude bereiten wird, wie ich selbst daran empfinde, Sie zu besuchen.

Das Zerreißen war ziemlich schnell, schneller, als mein geringes Verdienst es hoffen ließ. Ihre Hilfe war eine sehr große Unterstützung für mich, und Ihr Hellseher hat eine hinreichend deutliche Vorstellung von dem Vorgang der Trennung gegeben, sodass ich nicht weiter darauf eingehen muss. Es war eine Art unzusammenhängende Schwingung, ein gewisses Hin- und Hergerissensein nach zwei entgegengesetzten Seiten. Der Geist hat gesiegt, da ich ja hier bin. Ich habe den Körper erst vollständig in dem Augenblick verlassen, als er in die Erde versenkt wurde. Ich bin mit Ihnen zurückgekehrt.

Frage: Was denken Sie von dem Gottesdienst, der zu Ihrer Beerdigung abgehalten wurde? Es war mir ein Anliegen, daran teilzunehmen. Waren Sie zu diesem Zeitpunkt befreit genug, um ihn besuchen zu können, und sind die Gebete, die ich für Sie gesprochen habe (nicht offenkundig, natürlich), zu Ihnen gedrungen?

Antwort: Ja; wie ich Ihnen schon sagte, hat Ihre Hilfe zum Teil alles getan, und ich bin mit Ihnen zurückgekehrt und habe meine alte Körperhülle vollständig verlassen. Die materiellen Dinge berühren mich wenig, wie Sie wissen. Ich dachte nur an die Seele und an Gott.

Frage: Erinnern Sie sich, dass wir vor fünf Jahren, im Februar 1860, auf Ihre Bitte hin eine Studie über Sie angestellt haben, als Sie noch am Leben waren (siehe “Revue Spirite” vom März 1860)? Damals löste sich Ihr Geist, um zu uns zu kommen und sich mit uns zu unterhalten. Können Sie uns so genau wie möglich den Unterschied beschreiben, der zwischen Ihrer jetzigen Loslösung und der von damals besteht?

Antwort: Ja, gewiss, ich erinnere mich daran; aber was für ein Unterschied zwischen meinem damaligen und meinem heutigen Zustand! Damals schnürte mich noch die Materie mit ihrem starren Netz ein. Ich wollte mich auf eine wirksamere Weise lösen und konnte es nicht. Heute bin ich frei. Ein weites Feld, das des Unbekannten, öffnet sich vor mir. Und ich hoffe, mit Ihrer Hilfe und der der guten Geister, denen ich mich empfehle, fortzuschreiten und mich so schnell wie möglich mit den Gefühlen zu durchdringen, die man empfinden und den Handlungen, die man vollbringen muss, um den steilen Pfad der Prüfung zu erklimmen und sich der Welt der Belohnungen würdig zu erweisen. Welche Hoheit! Welche Größe! Es ist beinahe ein Gefühl des Schreckens, das uns da überkommt, wenn wir, schwach wie wir sind, die erhabenen Klarheiten fest ins Auge fassen wollen.

Frage: Ein anderes Mal werden wir uns freuen, diese Unterhaltung fortsetzen zu können, wenn Sie dann freundlicherweise wieder in unsere Mitte zurückkehren möchten.

Antwort: Ich habe kurz und bündig auf Ihre verschiedenen Fragen geantwortet. Verlangen Sie von Ihrem treuen Schüler noch nicht zu viel, ich habe keine volle Freiheit. Plaudern, immer wieder plaudern wäre eine Lust. Mein Führer zügelt meine Begeisterung, und ich habe bereits seine Güte und Gerechtigkeit würdigen können, um mich gänzlich seiner Entscheidung zu unterwerfen, so sehr ich auch bedauern mag, unterbrochen zu werden. Ich tröste mich, indem ich denke, dass ich oft werde kommen und unerkannt an Ihren Sitzungen teilnehmen können. Manchmal werde ich mit Ihnen reden. Ich liebe Sie und will es Ihnen beweisen. Aber andere Geister, die weiter vorangeschritten sind als ich, beanspruchen den Vorrang und ich muss mich vor denen zurückziehen, die meinem Geist freundlich erlaubt haben, dass er dem Strom von Gedanken, die ich da gesammelt hatte, freien Lauf lasse.

Ich verlasse euch, Freunde, und darf doppelt danken, nicht nur euch Spiritisten, die ihr mich gerufen habt, sondern auch jenem Geist, der so gütig war zu erlauben, dass ich seine Stelle einnehme, und der zu seinen Lebzeiten den berühmten Namen Pascal trug.

Der, der Ihr ergebenster Anhänger war und immer sein wird.

Doktor Vignal


Victor Lebufle

Ein junger Bootsmann aus dem Hafen von Le Havre, der im Alter von 20 Jahren starb.

Er wohnte bei seiner Mutter, einer armen Kleinhändlerin, die er mit der zärtlichsten und liebevollsten Fürsorge umgab und die er mit dem Erwerb seiner harten Arbeit unterstützte. Nie sah man ihn ein Wirtshaus besuchen oder sich den in seinem Gewerbe so häufigen Ausschweifungen hingeben, denn er wollte nicht den geringsten Teil seines Verdienstes von dem frommen Zweck abziehen, dem er ihn weihte. Alle Zeit, die er nicht in seinem Dienst verbrachte, schenkte er seiner Mutter, um ihr Mühen zu ersparen. Seit langer Zeit von der Krankheit befallen, von der er spürte, dass er daran sterben müsse, verbarg er sein Leiden aus Furcht, sie zu beunruhigen und zu sehen, dass sie sich mit ihrer Arbeit überbelastet. Es erforderte für diesen jungen Mann ein recht großes Maß an Charaktereigenschaften und einer recht großen Willenskraft, um im Alter der Leidenschaften den gefahrbringenden Verlockungen der Umgebung, in der er lebte, zu widerstehen. Er besaß eine aufrichtige Frömmigkeit und sein Sterben ist würdig gewesen.

Am Tag vor seinem Tod verlangte er von seiner Mutter, dass sie sich ein wenig ausruhen solle, und sagte, er selbst fühle das Bedürfnis nach Schlaf. Sie hatte dann eine Erscheinung. Sie fand sich, sagte sie, in großer Dunkelheit. Danach sah sie einen leuchtenden Punkt, der allmählich größer wurde und fand das Zimmer von einer strahlenden Helligkeit erleuchtet, von der sich die Gestalt ihres Sohnes abhob, und der sich im Strahlenglanz in den unendlichen Weltraum erhob. Sie begriff, dass sein Ende nahe sei. Tatsächlich hatte seine schöne Seele am folgenden Tag die Erde verlassen, während seine Lippen ein Gebet murmelten.

Ein spiritistischer Hauskreis, der sein gutes Verhalten kannte und Anteil am Schicksal seiner allein zurückgebliebenen Mutter nahm, hatte die Absicht gehabt, ihn kurz nach seinem Tod aufzurufen, doch er meldete sich spontan mit folgender Mitteilung:

“Ihr möchtet wissen, was ich jetzt bin: sehr glücklich, oh, sehr glücklich! Betrachtet die Leiden und Ängste für Nichts, denn sie sind eine Quelle von Verherrlichungen und Glück jenseits des Grabes. Von Glück! Ihr begreift nicht, was dieses Wort bedeutet. Das Glück der Erde ist so weit entfernt von dem, was wir empfinden, wenn wir mit reinem Gewissen zum Herrn zurückkehren, mit dem Vertrauen eines Dieners, der seine Pflicht gut erfüllt hat und voller Freude auf die Zustimmung dessen wartet, der Alles ist.

Oh, meine Freunde, das Leben ist mühsam und schwierig, wenn ihr nicht auf das Ende blickt. Aber ich sage es euch nach der Wahrheit, wenn ihr zu uns kommen werdet und euer Leben nach dem Gesetz Gottes verlaufen ist, werdet ihr weit über eure Leiden und Verdienste hinaus belohnt werden, die ihr glaubt, dass ihr sie für den Himmel erworben habt. Seid gütig, seid liebevoll, habt diese so vielen unter den Menschen unbekannten Liebe, die man Wohlwollen nennt. Seid euren Nächsten gegenüber hilfsbereit. Tut mehr für sie, als ihr möchtet, dass man für euch selbst tun soll; denn ihr kennt das innere Elend nicht, aber kennt das eure. Helft meiner Mutter, meiner armen Mutter, das Einzige, was ich auf der Erde mit Bedauern zurücklasse. Sie muss sich noch anderen Prüfungen unterziehen, und es ist notwendig, dass sie in den Himmel gelangt. Lebt wohl! Ich gehe hin zu ihr."

Victor

Der Führer des Mediums: Die während einer irdischen Inkarnation erduldeten Leiden sind nicht immer eine Strafe. Die Geister, die nach dem Willen Gottes auf die Erde kommen, um eine Mission zu erfüllen, wie der Geist, der sich euch soeben mitgeteilt hat, betrachten es als Glück, Leiden zu erdulden, die für andere eine Sühne sind. Der Schlaf stärkt sie wieder beim Höchsten und gibt ihnen Kraft, alles zu seiner größten Ehre zu ertragen. Die Mission dieses Geistes in seiner letzten Existenz war keine glänzende, aber obwohl sie unscheinbar gewesen ist, hatte er umso größeren Verdienst gehabt, weil er nicht vom Hochmut angestachelt werden konnte. Er hatte zunächst eine Pflicht der Dankbarkeit gegenüber derjenigen zu erfüllen, die seine Mutter war. Er sollte dann zeigen, dass es auch in der schlechtesten Umgebung reine Seelen mit edlen und erhabenen Gesinnungen geben kann und dass man mit Willenskraft allen Versuchungen widerstehen kann. Das ist ein Beweis, dass menschliche Eigenschaften eine frühere Ursache haben, und sein Beispiel wird nicht vergebens gewesen sein.


Frau Anais Gourdon

Eine sehr junge Frau, beachtenswert wegen ihres sanftmütigen Charakters und ihrer hervorragenden moralischen Eigenschaften, starb im November 1860.

Sie gehörte einem Hauskreis von Arbeitern an, die in den Kohlegruben in der Umgebung von Saint-Etienne beschäftigt waren, ein für die Würdigung ihrer Lage im geistigen Leben wichtiger Aspekt.

Anrufung - Antwort: Ich bin da.

Frage: Ihr Gatte und Ihr Vater haben mich gebeten, Sie zu rufen, und sie werden sich sehr glücklich schätzen, wenn sie von Ihnen eine Mitteilung erhalten.

Antwort: Ich schätze mich ebenso glücklich, ihnen dieselbe geben zu können.

Frage: Warum sind Sie so jung der Liebe Ihrer Angehörigen entrissen worden?

Antwort: Weil ich meine irdischen Prüfungen zu Ende führte.

Frage: Besuchen Sie sie manchmal?

Antwort: Oh, ich bin oft bei ihnen.

Frage: Sind Sie glücklich als Geist?

Antwort: Ich bin glücklich, ich hoffe, ich warte, ich liebe. Die Himmel haben keinen Schrecken für mich, und ich erwarte mit Zuversicht und Liebe, dass an mir die weißen Flügel wachsen.

Frage: Was verstehen Sie unter diesen Flügeln?

Antwort: Ich verstehe: reiner Geist zu werden und zu strahlen wie die himmlischen Boten, die mich blenden.

Bemerkung: Die Flügel der Engel, Erzengel, Seraphim, die reine Geister sind, sind offensichtlich nur ein von Menschen erdachtes Attribut, um die Schnelligkeit darzustellen, mit der sie sich fortbewegen. Denn ihre von Himmelsluft gewebte ätherische Natur macht sie bei der Durchquerung des Raumes von dem Bedürfnis jeder Hilfe los. Sie können jedoch den Menschen mit diesem Merkmal erscheinen, um ihren Gedanken zu entsprechen, so wie auch andere Geister sich das Aussehen geben, das sie auf Erden hatten, um sich kenntlich zu machen.

Frage: Können Ihre Verwandten etwas tun, das Ihnen angenehm ist?

Antwort: Sie, jene lieben Wesen, können das, mich nicht mehr durch den Anblick ihres Trennungsschmerzes zu betrüben, da sie ja wissen, dass ich für sie nicht verloren bin. Möge der Gedanke an mich ihnen süß, leicht und von ihrer Erinnerung gewürzt sein. Ich bin vorübergegangen wie eine Blume, und nichts Trauriges von meinem raschen Übergang soll übrigbleiben.

Frage: Woher kommt es, dass Ihre Ausdrucksweise so poetisch ist und so wenig in Beziehung zu der Lebensstellung steht, die Sie auf Erden hatten?

Antwort: Es ist meine Seele, die spricht. Ja, ich besaß erworbene Kenntnisse, und oft erlaubt Gott, dass sich feinfühlende Geister unter den rauesten Menschen inkarnieren, damit sie diese schon die edlen Gefühle empfinden lassen, die sie erlangen sollen und später verstehen werden.

Bemerkung: Ohne diese so logische Erklärung, die der Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe entspricht, würde man nur schwer verstehen können, was hier auf den ersten Blick als Gesetzwidrigkeit erscheinen könnte. Wirklich, was könnte anmutiger und poetischer sein als die Ausdrucksweise des Geistes dieser jungen Frau, die inmitten der härtesten Arbeit aufgewachsen ist? Das Gegenstück sieht man oft, es sind niedere Geister, die unter den fortgeschrittensten Menschen inkarniert sind, aber zu einem entgegengesetzten Zweck. Es geschieht im Hinblick auf ihren eigenen Fortschritt, dass Gott sie mit einer aufgeklärten Welt in Berührung bringt, und manchmal auch, damit sie dieser Welt als Prüfung dienen. Welche andere Philosophie vermag solche Fragen zu lösen?


Maurice Gontran


Er war der einzige Sohn und starb im Alter von 18 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Seltene Intelligenz, frühreife Vernunft, große Liebe zu den Wissenschaften, sanfter, liebevoller und mitfühlender Charakter, so besaß er alle Eigenschaften, die begründete Hoffnungen auf eine glänzende Zukunft geben. Seine Ausbildung war mit größtem Erfolg vorzeitig beendet worden und er arbeitete für die Polytechnische Hochschule. Sein Tod war für seine Eltern die Ursache einer jener Schmerzen, die tiefe Spuren hinterlassen, und diese waren umso schmerzlicher, als die Eltern bei seiner stets zarten Gesundheit sein vorzeitiges Ende der Arbeit zuschrieben, zu der sie ihn getrieben hatten, und sich das vorwarfen. Sie sagten: "Was nützt ihm nunmehr alles, was er gelernt hat? Da wäre es besser gewesen, er wäre unwissend geblieben, denn er brauchte das Gelernte zum Leben nicht und würde zweifellos noch unter uns sein. Er wäre der Trost unserer alten Tage gewesen." Hätten sie die Spiritistische Lehre gekannt, hätten sie ohne Zweifel anders gedacht. Später fanden sie in dieser den wahren Trost. Die folgende Mitteilung wurde von ihrem Sohn einige Monate nach seinem Tod an einen ihrer Freunde gemacht:

Frage: Lieber Maurice, die zärtliche Anhänglichkeit, die Sie für Ihre Eltern besaßen, lässt mich nicht an Ihrem Wunsch zweifeln, deren Mut wieder zu heben, wenn das in Ihrer Macht steht. Der Kummer, ich würde sagen die Verzweiflung, in die Ihr Tod sie gestürzt hat, greift sichtlich ihre Gesundheit an und macht sie lebensmüde. Ein paar gute Worte von Ihnen werden sie sicherlich wieder mit Hoffnung erfüllen.

Antwort: Lieber alter Freund, ich erwartete mit Ungeduld die Gelegenheit, die Sie mir bieten, mich zu äußern. Der Schmerz meiner Eltern betrübt mich, aber der wird sich beruhigen, wenn sie die Gewissheit erhalten, dass ich für sie nicht verloren bin. Ihnen, lieber Freund, wird es überlassen sein, sie von dieser Wahrheit zu überzeugen, und das wird Ihnen sicher gelingen. Es bedurfte dieses Ereignisses, um sie zu einem Glauben zu führen, der ihr Glück ausmachen wird, denn er wird sie daran hindern, gegen die Beschlüsse der Vorsehung zu murren. Mein Vater war, wie Sie wissen, sehr skeptisch gegenüber dem zukünftigen Leben. Gott hat erlaubt, dass er diesen Kummer erfährt, um ihn aus seinem Irrtum herauszuführen.

Wir werden uns einander wiederfinden, hier in dieser Welt, in der man die Sorgen des Lebens nicht mehr hat und in die ich ihnen vorausgegangen bin. Aber sagen Sie ihnen deutlich, dass die Genugtuung, mich hier wiederzusehen, ihnen zur Strafe ihres Mangels an Vertrauen auf die Güte Gottes verweigert werden könnte. Es würde sogar mir untersagt werden, mich ihnen von hier aus mitzuteilen, solange sie noch auf Erden sind. Die Verzweiflung ist eine Auflehnung gegen den Willen des Allmächtigen, die immer dadurch bestraft wird, dass die Ursache, die zur Verzweiflung geführt hat, verlängert wird, bis man sich endlich unterworfen hat. Die Verzweiflung ist ein wahrer Selbstmord, denn sie untergräbt die Kräfte des Körpers, und wer seine Tage mit dem Gedanken verkürzt, um den Nöten des Schmerzes früher zu entrinnen, bereitet sich die entsetzlichsten Enttäuschungen. Im Gegenteil, man muss darauf hinarbeiten, die Kräfte des Körpers zu erhalten, um die Last der Prüfungen leichter zu ertragen.

Meine guten Eltern, an euch wende ich mich. Seitdem ich meine sterbliche Hülle verlassen habe, bin ich ständig bei euch gewesen, und ich bin öfter dort als zu der Zeit, als ich auf der Erde lebte. Tröstet euch also, denn ich bin ja nicht tot. Ich bin lebendiger als ihr. Nur mein Körper ist tot, mein Geist aber lebt für immer. Er ist frei, glücklich und von nun an vor Krankheiten, Gebrechen und Schmerzen geschützt. Statt zu trauern, freut euch, mich in einer Umgebung zu wissen, die frei von Sorgen und Beunruhigungen ist, in der das Herz von reiner und ungetrübter Freude berauscht ist.

Oh, meine Freunde, betrauert nicht diejenigen, die frühzeitig sterben! Das ist eine Gnade, die Gott ihnen bewilligt, um ihnen die Trübsale des Lebens zu ersparen. Mein Dasein auf Erden sollte sich dieses Mal nicht weiter hinaus verlängern. Ich hatte hier erworben, was ich hier habe erwerben sollen, um mich auf die spätere Erfüllung einer wichtigeren Mission vorzubereiten.

Wenn ich viele Jahre lang dort gelebt hätte, wisst ihr, welchen Gefahren, welchen Verlockungen ich ausgesetzt gewesen wäre? Wisst ihr, dass, wenn ich unterlegen wäre, weil ich zum Widerstand noch nicht stark genug war, dies für mich eine Verzögerung von mehreren hundert Jahren hätte bedeuten können? Warum also bedauern, was zu meinem Vorteil ist? Ein untröstlicher Schmerz würde in diesem Fall einen Mangel an Gottvertrauen verraten und könnte nur durch einen Glauben an das Nichts gerechtfertigt werden. Oh ja, sie sind zu bedauern, diejenigen, die solch einen in Verzweiflung stürzenden Glauben haben, denn für sie gibt es keine Möglichkeit des Trostes. Die Menschen, die ihnen lieb sind, sind für immer verloren. Das Grab hat ihre letzte Hoffnung mitgenommen.

Frage: Ist Ihr Tod schmerzhaft gewesen?

Antwort: Nein, mein Freund, ich habe nur vor dem Sterben gelitten, unter der Krankheit, die mich mitgenommen hat. Aber dieses Leiden nahm in dem Maße ab, wie die letzte Stunde nahte. Dann bin ich eines Tages eingeschlafen, ohne an den Tod zu denken. Ich habe geträumt, oh, einen köstlichen Traum! Ich träumte, ich sei genesen, ich litt nicht mehr, ich atmete mit vollen Lungen und mit Wonne eine balsamische, stärkende Luft. Ich wurde von einer unbekannten Kraft durch den Raum getragen. Ein hell glänzendes Licht umstrahlte mich, doch ohne meinen Blick zu ermüden. Ich sah meinen Großvater. Er hatte nicht mehr seine verfallene Gestalt, vielmehr ein frisches und jugendliches Aussehen. Er streckte mir seine Arme entgegen und drückte mich innig an sein Herz. Eine Menge anderer Wesen mit lächelnden Gesichtern begleitete ihn. Alle empfingen mich mit Güte und Wohlwollen. Ich meinte, sie zu kennen, freute mich, sie wiederzusehen, und wir alle tauschten Worte und Zeichen der Freundschaft aus. Nun, was ich für einen Traum hielt, war Wirklichkeit. Ich sollte nicht mehr auf der Erde erwachen, ich war in der Welt der Geister erwacht.

Frage: Wurde Ihre Krankheit nicht durch Ihren übermäßigen Fleiß bei Ihrer Ausbildung verursacht?

Antwort: Oh nein, seien Sie davon fest überzeugt! Die Zeit, die ich auf Erden leben sollte, stand fest, und nichts konnte mich länger dort zurückhalten. Mein Geist wusste es wohl in seinen freien Augenblicken und er war glücklich bei dem Gedanken an seine baldige Erlösung. Aber die Zeit, die ich da verbracht habe, ist nicht ohne Nutzen gewesen, und ich beglückwünsche mich heute dazu, sie nicht verloren zu haben. Die ernsten Mühen, die ich mir um meine Ausbildung gegeben habe, haben meine Seele gestärkt und meine Kenntnisse vermehrt. Die sind eben ja so viel Gelerntes und wenn ich diese nicht in meinem kurzen Aufenthalt bei euch anwenden konnte, so werde ich sie später mit größerem Nutzen anwenden.

Leben Sie wohl, lieber Freund! Ich gehe zu meinen Eltern, um sie für den Empfang dieser Mitteilung in die richtige Stimmung zu versetzen.


Maurice



Kapitel III - Geister in halbguter Lage

Joseph Bré

1840 gestorben, 1862 in Bordeaux von seiner Enkelin gerufen

Der Rechtschaffene nach göttlichem oder menschlichem Maßstab

Frage: Lieber Großvater, wollen Sie mir sagen, wie es Ihnen unter den Geistern ergeht und mir einige lehrreiche Details für unser Fortkommen geben?

Antwort: Alles, was Du möchtest, mein liebes Kind. Ich büße meinen Mangel an Glauben, aber die Güte Gottes ist groß. Er berücksichtigt die Umstände. Ich leide, nicht wie du es verstehen könntest, sondern durch das Bedauern, meine Zeit auf Erden nicht gut genutzt zu haben.

Frage: Wieso haben Sie die Zeit nicht gut genutzt? Sie haben immer wie ein rechtschaffener Mann gelebt.

Antwort: Ja, vom Standpunkt menschlicher Beurteilung aus betrachtet. Aber es liegt ein Abgrund zwischen dem Rechtschaffenen aus menschlicher Sicht und dem Rechtschaffenen in Gottes Augen. Du willst lernen, liebes Kind. Ich will versuchen, dich den Unterschied zwischen beiden fühlen zu lassen.

