9. Beim natürlichen Tod, der aus dem Erlöschen der Lebenskräfte infolge von Alter oder Krankheit herrührt, vollzieht sich die Befreiung stufenweise. Bei einem Menschen, dessen Seele entmaterialisiert ist und dessen Gedanken sich von den irdischen Dingen gelöst haben, ist die Befreiung nahezu vollständig vor dem wirklichen Tod vollendet. Der Körper lebt nur noch organisch weiter, während die Seele bereits in das geistige Leben eingetreten ist und am Körper nur noch durch ein schwaches Band hängt, ein Band, so schwach, dass es beim letzten Herzschlag ohne Mühe reißt. In dieser Lage kann der Geist schon seine Klarheit wiedererlangt haben und bewusster Zeuge von dem Verlöschen des Lebens seines Körpers sein. Er fühlt sich glücklich, von ihm befreit zu sein. Für ihn gibt es nahezu keine Verwirrung. Es ist nur eine kurze Zeit im friedlichen Schlaf, aus dem er mit einem unsagbaren Eindruck voller Glück und Hoffnung erwacht.
Bei einem materiellen, sinnlichen Menschen, der mehr durch den Körper als durch den Geist gelebt hat, für den das geistige Leben nichts ist, nicht einmal in seinen Gedanken eine Wirklichkeit ist, hat alles dazu beigetragen, die Bande enger zu schnüren, die ihn an den Körper fesseln. Nichts hat sie während des Lebens gelockert. Beim Herannahen des Todes vollzieht sich die Befreiung gleichfalls stufenweise, aber unter anhaltenden Anstrengungen. Die Zuckungen des Todeskampfes sind ein Hinweis vom Kampf, den der Geist austrägt. Manchmal möchte dieser die Bande zerreißen, die ihm Widerstand leisten, und ein anderes Mal klammert er sich an seinen Körper, von dem ihn eine unwiderstehliche Kraft Stück für Stück gewaltsam losreißt.
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Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit > Zweiter Teil - Beispiele > Kapitel I - Der Übergang > 9