Unter euch wird man für einen rechtschaffenen Menschen gehalten, wenn man die Gesetze seines Landes beachtet, eine für viele dehnbare Beachtung; wenn man seinem Nächsten nicht Unrecht dadurch tut, dass man ihm sichtbar sein Gut nimmt. Aber man nimmt ihm oft bedenkenlos seine Ehre, sein Glück, sobald eben das Strafgesetz oder die öffentliche Meinung den mit Schuld beladenen Heuchler nicht erreichen kann. Wenn man auf seinen Grabstein die Lobpreisungen von Tugenden setzen lassen konnte, die man hervorhebt, so glaubt man, seine Schuld gegenüber der Menschheit bezahlt zu haben. Welch ein Irrtum! Um rechtschaffen vor Gott zu sein, genügt es nicht, dass man die Gesetze der Menschen nicht verletzt hat. Man darf vor allem die göttlichen Gesetze nicht übertreten haben.

Ein rechtschaffener Mensch in Gottes Augen ist derjenige, der sein Leben voller Hingabe und Liebe dem Guten und dem Fortschritt seiner Mitmenschen widmet. Derjenige, der beseelt von zielbewusstem Eifer in seinem Leben aktiv ist, aktiv in der Erfüllung der irdischen Aufgabe, die ihm auferlegt ist; denn er soll seinen Mitmenschen die Liebe zur Arbeit lehren: aktiv in guten Werken; denn er darf nicht vergessen, dass er nur ein Diener ist, von dem der Herr eines Tages Rechenschaft fordern wird über den Gebrauch seiner Zeit; aktiv in der Verfolgung des Zwecks; denn er soll mit gutem Beispiel vorangehen in der Liebe zum Herrn und zum Nächsten. Wer ein in Gottes Augen rechtschaffener Mensch sein will, muss mit Sorgfalt jene beißenden Worte vermeiden, die ein unter Blumen verstecktes Gift sind, das die Achtung zerstört und den inneren Menschen oft tötet, indem sie ihn lächerlich macht. Wer ein in Gottes Augen rechtschaffener Mensch sein will, muss immer das Herz verschlossen halten für den geringsten Keim von Hochmut, Neid und Ehrgeiz. Er muss geduldig und sanft mit denen umgehen, die ihn angreifen. Er soll aus tiefstem Herzen, ohne Anstrengung und vor allem ohne es zur Schau zu stellen, jedem verzeihen, der ihn beleidigt hat. Er muss seinen Schöpfer lieben in allen seinen Geschöpfen. Und er muss jene so prägnante und große Zusammenfassung der menschlichen Pflichten ausüben: Gott lieben über alles und seinen Nächsten wie sich selbst.

Das, mein liebes Kind, ist mehr oder weniger das, wie der Mensch sein muss, um in Gottes Augen rechtschaffen zu sein. Nun denn! Habe ich all das getan? Nein! Viele dieser Bedingungen habe ich nicht erfüllt und bekenne es hier, ohne zu erröten. Ich bin nicht so aktiv gewesen, wie es der Mensch sein soll. Die Gottesvergessenheit hat mich zu anderen Vergessenheiten hingerissen, die, auch wenn sie nicht dem menschlichen Gesetz unterliegen, dennoch ein Vergehen am Gesetz Gottes sind. Ich habe genug darunter gelitten, als ich es gemerkt habe. Das ist der Grund, weshalb ich heute Hoffnung habe, aber jene tröstende Hoffnung auf die Güte Gottes, der meine Reue sieht. Sag es, mein liebes Kind; berichte es denen, die ein belastetes Gewissen haben. Mögen sie ihre Verfehlungen mit guten Werken bedecken, und die göttliche Barmherzigkeit wird ans Licht treten. Gottes väterliche Augen

werden die Sühnen zählen und seine mächtige Hand wird die Fehltritte auslöschen.


Frau Helene Michel

Eine junge Frau im Alter von 25 Jahren starb plötzlich innerhalb einiger Minuten, zuhause, ohne Leiden und ohne bekannte vorherige Ursache. Sie war reich, ein wenig leichtsinnig und beschäftigte sich wegen ihrer Leichtfertigkeit mehr mit den Nebensächlichkeiten des Lebens als mit ernsten Dingen. Trotzdem war ihr Herz gut. Sie war sanft, wohlwollend und liebevoll. Drei Tage nach ihrem Tod von Leuten angerufen, die sie kannten, äußerte sie sich wie folgt:

lch weiß nicht, wo ich bin ... welch ein Durcheinander mich umgibt! ... Ihr habt mich gerufen und ich komme ... Ich begreife nicht, warum ich nicht zu Hause bin ... man trauert um mich wie um eine Abwesende, aber ich bin doch da. Ich kann mich bloß nicht allen erkennbar machen. Mein Körper gehört mir nicht mehr und dennoch fühle ich ihn kalt und eisig. Ich will ihn verlassen, aber bin daran gefesselt. Ich komme immer wieder zu ihm zurück. Ich bin zwei Wesen … Oh, wann werde ich begreifen, was mit mir geschieht? Ich muss wieder da hinuntergehen ... mein armes Ich, was sollte aus ihm werden, wenn ich, ich abwesend? Gott sei mit euch!

Bemerkung: Hier zeigt sich das Gefühl der Dualität, das durch die vollständige Trennung noch nicht zerstört ist. Da sie wenig ernster Natur war, so musste ihre Vermögenslage, die ihr erlaubte, ihre Launen zu befriedigen, ihre Neigung zum Leichtsinn begünstigen. Es ist darum nicht verwunderlich, dass Ihre Befreiung nur langsam erfolgte und sie sich drei Tage nach ihrem Tod noch immer an ihre körperliche Hülle gebunden fühlte. Da bei ihr aber kein ernsthaftes Laster vorhanden und der Kern ihres Herzens gut war, so war ihre Situation nicht sehr schmerzhaft und dauerte nicht sehr lange. Einige Tage später noch einmal angerufen, hatten sich ihre Vorstellungen bereits stark verändert. Hier ist, was sie sagte:

“lch danke euch, dass ihr für mich gebetet habt. Ich erkenne die Güte Gottes an, der mir die Leiden und die Angst zum Zeitpunkt der Trennung meines Körpers und meines Geistes erspart hat. Es wird meiner armen Mutter recht schwerfallen, sich in ihr Schicksal zu fügen. Aber sie wird Hilfe erhalten. Das, was in ihren Augen ein schreckliches Unglück ist, war unerlässlich, damit die himmlischen Dinge für sie würden, was sie sein sollen: alles. Ich werde bis ans Ende ihrer irdischen Prüfung bei ihr sein und ihr helfen, sie zu ertragen. Ich bin nicht unglücklich, aber ich habe noch viel zu tun, um zu einem glücklichen Dasein voranzuschreiten. Ich will Gott um Erlaubnis bitten, auf diese Erde zurückzukehren. Denn ich habe die Zeit nachzuholen, die ich in dieser Existenz verloren habe. Möge der Glaube euch aufrecht halten, meine Freunde. Habt Vertrauen in die Wirksamkeit des Gebetes, dann, wann es wirklich von Herzen kommt! Gott ist gut.”

Frage: Brauchte es lange Zeit, bis Sie Klarheit gewannen?

Antwort: Ich habe den Tod an dem Tag noch begriffen, an dem ihr für mich gebetet habt.

Frage: War dieser Zustand der Verwirrung schmerzhaft?

Antwort: Nein, ich habe nicht gelitten. Ich glaubte zu träumen und wartete darauf aufzuwachen. Mein Leben war nicht frei von Schmerzen, aber jedes hier inkarnierte Wesen muss leiden. Ich habe mich dem Willen Gottes ergeben, und er hat es mir angerechnet. Ich bin dankbar für eure Gebete, die mir geholfen haben, mir bewusst zu werden. Danke! Ich werde immer mit Freuden wiederkommen. Lebt wohl!

Helene


Der Marquis von Saint-Paul

gestorben 1860, angerufen auf Bitten seiner Schwester, Mitglied der spiritistischen Gesellschaft von Paris, am 16. Mai 1861.

Anrufung.

Antwort: Hier bin ich.

Frage: Ihre Schwester hat uns gebeten, Sie anzurufen, obwohl sie selbst Medium ist, aber sie ist noch nicht ausreichend ausgebildet, um sich ihrer sicher zu sein.

Antwort: Ich werde versuchen, so gut ich kann zu antworten.

Frage: Sie möchte vor allem wissen, ob Sie glücklich sind.

Antwort: Ich bin ein Wanderer, und dieser vorübergehende Zustand bringt nie volles Glück, noch andererseits nur Strafe mit sich.

Frage: Brauchten Sie lange, bis Sie sich wiedererkannten?

Antwort: Ich bin lange in der Verwirrung geblieben und nur durch das Mitleid derer daraus losgekommen, die mich nicht vergaßen und für mich beteten.

Frage: Können Sie die Dauer dieser Verwirrung abschätzen?

Antwort: Nein.

Frage: Welche Ihrer Verwandten haben Sie gleich zu Beginn wiedererkannt?

Antwort: Wiedererkannt habe ich meine Mutter und meinen Vater, die mich beide beim Aufwachen empfangen haben. Sie haben mich ins neue Leben eingeweiht.

Frage: Wie kommt es, dass Sie am Ende Ihrer Krankheit mit denen zu sprechen schienen, die Sie auf Erden geliebt hatten?

Antwort: Weil ich vor meinem Tod eine Offenbarung von der Welt hatte, die ich zukünftig bewohnen würde. Ich war hellsichtig, bevor ich starb. Meine Augen haben sich beim Durchschreiten der endgültigen Trennung des Körpers getrübt, weil die fleischlichen Bindungen noch sehr stark waren.

Frage: Wie kommt es, dass vor allem Ihre Kindheitserinnerungen zu Ihnen zurückzukommen scheinen?

Antwort: Es geschah, weil der Anfang dem Ende näher ist, als die Mitte des Lebens.

Frage: Wie verstehen Sie das?

Antwort: Das will sagen: die Sterbenden erinnern sich und sehen, ähnlich wie in einer trostreichen Spiegelung, die jungen und reinen Lebensjahre.

Bemerkung: Es rührt wahrscheinlich von einem gleichen, durch die Vorsehung bewirkten Umstand her wie bei den alten Menschen, die, wenn sie sich dem Ende ihres Lebens nähern, manchmal eine so genaue Erinnerung an die kleinsten Details ihrer ersten Lebensjahre haben.

Frage: Warum haben Sie immer in der dritten Person gesprochen, wenn Sie über Ihren Körper gesprochen haben?

Antwort: Weil ich sehend war, wie gesagt, und ich deutlich die Unterschiede zwischen dem Körperlichen und dem Geistigen fühlte. Diese Unterschiede, die durch den Lebensstrom miteinander verbunden sind, treten in den Augen hellsehender Sterbender scharf hervor.

Bemerkung: Dies ist eine eigenartige Besonderheit, die der Tod dieses Herrn darstellt. In seinen letzten Augenblicken sagte er immer: "Er hat Durst, man muss ihm zu trinken geben; er friert, man muss ihn wärmen; er leidet da und da, usw." Und als sie zu ihm sagten: "Aber Sie sind es ja, die Durst haben", so antwortete er: "Nein, er ist es". So sind die beiden Daseinsgestalten vollkommen umrissen. Das denkende "Ich" ist im Geist und nicht im Körper. Der Geist, der bereits teilweise losgelöst war, betrachtete seinen Körper als eine andere Individualität, die streng genommen nicht seine eigene war. Daher musste man seinem Körper zu trinken geben und nicht ihm, dem Geist. Dieses Phänomen wird auch bei einigen Hellsehenden beobachtet.

Frage: Was Sie von Ihrem Zustand und von der Dauer Ihrer Verwirrung gesagt haben, würde zu der Annahme führen, dass Sie nicht sehr glücklich seien, und doch sollten Ihre Eigenschaften dazu führen, das Gegenteil anzunehmen. Es gibt übrigens umherirrende Geister, die glücklich sind, genauso wie es unglückliche gibt.

Antwort: Ich befinde mich in einem Übergangszustand. Menschliche Tugenden erhalten hier ihren wahren Wert. Zweifellos ist mein Zustand dem der irdischen Inkarnation tausendmal vorzuziehen, aber ich habe immer das Streben nach dem wahren Guten und wahren Schönen in mir getragen und meine Seele wird erst zufrieden sein, wenn sie zu den Füßen ihres Schöpfers hinfliegt.


Herr Cardon, Arzt

Herr Cardon hatte einen Teil seines Lebens als Arzt in der Handelsmarine eines Walfängers verbracht und da ein wenig materielle Gewohnheiten und Vorstellungen angenommen. Nachdem er sich in das Dorf J. zurückgezogen hatte, übte er dort den bescheidenen Beruf des Landarztes aus. Seit einiger Zeit war er sich sicher, dass er an einer übermäßigen Vergrößerung des Herzens litt, und da er wusste, dass diese Krankheit unheilbar war, versetzte ihn der Gedanke an den Tod in eine tiefe Depression, von der ihn nichts ablenken konnte. Ungefähr zwei Monate später sagte er sein Ende an einem bestimmten Tag voraus. Als er sich dem Tode nahe sah, versammelte er seine Familie um sich, um ein letztes Lebewohl zu sagen. Seine Frau, seine Mutter, seine drei Kinder und andere Verwandte waren um sein Bett versammelt. In dem Moment, als seine Frau versuchte, ihn aufzurichten, bog er sich, wurde braun und blau, seine Augen schlossen sich und man hielt ihn für tot. Seine Frau setzte sich vor ihn, um ihren Kindern diesen Anblick zu ersparen. Nach ein paar Minuten öffnete er seine Augen wieder, seine Gestalt, sozusagen durchleuchtet, nahm einen Ausdruck strahlender Glückseligkeit an, und er rief aus: “Oh, meine Kinder, wie schön! Wie erhaben! Oh, der Tod! Was für eine Wohltat! Was für eine süße Sache! Ich war tot und ich fühlte, wie meine Seele sich sehr hoch erhob, sehr hoch. Aber Gott hat mir erlaubt zurückzukommen, um euch zu sagen: Fürchtet den Tod nicht, er ist die Befreiung. Warum kann ich euch nicht die Großartigkeit dessen beschreiben, was ich gesehen habe und die Eindrücke, von denen ich mich durchdrungen fühlte. Aber ihr würdet es nicht begreifen können. Oh, meine Kinder, verhaltet euch immer so, dass ihr dieses unaussprechliche Glück verdient, welches guten Menschen vorbehalten ist. Lebt nach der Nächstenliebe. Wenn ihr etwas habt, gebt einen Teil davon denen, die Mangel am Nötigen haben. Meine liebe Frau, ich lasse dich in einer unglücklichen Lage zurück. Man ist uns Geld schuldig, aber ich flehe dich an, quäle die nicht, die uns schuldig sind. Wenn sie in Schwierigkeiten sind, warte, bis sie die Schuld abtragen können. Und die, die es nicht können, bringe ein Opfer an ihnen. Gott wird dich dafür belohnen. Du, mein Sohn, arbeite, um deine Mutter zu unterstützen. Sei immer ein ehrlicher Mann und hüte dich davor, etwas zu tun, was unsere Familie entehren könnte. Nimm dieses Kreuz, das von meiner Mutter kommt. Verlier es nicht; es wird dich immer an meine letzten Ratschläge erinnern. Meine Kinder, helft und unterstützt euch gegenseitig. Frieden herrsche unter euch. Seid weder eitel noch stolz. Verzeiht euren Feinden, wenn ihr wollt, dass Gott euch verzeiht. Dann ließ er seine Kinder näher treten, streckte ihnen seine Hand entgegen und fügte hinzu: “Meine Kinder, ich segne euch.“ Und seine Augen schlossen sich diesmal für immer. Aber sein Gesicht behielt einen so eindrucksvollen Ausdruck, dass bis zur Stunde seiner Beerdigung eine große Menschenmenge kam, um ihn mit Bewunderung zu betrachten.

Diese bemerkenswerten Angaben sind uns von einem Freund seiner Familie übermittelt worden und so dachten wir, dass eine Anrufung für alle lehrreich und gleichzeitig für den Geist nützlich sein könnte.

Anrufung. – Antwort: Ich bin bei Ihnen.

Frage: Man hat uns Ihre letzten Augenblicke berichtet, die uns mit Bewunderung erfüllt haben. Wären Sie so gut, uns noch besser, als Sie es getan haben, zu beschreiben, was Sie gesehen haben in der Zeit zwischen den Erlebnissen, die man als Ihre beiden Tode bezeichnen könnte.

Antwort: Was ich gesehen habe, würdet ihr es verstehen können? Ich weiß es nicht, denn ich kann keine Ausdrücke finden, die geeignet wären verständlich zu machen, was ich in den wenigen Augenblicken sehen konnte, in denen ich meinen sterblichen Körper verlassen konnte.

Frage: Sind Sie sich klar darüber, wo Sie gewesen sind? War es weit von der Erde, auf einem anderen Planeten oder im Weltall?

Antwort: Der Geist kennt nicht den Wert solcher Entfernungen, wie Ihr sie euch vorstellt. Hingerissen von ich weiß nicht welcher wundersamen Triebkraft, sah ich die Pracht eines Himmels, wie ihn nur unsere Träume verwirklichen könnten. Dieses Durcheilen der Unendlichkeit geschah so schnell, dass ich die Augenblicke, die mein Geist dafür gebraucht hat, nicht genau bestimmen kann.

Frage: Genießen Sie derzeit das Glück, das Sie erblickt haben?

Antwort: Nein, ich würde es gerne genießen können, aber Gott kann mich nicht so belohnen. Ich habe mich zu oft gegen die segensreichen Gedanken, die mein Herz mir eingab, aufgelehnt, und der Tod schien mir eine Ungerechtigkeit. Als ungläubiger Arzt hatte ich aus der Heilkunst eine Abneigung gegen die zweite Natur gezogen, die die Quelle für unsere göttliche Geistesbewegung ist. Die Unsterblichkeit der Seele war für mich eine Einbildung, die geeignet war, weniger gebildete Menschen zu verführen. Nichtsdestoweniger schreckte mich die Leere, denn ich habe manches Mal jene geheimnisvolle Triebkraft verwünscht, die immer und immer Staunen erweckt. Die Philosophie hatte mich in die Irre geführt, ohne mich die ganze Größe des Ewigen begreifen zu lassen, der Schmerz und Freude für den Lernprozess der Menschheit zu verteilen weiß.

Frage: Sind Sie sich zur Zeit Ihres wirklichen Todes gleich bewusst gewesen?

Antwort: Nein, klar bin ich mir erst während des Übergangs geworden, den mein Geist durchmachte, um die überirdischen Orte zu durcheilen, aber nicht nach dem wirklichen Tode. Es hat zu meinem Erwachen mehrere Tage gebraucht.

Gott hatte mir eine Gnade gewährt. Ich will euch den Grund dafür nennen:

Meine erste Ungläubigkeit war nicht mehr vorhanden. Vor meinem Tod hatte ich bereits geglaubt, denn nachdem ich die schwere Materie, die mir den Untergang bereitete, wissenschaftlich untersucht hatte, fand ich am Ende der irdischen Berechnungen nur die göttliche Berechnung. Er hat mich geleitet, getröstet, und mein Mut war stärker als der Schmerz. Ich segnete, was ich verflucht hatte. Das Ende schien mir die Befreiung. Der Gedanke an Gott ist so groß wie die Welt! Oh, welch hoher Trost liegt im Gebet, das solch unaussprechliche reine Empfindungen weckt. Es ist der sicherste Beleg unserer nicht materiellen Natur. Durch das Gebet habe ich begriffen, in fester, selbständiger Weise zu glauben begonnen. Dafür hat Gott, der auf meine Taten achtete, die ich segnete, mich gütig belohnt, bevor meine Inkarnation zu Ende ging.

Frage: Könnte man sagen, dass Sie beim ersten Mal tot waren?

Antwort: Ja und nein! Nachdem der Geist den Körper verlassen hatte, starb das Fleisch natürlich ab. Aber als ich von meinem irdischen Zuhause wieder Besitz ergriff, ist wieder Leben in den Körper gekommen, der einen Übergang, einen Schlaf durchgemacht hatte.

Frage: Fühlten Sie zu diesem Zeitpunkt die Bande, die Sie an Ihren Körper fesselten?

Antwort: Allerdings! Der Geist hat ein schwer zu zerreißendes Band. Es muss ein letztes Erzittern des Fleisches da sein, um ihm die Rückkehr ins körperliche Leben zu ermöglichen.

Frage: Wie kommt es, dass sich Ihr Geist während Ihres scheinbaren Todes für einige Minuten sofort und ohne Verwirrung losmachen konnte, während dem wirklichen Tod eine mehrtägige Verwirrung gefolgt ist? Es scheint, dass im ersten Fall die Bindungen zwischen der Seele und dem Körper stärker bestanden als im zweiten und deshalb die Loslösung hätte langsamer sein müssen, aber genau das Gegenteil ist passiert.

Antwort: Sie haben oft die Anrufung eines inkarnierten Geistes gemacht und haben wirkliche Antworten von ihm erhalten. Ich war in der Verfassung dieser Geister. Gott rief mich und seine Diener hatten zu mir gesagt: "Komm!" Ich gehorchte und ich danke Gott für die besondere Gnade, die er mir in seiner Güte erwiesen hat. Ich war in der Lage, die Unendlichkeit seiner Größe zu sehen und zu realisieren. Hab Dank, oh Gott, dass du mir vor dem wirklichen Tod erlaubt hast, die Meinigen zu unterweisen, damit sie gute und gerechte Inkarnierte sein können.

Frage: Woher kamen Ihnen die schönen und guten Worte, die Sie zur Zeit Ihrer Rückkehr ins Leben an Ihre Familie gerichtet haben?

Antwort: Sie waren das Spiegelbild von dem, was ich gesehen und gehört hatte; die guten Geister verliehen mir Stimme und belebten mein Gesicht.

Frage: Welchen Eindruck, glauben Sie, hat Ihre Offenbarung auf die Anwesenden und insbesondere auf Ihre Kinder gemacht?

Antwort: Einen überraschenden, tiefen. Der Tod ist kein Lügner. Die Kinder, wie undankbar sie auch sein mögen, verneigen sich vor der scheidenden Inkarnation. Wenn man die Herzen seiner Kinder bei einem halb geöffneten Grab untersuchen könnte, würde man bei ihnen nur wahre Empfindungen finden, tief berührt von der geheimen Hand der Geister, die in allen Gedanken zu ihnen sagen: "Zittert, wenn ihr im Zweifel seid! Der Tod ist Wiedergutmachung, Gottes Gerechtigkeit!" Und ich versichere euch, den Ungläubigen standhaltend, werden meine Freunde und Angehörigen den Worten glauben, die meine Stimme sprach, bevor ich starb. Ich war der Sprecher einer anderen Welt.

Frage: Sie sagten, Sie würden das Glück, das Sie erblickt haben, nicht genießen. Sind Sie unglücklich? Antwort:

Nein, denn ich hatte Glauben vor dem Sterben, und zwar in meiner Seele und meinem Gewissen. Hier unten bedrückt der Schmerz, aber er erhebt wieder für eine geistige Zukunft. Beachtet, dass Gott meine Gebete und meinen absoluten Glauben an ihn zu berücksichtigen wusste. Ich bin auf dem Weg zur Vollkommenheit und werde das Ziel erreichen, das ich erahnen durfte. Betet, meine Freunde, für diese unsichtbare Welt, die eure Schicksale lenkt. Dieser brüderliche Austausch ist wahre Nächstenliebe, er ist ein mächtiger Hebel, der die Geister aller Welten zur Gemeinschaft macht. Frage:

Möchten Sie einige Worte an Ihre Frau und Ihre Kinder richten?

Antwort: Ich bitte alle meine Lieben, an einen mächtigen, gerechten, unveränderlichen Gott zu glauben. An das Gebet, das tröstet und erleichtert. An die Nächstenliebe, die der reinste Akt der menschlichen Inkarnation ist. Sie sollten sich erinnern, dass man wenig geben kann. Die bescheidene Gabe des Armen ist am verdienstvollsten vor Gott, der weiß, dass ein Armer viel gibt, wenn er wenig gibt. Der Reiche muss oft und in großem Maßstab geben, um ebensoviel Verdienst zu erwerben wie jener.

Die Zukunft ist Nächstenliebe, das Wohlwollen in allen Handlungen. Sie ist der Glaube, dass alle Menschen Brüder sind, indem man sich niemals auf all die kindischen Eitelkeiten etwas einbildet. Geliebte Familie, ihr werdet schwere Prüfungen haben; aber wisst, wie man sie mutig annimmt in dem Gedanken, dass Gott sie sieht.

Sprecht häufig dieses Gebet:

Gott der Liebe und Güte, der du immer alles gibst, schenke uns diese Kraft, die vor keiner Schwierigkeit zurückschreckt; mach uns gut, sanft, liebevoll, klein vor irdischem Vermögen und groß im Herzen.

Möge unser Geist spirituell auf Erden sein, damit wir Dich besser verstehen und lieben! Möge dein Name, oh mein Gott, das Sinnbild der Freiheit, das tröstende Ziel aller Unterdrückten sein, all jener, die ein Bedürfnis haben zu lieben, zu vergeben und zu glauben.

Cardon


Eric Stanislas

(Spontane Mitteilung, Spiritistische Gesellschaft Paris, August 1863)

Welch ein Glück bereiten uns die von warmen Herzen lebhaft empfundenen Emotionen! Oh, ihr lieblichen Gedanken, die ihr kommt, einen Weg der Erlösung zu öffnen für alles, das lebt, alles, das körperlich und geistig atmet! Möge euer heilsamer Balsam nicht aufhören, sich in großen Wellen über dich und über uns zu verbreiten! Welche Ausdrücke sollen wir wählen, um das Glück zu schildern, das alle eure Brüder aus dem Jenseits empfinden in Betrachtung der reinen Liebe, die euch alle vereint!

Ach, Brüder, wieviel Gutes überall, wie viele zarte, erhabene Empfindungen, einfach wie ihr, wie eure Lehre, seid ihr zu säen berufen auf dem langen Weg, den ihr noch zu durchlaufen habt! Aber wie sehr wird euch das alles auch zurückgegeben werden, sogar vor der Zeit, in der ihr ein Anrecht darauf habt.

Ich habe dieser ganzen abendlichen Sitzung beigewohnt, habe zugehört, verstanden, begriffen und werde nun auch meinerseits wissen, meine Pflicht zu erfüllen und die Klasse der unvollkommenen Geister zu unterrichten.

Hört, ich war weit davon entfernt, glücklich zu sein. Verloren in der unermesslichen Unendlichkeit litt ich um so heftiger, als ich mir keinen genauen Aufschluss darüber geben konnte. Gott sei Dank! Er hat mir erlaubt, in eine heilige Stätte zu kommen, die die Bösen nicht ungestraft betreten können. Freunde, wie dankbar bin ich euch, wie viel Kraft habe ich unter euch geschöpft!

Oh, ihr gut gesinnten Menschen, kommt oft zusammen und unterrichtet! Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie fruchtbar all die ernsthaften Versammlungen sind, die ihr untereinander habt. Geister, die noch viele Dinge zu lernen haben, solche, die aus freien Stücken untätig bleiben, faul und ihre Pflichten vergessend, können sich, sei es durch einen zufälligen Umstand, sei es anderswie, unter euch einfinden. Von einem schrecklichen Schock getroffen, können sie, und das geschieht oft, in sich gehen, sich selbst erkennen, von ferne das Ziel sehen, das es zu erreichen gilt und gestärkt durch das Beispiel, das ihr ihnen gebt, die Mittel suchen, die sie aus dem schmerzlichen Zustand, in dem sie sich befinden, herausführen können. Ich mache mich mit recht großer Freude zum Fürsprecher der leidenden Seelen, weil ich mich an Menschen mit Herz wende und weiß, dass ich nicht zurückgewiesen werde.

Ihr großzügigen Menschen, mögt ihr noch einmal den Ausdruck meiner besonderen Dankbarkeit entgegennehmen und die aller unserer Freunde, denen ihr vielleicht, ohne es zu ahnen, so viel Gutes getan habt.

Eric Stanislas

Der Führer des Mediums: Liebe Kinder, das ist ein Geist, der sehr unglücklich gewesen ist, weil er lange verirrt war. Jetzt hat er sein Unrecht eingesehen. Er hat bereut und endlich seine Blicke auf Gott gerichtet, den er nicht gekannt hatte. Seine Lage ist nicht glücklich, aber er strebt danach und leidet nicht mehr. Gott hat ihm erlaubt zu kommen und zuzuhören. Danach soll er in einen niederen Bereich gehen, um die Geister dort zu unterweisen und zum Fortschritt zu befähigen. Geister, die wie er die Gesetze des Ewigen übertreten haben. Das ist die Wiedergutmachung, die von ihm verlangt wird. Von nun an wird er die Glückseligkeit erobern, weil er den guten Willen dazu hat.




Kapitel IV - Leidende Geister












Kapitel V - Selbstmorde











Kapitel VI - Bereuende Verbrecher

Verger

Mörder des Erzbischofs von Paris


Am 3. Januar 1857 wurde seine Exzellenz Sibour, Erzbischof von Paris, beim Verlassen der Kirche Saint Étienne du Mont von einem jungen Priester namens Verger ermordet. Der Täter wurde zum Tode verurteilt und am 30. Januar hingerichtet. Bis zum letzten Augenblick hat er weder Bedauern, noch Reue, noch Mitgefühl gezeigt.

Als er noch am Tag seiner Hinrichtung angerufen wurde, gab er folgende Antworten:

Anrufung:

Antwort: Ich werde noch in meinem Körper festgehalten.

Frage: Ist Ihre Seele nicht völlig von Ihrem Körper befreit?

Antwort: Nein ... ich habe Angst ... ich weiß es nicht … warten Sie, bis ich mich zurechtfinde ... ich bin nicht tot, nicht wahr?

Frage: Bereuen Sie, was Sie getan haben?

Antwort: Es war falsch, zu töten, aber ich bin von meinem Charakter, der Demütigungen nicht ertragen konnte, dazu getrieben worden … Rufen Sie mich ein anderes Mal.

Frage: Warum wollen Sie jetzt schon gehen?

Antwort: Ich hätte zu viel Angst, wenn ich ihn sehen würde. Ich würde mich fürchten, dass er mir dasselbe antut.

Frage: Aber Sie haben nichts zu befürchten, da Ihre Seele von Ihrem Körper getrennt ist. Verbannen Sie jegliche Sorge, eine solche ist nicht vernünftig.

Antwort: Was wollen Sie? Sind Sie immer Herr Ihrer Eindrücke? … Ich weiß nicht, wo ich bin … ich bin verrückt.

Frage: Versuchen Sie, sich zu beruhigen.

Antwort: Ich kann nicht, weil ich eben verrückt bin … Warten Sie! … Ich werde meine ganze Klarheit zurückgewinnen.

Frage: Wenn Sie beten würden, könnte Ihnen das helfen, Ihre Gedanken zu sammeln?

Antwort: Ich fürchte mich ... Ich wage es nicht zu beten.

Frage: Beten Sie, Gottes Barmherzigkeit ist groß! Wir werden mit Ihnen beten.

Antwort: Ja, Gottes Barmherzigkeit ist unendlich. Das habe ich immer geglaubt.

Frage: Erkennen Sie jetzt Ihre Lage besser?

Antwort: Sie ist so außergewöhnlich, dass ich sie noch nicht begreifen kann.

Frage: Sehen Sie Ihr Opfer?

Antwort: Ich glaube, eine Stimme zu hören, die der seinen gleicht und die zu mir sagt: Ich bin Dir nicht böse ... aber das ist eine Folge meiner Einbildung! … Ich bin verrückt, das sage ich Ihnen, denn ich sehe meinen eigenen Körper auf der einen Seite und meinen Kopf auf der anderen ... und doch kommt es mir so vor, als würde ich leben, aber im freien Raum zwischen der Erde und dem, was Sie Himmel nennen … Ich fühle sogar die Kälte eines Messers, das auf meinen Hals fällt ... aber es ist die Angst, die ich vor dem Sterben habe … es scheint mir, dass ich viele Geistwesen um mich herum sehe, die mich mitfühlend ansehen … sie reden mit mir, aber ich verstehe sie nicht. Frage: Findet sich unter diesen Geistwesen irgendeines, durch dessen Gegenwart Sie sich wegen Ihres Verbrechens gedemütigt fühlen?

Antwort: Ich sage Ihnen, dass es nur einen gibt, vor dem ich mich fürchte, nämlich der, den ich erschlagen habe.

Frage: Erinnern Sie sich an Ihre früheren Existenzen?

Antwort: Nein, ich bin im Unklaren ... ich glaube zu träumen … noch einmal, ich muss mich erst zurechtfinden.

(Drei Tage später) Frage: Finden Sie sich jetzt besser zurecht?

Antwort: Ich weiß nun, dass ich nicht mehr zu dieser Welt gehöre und ich bedaure das nicht. Ich bereue, was ich getan habe, aber mein Geist ist freier. Es ist mir klarer geworden, dass es eine Reihe von Existenzen gibt, die uns die nützlichen Kenntnisse geben, um so vollkommen zu werden, wie das Geschöpf es vermag.

Frage: Werden Sie für das Verbrechen, das Sie begangen haben, bestraft?

Antwort: Ja, ich bereue, was ich getan habe und leide darunter.

Frage: Auf welche Weise werden Sie bestraft?

Antwort: Ich werde bestraft, weil ich meine Schuld anerkenne und Gott um Vergebung dafür bitte. Ich werde bestraft, weil ich mir meines fehlenden Glaubens an Gott bewusst bin und weil ich jetzt weiß, dass wir die Tage unserer Brüder nicht verkürzen dürfen. Ich werde bestraft durch das Schuldgefühl, meinen Fortschritt verzögert zu haben, indem ich einen falschen Weg eingeschlagen habe und nicht auf den Schrei meines Gewissens gehört habe, der mir sagte, durch Töten würde ich keineswegs an mein Ziel gelangen. Aber ich habe mich von Hochmut und Eifersucht beherrschen lassen. Ich habe mich geirrt und bereue es, denn der Mensch muss sich immer anstrengen, um seine schlechten Leidenschaften zu beherrschen, und das habe ich nicht getan.

Frage: Welches Gefühl haben Sie, wenn wir Sie rufen?

Antwort: Freude und Furcht, denn ich bin nicht böse.

Frage: Worin bestehen diese Freude und diese Furcht?

Antwort: Freude, weil ich mich mit Menschen unterhalte und weil ich durch meine Eingeständnisse zum Teil wiedergutmachen kann. Furcht, die ich nicht definieren kann, eine Art Scham, ein Mörder gewesen zu sein.

Frage: Möchten Sie auf dieser Erde wieder inkarniert werden?

Antwort: Ja, ich bitte darum, und ich wünsche mir, mich ständig in Gefahr zu befinden, dass ich getötet würde und Angst davor hätte.

Als seine Exzellenz Erzbischof Sibour angerufen wurde, sagte er, dass er seinem Mörder verzeihe und für seine Rückkehr zum Guten bete. Er fügte hinzu, dass er sich ihm, obwohl er anwesend war, nicht gezeigt habe, um sein Leiden nicht zu vergrößern; denn die Furcht vor seinem Anblick, die ein Zeichen von Gewissensbissen sei, sei schon eine Strafe.

Frage: Weiß der Mensch, der einen Mord begeht, bei der Wahl seiner Existenz, dass er zum Mörder wird?

Antwort: Nein, er weiß, dass, wenn er ein Leben des Kampfes wählt, es günstige Umstände gibt, die ihn dazu bringen können, einen seiner Mitmenschen zu töten. Aber er weiß nicht, ob er es tun wird, denn es gab fast immer einen Kampf in ihm.

Bemerkung: Die Lage von Verger zum Zeitpunkt seines Todes war die, die fast alle Menschen erleben, die eines gewaltsamen Todes sterben. Da die Trennung der Seele sich nicht so schnell vollzieht, sind sie wie betäubt und wissen nicht, ob sie tot oder lebendig sind. Der Anblick des Erzbischofs bleibt ihm erspart, weil es nicht nötig war, Schuldgefühle zu erzeugen, während andere dagegen unaufhörlich von den Blicken ihrer Opfer verfolgt werden.

Die Ungeheuerlichkeit seines Verbrechens hatte Verger noch verschlimmert, indem er bis zum Tode keine Reue zeigte. Er erfüllte also alle Bedingungen, um die ewige Verdammnis auf sich zu ziehen. Jedoch kaum, dass er die Erde verlassen hat, dringt die Reue in seine Seele. Er verabscheut seine Vergangenheit und bittet aufrichtig um Wiedergutmachung. Was ihn dazu treibt, ist nicht das Übermaß an Leiden, da er ja noch keine Zeit zum Leiden gehabt hat. Es ist somit nur der Schrei seines Gewissens, auf den er während seines Lebens nicht gehört hat und den er nun wahrnimmt. Warum sollte ihm das nicht angerechnet werden? Warum sollte das, was ihn noch vor wenigen Tagen vor der Hölle bewahrt hätte, das nun nicht mehr vermögen? Warum sollte Gott, der vor dem Tod barmherzig gewesen wäre, einige Stunden später ohne Mitleid sein? Man könnte sich über die Schnelligkeit der Wandlung wundern, die sich manchmal in der Meinung eines bis zum letzten Augenblick verhärteten Verbrechers vollzieht, bei dem der Übergang in das andere Leben genügt, um ihn das Unrecht seines Verhaltens einsehen zu lassen. Dieser Erfolg ist durchaus nicht allgemeingültig, sonst gäbe es keine bösen Geistwesen. Die Reue kommt oft sehr spät, folglich wird die Strafe auch verlängert.

Das Verharren im Bösen während des Lebens ist manchmal eine Folge des Hochmuts, der sich weigert, sich zu beugen und seine Fehler einzugestehen. Auch steht der Mensch unter dem Einfluss der Materie, die einen Schleier über seine geistigen Wahrnehmungen wirft und ihn fasziniert. Ist der Schleier gefallen, geht ihm plötzlich ein Licht auf und er ist wie ernüchtert. Die sofortige Rückkehr zur besseren Gesinnung ist immer ein Zeichen eines gewissen moralischen Fortschritts, der nur eines günstigen Umstandes bedarf, um sich zu offenbaren. Wer dagegen nach dem Tod mehr oder weniger lange im Bösen verharrt, ist zweifellos ein zurückgebliebener Geist, in dem der materielle Instinkt den Keim des Guten erstickt und noch weitere Prüfungen braucht, um sich zu bessern.


Lemaire

Vom Gerichtshof der Geschworenen von Aisne zum Tode verurteilt, am 31. Dezember 1857 hingerichtet und am 29. Januar 1858 angerufen

Anrufung.

Antwort: Ich bin hier.

Frage: Was empfinden Sie bei unserem Anblick?

Antwort: Scham. Frage: Haben Sie Ihr Bewusstsein bis zum letzten Augenblick behalten?

Antwort: Ja.

Frage: Waren Sie sich unmittelbar nach Ihrer Hinrichtung Ihrer neuen Existenz bewusst?

Antwort: Ich war in großer Verwirrung, aus der ich noch nicht heraus bin. Ich habe einen ungeheuren Schmerz verspürt und es schien mir, als ob ihn mein Herz erlitte. Ich sah am Fuße des Schafotts etwas rollen, von dem ich nicht weiß, was es war. Ich sah Blut fließen und mein Schmerz war nur noch stechender.

Frage: War es ein rein körperlicher Schmerz, ähnlich dem, den eine schwere Verletzung, zum Beispiel die Amputation eines Gliedes, verursachen würde?

Antwort: Nein, stellen Sie sich Gewissensbisse vor, einen großen seelischen Schmerz.

Frage: Wann haben Sie angefangen, diesen Schmerz zu fühlen?

Antwort: Sobald ich frei war.

Frage: Wurde der durch die Todesstrafe verursachte physische Schmerz vom Körper oder vom Geist empfunden?

Antwort: Der seelische Schmerz war in meinem Geist. Der Körper hat den physischen Schmerz gespürt, aber der getrennte Geist spürte noch die Nachwirkung davon.

Frage: Haben Sie Ihren verstümmelten Körper gesehen?

Antwort: Ich habe etwas Unförmiges gesehen, das ich anscheinend nicht verlassen hatte. Jedoch fühlte ich mich noch als ganz, ich war ich selbst.

Frage: Welchen Eindruck hat dieser Anblick auf Sie gemacht?

Antwort: Ich fühlte meinen Schmerz zu sehr; ich war darin verloren.

Frage: Ist es wahr, dass der Körper noch einige Augenblicke nach der Enthauptung lebt und dass der Hingerichtete sich seiner Gedanken bewusst ist?

Antwort: Der Geist zieht sich nach und nach zurück. Je mehr die materiellen Bande ihn in sich verstricken, umso langsamer erfolgt die Trennung.

Frage: Man will auf dem Gesicht einiger Hingerichteter den Ausdruck von Zorn bemerkt haben und Bewegungen, als ob sie sprechen wollten. Ist das die Folge einer Kontraktion der Nerven oder des Willens?

Antwort: Des Willens, denn der Geist hatte sich noch nicht zurückgezogen.

Frage: Welches war das erste Gefühl, das Sie beim Eintritt in Ihre neue Existenz hatten?

Antwort: Ein unerträgliches Leiden, eine Art stechende Reue, deren Ursache ich nicht kannte.

Frage: Haben Sie sich mit Ihren Komplizen, die zur gleichen Zeit wie Sie hingerichtet wurden, vereinigt gefunden?

Antwort: In Bezug auf unser Unglück. Unser Anblick ist eine ständige Qual. Jeder von uns wirft dem anderen sein Verbrechen vor.

Frage: Begegnen Sie Ihren Opfern?

Antwort: Ich sehe sie … sie sind glücklich ... ihr Blick verfolgt mich … ich fühle, wie er in die Tiefen meines Wesens eindringt ... vergeblich will ich ihm entfliehen.

Frage: Welches Gefühl haben Sie bei ihrem Anblick?

Antwort: Scham und Gewissensbisse. Ich habe die Opfer mit meinen eigenen Händen großgezogen und hasse sie erneut.

Frage: Was empfinden jene, wenn sie Sie sehen?

Antwort: Mitleid.

Frage: Tragen sie Hass und den Wunsch nach Rache in sich?

Antwort: Nein, ihre Wünsche verlangen von mir Sühne. Sie können sich nicht vorstellen, was für eine schreckliche Qual es ist, jemandem, den man hasst, alles schuldig zu sein.

Frage: Bedauern Sie das irdische Leben?

Antwort: Ich bedaure nur meine Verbrechen. Wenn das Geschehene noch in meiner Hand läge, würde ich es nicht mehr begehen.

Frage: Lag die Neigung zum Bösen in Ihrer Natur oder wurden Sie durch die Umgebung, in der Sie lebten, dazu verleitet?

Antwort: Die Neigung zum Verbrechen lag in meiner Natur, denn ich war nur ein niederes Geistwesen. Ich wollte schnell aufsteigen, aber ich habe mehr verlangt, als meine Kräfte es zuließen. Ich habe mich stark geglaubt, habe eine schwere Prüfung gewählt und habe den Versuchungen zum Bösen nachgegeben.

Frage: Wenn man Ihnen gute Erziehungsgrundsätze gegeben hätte, hätte man Sie vom kriminellen Leben abbringen können?

Antwort: Ja, aber ich habe die Lebenslage gewählt, in der ich geboren bin.

Frage: Hätten Sie ein guter Mensch sein können?

Antwort: Ein schwacher Mensch, unfähig zum Guten wie zum Bösen. Ich konnte das Böse meiner Natur während meines Lebens korrigieren, aber ich konnte mich nicht erheben, das Gute zu tun.

Frage: Glaubten Sie zu Ihren Lebzeiten an Gott?

Antwort: Nein.

Frage: Man sagt, Sie hätten in der Todesstunde bereut, ist das wahr?

Antwort: Ich habe an einen rächenden Gott geglaubt ... Ich hatte Angst vor seiner Gerechtigkeit.

Frage: Ist Ihre Reue in diesem Augenblick aufrichtiger?

Antwort: Ach, gewiss, ich sehe, was ich getan habe.

Frage: Was denken Sie jetzt über Gott?

Antwort: Ich fühle ihn, aber ich verstehe ihn nicht.

Frage: Finden Sie die Strafe gerecht, die Ihnen auf Erden auferlegt worden ist?

Antwort: Ja.

Frage: Hoffen Sie, Verzeihung für Ihre Verbrechen zu erlangen?

Antwort: Ich weiß es nicht.

Frage: Wie hoffen Sie, diese zu sühnen?

Antwort: Durch neue Prüfungen, doch scheint mir, dass eine Ewigkeit zwischen ihnen und mir liegt.

Frage: Wo sind Sie jetzt?

Antwort: Ich bin in meinem Leiden.

Frage: Wir fragen Sie, an welcher Stelle Sie sind?

Antwort: In der Nähe des Mediums.

Frage: Da Sie hier sind, in welcher Gestalt würden Sie uns erscheinen, wenn wir Sie sehen könnten?

Antwort: In meiner körperlichen Gestalt, den Kopf vom Rumpf getrennt.

Frage: Könnten Sie uns erscheinen?

Antwort: Nein, lassen Sie mich!

Frage: Würden Sie uns bitte sagen, wie Sie aus dem Gefängnis von Montdidier entkommen sind?

Antwort: Ich weiß es nicht mehr … Mein Schmerz ist so groß, dass ich nur die Erinnerung an das Verbrechen habe. Lassen Sie mich.

Frage: Könnten wir Ihrem Schmerz irgendeine Linderung bringen?

Antwort: Wünschen Sie mir, dass die Sühne kommt!



Der Geist von Castelnaudary

In einem kleinen Haus in der Nähe von Castelnaudary haben seltsame Geräusche und unterschiedliche Manifestationen stattgefunden, die den Eindruck erweckten, als würde es von einem bösen Geist heimgesucht. Aus diesem Grund wurde 1848 eine Beschwörung durchgeführt, jedoch ohne Erfolg. Der Besitzer, Herr D., der es bewohnen wollte, starb dort plötzlich einige Jahre danach. Sein Sohn, der es danach bewohnen wollte, erhielt eines Tages beim Betreten eines Zimmers eine kräftige Ohrfeige von unbekannter Hand. Da er völlig allein war, konnte er nicht daran zweifeln, dass sie ihm von verborgener Quelle gegeben wurde. Aus diesem Grund beschloss er, das Haus endgültig zu verlassen. In dieser Gegend gibt es eine Überlieferung, nach der in diesem Haus ein großes Verbrechen begangen worden sei.

Das Geistwesen, das die Ohrfeige gegeben hatte, wurde 1859 in die spiritistische Gesellschaft von Paris gerufen und äußerte sich durch Zeichen von Gewalttätigkeit. Alle Bemühungen, es zu besänftigen, waren wirkungslos. Der heilige Ludwig, diesbezüglich befragt, antwortete: "Es ist ein Geistwesen von der schlimmsten Art, ein wahrhaftes Ungeheuer. Wir haben sein Kommen bewirkt, haben ihn aber nicht zum Schreiben zwingen können, trotz allem, was ihm gesagt worden ist. Er hat seinen freien Willen. Der Unglückliche macht einen traurigen Gebrauch davon."

Frage: Ist dieser Geist verbesserungsfähig?

Antwort: Warum nicht? Sind sie es nicht alle, dieser wie die anderen? Man muss sich jedoch darauf gefasst machen, auf Schwierigkeiten zu stoßen. Aber wie niederträchtig er auch sein mag, das Gute, das ihm für Böses erwiesen wird, wird ihn schließlich doch berühren. Zunächst bete man für ihn und rufe ihn dann in einem Monat erneut. Sie werden die Wandlung beurteilen können, die sich dann in ihm vollzogen haben wird.

Das später wieder gerufene Geistwesen zeigte sich umgänglicher, danach allmählich fügsam und reumütig. Durch ihn und anderen Geistwesen gewährten Gespräche ergaben, dass er im Jahr 1608 dieses Haus bewohnte, in dem er wegen des Verdachts eifersüchtiger Rivalität seinen Bruder ermordet hatte, indem er, während dieser schlief, an die Kehle schlug, und einige Jahre später ermordete er die, die er nach dem Tod seines Bruders zu seiner Frau gemacht hatte. Er starb 1659 im Alter von 80 Jahren, ohne wegen dieser Morde verfolgt worden zu sein, auf die man in diesen Zeiten der Verwirrung wenig achtete. Seit seinem Tod hatte er nicht aufgehört, Böses zu tun, und mehrere der in diesem Haus geschehenen Unfälle herbeigeführt. Ein hellseherisches Medium, das beim ersten Aufruf gegenwärtig war, sah ihn in den Augenblicken, als man ihn zum Schreiben bringen wollte. Er schüttelte heftig den Arm des Mediums, sein Anblick war erschreckend. Er war mit einem blutbefleckten Hemd bekleidet und hielt einen Dolch in der Hand.

Fragen an den heiligen Ludwig:

Frage: Würden Sie uns bitte die Art der Bestrafung dieses Geistwesens beschreiben?

Antwort: Sie ist grässlich für ihn. Er ist dazu verurteilt worden, in dem Haus zu bleiben, in dem das Verbrechen begangen wurde, ohne seine Gedanken auf etwas anderes als dieses Verbrechen, das er immer vor Augen hat, richten zu können. Er glaubt, für alle Ewigkeit zu dieser Qual verdammt zu sein. Er sieht sich ständig in dem Augenblick, als er das Verbrechen begangen hat. Jede andere Erinnerung ist ihm entzogen und jede Begegnung mit einem anderen Geistwesen verwehrt. Er kann sich auf der Erde nur in diesem Haus aufhalten und wenn er sich im freien Raum aufhält, befindet er sich dort in Finsternis und Einsamkeit.

Frage: Gäbe es eine Möglichkeit, ihn von diesem Haus zu vertreiben und welche wäre das?

Antwort: Will man die Quälereien solcher Geistwesen los sein, ist es leicht, wenn man für sie betet: aber genau das wird immer versäumt. Man zieht es vor, sie mit Beschwörungsformeln zu erschrecken, die sie sehr amüsieren.

Frage: Wenn wir die Beteiligten veranlassen, für ihn zu beten und wir selbst für ihn beten, würde das bewirken, dass er geht?

Antwort: Ja, aber beachten Sie, dass ich gesagt habe: ihr sollt beten und nicht: ihr sollt zum Beten veranlassen.

Frage: Wie man sieht, ist er jetzt seit zwei Jahrhunderten in dieser Lage. Erlebt er diese Zeit, wie er es zu Lebzeiten getan hätte, das heißt, kommt ihm die Zeit genauso lang oder weniger lang vor, als wenn er noch am Leben wäre?

Antwort: Sie erscheint ihm länger, weil es für ihn keinen Schlaf gibt.

Frage: Es ist uns gesagt worden, für Geistwesen existiere die Zeit nicht und ein Jahrhundert sei für sie ein Punkt in der Ewigkeit, ist es also nicht für alle gleich?

Antwort: Gewiss nicht, das gilt nur für Geistwesen, die auf einer sehr hohen Stufe des Fortschritts angelangt sind. Für niedere Geistwesen dagegen ist die Zeit manchmal sehr lang, vor allem wenn sie leiden.

Frage: Woher kam dieser Geist vor seiner Inkarnation?

Antwort: Er hatte ein Leben unter den grausamsten und wildesten Völkern gehabt und davor kam er von einem Planeten, der niedriger steht als die Erde.

Frage: Dieser Geist wird für das Verbrechen, das er begangen hat, sehr hart bestraft. Wenn er unter barbarischen Völkern gelebt hat, muss er Taten begangen haben, die nicht weniger grausam waren als die letzten. Ist er dafür in gleicher Weise bestraft worden?

Antwort: Dafür wurde er weniger bestraft, weil er mehr unwissend, weniger ihre Tragweite erkannte.

Frage: Ist der Zustand, in dem sich dieser Geist befindet, der von Wesen, die man gewöhnlich als Verdammte bezeichnet?

Antwort: Durchaus, und es gibt noch viel schrecklichere von ihnen. Die Leiden sind bei weitem nicht für alle gleich, selbst bei ähnlichen Verbrechen. Sie sind nämlich verschieden, je nachdem, ob der Schuldige mehr oder weniger der Reue zugänglich ist. Für diesen Geist ist das Haus, in dem er sein Verbrechen begangen hat, seine Hölle. Andere tragen sie in sich wegen der Leidenschaften, die sie quälen und die sie nicht befriedigen können.

Frage: Dieses Geistwesen fühlt trotz seiner Minderwertigkeit die guten Wirkungen des Gebetes. Das Gleiche haben wir an anderen, in gleichem Maße verworfenen Geistern gesehen, die von tierisch rohester Art waren. Wie kommt es, dass aufgeklärtere Geistwesen von mehr entwickelter Intelligenz, eine völlige Abwesenheit von guten Gesinnungen zeigen, dass sie über alles Heilige lachen, kurz gesagt: dass nichts sie berührt und dass es keinen Stillstand in ihrer Bösartigkeit gibt?

Antwort: Das Gebet hat nur Wirkung für ein Geistwesen, das bereut. Ein solches, von Hochmut getrieben, sich gegen Gott empört und in seinen Verfehlungen festhält, ja diese noch übertreibt, wie es unglückliche Geistwesen tun, bei solchen hat das Gebet keine Wirkung und wird nichts erreichen, bis zu dem Tag, an dem sich ein Schimmer von Reue zeigt. Die Unwirksamkeit des Gebetes ist für sie wiederum eine Strafe! Es bringt nur Erleichterung für diejenigen, die nicht völlig verhärtet sind.

Frage: Wenn man sieht, dass ein Geistwesen den guten Wirkungen des Gebetes unzugänglich ist, ist das ein Grund, nicht für es zu beten?

Antwort: Nein, sicher nicht, denn früher oder später wird das Gebet über seine Verhärtung siegen können und heilsame Gedanken in ihm aufkeimen lassen.

Bemerkung: Es ist ebenso mit bestimmten Kranken, bei denen Heilmittel erst nach längerer Zeit wirken. Die Wirkung lässt sich im ersten Augenblick nicht bemerken, bei anderen dagegen wirken sie schnell. Wenn man jene Wahrheit beachtet, dass alle Geistwesen vervollkommnungsfähig sind und dass keines ewig und zwangsläufig dem Bösen geweiht ist, so wird man begreifen, dass das Gebet früher oder später seine Wirkung haben wird und auch wenn es auf den ersten Blick unwirksam erscheint, dennoch nicht weniger heilsame Keime pflanzt, die den Geist für das Gute empfänglich machen, falls es ihn nicht sofort berührt. Es wäre also falsch, mutlos zu werden, weil man nicht sofort Erfolg hat.

Frage: Wenn dieser Geist wieder inkarnieren würde, in welcher Kategorie von Menschen würde er sich dann wiederfinden?

Antwort: Das wird von ihm und von der Reue abhängen, die er empfindet.

Mehrere Gespräche mit diesem Geist führten zu einer bemerkenswerten Veränderung in seiner moralischen Verfassung. Hier folgen einige seiner Antworten.

Fragen an das Geistwesen:

Frage: Warum haben Sie nicht schreiben können, als wir Sie das erste Mal anriefen?

Antwort: Ich wollte es nicht.

Frage: Warum wollten Sie es nicht?

Antwort: Unwissenheit und grobe Dummheit.

Frage: Sie können jetzt also, wenn Sie wollen, das Haus in Castelnaudary verlassen?

Antwort: Man erlaubt es mir, weil ich Ihre guten Ratschläge nutze.

Frage: Fühlen Sie sich dadurch ermutigt?

Antwort: Ich fange an zu hoffen.

Frage: Wenn wir Sie sehen könnten, wie würden Sie uns erscheinen?

Antwort: Sie würden mich im Hemd sehen, ohne Dolch.

Frage: Warum haben Sie Ihren Dolch nicht mehr? Was haben Sie damit gemacht?

Antwort: Ich verfluche ihn. Gott erspart mir den Anblick.

Frage: Wenn Herr D. … Sohn (der, der die Ohrfeige bekommen hatte) in das Haus zurückkehren würde, würden Sie ihm Böses antun?

Antwort: Nein, denn ich bin reumütig.

Frage: Und wenn er sich Ihnen widersetzen wolle?

Antwort: Oh, fragen Sie mich das nicht! Ich würde mich nicht beherrschen können, das würde über meine Kräfte gehen, denn ich bin nur ein Elender.

Frage: Sehen Sie in ferner Zukunft ein Ende Ihrer Leiden?

Antwort: Oh, noch nicht! Das ist bereits viel mehr als ich verdiene, dass ich dank ihrer Vermittlung weiß, dass die Leiden nicht immer bleiben werden.

Frage: Würden Sie uns bitte die Lage beschreiben, in der Sie waren, bevor wir Sie das erste Mal gerufen haben? Verstehen Sie bitte, dass wir Sie danach fragen, um eine Möglichkeit zu haben, Ihnen nützlich zu sein, und nicht aus Neugierde.

Antwort: Ich habe es euch gesagt, dass ich von nichts in der Welt ein Bewusstsein hatte, außer meinem Verbrechen und ich konnte das Haus, in dem ich es begangen habe, nur verlassen, um mich in den Weltraum zu erheben, wo alles um mich herum Einsamkeit und Dunkelheit war. Ich könnte euch keine Vorstellung davon geben, ich habe nie etwas davon begriffen. Sobald ich mich über die Luft hinaus erhob, war es schwarz, war es leer. Ich weiß nicht, was das war. Heute empfinde ich weit mehr Gewissensbisse und ich bin nicht mehr gezwungen, in jenem verhängnisvollen Haus zu bleiben. Es ist mir erlaubt, über die Erde zu irren und zu versuchen, mich durch meine Beobachtungen aufzuklären. Dann aber begreife ich die Ungeheuerlichkeit meiner Verbrechen umso besser. Und wenn ich auf der einen Seite weniger leide, vermehren sich auf der anderen Seite meine Qualen durch Selbstvorwürfe, aber wenigstens habe ich Hoffnung.

Frage: Wenn Sie wieder eine körperliche Existenz annehmen müssten, welche würden Sie wählen?

Antwort: Ich habe noch nicht genug gesehen und nicht genug nachgedacht, um das zu wissen.

Frage: Haben Sie während Ihrer langen Isolation, man könnte sagen, während Ihrer Gefangenschaft Gewissensbisse gehabt?

Antwort: Nicht die Geringsten, und darum habe ich so lange gelitten. Erst als ich anfing, solche zu empfinden, wurden ohne mein Wissen Umstände herbeigeführt, die zu meiner Anrufung führten. Dieser verdanke ich den Beginn meiner Befreiung. Ich danke Ihnen also, dass Sie Mitleid mit mir hatten und mich aufgeklärt haben!

Bemerkung: Wir haben tatsächlich gesehen, wie Geizige unter dem Anblick des Goldes leiden, das für sie ein wahres Trugbild geworden war. Wie Hochmütige vor dem eifrigen Streben nach Ehre gequält wurden, die sie anderen erwiesen sahen und die sich ihnen nicht zuwandten. Wie Menschen, die auf Erden befohlen hatten, von einer unsichtbaren Macht gedemütigt wurden, die sie zum Gehorchen zwang, und von dem Anblick ihrer Untergebenen, die sich nicht mehr vor ihnen beugten. Wie Atheisten die Angst der Ungewissheit erleiden und sich inmitten des Universums in völliger Einsamkeit finden, ohne ein Wesen zu treffen, das sie aufklären könnte. Wenn es in der Welt der Geister Freuden für alle Tugenden gibt, gibt es genauso Strafen für alle Vergehen und diejenigen, die das Gesetz der Menschen nicht erreicht, werden immer vom Gesetz Gottes getroffen.

Es ist außerdem zu bemerken, dass die gleichen Vergehen, obwohl sie unter den gleichen Bedingungen begangen werden, mit manchmal sehr unterschiedlichen Strafen geahndet werden, je nach dem Grad des intellektuellen Fortschritts des Geistes. Die am meisten zurückgebliebenen Geister von grober Natur, wie es hier der Fall ist, werden mit Strafen belegt, die in gewisser Weise mehr körperlich als geistig sind, während das Gegenteil bei denen der Fall ist, deren Intelligenz und Empfindsamkeit weiterentwickelt sind. Die Ersteren brauchen Strafen, die der Grobheit ihrer Schale angemessen sind, damit sie das Unangenehme ihrer Lage begreifen und ihnen den Wunsch einzugeben, aus ihr herauszukommen. Aus diesem Grund wird zum Beispiel die bloße Schande, die auf sie nur wenig oder gar keinen Eindruck machen würde, für andere unerträglich sein.

In diesem göttlichen Strafgesetzbuch offenbart sich die Weisheit, Güte und Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe bis ins Kleinste. Alles ist verhältnismäßig, alles ist mit bewundernswerter Sorgfalt miteinander verbunden, um den Schuldigen leichter zugängliche Mittel für ihre Rehabilitierung zu bieten. Die geringsten guten Bestrebungen der Seele werden ihnen angerechnet. Nach dem Glauben an die ewigen Strafen hingegen vermischen sich in der Hölle die großen und die kleinen Schuldigen, die einmal Schuldigen und die hundertmal Rückfälligen, die Verhärteten und die Bereuenden. Alles ist darauf ausgerichtet, sie am Boden des Abgrunds zu halten, kein Rettungsanker wird ihnen angeboten, ein einziger Fehler kann sie für immer in den Abgrund stürzen, ohne dass das Gute angerechnet wird, das sie getan haben. Auf welcher Seite findet man wahre Gerechtigkeit und wahre Güte?

Diese Anrufung ist also kein Zufall. Da diese jenem Unglücklichen Nutzen bringen sollte, haben die Geister, die über ihn wachten und sahen, dass er die Maßlosigkeit seiner Verbrechen einzusehen begann, beschlossen, dass der Zeitpunkt gekommen sei, ihm wirksame Hilfe zu bringen und da haben sie eben die günstigen Umstände herbeigeführt. Das ist eine Tatsache, die wir schon viele Male erlebt haben.

In diesem Zusammenhang wurde gefragt, was mit ihm geschehen wäre, wenn man ihn nicht hätte anrufen können, und was mit all den leidenden Geistwesen sei, die man nicht anrufen könne oder an die man nicht denkt. Darauf wurde geantwortet, dass Gott unzählige Wege hat, um seine Geschöpfe zu retten. Die Anrufung ist ein Weg, ihnen zu helfen, aber sicher nicht der einzige, und Gott lässt keines seiner Geschöpfe in Vergessenheit geraten. Außerdem müssen kollektive Gebete einen gewissen Einfluss auf solche Geister haben, die der Reue zugänglich sind.

Gott konnte das Schicksal der leidenden Geistwesen nicht vom Wissen und guten Willen der Menschen abhängig machen. Sobald die Menschen einen regelmäßigen Verkehr mit der unsichtbaren Welt aufnehmen konnten, bestand eines der ersten Ergebnisse des Spiritismus darin, sie die Dienste zu lehren, die sie mit Hilfe dieser Beziehungen ihren körperlosen Geschwistern leisten konnten. Gott wollte ihnen damit die Verbundenheit zeigen, die zwischen allen Wesen im Universum besteht und dem Prinzip der Brüderlichkeit ein Naturgesetz geben. Indem er dieses neue Feld für die Ausübung der Nächstenliebe öffnete, zeigte er den Menschen die wahrhaft nützliche und ernste Seite der Anrufungen, die bis dahin durch Unwissenheit und Aberglauben von ihrem Zweck der Bestimmung entzogen waren. Den leidenden Geistern hat es also nie an Hilfe gefehlt, und wenn die Anrufungen ihnen einen neuen Rettungsweg öffnen, so gewinnen die Inkarnierten vielleicht noch mehr durch die neuen Gelegenheiten, Gutes zu tun, indem sie sich über den wahren Zustand des künftigen Lebens aufklären.


Jacques Latour

Ein Mörder, der vom Schwurgericht in Foix verurteilt und im September 1864 hingerichtet wurde.

In einer vertrauten Zusammenkunft von sieben bis acht Spiritisten, die am 13. September 1864 in Brüssel stattfand, und der wir beiwohnten, wurde eine Dame, die ein Medium war, gebeten zu schreiben. Es war keine besondere Anrufung geschehen, da zeichnet sie mit ungewöhnlicher Erregung in sehr großen Buchstaben, nachdem sie das Papier gewaltsam zerkratzt hat, diese Worte:

Ich bereue! Ich bereue! Latour.

Überrascht von dieser unerwarteten Mitteilung, die durch nichts hervorgerufen worden war, denn keiner dachte an diesen Unglücklichen, dessen Tod sogar den meisten der Anwesenden unbekannt war, richtet man an den Geist einige Worte der Bemitleidung und Ermutigung. Dann stellt man ihm folgende Frage:

Was hat Sie bewegen können, eher als es sonst geschehen wäre, in unserer Mitte zu erscheinen, da wir Sie ja nicht gerufen haben?

Das Medium, das auch ein sprechendes Medium ist, antwortet mit lebhafter Stimme:

Ich habe gesehen, dass ihr mitfühlende Seelen seid und Mitleid mit mir haben würdet, während andere mich mehr aus Neugierde als aus wahrer Nächstenliebe anrufen oder mit Schauder sich von mir abwenden.

Dann begann eine unbeschreibliche Szene, die nicht weniger als eine halbe Stunde dauerte. Da das Medium den Worten Gebärden und Gesichtsausdrücke hinzufügt, wird offensichtlich, dass das Geistwesen sich mit ihm vereint hat. Manchmal sind seine Ausbrüche der Verzweiflung so herzzerreißend, er schildert seine Angst und seine Leiden in einem so einschneidenden Ton, seine flehenden Bitten sind so vehement, dass alle Anwesenden tief davon bewegt sind.

Einige waren infolge der übergroßen Erregung des Mediums sogar erschreckt, aber wir dachten uns, die Kommunikation eines Geistwesens, das bereut und das Mitleid erfleht, bietet keine Gefahr. Wenn er die Organe des Mediums geliehen hat, dann nur, um seine Lage besser zu schildern und um mehr Anteil an seinem Los zu erwecken, aber nicht, wie die besitzergreifenden Geistwesen tun, in der Absicht, sich des Mediums zu bemächtigen, um es zu beherrschen. Das ist dem Geistwesen zweifellos zu seinem eigenen Vorteil und vielleicht auch als Lehre für die anwesenden Personen erlaubt worden.

Er schreit: Oh ja, Mitleid! Ich brauche es sehr, denn ihr wisst nicht, was ich erleide! … Nein, ihr wisst es nicht, ihr könnt es nicht verstehen … Es ist schrecklich … Die Guillotine! ... Was ist das neben dem, was ich nun ertrage? Es ist nichts, es ist ein Moment. Aber dieses Feuer, das mich verzehrt, das ist schlimmer, es ist ein beständiger Tod. Es ist ein Schmerz, der weder Stillstand noch Ruhe gestattet … der kein Ende nimmt!

Und meine Opfer, die hier um mich herum sind, die mir ihre Wunden zeigen, die mich mit ihren Blicken verfolgen! Sie sind hier, vor mir ... ich sehe sie alle … ja, alle, ich kann ihnen nicht ausweichen! Und diese Blutlache! Und dieses mit Blut befleckte Gold! Alles ist hier! Immer vor mir! Merkt ihr den Geruch des Blutes? Blut, immer nur Blut! Da sind sie, diese armen Opfer, sie flehen mich an und ich, ohne Erbarmen, schlage … ich schlage … ich schlage immer zu! Das Blut berauscht mich!

Ich glaubte, nach meinem Tod würde alles zu Ende sein, deshalb habe ich der Todesstrafe getrotzt. Ich habe Gott getrotzt, habe ihn geleugnet! ... Und nun, wo ich mich für immer vernichtet glaubte, kommt ein schreckliches Erwachen … oh ja, ein schreckIiches! ... Ich bin umgeben von Leichen, von bedrohenden Gestalten ... Ich wate im Blut … Ich glaubte, tot zu sein und ich lebe! ... Das ist grässlich! Das ist schauderhaft, schauderhafter als alle Qualen der Erde!

Oh, wenn doch alle Menschen wissen könnten, was jenseits des Lebens liegt! Sie würden dann wissen, was es kostet, Böses zu tun! Es gäbe keine Mörder, keine Verbrecher, keine Übeltäter mehr! Ich wünschte, es könnten alle Mörder sehen, was ich sehe und was ich erleide … Oh nein, es würde keine solche mehr geben … Es ist zu grässlich, zu leiden, was ich erleide!

Ich weiß wohl, dass ich es verdient habe, oh mein Gott, denn ich habe kein Mitleid mit meinen Opfern gehabt. Ich habe ihre flehenden Hände zurückgestoßen, als sie mich baten, sie zu schonen. Ja, ich selbst bin grausam gewesen. Ich habe sie feige getötet, um an ihr Geld zu kommen … Gottlos bin ich gewesen. Ich habe dich verleugnet, deinen heiligen Namen habe ich gelästert … Ich habe mich betäuben wollen, deshalb wollte ich mir weismachen, Du seiest nicht vorhanden … Oh mein Gott, ich bin ein großer Verbrecher! Ich begreife es jetzt. Aber wirst Du kein Erbarmen mit mir haben? ... Du bist Gott, das heißt die Güte, die Barmherzigkeit! Du bist allmächtig!

Erbarmen, Herr! Oh, Erbarmen! Erbarmen! Ich bitte Dich, sei nicht unnachgiebig. Befreie mich von diesem abscheulichen Anblick, von diesen schrecklichen Bildern … von diesem Blut … von meinen Opfern, deren Blicke mich wie Dolchstöße bis ins Herz durchbohren!

Ihr, die ihr hier seid, mich anhört, ihr seid gute Seelen, barmherzige Seelen. Ja, ich sehe es, ihr werdet Erbarmen mit mir haben, nicht wahr? Ihr werdet für mich beten … Oh, ich flehe euch an! Verstoßt mich nicht! Ihr sollt Gott bitten, dass er mir dieses schreckliche Schauspiel vor den Augen wegnimmt. Er wird euch erhören, weil ihr gut seid … Ich bitte euch darum, stoßt mich nicht zurück, wie ich die anderen zurückgestoßen habe! ... Betet für mich!

Gerührt von seinen Klagen, richteten die Anwesenden Worte der Ermutigung und des Trostes an ihn. Gott, sagte man zu ihm, ist nicht unnachgiebig. Was er vom Schuldigen verlangt, ist aufrichtige Reue und das Verlangen, das Böse wiedergutzumachen, das er getan hat.

Da Ihr Herz nicht verhärtet ist und Sie Ihn um Verzeihung für Ihre Verbrechen bitten, so wird er sein Erbarmen über Sie ausbreiten, wenn Sie nicht von Ihren guten Vorsätzen abweichen, das Böse, das Sie getan haben, wiedergutzumachen. Sie können Ihren Opfern wohl nicht das Leben zurückgeben, das Sie ihnen genommen haben, aber wenn Sie inbrünstig darum bitten, wird Gott Ihnen gewähren, sich mit ihnen in einer neuen Inkarnation wiederzufinden, in der Sie ihnen ebensoviel Hingabe zeigen können, wie Sie grausam waren. Und sobald Er die Wiedergutmachung für genügend erachtet, werden Sie zu Ihm in Gnaden zurückkehren. Die Dauer Ihrer Strafe liegt auf diese Weise in Ihren Händen. Von Ihnen hängt es ab, diese abzukürzen. Wir versprechen Ihnen, mit unseren Gebeten zu helfen und den Beistand der guten Geister auf Sie herabzurufen. Wir wollen auf Ihren Wunsch hin das Gebet sprechen, das in dem Buch "Das Evangelium aus der Sicht des Spiritismus" für leidende und reumütige Geistwesen erhalten ist. Wir werden nicht das Gebet für die bösartigen Geistwesen sprechen, weil Sie, seitdem Sie bereuen, Gott anflehen und Böses zu tun aufgeben, in unseren Augen nur ein unglücklicher Geist sind und kein böswilliger.

Als dieses Gebet gesprochen ist, ergreift nach einigen ruhigen Augenblicken das Geistwesen wieder das Wort und spricht:

"Hab Dank, mein Gott! ... Oh, danke! Du hast Erbarmen mit mir gehabt. Diese schauderhaften Bilder verblassen. Verlass mich nicht! ... Sende mir Deine guten Geistwesen, um mich zu unterstützen! Danke!

Nach diesem Auftritt ist das Medium eine Zeit lang müde und träge, seine Glieder sind erstarrt. Es hat Erinnerung, anfangs verworren, von dem, was sich eben zugetragen hat. Dann, nach und nach, fallen ihm einige von den Worten wieder ein, die es ausgesprochen und die es ungewollt sagte. Es fühlte, dass es nicht es selbst war, das da sprach.

Am folgenden Tag, in einer weiteren Versammlung, manifestiert sich das Geistwesen nochmals und beginnt, nur für einige Minuten lang, wieder den Auftritt vom Abend vorher, mit derselben ausdrucksvollen Gestik, aber weniger heftig. Dann schreibt er durch dasselbe Medium in fieberhafter Erregung die folgenden Worte:

Habt Dank für eure Gebete! Schon vollzieht sich eine spürbare Besserung in mir. Ich habe Gott mit soviel Inbrunst gebeten, dass Er für einen Augenblick eine Linderung meiner Leiden gestattet hat. Aber ich werde sie noch sehen, meine Opfer. Da sind sie! Da sind sie! ... Seht ihr dieses Blut?

(Das Gebet vom vorigen Abend wird wiederholt. Der Geist wendet sich an das Medium und fährt fort:)

Verzeihung, dass ich mich Ihrer bemächtige! Danke für die Linderung, die Sie meinem Leiden bringen! Verzeihung für all das Böse, das ich Ihnen zugefügt habe, aber ich habe es nötig, mich zu manifestieren. Sie allein können … Danke! Danke! Es gibt ein wenig Linderung, aber ich bin nicht am Ende meiner Prüfungen. Schon bald werden meine Opfer wieder zurückkommen. Das ist die Strafe. Ich habe sie verdient. Mein Gott, aber sei nachsichtig! … Ihr alle, betet für mich! Habt Mitleid mit mir.

Latour

Ein Mitglied der spiritistischen Gesellschaft von Paris, das für diesen unglücklichen Geist gebetet und ihn gerufen hatte, erhielt zu verschiedenen Zeiten folgende Mitteilungen von ihm:

I.

Ich bin fast sofort nach meinem Tode gerufen worden und habe mich damals nicht sogleich mitteilen können, aber viele leichtfertige Geistwesen haben meinen Namen und meinen Platz eingenommen. Ich habe in Brüssel die Anwesenheit des Vorsitzenden der spiritistischen Gesellschaft von Paris genutzt und mich mit der Erlaubnis der höheren Geister geäußert.

Ich werde kommen und mich der Gesellschaft mitteilen und Enthüllungen machen, die ein Anfang zum Wiedergutmachen meiner Fehler sind und die allen Verbrechern als Lehre dienen können, falls sie meine Worte lesen und über den Bericht meiner Leiden nachdenken.

Die Reden über die Strafen der Hölle haben wenig Wirkung auf die Gemüter der Schuldigen, die nicht an all diese Bilder glauben, die für Kinder und schwache Menschen erschreckend sind. Nun ist ein großer Missetäter kein kleinmütiger Geist, und Angst vor der polizeilichen Strafe wirkt mehr auf ihn als ein Bericht über die Qualen der Hölle. Deshalb werden alle, die meine Worte lesen werden, die nicht nur Vermutungen sind, sich von diesen und meinen Leiden getroffen fühlen. Es gibt keinen einzigen Priester, der sagen könnte: "Ich habe gesehen, was ich euch sage, ich bin bei den Folterqualen der Verdammten zugegen gewesen". Aber wenn ich komme und sage: "Das ist es, was nach dem Tod meines Körpers geschah.” Das war meine Ernüchterung, als ich erkannte, dass ich nicht tot war, wie ich doch gehofft hatte, und dass das, was ich für das Ende meiner Leiden gehalten hatte, der Anfang von unbeschreiblichen Qualen war! Dann werden mehr als einer am Rande des Abgrundes, in den er zu stürzen drohte, Halt machen. Jeder Unglückliche, den ich auf diese Weise von der Bahn des Verbrechens abbringen werde, wird dazu dienen, einen meiner Fehler wieder gutzumachen. So geht aus dem Bösen Gutes hervor, und so zeigt sich die Güte Gottes überall, auf der Erde, wie im ganzen Universum.

Es ist mir gestattet worden, von dem Anblick meiner Opfer befreit zu werden, die meine Peiniger geworden sind, um mit euch zu kommunizieren. Aber wenn ich euch verlasse, werde ich sie wiedersehen, und allein dieser Gedanke schmerzt mich mehr, als ich sagen kann. Ich bin glücklich, wenn man mich ruft, denn dann verlasse ich meine Hölle für einige Augenblicke. Betet stets für mich! Bittet den Herrn, dass er mich vom Anblick meiner Opfer befreit.

Ja, beten wir miteinander, das Gebet bringt so viel Gutes! ... Mir ist es viel leichter; ich fühle nicht mehr so sehr die Schwere der Last, die mich niederdrückt. Ich sehe in meinen Augen einen Hoffnungsschimmer leuchten und voller Reue rufe ich aus: Gesegnet sei die Hand Gottes! Sein Wille geschehe!

II.

Das Medium: Anstatt Gott darum zu bitten, dass er Sie vom Anblick Ihrer Opfer befreit, bitte ich Sie, mit mir zu beten und ihn um Kraft zu bitten, diese sühnende Qual zu ertragen.

Latour: Ich würde lieber vom Anblick meiner Opfer befreit werden. Wüssten Sie, was ich leide! Der gefühlloseste Mensch würde gerührt werden, wenn er die Leiden meiner Seele sehen könnte, die wie vom Feuer auf mein Gesicht geprägt sind. Ich werde tun, was Sie mir raten. Ich begreife, dass es ein Mittel ist, um meine Fehler schneller zu sühnen. Es ist wie eine schmerzhafte Operation, die meinem recht kranken Körper die Gesundheit wiedergeben soll. Ach, könnten die Schuldigen der Erde mich sehen, wie würden sie erschrecken über die Folgen ihrer Verbrechen, die den Augen der Menschen zwar verborgen sind, aber von den Geistern gesehen werden! Wie verhängnisvoll ist die Unwissenheit für so viele Menschen! Welche Verantwortung nehmen die auf sich, die den armen Schichten der Gesellschaft die Bildung vorenthalten! Sie glauben, sie könnten mit Strafen und der Polizei Verbrechen verhüten. Wie sehr sie sich doch irren!

III.

Die Leiden, die ich ertrage, sind furchtbar, aber seit ihr für mich betet, fühle ich mich von guten Geistwesen unterstützt, die mir sagen, ich soll hoffen. Ich begreife die Wirksamkeit des so kräftigen Heilmittels, zu dem Sie mir geraten haben. Ich bitte den Herrn, mir die Kraft zum Ertragen dieser harten Sühne zu gewähren. Sie kommt, das kann ich sagen, dem Bösen gleich, das ich getan habe. Ich will nicht versuchen, meine Verbrechen zu entschuldigen. Aber wenigstens hat, bis auf wenige Augenblicke des Entsetzens, die für jedes meiner Opfer vorausgegangen sind, zum Zeitpunkt des Todes der Schmerz für sie aufgehört, als das Verbrechen einmal begangen war, und diejenigen unter ihnen, die ihre irdischen Prüfungen beendet sahen, sind hingegangen, um die Belohnung zu empfangen, die auf sie wartete. Seit meiner Rückkehr in die geistige Welt habe ich, abgesehen von den ganz kurzen Augenblicken, in denen ich mit Euch kommuniziert habe, unaufhörlich die Schmerzen der Hölle erlitten.

Die Priester haben trotz ihrer abschreckenden Darstellung der Schmerzen, die die Verstoßenen empfinden, nur eine sehr schwache Vorstellung von den wirklichen Leiden, die Gottes Gerechtigkeit seinen Kindern auferlegt, die sein Gesetz der Liebe und der Barmherzigkeit verletzt haben. Wie will man vernünftigen Leuten den Glauben beibringen, eine Seele, das heißt etwas, das nicht materiell ist, könne bei der Berührung mit materiellem Feuer leiden? Das ist sinnlos, und darum spotten so viele Verbrecher über diese abenteuerlichen Schilderungen der Hölle. Aber das gleiche gilt nicht für den seelischen Schmerz, den der Verurteilte nach dem physischen Tod erleidet.

Beten Sie für mich, damit mich die Verzweiflung nicht übermannt!

IV.

Ich danke Ihnen für das Ziel, das Sie mich in der Ferne erkennen lassen, ein ruhmreiches Ziel, von dem ich weiß, dass ich dorthin gelangen werde, wenn ich mich gereinigt habe. Ich leide sehr und dennoch scheint es mir, dass meine Leiden abnehmen. Ich kann nicht glauben, dass der Schmerz in der geistigen Welt abnimmt, weil man sich allmählich daran gewöhnt. Nein. Ich merke, dass Ihre guten Gebete meine Kräfte vermehrt haben, und wenn meine Schmerzen dieselben sind, so leide ich weniger, weil meine Kraft größer ist.

Meine Gedanken wandern zurück zu meiner letzten Existenz, zu den Fehlern, die ich hätte vermeiden können, wenn ich gewusst hätte, wie man betet. Ich begreife heute die Wirksamkeit des Gebets. Ich begreife die Kraft jener ehrlichen und frommen Frauen, die dem Fleisch nach schwach sind, aber stark durch ihren Glauben. Ich begreife jenes Geheimnis, das die falschen Gelehrten der Erde nicht begreifen. Das Gebet! ... Dieses Wort allein sorgt schon für Gelächter der starken Geister. Ich erwarte sie in der geistigen Welt und wenn der Schleier, der ihnen die Wahrheit verhüllt, für sie zerreißt, werden sie ihrerseits kommen und sich zu den Füßen Gottes niederwerfen, den sie nicht erkannt haben. Sie werden sich glücklich schätzen, sich demütigen zu dürfen, um sich von ihren Sünden und ihren Missetaten wieder zu erheben! Sie werden die Tugend des Gebets begreifen.

Beten heißt lieben, lieben heißt beten! Dann werden sie den Herrn lieben und in Liebe und Dankbarkeit ihre Gebete an ihn richten und, erneuert durch das Leiden, denn sie werden leiden müssen, werden sie beten wie ich, um die Kraft zu bekommen, zu sühnen und zu leiden. Wenn sie zu leiden aufgehört haben, werden sie beten, um dem Herrn zu danken für die Verzeihung, die sie durch ihre Unterwerfung und ihre Ergebung verdient haben. Lass uns beten, Bruder, dass ich noch weiter gestärkt werde.

Oh, danke, Bruder, für deine Barmherzigkeit, denn mir ist vergeben! Gott befreit mich vom Anblick meiner Opfer. Oh mein Gott, sei gepriesen in alle Ewigkeit für die Gnade, die du mir gewährst. Oh mein Gott! Ich fühle die Ungeheuerlichkeit meiner Verbrechen und ich beuge mich vor deiner Allmacht. Herr! Ich liebe Dich von ganzem Herzen, und ich bitte Dich um die Gnade, mir zu gewähren, so oft dein Wille mich auf die Erde senden wird, um mich neuen Prüfungen zu unterziehen, dahinzukommen, um als Missionar des Friedens und der Nächstenliebe die Kinder zu lehren, Deinen Namen mit Ehrfurcht auszusprechen. Ich bitte Dich, sie lehren zu können, Dich zu lieben, Dich, den Vater aller Geschöpfe! Oh, danke, mein Gott! Ich bin ein reumütiger Geist und meine Reue ist aufrichtig. Ich liebe Dich so sehr, wie mein so unreines Herz dieses Gefühl erfassen kann, die reine Ausstrahlung deiner Göttlichkeit. Bruder, lass uns beten, denn mein Herz quillt über vor Dankbarkeit. Ich bin frei, ich habe meine Fesseln zerbrochen, ich bin kein Verstoßener mehr. Ich bin ein leidendes Geistwesen, aber ein bereuendes und ich möchte, dass mein Beispiel all jene verbrecherischen Hände an der Schwelle des Verbrechens zurückhalten könnte, die ich bereit sehe, sich zu erheben. Oh, haltet ein, Brüder, haltet ein! Denn die Qualen, die ihr euch selbst bereitet, werden grauenhaft sein. Glaubt nicht, dass der Herr sich immer so leicht von den Gebeten seiner Kinder erweichen lässt. Es sind Jahrhunderte der Qual, die euch erwarten.

Der Führer des Mediums: Du sagst, du begreifst die Worte des Geistes nicht. Erkenne seine Ergriffenheit und seine Dankbarkeit dem Herrn gegenüber. Er glaubt nicht, dass er sie besser ausdrücken und bezeugen kann, als wenn er versucht, all die Verbrecher, die er sieht und die du nicht sehen kannst, zu stoppen. Er möchte, dass seine Worte bis zu ihnen dringen. Was er dir nicht gesagt hat, weil er es noch nicht weiß, das ist, dass es ihm vergönnt sein wird, wiedergutmachende Missionen anzutreten. Er wird zu seinen Komplizen gehen und versuchen, Reue in ihnen zu wecken und in ihre Herzen den Keim der Gewissensbisse zu setzen. Manchmal sieht man auf Erden, wie Menschen, die man für ehrlich hielt, sich zu Füßen eines Priesters eines Verbrechens beschuldigen. Das ist die Reue, die sie zum Geständnis ihrer Schuld zwingt. Und wenn sich der Schleier, der dich von der unsichtbaren Welt trennt, heben würde, so würdest du oft einen Geist kommen sehen, der mitschuldig oder der Anstifter des Verbrechens war, um seinen Fehler dadurch wiedergutzumachen, indem er Reue in dem inkarnierten Geist weckt, wie Jacques Latour es versuchen wird.

Dein schützender Geistführer

Das Brüsseler Medium, das die erste Kundgebung von Latour empfangen hatte, bekam später folgende Mitteilung:

Fürchten Sie nichts mehr von mir! Ich bin ruhiger, aber ich leide trotzdem noch. Gott hat Erbarmen mit mir gehabt, denn er hat meine Reue gesehen. Jetzt leide ich unter dieser Reue, die mir die Ungeheuerlichkeit meiner Fehler zeigt.

Wäre ich im Leben gut geleitet worden, hätte ich all das Böse, das ich getan habe, nicht getan. Aber meine Instinkte sind nicht gezügelt worden, und ich habe ihnen gehorcht, weil ich keine Grenzen kannte. Wenn alle Menschen mehr an Gott dächten oder wenigstens alle Menschen an Ihn glaubten, würden solche Verbrechen nicht mehr begangen werden.

Aber die Gerechtigkeit der Menschen wird falsch verstanden. Für einen, manchmal leichten Fehler, wird ein Mensch ins Gefängnis gesteckt, das immer ein Ort der Verderbtheit und Bösartigkeit ist. Völlig verdorben durch die üblen Ratschläge und schlechten Beispiele, die er dort bekommen hat, kommt er wieder heraus. Ist seine Natur jedoch ausreichend gut und stark, um dem schlechten Beispiel zu widerstehen, dann sind ihm, wenn er endlich das Gefängnis verlässt, alle Türen verschlossen, alle Hände ziehen sich vor ihm zurück, und alle aufrichtigen Herzen stoßen ihn ab. Was bleibt ihm übrig? Verachtung und Elend, Verlassenheit, Verzweiflung, wenn er gute Vorsätze in sich fühlt, zum Guten zurückzukehren; das Elend treibt ihn zu allem. Auch er verachtet dann seinen Mitmenschen, hasst ihn, verliert alles Bewusstsein für Gut und Böse, da er sich ja abgestoßen sieht, obwohl er den Entschluss gefasst hatte, ein guter Mensch zu werden. Um sich das Nötige zu beschaffen, stiehlt er. Manchmal tötet er, und dann wird er geköpft!

Mein Gott, in dem Augenblick, wo meine Halluzinationen mich wieder erfassen wollen, fühle ich Deine Hand, die sich nach mir ausstreckt. Ich fühle Deine Güte, die mich umhüllt und schützt. Danke, mein Gott! In meinem nächsten Leben werde ich meinen Verstand und all mein Gut dazu einsetzen, den Unglücklichen, die unterlegen sind, beizustehen und sie vor dem Fall zu bewahren.

Dank Ihnen, die sich nicht weigerten, mit mir zu kommunizieren, seien Sie ohne Furcht. Sie sehen, dass ich nicht schlimm bin. Wenn Sie an mich denken, vergegenwärtigen Sie sich nicht das Bild, das Sie von mir gesehen haben, sondern erinnern Sie sich an eine arme, tief betrübte Seele, die Ihnen für Ihre Nachsicht dankt.

Leben Sie wohl! Rufen Sie mich weiterhin und beten Sie zu Gott für mich!

Latour

Abhandlung über das Geistwesen Jacques Latour

Man kann die Tiefe und die hohe Tragweite einiger der in dieser Mitteilung enthaltenen Aussagen wohl erkennen. Sie gibt außerdem einen Blick in die Welt der bestraften Geister, über dem man jedoch die Barmherzigkeit Gottes erkennen kann. Die mythologische Allegorie der Eumeniden ist nicht so lächerlich wie man glaubt. Die Dämonen, die amtlichen Peiniger der unsichtbaren Welt, die im Glauben der Neuzeit an ihre Stelle treten, sind weniger vernünftig mit ihren Hörnern und Gabeln, als diese Opfer, die selbst zur Bestrafung der Schuldigen dienen.

Erkennt man die Identität jenes Geistes an, dann wird man sich vielleicht wundern über so eine schnelle Veränderung seines moralischen Zustandes. Tatsache ist, wie wir bei einer anderen Gelegenheit hingewiesen haben, dass es bei einem brutal bösartigen Geistwesen oft mehr Rettungsmittel gibt als bei einem, das von Hochmut beherrscht ist oder das seine Laster unter dem Mantel der Heuchelei verbirgt. Diese schnelle Bekehrung zur besseren Gesinnung zeigt eine mehr wilde als böse Natur, der bloß eine gute Lenkung gefehlt hat. Vergleicht man seine Ausdrucksweise mit der eines anderen Verbrechers, der weiter unten unter dem Titel “Bestrafung durch das Licht” erwähnt wird, ist es leicht zu sehen, welcher von beiden der in moralischer Hinsicht mehr fortgeschrittenere ist, trotz des Unterschieds in ihrer Bildung und gesellschaftlichen Stellung. Der eine gehorchte einem naturgemäßen Trieb grober Wildheit, einer Art von Überreiztheit, während der andere beim Begehen seiner Verbrechen Ruhe und Kaltblütigkeit einer langsamen und beharrlichen Berechnung mitbrachte und noch nach seinem Tod der Strafe durch Hochmut trotzte. Er leidet, will es aber nicht eingestehen, der andere ist sofort gebändigt. Man kann auf diese Weise voraussehen, welcher von beiden am längsten leiden wird.

"Ich leide”, sagt der Geist von Latour, “von jener Reue, die mir die Ungeheuerlichkeit meiner Fehler zeigt." Da liegt ein tiefgründiger Gedanke. Der Geist begreift wirklich die Schwere seiner Missetaten erst, wenn er bereut. Reue führt das Bedauern, das innere Schuldgefühl herbei, ein schmerzliches Gefühl, als Übergang vom Bösen zum Guten hin, von moralischer Krankheit zu moralischer Gesundheit. Um dem zu entgehen, trotzen die bösartigen Geister der Stimme ihres Gewissens, wie jene Kranken, die das Heilmittel ablehnen, das sie zur Genesung führt. Sie versuchen sich darüber Illusionen zu machen, sich zu betäuben, indem sie im Bösen verharren. Latour ist an dem Punkt angelangt, wo die Gefühllosigkeit schließlich nachlässt. Das Schuldgefühl ist in sein Herz eingedrungen. Die Reue folgte, und er begreift den Umfang des Bösen, das er getan hat. Er sieht seine Fehler und er leidet darunter. Deshalb sagt er: "Ich leide unter dieser Reue." In seiner vorhergehenden Inkarnation musste er schlimmer gewesen sein als in dieser letzten. Denn wenn er bereut hätte, wie er das heute tut, wäre sein Leben ein besseres gewesen. Die Vorsätze, die er jetzt fasst, werden auf sein künftiges irdisches Dasein Einfluss haben. Jenes, das er zuletzt verlassen hat, so verbrecherisch es gewesen sein mag, hat für ihn eine Etappe des Fortschritts markiert. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass er vor dessen Beginn, d.h. im Zustand des Umherirrens, einer jener gegen die Ordnung aufbegehrenden, im Bösen verhärteten Geister war, von denen man so viele sieht.

Es haben viele gefragt, welchen Gewinn man aus den vergangenen Existenzen ziehen könne, da man sich ja weder daran erinnert, was man gewesen ist, noch, was man getan hat.

Die Frage ist vollständig beantwortet durch die Tatsache, dass, wenn das Böse, das wir getan haben, getilgt ist und in unserem Herzen keine Spur davon zurückbleibt, die Erinnerung daran unnütz wäre, weil wir uns darum keine Sorgen zu machen brauchen. Das, was wir nicht vollständig korrigiert haben, erkennen wir an unseren gegenwärtigen Neigungen. Auf diese müssen wir unsere ganze Aufmerksamkeit richten. Es genügt zu wissen, was wir sind, ohne dass wir wissen müssen, was wir gewesen sind.

Wenn man die Schwierigkeit bedenkt, die die Rehabilitation während des Lebens für den meistbereuenden Schuldigen macht und dann die Ablehnung, der er ausgesetzt ist, so muss man Gott dafür preisen, dass er einen Schleier über die Vergangenheit geworfen hat. Wenn Latour rechtzeitig verurteilt und selbst wenn er freigesprochen worden wäre, so hätte seine Vorgeschichte seine Ausgrenzung aus der menschlichen Gesellschaft bewirkt. Wer hätte ihm, trotz seiner Reue, Vertrauen schenken wollen. Die Gefühle, die er heute als Geist bezeugt, gibt uns Hoffnung, dass er in seiner nächsten Inkarnation ein rechtschaffener Mann sein wird, geachtet und angesehen. Aber nehmen wir einmal an, man wüsste, dass er Latour gewesen ist, dann würde ihn wiederum Ablehnung verfolgen. Der über seine Vergangenheit geworfene Schleier öffnet ihm die Tür zur Wiedereingliederung. Er wird sich ohne Furcht und Scham mitten unter die anständigsten Menschen setzen können. Wie viele gibt es, die um jeden Preis gewisse Jahre ihres Lebens aus dem Gedächtnis der Menschen löschen können möchten!

Finde eine Lehre, die besser mit Gottes Gerechtigkeit und Güte zu vereinbaren ist als diese! Außerdem ist diese Lehre keine Theorie, sondern ein Ergebnis von Beobachtungen. Es sind nicht die Spiritisten, die sie erdacht haben. Sie haben die verschiedenen Situationen gesehen und beobachtet, in denen sich die Geister mitteilten. Sie haben versucht, sich diese zu erklären, und aus dieser Erklärung ist die Lehre entstanden. Wenn sie diese angenommen haben, so geschah es, weil sie aus den Tatsachen hervorgeht und weil sie ihnen vernünftiger erschienen ist als all jene, die bis zum heutigen Tag über die Zukunft der Seele geäußert worden sind.

Man kann diesen Mitteilungen eine hohe moralische Belehrung nicht absprechen, nicht wahr? Der Geist mag in seinen Überlegungen und vor allem in der Wahl seiner Ausdrücke von fortgeschrittenen Geistern unterstützt werden, aber in einem solchen Fall geben letztere nur in der Form und nicht im Inhalt Hilfestellung und bringen den niederen Geist nie in Widerspruch mit sich selbst. Sie konnten bei Latour die Form der Reue ausschmücken, aber sie hätten ihn nicht die Reue gegen seinen Willen ausdrücken lassen können, weil der Geist seinen freien Willen hat. Sie sahen in ihm einen Keim guter Gefühle und deshalb haben sie ihm geholfen, sich auszudrücken und haben dadurch zu deren Entwicklung beigetragen, während sie gleichzeitig Anteilnahme auf ihn lenkten.

Gibt es etwas Ergreifenderes, Moralischeres, das tiefer beeindrucken könnte, als das Bild dieses großen reumütigen Verbrechers, der seiner Verzweiflung und seinen Schuldgefühlen Luft macht, der inmitten seiner Qualen, verfolgt von dem unablässigen Blick seiner Opfer, seine Gedanken zu Gott erhebt, um dessen Barmherzigkeit anzuflehen? Ist das nicht ein heilsames Beispiel für die Schuldigen? Man begreift die Art seiner Ängste. Sie sind nachvollziehbar und schrecklich, aber einfach ohne gespenstische Inszenierung.

Man könnte sich vielleicht wundern über eine so große Wandlung bei einem Menschen wie Latour, aber warum sollte er keine Reue empfunden haben? Warum sollte es in ihm keine schwingende, empfindsame Saite geben. Sollte der Schuldige denn auf immer dem Bösen geweiht sein? Kommt nicht ein Zeitpunkt, an dem es hell in seiner Seele wird? Dieser Zeitpunkt war für Latour gekommen. Genau da liegt die moralische Seite seiner Mitteilungen. Es ist die Einsicht, die er in seiner Lage hat. Sein Bedauern und seine Vorsätze zum Wiedergutmachen sind überaus lehrreich. Was hätte man Ungewöhnliches daran gefunden, wenn er vor dem Sterben aufrichtig bereut hätte. Wenn er vorhergesagt hätte, was er danach gesagt hat? Hat man nicht zahlreiche Beispiele davon?

Eine Bekehrung zum Guten vor seinem Tode hätte in den Augen der meisten von Seinesgleichen als Schwäche gegolten. Seine Stimme aus dem Jenseits ist die Enthüllung der Zukunft, die sie erwartet. Er hat völlig recht, wenn er sagt, sein Beispiel sei geeigneter, die Schuldigen zurückzubringen, als die Perspektive der Flammen der Hölle oder selbst das Schafott. Warum sollte man es ihnen nicht in den Gefängnissen geben? Das würde mehr als einen von ihnen nachdenklich machen, wie wir schon mehrere Beispiele haben. Wie aber soll man an die Wirkungskraft der Worte eines Toten glauben, wenn man selber glaubt, wenn man tot sei, sei alles aus? Es wird jedoch der Tag kommen, wo man die Wahrheit erkennen wird, dass die Toten kommen können, um den Lebenden Kenntnisse zu vermitteln.

Es gibt mehrere andere wichtige Belehrungen, die man aus diesen Mitteilungen ziehen kann. Es ist zunächst die Bestätigung jenes Prinzips der ewigen Gerechtigkeit, wonach die Reue nicht genügt, um den Schuldigen in die Reihe der Erwählten zu stellen. Reue ist der erste Schritt zur Rehabilitation, die nach der Barmherzigkeit Gottes ruft. Sie ist das Vorspiel der Vergebung und der Abkürzung der Leiden. Aber Gott spricht nicht bedingungslos frei. Es bedarf der Sühne und vor allem der Wiedergutmachung. Das begreift Latour und darauf bereitet er sich vor.

Zweitens, wenn man diesen Verbrecher mit dem von Castelnaudary vergleicht, findet man einen großen Unterschied in der Strafe, die ihnen auferlegt wurde. Bei letzterem ist die Reue zögernd gekommen und infolgedessen das Leiden länger gewesen. Dieser Schmerz ist außerdem beinahe körperlich, während das Leiden bei Latour eher seelisch ist. Die Ursache ist, wie wir oben gesagt haben, dass bei Latour die Einsicht weit weniger entwickelt war, als bei den anderen. Es brauchte etwas, das seine schwerfälligen Sinne erreichen konnte. Aber die seelischen Schmerzen sind nicht weniger quälend für den, der an der erforderlichen Stufe angelangt ist, um sie zu begreifen. Man kann das anhand der Klagen beurteilen, die Latour ausstößt. Das ist kein Zorn, das ist der Ausdruck der Schuldgefühle, denen bald Reue folgt und darauf der Wunsch, wiedergutzumachen, um voranzuschreiten.



Kapitel VII - Verhärtete Geister

Bestrafung durch das Licht.

In einer der Sitzungen der Pariser Gesellschaft, in der die Frage der Verwirrung erörtert wurde, die im Allgemeinen auf den Tod folgt, manifestierte sich spontan ein Geist, auf den niemand eine Anspielung gemacht hatte und an dessen Hervorrufen niemand gedacht hatte, durch nachfolgende Mitteilung. Obwohl sie nicht unterzeichnet wurde, war es leicht, einen großen Verbrecher zu erkennen, den die menschliche Justiz vor kurzem bestraft hatte.

"Was sprecht ihr von Verwirrung? Warum diese nutzlosen Reden? Ihr seid Träumer und Schwärmer. Ihr habt keinerlei Kenntnis von den Dingen, mit denen ihr euch zu beschäftigen vorgebt. Nein, meine Herren, Verwirrung existiert nicht, außer vielleicht in euren kleinen Gehirnen. Ich bin so tot, wie es nur sein kann, und ich sehe klar in mich, um mich herum, überall! Das Leben ist eine trübselige Komödie! Ungeschickt sind diejenigen, die sich von der Bühne zurückschicken lassen, bevor der Vorhang fällt! Der Tod ist ein Schrecken, eine Strafe, ein Wunsch, je nach Schwäche oder Stärke derer, die ihn fürchten, ihm trotzen oder ihn erbitten. Für alle ist er ein bitterer Hohn! Das Licht blendet mich und dringt wie ein spitzer Pfeil in die Feinheit meines Wesens ein. Ich wurde durch die Dunkelheit des Gefängnisses bestraft, und man glaubte, mich durch die Finsternis des Grabes oder des vom katholischen Aberglauben geträumten zu bestrafen. Nun, es seid ihr, meine Herren, die die Dunkelheit umgibt, und ich, das erniedrigte Mitglied der menschlichen Gesellschaft, schwebe über euch. Ich, ich will bleiben! Stark durch den Gedanken, verachte ich die Warnungen, die um mich herumschwirren. Ich sehe klar. Ein Verbrechen! Das ist nur ein Wort! Das Verbrechen existiert überall. Wenn es von Massen von Menschen ausgeführt wird, wird es verherrlicht. Beim Einzelnen wird es verachtet. Absurd!

Ich will nicht bemitleidet werden. Ich verlange nichts. Ich genüge mir selbst und ich werde gegen dieses verhasste Licht kämpfen können.”

Der, der gestern ein Mensch war.

Diese Mitteilung wurde in der folgenden Sitzung analysiert und man erkannte in der Zynik der Ausdrucksweise eine wichtige Lehre. Man sah in der Situation dieses Unglücklichen eine neue Form der Strafe, die den Schuldigen erwartet. Während einige in Dunkelheit oder völliger Vereinsamung versinken, erleiden andere jahrelang die Ängste ihrer letzten Stunde für lange Jahre oder glauben noch immer, in dieser Welt zu sein, strahlt für diesen das Licht. Sein Geist genießt die Fülle seiner Fähigkeiten. Er weiß vollkommen, dass er tot ist und beklagt sich über nichts, er bittet nicht um Hilfe und trotzt sogar den göttlichen und menschlichen Gesetzen. Heißt das, dass er der Strafe entgehen würde? Nein, aber Gottes Gerechtigkeit erfüllt sich eben in allen Formen, und was für den einen Freude bedeutet, ist für andere eine Qual. Dieses Licht ist seine Strafe, gegen die er sich auflehnt, und trotz seines Stolzes gesteht er es ein, wenn er sagt: "Ich genüge mir und ich werde gegen dieses verhasste Licht zu kämpfen wissen". Und in diesem anderen Satz: "Das Licht blendet mich und dringt wie ein spitzer Pfeil in die Feinheit meines Wesens." Diese Worte: "Feinheit meines Wesens" sind bezeichnend. Er erkennt, dass sein Körper fluidisch und für das Licht durchdringbar ist, dem er nicht entkommen kann, und dieses Licht durchbohrt ihn wie ein spitzer Pfeil.

Dieser Geist ist unter den Verhärteten platziert, weil er lange Zeit nicht die geringste Reue gezeigt hat. Er ist ein Beispiel von jener Wahrheit, dass moralischer Fortschritt nicht immer dem intellektuellen Fortschritt folgt. Allmählich hat er sich jedoch gebessert und später vernünftige und lehrreiche Mitteilungen gegeben. Heute kann er zu den bereuenden Geistern gezählt werden.

Unsere spirituellen Führer, die um ihre Einschätzung zu diesem Thema gebeten wurden, gaben die folgenden drei Mitteilungen, die ernsthafte Aufmerksamkeit verdienen.

I.

Die umherirrenden Geister sind aus der Sicht der Existenzen untätig und in Erwartung. Sie können aber dennoch büßen, vorausgesetzt, ihr Stolz und die schreckliche und widerspenstige Hartnäckigkeit ihrer Irrtümer halten sie im Zeitpunkt ihres fortschreitenden Aufstiegs nicht zurück. Ein schreckliches Beispiel dafür habt ihr in der letzten Mitteilung dieses verhärteten Verbrechers, der sich gegen die göttliche Gerechtigkeit wehrt, die ihn nach der menschlichen bestraft. Nun, in diesem Fall führt die Buße oder vielmehr das unvermeidliche Leiden, das sie bedrückt, anstatt ihnen zu nutzen und sie die tiefe Bedeutung ihrer Strafen spüren zu lassen, zur Rebellion und lässt sie jene Klagen ausstoßen, die die Heilige Schrift in ihrer poetischen Wortgewandtheit als “Zähneknirschen” bezeichnet, ein bemerkenswertes Bild! Ein Zeichen des niedergeschlagenen, aber nicht widerstandslosen Leiden! Verloren im Schmerz, aber dessen Auflehnung noch groß genug ist, um sich zu weigern, die Wahrheit der Strafe und der Belohnung anzuerkennen! Die großen Irrtümer setzen sich oft und fast immer in der Welt der Geister fort, sogar große kriminelle Gewissen. Dass einer trotzdem er selbst sein und vor dem unendlich erhabenen Gott prahlen will, ähnelt jener Verblendung des Menschen, der die Sterne betrachtet und sie für Arabesken an einer Decke hält, vor denen die Gallier zur Zeit Alexanders Angst bekamen. Es gibt eine moralisch-geistige Unendlichkeit! Elend und tief untenstehend ist einer, der unter dem Vorwand, die Kämpfe und verwerflichen Prahlereien der Erde fortsetzen zu müssen, im Jenseits nicht weiter als hier unten blicken kann! Für ihn bleibt die Blindheit, die Verachtung der anderen, die egoistische kleinliche Eigenliebe und das Aufhalten des Fortschritts! Es ist leider nur allzu wahr, oh Menschen, dass es eine verborgene Übereinstimmung gibt zwischen der Unsterblichkeit eines reinen Namens, der auf der Erde zurückbleibt, und jener Unsterblichkeit, die die Geister in ihren aufeinanderfolgenden Prüfungen tatsächlich bewahren.

Lamennais.

II.

Einen Menschen in die Dunkelheit oder in die Strömung des Lichts zu stürzen, ist das Ergebnis nicht dasselbe? In beiden Fällen sieht er nichts von dem, was ihn umgibt, und er wird sich sogar schneller an die Dunkelheit gewöhnen, als an die traurige, abstoßende Helligkeit, in die er eingetaucht sein kann. Somit drückt der Geist, der sich in der letzten Sitzung mitgeteilt hat, seine wahre Situation gut aus, wenn er ausruft: "Oh! Ich werde mich wohl von diesem verhassten Licht befreien!" In der Tat ist dieses Licht umso schrecklicher, umso furchterregender, als es ihn vollständig durchbohrt und seine geheimsten Gedanken sichtbar und voll erkennbar macht. Dies ist eine der härtesten Seiten seiner geistigen Strafe. Er findet sich sozusagen in einem Glashaus eingeschlossen, wie es Sokrates verlangte, und dies ist wiederum eine Lehre. Denn was die Freude und Trost des Weisen gewesen wäre, wird zur schändlichen und ständigen Strafe für den Bösen, den Kriminellen, den Vatermörder, der sich über seine eigene Persönlichkeit unklar ist.

Begreift ihr, liebe Kinder, den Schmerz und die Angst, die denjenigen bedrängen müssen, der sich während seines unheilvollen Lebens darin vergnügte, in der Tiefe seiner Seele die traurigsten Verbrechen zu planen und auszuführen, wohin er flüchtete, wie ein wildes Tier in seine Höhle. Aus diesem vertrauten Versteck, in dem er sich den Blicken seiner Zeitgenossen entzogen hatte, findet er sich heute vertrieben. In dem er sich den Blicken seiner Zeitgenossen entzogen hatte. Jetzt wurde ihm seine Maske seiner Unempfindlichkeit entrissen, und jeder seiner Gedanken spiegelt sich nacheinander auf seiner Stirn.

Ja, von nun an gibt es für diesen furchtbaren Verbrecher keine Ruhe und keinen Zufluchtsort. Jeder schlechte Gedanke, und Gott weiß, ob solche in seiner Seele aufkommen, verrät sich in seinem Äußeren und Inneren, wie bei einem gewaltigen, aufrüttelnden Stoß. Er will der Menge entfliehen, doch das verhasste Licht durchbohrt ihn unaufhörlich und bringt alles ans Tageslicht. Er will fliehen, er flieht in einem keuchenden und verzweifelten Lauf durch unermessliche Räume, und überall das Licht! Überall Blicke, die in ihn eindringen! Und er stürzt sich wieder auf die Jagd nach der Dunkelheit, auf der Suche nach der Nacht. Dunkelheit und Nacht sind nicht mehr für ihn da.

Er ruft den Tod um Hilfe, aber der Tod ist nur ein leeres Wort ohne Sinn. Der Unglückliche flieht unaufhörlich! Er läuft in geistigem Wahnsinn, eine schreckliche Strafe, ein entsetzlicher Schmerz, in dem er mit sich selbst ringen wird, um von sich selbst loszukommen. Denn dies ist das höchste Gesetz jenseits der Erde: der Schuldige wird für sich selbst zu seiner unerbittlichsten Strafe.

Wie lange wird das dauern? Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sein Wille schließlich besiegt ist und er sich unter dem schmerzhaften Griff des Gewissens beugt und seine stolze Stirn vor seinen besänftigten Opfern und vor den Geistern der Gerechtigkeit demütigt. Und bemerkt die hohe Logik der unveränderlichen Gesetze. Auch hierhin wird er vollbringen, was er in dieser hochmütigen Mitteilung schrieb, die so klar, so durchsichtig und in so trauriger Weise voll von ihm selbst ist, als er sich durch eigene Willenskraft befreit hat.

Erastus.

III.

Die menschliche Gerechtigkeit unterscheidet nicht zwischen der besonderen Individualität der Wesen, die sie bestraft. Sie misst das Verbrechen am Verbrechen selbst und trifft unterschiedslos die, die es begangen haben, mit derselben Strafe ohne Unterschied des Geschlechts oder seiner Erziehung. Die göttliche Gerechtigkeit hingegen geht anders vor: Die Bestrafungen entsprechen dem Fortschritt der Wesen, denen sie auferlegt werden. Eine Gleichheit des Verbrechens stellt nicht Gleichheit unter den Individuen her. Zwei in derselben Sache schuldige Menschen können durch den Abstand der Prüfungen getrennt sein, die den einen in die intellektuelle Dunkelheit der ersten Einweihungskreise stürzen, während der andere, der sie überwunden hat, die Klarheit besitzt, die den Geist aus der Verwirrung befreit. Dann ist es nicht mehr die Dunkelheit, die bestraft, sondern die Intensität des geistigen Lichts. Es durchdringt die irdische Intelligenz und lässt es eine Angst empfinden, gleich einer offenen Wunde.

Die entkörperten Wesen, die von der materiellen Darstellung ihrer Verbrechen verfolgt werden, erleiden den Schock der physischen Elektrizität. Sie leiden durch die Sinne. Jene, die bereits durch den Geist entmaterialisiert sind, empfinden viel höhere Schmerzen, die in ihren bitteren Fluten die Erinnerung an die Tatsachen auslöschen und nur das Wissen von ihren Ursachen übriglassen.

Der Mensch kann also trotz der kriminellen Eigenschaft seiner Handlungen eine innere Entwicklung besitzen, und während ihn die Leidenschaften wie ein unvernünftiges Tier handeln ließen, erheben ihn seine geschärften Fähigkeiten über die dichte Atmosphäre der niederen Schichten. Das Fehlen der Abwägung, eines Gleichgewichts zwischen dem moralischen Fortschritt und dem intellektuellen Fortschritt führt zu den sehr häufigen Ausnahmezuständen in Zeiten des Materialismus und des Übergangs.

Das Licht, das den schuldigen Geist quält, ist also der spirituelle Strahl, der die geheimen Schlupfwinkel seines Stolzes mit Klarheit überflutet und ihm die Nichtigkeit seines bruchstückhaften Seins offenbart. Dies sind die ersten Symptome und ersten Ängste des geistigen Todeskampfes, der die Trennung oder Auflösung der intellektuellen und materiellen Bestandteile ankündigen, die die ursprüngliche menschliche Dualität bilden und in der großen Einheit des fertigen Wesens verschwinden müssen.

Jean Reynaud.

Bemerkung: Diese drei gleichzeitig erhaltenen Mitteilungen ergänzen einander und stellen die Bestrafung in einem neuen, äußerst philosophischen und rationalen Licht dar. Es ist wahrscheinlich, dass die Geister, die diese Frage anhand eines Beispiels behandeln wollten, zu diesem Zweck die spontane Kommunikation des schuldigen Geistes hervorgerufen haben.

Neben diesem nach der Wirklichkeit gezeichneten Bild gibt es, um einen Vergleich zu zeigen, dasjenige, das ein Prediger während der Fastenzeit 1864 in Montreuil-sur-Mer von der Hölle gezeichnet hat:

"Das Feuer der Hölle ist Millionen Mal intensiver als das der Erde, und wenn einer der Körper, die dort brennen, ohne zu verbrennen, auf unseren Planeten geworfen würde, würde er ihn von einem Ende zum anderen verpesten! Die Hölle ist eine riesige, finstere Höhle, übersät mit spitzen Nägeln, geschliffenen Degenklingen, scharfen Rasierklingen, in die die Seelen der Verdammten hineingeworfen werden." (Siehe Revue Spirite, Juli 1864, Seite 199)


auf Erden unbedeutend
(Bordeaux, 1862)

Aus freien Stücken stellt sich ein Geistwesen dem Medium unter dem Namen Angela vor.

1. Bereuen Sie Ihre Fehler? Antwort: Nein.

Frage: Warum kommen Sie dann zu mir?

Antwort: Um es zu versuchen.

Frage: Sind Sie also nicht glücklich?

Antwort: Nein. Frage: Leiden Sie?

Antwort: Nein.

Frage: Was fehlt Ihnen also?

Antwort: Frieden.

Bemerkung: Einige Geistwesen betrachten nur diejenigen Leiden als solche, die sie an körperliche Schmerzen erinnern, während sie zugeben, dass ihr seelischer Zustand unerträglich ist.

2. Frage: Wie kann Ihnen im geistigen Leben Frieden fehlen?

Antwort: Ein Bedauern über die Vergangenheit.

Frage: Das Bedauern über die Vergangenheit ist ein Schuldgefühl. Bereuen Sie also?

Antwort: Nein, es geschieht aus Angst vor der Zukunft.

Frage: Was befürchten Sie?

Antwort: Das Unbekannte.

3. Frage: Möchten Sie mir sagen, was Sie in Ihrem letzten Leben getan haben? Das wird mir vielleicht helfen, Sie aufzuklären.

Antwort: Nichts.

4. Frage: Welche gesellschaftliche Stellung hatten Sie?

Antwort: Eine Mittlere. Frage: Waren Sie verheiratet?

Antwort: Ja, verheiratet und Mutter.

Frage: Haben Sie die Pflichten dieser doppelten Position mit Eifer erfüllt?

Antwort: Nein, mein Mann hat mich gelangweilt, meine Kinder auch.

5. Frage: Wie verlief Ihr Leben?

Antwort: Als junges Mädchen hatte ich Spaß, als junge Frau langweilte ich mich.

Frage: Was waren Ihre Beschäftigungen?

Antwort: Keine. Frage: Wer kümmerte sich um Ihr Haus?

Antwort: Das Dienstmädchen.

6. Frage: Ist es nicht in dieser Nutzlosigkeit, dass man die Ursache Ihrer Bedauern und Ängste suchen muss?

Antwort: Vielleicht hast du recht.

Frage: Es reicht nicht aus, dies zuzugeben. Möchten Sie, um diese nutzlose Existenz wieder gutzumachen, den schuldigen Geistwesen helfen, die um Sie herum leiden?

Antwort: Wie? Frage: Indem Sie ihnen mit Ihren Ratschlägen und Gebeten helfen, sich zu verbessern.

Antwort: Ich kann nicht beten.

Frage: Wir werden es zusammen tun und Sie werden es lernen. Möchten Sie es?

Antwort: Nein. Frage: Warum?

Antwort: Die Anstrengung.

Unterweisung seitens des Führers des Mediums:

Wir geben dir Unterweisungen, indem wir dir die verschiedenen Grade des Leidens und des Schicksals der Geistwesen vor Augen führen, die aufgrund ihrer Fehltritte zur Sühne verurteilt sind.

Angela war eine jener Personen ohne Initiative, deren Leben für andere genauso nutzlos ist wie für sich selbst. Sie liebte nur das Vergnügen und war unfähig, in Vermehrung ihres Wissens, in der Erfüllung der Pflichten gegenüber Familie und Gesellschaft jene Befriedigungen des Herzens zu suchen, die allein dem Leben seinen Reiz geben können. Weil sie für alle Altersgruppen zugänglich sind, konnte sie ihre jungen Jahre nur in leichtsinnigen Vergnügungen verbringen. Als dann ernsthafte Pflichten anstanden, war die Welt eine Leere um sie herum, weil sie selbst diese Leere in ihrem Herzen geschaffen hatte. Ohne schwerwiegende Fehler, aber ohne die erforderlichen Eigenschaften, bildete sie das Unglück ihres Mannes, zerstörte die Zukunft ihrer Kinder und ruinierte durch ihre Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit den Wohlstand des Hauses. Sie hat das Urteilsvermögen und Herz ihrer Kinder fehlgeleitet, erst durch ihr Beispiel und dann, indem sie ihre Kinder der Fürsorge den Bediensteten überließ, diese auszuwählen, sie sich keine Mühe machte. Ihr Leben war nutzlos für das Gute und daher schuldbeladen, denn das Böse entsteht aus vernachlässigtem Guten.

Versteht alles richtig, dass es nicht ausreicht, sich von Fehltritten fernzuhalten. Ihr müsst die Tugenden praktizieren, die ihnen entgegengesetzt sind. Studiert die Gebote des Herrn, meditiert darüber und versteht, dass sie euch nicht nur eine Schranke setzen, die euch am Rand des schlechten Weges aufhält, sondern euch auch gleichzeitig zwingen, umzukehren und den entgegengesetzten Weg zum Guten einzuschlagen. Das Böse ist das Gegenteil des Guten. Wer es also vermeiden will, muss den entgegengesetzten Weg einschlagen, sonst ist sein Leben sinnlos. Seine Werke sind tot und Gott, unser Vater, ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.

Frage: Darf ich fragen, was das vorherige Leben von Angela war? Das Letzte sollte die Auswirkung davon gewesen sein.

Antwort: Sie hatte in selbstzufriedener Trägheit und Nutzlosigkeit des Klosterlebens gelebt. Von Natur aus faul und egoistisch wollte sie das Ehe- und Familienleben ausprobieren, aber der Geist hat sich nur wenig weiterentwickelt. Sie hat immer die innere Stimme zurückgewiesen, die ihr die Gefahr gezeigt hat. Das Verlangen war süß. Sie wollte sich diesem lieber hingeben, anstatt sich zu bemühen, den ersten Anlauf zu nehmen. Heute jedoch begreift sie die Gefahr, die sie läuft, in dieser Unentschlossenheit zu verharren, aber sie fühlt sich nicht stark genug, um auch nur die geringste Anstrengung zu unternehmen, da herauszukommen. Betet für sie, weckt sie auf, zwingt ihre Augen, sich dem Licht zu öffnen. Es ist eine Pflicht, vernachlässigt keine einzige.

Der Mensch wurde für die Aktivität geschaffen: geistige Aktivität ist seine Essenz, körperliche Aktivität ist ein Bedürfnis. Erfüllt daher die Bedingungen eures Daseins als Geist, der für den ewigen Frieden bestimmt ist. Als Körper, der dem Dienst des Geistes dient, ist euer Körper nur eine Maschine, die eurem Verstand unterworfen ist. Arbeitet also, bildet euren Verstand, damit er dem Werkzeug einen heilsamen Antrieb gibt, das ihm helfen soll, seine Aufgabe zu erfüllen. Lasst ihm weder Ruhe noch Pause und erinnert euch, dass der Frieden, nach dem ihr euch sehnt, erst nach der Arbeit gegeben werden kann. Solange ihr also die Arbeit vernachlässigen werdet, wird für euch ebenso lange die Angst und die Erwartung dauern.

Arbeitet, arbeitet unermüdlich, erfüllt alle eure Pflichten ohne Ausnahme. Erfüllt sie mit Eifer, Mut und Ausdauer, und euer Glaube wird euch aufrechterhalten. Wer auch die undankbarste, geringste Aufgabe in eurer Gesellschaft gewissenhaft erfüllt, ist in den Augen des Allmächtigen hundertmal höhergestellt als derjenige, der diese Aufgabe anderen auferlegt und seine eigene vernachlässigt. Alles bildet Sprossen, um zum Himmel emporzusteigen. Zerbrecht sie also nicht unter euren Füßen und denkt daran, dass ihr von Freunden umgeben seid, die euch die Hand entgegenstrecken und diejenigen unterstützen, die ihre Kraft in den Herrn setzen.

Monod.


(Bordeaux, 1862)

Dieses Geistwesen kommt spontan zum Medium und bittet um Gebete:

1. Was veranlasst Sie, um Gebete zu bitten?

- Antwort: Ich bin müde, ziellos umherzuirren.

- Sind Sie schon lange in dieser Situation?

- Antwort: Etwa 180 Jahre.

- Was haben Sie auf der Erde getan?

- Antwort: Nichts Gutes.

2. Was ist Ihre Position unter den Geistern?

- Antwort: Ich bin unter den Gelangweilten.

- Das ist keine Kategorie.

- Antwort: Alles bildet eine Kategorie unter uns. Jedes Gefühl trifft entweder auf Gleichgesinnte oder Gleichfühlende, die sich zusammenschließen.

3. Warum sind Sie, wenn Sie nicht zum Leiden verurteilt waren, so lange nicht vorangekommen?

- Antwort: Ich wurde zur Langeweile verurteilt, das ist bei uns ein Leiden. Alles, was keine Freude ist, ist Schmerz.

- Sie waren also gezwungen, unfreiwillig ein Umherirrender zu bleiben?

- Antwort: Das sind Ursachen, die zu fein für euren sinnlichen Verstand sind.

- Versuchen Sie, mir diese verständlich zu machen. Es wird für Sie ein Anfang der Nützlichkeit sein.

- Antwort: Das könnte ich nicht, da ich keinen Ausdruck für einen Vergleich habe. Ein erloschenes Leben auf Erden hinterlässt dem Geist, der es nicht genutzt hat, das, was das Feuer bei dem Papier hinterlässt, das es verbrannt hat: Funken, die noch die miteinander verbundenen Aschenteile an das erinnern, was sie waren und an die Ursache ihres Entstehens oder, wenn du willst, der Zerstörung des Papiers. Diese Funken sind die Erinnerung an irdische Bindungen, die den Geist durchziehen, bis er die Asche seines Körpers zerstreut hat. Erst dann findet er sich als ätherisches Wesen wieder und strebt nach Fortschritt.

4. Was kann die Ursache für die Langeweile sein, über die Sie sich beklagen?

- Antwort: Sie ist die Folge meines früheren Lebens. Langeweile ist eine Tochter der Untätigkeit. Ich habe nicht gewusst, wie ich die vielen Jahre meines Lebens auf der Erde sinnvoll nutzen soll, und jetzt spüre ich die Konsequenzen in unserer Welt.

5. Können die Geister, die wie Sie gelangweilt umherirren, diesen Zustand nicht beenden, wann sie es wollen?

- Antwort: Nein, das können sie nicht immer, weil die Langeweile ihren Willen lähmt. Sie erleiden die Folgen ihres vergangenen Lebens. Sie waren nutzlos, besaßen keine Willenskraft und finden keinen Wettbewerb untereinander. So sind sie sich selbst überlassen, bis sie von diesem Zustand müde geworden sind und deshalb das Verlangen spüren, ihn zu ändern. Dann, sobald ein Hauch von Willenskraft in ihnen erwacht, finden sie Unterstützung und gute Ratschläge, um ihre Bemühungen zu fördern und durchzuhalten.

6. Können Sie mir etwas über Ihr früheres Leben auf der Erde erzählen?

- Antwort: Leider nicht viel, du musst das verstehen. Langeweile, Nutzlosigkeit und Bequemlichkeit entstehen aus Faulheit; Faulheit ist die Mutter der Unwissenheit.

7. Haben Sie Ihre früheren Existenzen nicht besser vorangebracht?

- Antwort: Doch alle, aber sehr wenig, weil alle ein Spiegelbild der anderen waren. Es gibt immer Fortschritte, aber sie sind so geringfügig, dass sie für euch unmerklich sind.

8. Werden Sie, während Sie auf Ihre nächste Existenz warten, öfter zu uns kommen wollen?

- Antwort: Ruf mich, um mich zu zwingen; du wirst mir einen Gefallen tun.

9. Können Sie mir sagen, warum sich Ihre Schreibweise oft ändert?

- Antwort: Weil du viele Fragen stellst. Das macht mich müde, und ich brauche Hilfe.

Der Führer des Mediums: Es ist die Arbeit des Verstandes, die den Geist langweilt und uns zwingt, ihm Beistand zu leisten, damit er deine Fragen beantworten kann. Er ist ein Müßiggänger in der Welt der Geistwesen, wie er es auch auf Erden war. Wir haben ihn zu dir gebracht, um zu versuchen, ihn aus der Gleichgültigkeit dieser Langeweile zu ziehen, die ein wirkliches Leiden ist und manchmal schmerzhafter als akute Leidenszustände, weil sie sich auf unbestimmte Zeit verlängern kann. Kannst du dir die Qual der Aussicht auf eine unendliche Langeweile vorstellen? Die meisten Geistwesen in dieser Kategorie suchen ein irdisches Leben nur als Ablenkung, um die unerträgliche Eintönigkeit ihres spirituellen Daseins zu unterbrechen. Auch gelangen sie häufig dazu, wenn sie sich nicht fortwährend für das Gute entscheiden. Deshalb müssen sie wieder von vorne anfangen, bis schließlich der wirkliche Fortschritt sich in ihnen bemerkbar macht.


(gestorben in Frankreich im Jahre 1858)

1. Welches Gefühl hatten Sie beim Verlassen des irdischen Lebens?

- Antwort: Ich kann es nicht sagen. Ich empfinde immer noch Verwirrung.

- Sind Sie glücklich?

- Ich sehne mich ins Leben zurück. Ich weiß es nicht. Ich spüre einen stechenden Schmerz. Das Leben hätte mich davon befreit. Ich wünschte, mein Körper würde sich aus dem Grab erheben.

2. Bedauern Sie es, nicht in Ihrer Heimat begraben worden zu sein, sondern unter Christen?

- Antwort: Ja, die indische Erde würde weniger auf meinem Körper lasten. - Was denken Sie über die Ihren sterblichen Überresten erwiesenen Ehren?

- Antwort: Sie waren sehr gering. Ich war eine Königin und nicht jeder hat sich vor mir niedergekniet. Lasst mich! Man zwingt mich zu sprechen. Ich möchte nicht, dass ihr wisst, was ich jetzt bin. Ich war eine Königin, das wisst ihr wohl!

3. Wir respektieren Ihren Rang und bitten Sie, zu unserer Belehrung zu antworten. Glauben Sie, dass Ihr Sohn eines Tages die Staaten seines Vaters wiedergewinnen wird?

- Antwort: Sicher; mein Blut wird herrschen. Es ist dessen würdig.

- Ist die Wiedereinsetzung Ihres Sohnes für Sie genauso wichtig wie zu Ihren Lebzeiten?

- Antwort: Mein Blut darf nicht in der Masse vermischt werden.

4. Man konnte Ihren Geburtsort nicht in Ihrer Sterbeurkunde eintragen. Könnten Sie ihn jetzt nennen?

- Antwort: Ich stamme aus dem edelsten Blut Indiens. Ich glaube, ich wurde in Delhi geboren.

5. Sie, die Sie in prachtvollem Glanz gelebt und von Ehrenbezeugungen umgeben waren, was denken Sie jetzt darüber?

- Antwort: Sie haben mir gebührt.

- Verleiht Ihnen der Rang, den Sie auf der Erde innegehabt haben, eine erhabenere Position in der Welt, in der Sie heute sind?

- Antwort: Ich bin immer eine Königin. Schickt mir Sklaven, die mir dienen! Ich weiß es nicht: Man scheint sich nicht um mich zu kümmern, trotzdem bin ich immer noch ich.

6. Gehörten Sie dem muslimischen Glauben oder einer hinduistischen Religion an?

- Antwort: Muslimisch, aber ich war zu groß, um mich mit Gott zu beschäftigen.

- Was ist der Unterschied zwischen dem Glauben, zu dem Sie sich bekannten, und dem christlichen Glauben in Bezug auf das Glück der Menschheit?

- Antwort: Der christliche Glaube ist sinnlos. Er sagt, dass alle Brüder sind.

- Was ist Ihre Meinung zu Mohammed?

- Antwort: Er war kein Königssohn.

- Glauben Sie, dass er eine göttliche Mission hatte?

- Was kümmert es mich!

- Was denken Sie über Christus?

- Antwort: Der Sohn des Zimmermanns ist es nicht wert, dass ich an ihn denke.

7. Was denken Sie über den Brauch, die muslimischen Frauen vor den Blicken der Männer zu verbergen?

- Antwort: Ich denke, dass Frauen dazu gemacht sind, zu herrschen: Ich war eine Frau.

- Haben Sie manchmal die Freiheit beneidet, die Frauen in Europa genießen?

- Antwort: Nein, was lag mir an ihrer Freiheit? Werden sie unterwürfig bedient?

8. Erinnern Sie sich daran, andere Leben auf der Erde vor Ihrem letzten gehabt zu haben?

- Antwort: Ich musste immer eine Königin gewesen sein. 9. Warum kamen Sie so schnell auf unseren Ruf?

- Antwort: Ich wollte nicht, aber man hat mich dazu gezwungen. Denkst du denn, ich hätte sonst geantwortet? Was seid ihr denn neben mir?

- Wer hat Sie gezwungen zu kommen?

- Antwort: Ich weiß es nicht. Aber es darf keinen geben, der größer wäre als ich es selbst bin.

10. In welcher Gestalt sind Sie hier?

- Antwort: Ich bin stets eine Königin. Glaubst du denn, ich hätte aufgehört, eine zu sein? Ihr seid sehr respektlos. Ihr solltet wissen, dass man anders mit Königinnen spricht.

11. Wenn wir Sie sehen könnten, würden wir Sie mit Ihrem Schmuck und Ihren Juwelen sehen?

- Antwort: Sicher!

- Wie kommt es, dass Ihr Geist, nachdem er alles hinter sich gelassen hat, den Anschein, insbesondere von Ihren Schmuckstücken, beibehalten hat?

- Antwort: Sie haben mich nicht verlassen. Ich bin immer noch so schön wie ich war. Ich weiß nicht, was für eine Vorstellung ihr von mir habt! Ihr habt mich ja noch nie gesehen.

12. Welchen Eindruck haben Sie, hier bei uns zu sein?

- Antwort: Wenn ich könnte, wäre ich nicht hier. Ihr behandelt mich mit so wenig Respekt!

Sankt Ludwig: Lasst sie, die arme Verirrte! Habt Mitleid mit ihrer Blindheit. Möge sie euch als Beispiel dienen. Ihr wisst nicht, wie sehr ihr Stolz leidet.

Bemerkung: Als wir diese gefallene Größe, die jetzt im Grab ruht, angerufen haben, haben wir keine tiefgründigen Antworten erwartet, aufgrund der Erziehung der Frauen in diesem Land. Aber wir dachten, dass dieser Geist, wenn schon nicht eine geistige Reife, so doch wenigstens ein wahreres Gefühl von der Realität und gesündere Gedanken über die Eitelkeiten und Hoheiten auf dieser Erde haben würde. Weit gefehlt: bei ihm haben die irdischen Vorstellungen ihre volle Stärke behalten. Der Stolz hat nichts von seinen Illusionen verloren. Er kämpft gegen seine eigene Schwäche und muss in Wirklichkeit unter seiner Ohnmacht leiden.


(Bordeaux, 1862)

Unter diesem Namen stellt sich ein Geistwesen spontan dem Medium vor, das an diese Art von Kundgebungen gewöhnt ist. Seine Aufgabe scheint darin zu bestehen, niederen Geistwesen beizustehen, die ihm von seinem geistigen Leiter gebracht werden, mit dem Ziel seiner eigenen Bildung und ihrer Weiterentwicklung.

Frage: Wer sind Sie? Ist dieser Name der eines Mannes oder einer Frau?

- Antwort: Eines Mannes, der so unglücklich ist, wie es sein kann. Ich leide alle Qualen der Hölle.

Frage: Wenn es die Hölle nicht gibt, wie können Sie dann ihre Qualen spüren?

- Antwort: Eine unnütze Frage.

- Wenn ich es selbst verstehe, so könnten andere Erklärungen benötigen.

- Antwort: Ich mache mir keine Sorgen darum. Frage: Ist Egoismus nicht einer der Gründe für Ihre Leiden?

- Antwort: Vielleicht. Frage: Wenn Sie getröstet werden wollen, so beginnen Sie doch damit, Ihre schlechten Neigungen abzulegen.

- Antwort: Mach dir keine Sorgen darum, das ist nicht deine Sache. Bete zuerst für mich wie für die anderen, danach wird man sehen.

- Wenn Sie mir nicht durch Ihre Reue helfen, wird das Gebet wenig Wirkung haben.

- Wenn du redest, anstatt zu beten, so wirst du mich wenig vorwärtsbringen. Frage: Möchten Sie denn vorankommen?

- Antwort: Vielleicht, man weiß nie. Lass uns sehen, ob das Gebet die Leiden lindert. Das ist das Wesentliche.

- Also schließen Sie sich mir mit dem festen Willen an, dadurch Erleichterung zu erlangen.

- Antwort: Immer zu! Frage: (Nach einem Gebet des Mediums.) Sind Sie zufrieden?

- Antwort: Nicht so, wie ich möchte.

- Ein zum ersten Mal angewendetes Heilmittel kann eine alte Krankheit nicht sofort heilen.

- Antwort: Das ist möglich

- Möchten Sie wiederkommen?

- Antwort: Ja, wenn du mich rufst.

Der Führer des Mediums:

Meine Tochter, du wirst es schwer mit diesem verhärteten Geist haben, aber es wäre nur ein geringer Verdienst, diejenigen zu retten, die nicht verloren gegangen sind. Mut! Harre aus und du wirst Erfolg haben. Es gibt keine Schuldigen, die nicht durch Überzeugung und Beispiel zurückgebracht werden können, denn die verdorbensten Geister bessern sich schließlich mit der Zeit. Wenn es nicht sofort möglich ist, sie zu guten Einstellungen zu bringen, was oft unmöglich ist, so ist die Mühe, die man sich gemacht hat, nicht vergebens. Die Gedanken, die man in sie geworfen hat, bewegen sie und bringen sie gegen ihren Willen zum Nachdenken. Es sind Samen, die früher oder später Früchte tragen werden. Man schlägt einen Felsen nicht mit dem ersten Schlag ab.

Das, was ich dir hier sage, liebe Tochter, gilt auch für die inkarnierten Menschen, und du musst verstehen, warum der Spiritismus selbst bei fest Glaubenden nicht sofort vollkommene Menschen hervorbringt. Der Glaube ist ein erster Schritt, dem folgt die Überzeugung, und dann wird die Umwandlung kommen. Aber für viele wird es notwendig sein, dass sie kommen und sich in der Welt der Geister neue Kräfte zu sammeln.

Bemerkung: Unter den verhärteten Geistwesen sind nicht nur verdorbene und böse Geister. Es gibt viele, die ohne Absicht, Böses zu tun, zurückbleiben aus Stolz, Gleichgültigkeit oder Mangel an Gefühlen. Sie sind deshalb nicht weniger unglücklich, denn sie leiden umso mehr unter ihrer Trägheit, da sie nicht die Ablenkungen der Welt als Ausgleich haben. Die Aussicht der Endlosigkeit macht ihre Lage unerträglich, und dennoch haben sie weder die Kraft noch den Willen, sich daraus zu befreien. Es sind jene, die in der Inkarnation tatenlose Dasein führen, das für sie selbst und andere nutzlos ist und das oft mit Selbstmord endet, den sie ohne ernsthafte Beweggründe, sondern nur aus Lebensüberdruss begehen.

Diese Geister sind im Allgemeinen schwieriger zum Guten zurückzubringen als diejenigen, die tatsächlich schlecht sind, weil bei letzterer Tatkraft vorhanden ist. Wenn sie einmal erleuchtet sind, sind sie für das Gute genauso leidenschaftlich, wie sie es für das Böse gewesen sind. Die anderen werden wahrscheinlich viele Inkarnationen benötigen, um spürbare Fortschritte zu machen. Aber nach und nach, besiegt von der Langeweile, wie andere vom Leiden, werden sie eine Ablenkung in irgendeiner Beschäftigung suchen, die später zu einem Bedürfnis für sie werden wird.



Kapitel VIII - Irdische Sühnen












Von Geburt an blind, Tochter eines Pächters aus der Gegend von Toulouse, gestorben 1855, im Alter von 45 Jahren. Sie beschäftigte sich ständig damit, die Kinder im Katechismus zu unterrichten, um sie zur Erstkommunion vorzubereiten. Als das Unterrichtsbuch geändert worden war, fand sie keine Schwierigkeit dabei, ihnen das neue beizubringen, denn sie kannte alle beide auswendig. An einem Winterabend kehrte sie mit ihrer Tante von einem Ausflug von mehreren Stunden zurück. Dabei musste man auf üblen und schmutzigen Wegen durch einen Wald wandern, und die beiden Frauen mussten mit Vorsicht am Rand der Gräben entlanggehen. Die Tante wollte ihr behilflich sein und sie an der Hand führen, aber sie erwiderte ihr: "Bemühen Sie sich nicht um mich! Ich laufe keine Gefahr, zu fallen. Ich sehe auf meiner Schulter ein Licht, das mich leitet. Folgen Sie mir! Ich bin es, die Sie führen will." So kamen sie ohne Unfall nach Hause, indem diejenige, die ihre Augen benutzen konnte, von der Blinden geführt wurde.

Anrufung in Paris im Mai 1865

Frage: Hätten Sie wohl die Güte, uns eine Erklärung von dem Licht zu geben, das Sie in jener dunklen Nacht führte und nur für Sie sichtbar war?

Antwort: Wie? Leute, die wie ihr in ständiger Beziehung zu den Geistern stehen, brauchen eine Erklärung für eine derartige Tatsache? Es war mein Schutzengel, der mich führte!

Frage: Das war wohl unsere Meinung, aber wir wünschten sie bestätigt zu haben. Hatten Sie zu jenem Zeitpunkt Kenntnis davon, dass es Ihr Schutzengel war, der Ihnen als Führer diente?

Antwort: Nein, ich gebe das zu. Doch glaubte ich an einen himmlischen Schutz. Ich hatte unseren guten und gnädigen Gott so lange gebeten, sich meiner zu erbarmen! ... und es ist so hart, blind zu sein! ... Ja, das ist recht hart! Aber ich erkenne auch wieder die darin liegende Gerechtigkeit. Diejenigen, die mit den Augen sündigen, müssen durch die Augen gestraft werden, und so ist es mit allen Fähigkeiten, mit denen die Menschen begabt sind, und diese missbrauchen. Sucht also bei den zahllosen Unglücksfällen, die die Menschheit treffen, nach keiner anderen Ursache als der für dieselbe so naheliegenden: der Sühne, Sühne, die nur dann verdienstvoll ist, wenn sie mit Ergebung hingenommen wird und die damit versüßt werden kann, dass man durch das Gebet die geistigen Einflüsse anzieht, die die Schuldigen vor dem menschlichen Strafgericht schützen und Hoffnung und Trost in die betrübten Herzen der Leidenden gießen.

Frage: Sie hatten sich der Unterrichtung armer Kinder im Glauben gewidmet. Ist es Ihnen schwergefallen, die für die Einprägung des Unterrichtsbuchs nötigen Kenntnisse zu erwerben, das Sie trotz Ihrer Blindheit auswendig konnten, und obwohl es geändert worden war?

Antwort: Die Blinden haben allgemein die anderen Sinne zweifach, wenn ich mich so ausdrücken darf. Die Beobachtung ist nicht eine von den geringsten Fähigkeiten ihrer Natur. Ihr Gedächtnis ist wie ein Kästchen, worin alle Belehrungen, für die sie Neigung und Begabung haben, geordnet aufbewahrt werden, um niemals daraus zu verschwinden. Nichts Äußerliches kann diese Fähigkeit trüben, und hieraus ergibt sich, dass diese durch Erziehung und Ausbildung in bemerkenswerter Weise entwickelt werden kann. Das war bei mir nicht der Fall, denn ich hatte gar keine Ausbildung genossen. Umso mehr danke ich Gott dafür, dass er mir ermöglicht hat, das Empfangene hinreichend zu wissen, dass ich meine Aufgabe, mich diesen jungen Kindern zu widmen, erfüllen konnte. Es war gleichzeitig eine Wiedergutmachung für das schlechte Beispiel, das ich ihnen in meiner vorhergehenden Existenz gegeben hatte. Alles ist für Spiritisten ein ernster Gegenstand der Beobachtung. Sie müssen sich nur umschauen, und das wäre ihnen nützlicher, als sich durch die scheinwissenschaftlichen Spitzfindigkeiten gewisser Geister irreleiten zu lassen, die sich über sie lustig machen, indem sie ihrem Hochmut durch großartige, aber sinnlose Redensarten schmeicheln.

Frage: Ihrer Ausdrucksweise nach halten wir Sie für geistig fortgeschritten und glauben, dass Ihre Lebensführung auf Erden ein Beweis Ihres moralischen Fortschritts ist.

Antwort: Ich muss noch sehr viel dazu lernen. Aber es gibt viele auf Erden, die als unwissend gelten, weil ihr Verstand durch die Sühne verschleiert ist. Beim Tod aber fallen diese Schleier, und solch arme Unwissende sind häufig gebildeter als jene, deren Geringschätzung sie traf. Glaubt mir, der Hochmut ist der Prüfstein, durch den man die Menschen erkennen kann. Alle, deren Herz der Schmeichelei zugänglich ist oder die ein zu großes Vertrauen auf ihr Wissen haben, sind auf üblem Weg. In der Regel sind sie nicht aufrichtig. Misstraut ihnen! Seid demütig wie Christus und tragt wie er euer Kreuz mit Liebe, damit ihr Zutritt habt zum Königreich der Himmel!

Françoise Vernhes.


Vom Verlust eines vergötterten Kindes getroffen zu werden, ist ein nagender Kummer. Aber ein einziges Kind, das die schönsten Hoffnungen weckte, auf das man seine alleinige Zuneigung richtete, vor seinen Augen umkommen, ohne Leiden und aus unbekannter Ursache dahinsiechen zu sehen, das ist eine jener Seltsamkeiten im Lauf der Dinge, die dem Scharfsinn der Wissenschaft Rätsel aufgeben. Und nachdem man vergeblich alle Hilfsquellen der Kunst ausgeschöpft und die Gewissheit erlangt hat, dass keine Hoffnung mehr vorhanden ist, diese Angst nun Tag für Tag durch lange Jahre hindurch zu ertragen, ohne dass ein Ende abzusehen ist, das ist eine harte Strafe, die durch Reichtümer vermehrt wird, weit davon entfernt, gemildert zu werden. Denn man hat die Hoffnung ein geliebtes Wesen dieselben genießen zu sehen.

So war die Lage des Vaters von Anna Bitter. Auch hatte düstere Verzweiflung seine Seele ergriffen und sein Wesen verbitterte immer mehr beim Anblick jenes herzzerreißenden Schauspiels, dessen Ausgang nur verhängnisvoll sein konnte, wenn auch unbestimmt. Ein Freund des Hauses, eingeweiht in die Spiritistische Lehre, glaubte, seinen Schutzgeist hierüber fragen zu sollen, und erhielt von diesem folgende Antwort:

"Ich werde dir gerne die Erklärung der seltsamen Erscheinung geben, die du vor Augen hast, weil ich weiß, dass du nicht aus vorwitziger Neugierde darum bittest, sondern aus Anteil, den du an diesem armen Kind nimmst, und weil für dich, der an die Gerechtigkeit Gottes glaubt, eine gewinnbringende Lehre daraus hervorgehen wird. Diejenigen, die der Herr schlagen will, sollen ihren Nacken beugen und nicht über ihn lästern und sich empören. Denn Er schlägt niemals ohne Ursache. Das arme junge Mädchen, dessen Todesurteil der Allmächtige aufgeschoben hatte, soll bald in unsere Mitte zurückkehren. Denn Gott hat Erbarmen mit ihm gehabt und ihr Vater, der unter den Menschen Unglückliche, soll in der alleinigen Zuneigung seines Lebens getroffen werden, weil er mit dem Herzen und dem Vertrauen derer gespielt hat, die ihn umgeben. Einen Augenblick hat seine Reue den Höchsten gerührt, und der Tod hat sein Schwert über dieses teure Haupt gehängt, aber die Empörung ist zurückgekehrt, und der Empörung folgt allezeit die Strafe. Glücklich seid ihr, wenn eure Strafe auf dieser Erde geschieht! Betet Freunde, für dieses arme Kind, dessen Jugend die letzten Augenblicke schwer machen wird. In diesem jungen Wesen ist der Saft so überreichlich, trotz seinem Zustand des Hinwelkens, dass die Seele sich nur mit Mühe davon losmachen wird. Oh, betet! Später wird sie euch beistehen und euch auch trösten. Denn ihr Geist steht höher als die Geister derer, die sie umgeben.”

"Infolge einer besonderen Erlaubnis des Herrn habe ich auf das antworten können, worum du mich gefragt hast, weil dieser Geist Hilfe erhalten muss, damit die Loslösung für ihn leichter wird."

Der Vater starb, nachdem er die Leere der Vereinsamung, die der Verlust seines Kindes mit sich führte, hatte fühlen müssen.

Die Tochter: Haben Sie Dank, mein Freund, dass Sie mit dem armen Kind Mitleid hatten und dem Rat Ihres guten Führers gefolgt sind! Oh, dank euren Gebeten habe ich leichter meine irdische Hülle verlassen können. Denn mein Vater, ach! der betete nicht: er fluchte. Ich bin ihm darüber nicht böse. Es geschah infolge seiner großen zärtlichen Liebe für mich. Ich bitte Gott, Er möge ihm die Gnade schenken, vor seinem Tod aufgeklärt zu werden. Ich treibe ihn an, ich ermutige ihn. Es ist eine Aufgabe für mich, seine letzten Augenblicke zu versüßen. Manchmal scheint ein Strahl göttlichen Lichtes bis zu ihm zu dringen. Aber das ist nur ein vorübergehender Blitz, und er fällt bald in seine alten Gedanken zurück. Es ist in ihm nur ein durch irdische Interessen erstickter Glaubenskeim vorhanden, den nur neue, schrecklichere Prüfungen entwickeln können werden, zumindest fürchte ich das sehr. Was mich betrifft, so hatte ich mich nur dem letzten Teil einer Sühne zu unterziehen. Darum ist sie weder sehr schmerzhaft, noch sehr schwierig gewesen. In meiner ungewöhnlichen Krankheit habe ich nicht zu leiden gehabt. Vielmehr war ich ein Werkzeug der Prüfung zugunsten meines Vaters. Denn er litt mehr darunter, mich in diesem Zustand zu sehen, als ich selbst. Ich war gottergeben und er war es nicht. Nun werde ich dafür belohnt. Gott hat mir die Gnade gewährt, meinen Aufenthalt auf der Erde abzukürzen, und ich danke Ihm dafür. Ich fühle mich beglückt inmitten der guten Geister, die um mich sind. Wir alle gehen mit Freuden unseren Beschäftigungen nach, denn Untätigkeit wäre eine schwere Strafe.

(Der Vater, ungefähr einen Monat nach seinem Tode.) Unser Zweck, wenn wir Sie rufen, ist der, uns nach der Lage zu erkundigen, in der Sie sich in der geistigen Welt befinden, um Ihnen nützlich zu sein, sofern es in unserer Macht steht.

Antwort: Die geistige Welt! Ich sehe gar nichts davon. Ich sehe nur die Menschen, die ich gekannt habe und von denen keiner an mich denkt oder mich gar zurückwünscht. Dieselben scheinen im Gegenteil recht zufrieden zu sein, dass sie mich los sind.

Frage: Haben Sie wohl Klarheit über Ihre Lage?

Antwort: Vollkommen. Eine Zeit lang glaubte ich noch auf eurer Welt zu sein, aber jetzt weiß ich sehr wohl, dass ich es nicht mehr bin.

Frage: Wie kommt es da, dass Sie keine anderen Geister um sich sehen?

Antwort: Das weiß ich nicht, es ist doch alles hell rings um mich her. Frage: Haben Sie Ihre Tochter nicht wieder gesehen? Antwort: Nein, sie ist tot. Ich suche sie, rufe sie vergeblich. Welche entsetzliche Leere hat mir ihr Tod auf der Erde hinterlassen! Beim Sterben sagte ich mir, ich würde sie ohne Zweifel wiederfinden, aber nichts! Immer Einsamkeit rings um mich her! Niemand, der ein Wort des Trostes und der Hoffnung an mich richtet. Lebt wohl! Ich gehe mein Kind suchen.

Der Führer des Mediums: Dieser Mann war weder ein Atheist noch Materialist, aber er gehörte zu denen mit einem schwankenden Glauben, ohne sich viel mit Gott oder der Zukunft zu beschäftigen, sondern in die Interessen der Erde vertieft sind. In hohem Maße selbstsüchtig, hätte er ohne Zweifel alles geopfert, um seine Tochter zu retten, aber er hätte auch ohne Bedenken alle Anliegen Anderer seinem egoistischen Vorteil geopfert. Außer zu seiner Tochter empfand er zu niemandem Zuneigung. Gott hat ihn dafür gestraft, wie ihr wisst. Er hat ihm seinen einzigen Trost auf Erden genommen, und da der Mann nicht bereut hat, so wird sie ihm gleicherweise in der anderen Welt entzogen. Er erwärmte sich für niemanden auf der Erde, niemand erwärmt sich hier für ihn. Er ist allein, verlassen, das ist seine Bestrafung. Seine Tochter ist indessen bei ihm, aber er sieht sie nicht. Sähe er sie, so wäre er nicht bestraft. Was tut er? Wendet er sich zu Gott? Bereut er? Nein, er murrt immer. Er lästert sogar. Er tut, mit einem Wort, was er auf Erden tat. Helft ihm, durch Gebet und gute Ratschläge, aus seiner Verblendung herauszukommen!


Ein Blinder.

Joseph Maître gehörte der mittleren Klasse der Gesellschaft an. Er genoss einen bescheidenen Wohlstand, der ihn vor Not schützte. Seine Eltern hatten ihm eine gute Erziehung geben lassen und bestimmten ihn zum Erwerbsleben, aber im Alter von zwanzig Jahren wurde er blind. Er starb im Jahre 1845, um sein 50. Lebensjahr. Ein zweites Gebrechen befiel ihn, ungefähr zehn Jahre vor seinem Tod war er vollständig taub geworden, sodass er nun seine Beziehungen mit den Lebenden nur durch Betasten pflegen konnte. Nicht mehr zu sehen, war schon recht schmerzlich. Aber nicht mehr zu hören, war eine harte Strafe für den, der, nachdem er sich all seiner Fähigkeiten erfreut hatte, umso mehr die Wirkungen dieser zweifachen Beraubung empfinden sollte. Was hatte ihm wohl dieses traurige Los zuziehen können? Es war nicht seine letzte Existenz, denn seine Führung war immer vorbildlich gewesen. Er war ein guter Sohn, von mildem und wohlwollendem Charakter, und als er sich auch noch des Gehörs beraubt sah, nahm er diese neue Prüfung mit Resignation hin, und nie hörte man ihn eine Klage murmeln. Seine Reden bekundeten völlige Geistesklarheit und einen ungewöhnlichen Verstand. Jemand, der ihn gekannt hatte, setzte voraus, man werde aus einer Unterhaltung mit seinem Geist, wenn man ihn rufe, nützliche Lehren ziehen können, und empfing von ihm folgende Mitteilung als Antwort auf die Fragen, die an ihn gerichtet wurden.

(Paris, 1863.)

Liebe Freunde, ich danke euch, dass ihr euch an mich erinnert habt, obwohl ihr vielleicht nicht daran gedacht haben würdet, wenn ihr nicht gehofft hättet, aus meiner Mitteilung einigen Nutzen zu ziehen. Ich weiß jedoch, dass euch ein ernsterer Beweggrund treibt. Darum füge ich mich mit Freuden eurem Ruf. Man ist ja so gütig, es mir zu gestatten, und es beglückt mich, eurer Belehrung dienen zu können. Möge mein Beispiel den so zahlreichen Beweisen, die euch von den Geistern gegeben werden, für die Gerechtigkeit Gottes, nun einen neuen hinzufügen.

Ihr habt mich als einen Blinden und Tauben gekannt und habt euch gefragt, was ich getan hätte, um ein derartiges Los zu verdienen. Ich will es euch sagen. Wisst zunächst: dies ist das zweite Mal, dass ich des Augenlichts beraubt worden bin. In meiner vorausgegangenen Existenz, die am Anfang des vorigen Jahrhunderts stattfand, wurde ich blind im Alter von dreißig Jahren, infolge von Ausschreitungen jeder Art, die meine Gesundheit zu Grunde gerichtet und meine Sinneswerkzeuge geschwächt hatten. Dies war schon eine Bestrafung dafür, dass ich die Gaben missbrauchte, die ich von der Vorsehung empfangen hatte, denn ich war reich begabt. Anstatt jedoch anzuerkennen, dass ich die erste Ursache meiner Gebrechen war, klagte ich dieselbe Vorsehung darüber an, an die ich übrigens wenig glaubte. Ich habe Lästerungen gegen Gott ausgestoßen, habe Ihn geleugnet, Ihn angeklagt, indem ich sagte, wenn Er da sei, müsse Er ungerecht und böse sein, da Er ja Seine Geschöpfe so leiden lasse. Ich hätte mich im Gegenteil glücklich schätzen sollen, dass ich nicht, wie so viele andere elende Blinde, genötigt war, mein Brot zu erbetteln. Aber nein! Ich dachte nur an mich und an die mir auferlegte Entbehrung von Genüssen. Unter der Herrschaft dieser Gedanken und meines Mangels an Glauben war ich mürrisch, anspruchsvoll, mit einem Wort unleidlich geworden für die, die um mich waren. Das Leben war von da an ohne Sinn für mich. Ich dachte nicht an die Zukunft, die ich vielmehr für ein Traumbild ansah. Nachdem ich erfolglos alle Hilfsquellen der Wissenschaft erschöpft hatte und sah, dass meine Heilung unmöglich war, beschloss ich, der Sache früher ein Ende zu machen und ermordete mich.

Bei meinem Wiedererwachen war ich, ach! in dieselbe Finsternis gebettet wie während meines Lebens. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich erkannte, dass ich nicht mehr der Körperwelt angehörte, sondern ein blinder Geist war. Das Leben im Jenseits war also eine Wirklichkeit! Vergeblich versuchte ich, es mir zu nehmen, um mich ins Nichts zu versenken. Ich stieß ins Leere. Wenn dieses Leben ewig sein sollte, wie ich es hatte sagen hören, so würde ich also die Ewigkeit hindurch in dieser Lage sein? Der Gedanke war schrecklich. Ich musste nicht leiden. Euch aber die Qualen und Ängste meines Geistes zu beschreiben, wäre etwas Unmögliches. Wie lange das gedauert hat? Ich weiß es nicht, aber wie lang erschien mir diese Zeit!

Erschöpft und ermattet kam ich endlich wieder zu mir selbst. Ich begriff, dass eine höhere Macht schwer auf mir lastete. Ich sagte mir, wenn diese Macht mich niederdrücken könne, so könne sie mich auch aufrichten, und ich flehte um ihr Erbarmen. In dem Maße, wie ich betete und wie mein Eifer sich verstärkte, hörte ich etwas zu mir sagen, diese grauenvolle Lage werde ein Ende haben. Endlich wurde es Licht. Mein Entzücken stieg aufs Höchste, als ich aus der Ferne die Herrlichkeiten des Himmels wahrnahm und die Geister unterscheiden konnte, die mich unter wohlwollendem Lächeln umringten, und jene, die strahlend im Raum dahinschwebten. Ich wollte ihren Spuren folgen, aber eine unsichtbare Kraft hielt mich zurück. Da sprach einer von ihnen zu mir: "Gott, Den du geleugnet hast, hat dir deine Bekehrung zu Ihm angerechnet und uns erlaubt, dir das Licht wiederzuschenken. Du aber hast nur dem Zwang und der Ermüdung nachgegeben. Wenn du von nun an an dem Glück teilhaben willst, das man hier genießt, so musst du beweisen, dass deine Reue und deine guten Gesinnungen aufrichtig sind, indem du deine irdische Prüfung von neuem antrittst, unter Bedingungen, bei denen du der Gefahr ausgesetzt bist, in dieselben Fehler zurückzufallen. Denn diese neue Prüfung wird noch härter sein als die erste." Ich nahm sie bereitwillig an und fasste den festen Vorsatz, nicht zu straucheln.

Ich bin also auf die Erde zurückgekehrt und habe jene Existenz angetreten, die ihr kennt. Es fiel mir nicht schwer, gut zu sein, denn böse war ich von Haus aus nicht. Ich hatte mich gegen Gott aufgelehnt, und Gott hatte mich bestraft. Ich kam dorthin zurück mit dem angeborenen Glauben an Ihn. Aus diesem Grund murrte ich nicht mehr gegen Ihn und nahm mein zweifaches Gebrechen mit Ergebung und als eine Sühne hin, die ihre Quelle in der allerhöchsten Gerechtigkeit haben musste. Die Vereinsamung, in der ich mich in den letzten Lebensjahren befunden habe, hatte nichts Hoffnungsloses, da ich Glauben an die Zukunft und an Gottes Barmherzigkeit besaß. Sie ist mir sehr nützlich gewesen, denn während dieser langen Nacht, in der alles Schweigen war, schwang sich meine nun freiere Seele zum Ewigen auf und nahm den Unendlichen im Gedanken von Ferne wahr. Als das Ende meiner Verbannung kam, da hat die Geisterwelt für mich nur Glanz und unaussprechliche Freuden gehabt.

Ein Vergleich mit der Vergangenheit lässt mich meine Lage als verhältnismäßig sehr glücklich sehen, und ich sage Gott Dank dafür. Wenn ich jedoch vorwärts blicke, so sehe ich, wie weit entfernt ich noch vom vollkommenen Glück bin. Ich habe gesühnt, nun muss ich wiedergutmachen. Meine letzte Existenz ist lediglich für mich selbst gewinnbringend gewesen. Ich hoffe, bald wieder eine neue zu beginnen, in der ich anderen nützlich sein kann. Das wird die Wiedergutmachung für meine vorhergehende Nutzlosigkeit sein. Erst dann werde ich auf der gepriesenen Bahn fortschreiten, die allen Geistern geöffnet ist, die guten Willens sind.

Da habt ihr meine Geschichte, Freunde! Wenn mein Beispiel etliche meiner inkarnierten Brüder aufklären und sie vor dem Morast bewahren kann, in den ich gesunken bin, so habe ich begonnen, meine Schuld abzutragen.

Joseph.