9. Wir kennen die heidnische Hölle kaum anders als durch die Beschreibung der Dichter. Homer und Virgil haben davon die vollständigste Beschreibung gegeben. Aber man muss berücksichtigen, welchen Zwang die Dichtung der Form auferlegt. Diejenige von Fénelon hat in seinem “Telemach" die deutlichere Einfachheit der Prosa, obwohl sie in Bezug auf die grundlegenden Glaubensansichten aus derselben Quelle stammt. Indem er den traurigen Anblick der Orte beschreibt, bemüht er sich vor allem, jene Art von Leiden hervorzuheben, welche die Schuldigen ertragen. Und wenn er sich eingehend über das Los der schlechten Könige äußert, dann vor allem im Hinblick auf die Erziehung seines königlichen Schülers. Wie volkstümlich sein Werk auch sei, so haben viele Leute zweifellos diese Beschreibung gegenwärtig nicht genügend im Gedächtnis oder sie haben vielleicht nicht genug darüber nachgedacht, um einen Vergleich anzustellen. Darum halten wir es für nützlich, jene Teile davon darzustellen, die einen unmittelbaren Bezug zu dem Thema haben, das uns beschäftigt, nämlich diejenigen, die insbesondere die individuelle Strafe betreffen.
10. Beim Eintritt hört Telemach die Seufzer eines Schattens, der sich nicht trösten konnte. “Was ist denn euer Unglück?”, sprach er zu ihm. “Wer wart ihr auf der Erde?” “Ich war,” gab ihm dieser Schatten zur Antwort, “Nabopharzan, König des stolzen Babylons; alle Völker des Ostens zitterten beim bloßen Klang meines Namens. Ich ließ mich von den BabyIoniern in einem Marmortempel anbeten, wo ich in einer goldenen Statue dargestellt war, vor der man Tag und Nacht die kostbaren Räucherstoffe Äthiopiens verbrannte. Nie wagte mir jemand zu widersprechen, ohne dass er sogleich bestraft worden wäre. Man erfand jeden Tag neue Vergnügungen, um mir das Leben vergnüglicher zu machen. Ich war noch jung und stark. Oh, welche Annehmlichkeiten blieben mir nicht auf dem Throne noch zu kosten! Aber eine Frau, die ich liebte und die mich nicht liebte, hat mich allerdings fühlen lassen, dass ich nicht Gott sei. Sie hat mich vergiftet; ich bin nichts mehr. Man hat meine Asche gestern prachtvoll in eine goldene Urne gelegt, hat geweint und sich die Haare ausgerissen. Man hat getan, als wolle man sich in die Flammen des Scheiterhaufens stürzen, um mit mir zu sterben. Man wird noch seufzen am Fuße des stolzen Grabmals, in das man meine Asche gesetzt hat. Aber niemand betrauert mich; mein Andenken erregt sogar in meiner Familie Schrecken und hier erleide ich bereits eine entsetzliche Behandlung.”
Gerührt von diesem Schauspiel sprach Telemach zu ihm: “Wart ihr während eurer Herrschaft tatsächlich glücklich? Habt ihr jenen süßen Frieden gefühlt, ohne den das Herz inmitten des Vergnügens immer bedrückt und welk bleibt?” “Nein”, antwortete der Babylonier, “ich weiß nicht einmal, was ihr sagen wollt. Die Weisen rühmen diesen Frieden als das einzige Gut: was mich betrifft, habe ich ihn nie empfunden; mein Herz war unaufhörlich hin und her getrieben von neuen Wünschen, von Furcht und Hoffnung. Ich versuchte mich durch die Erschütterung, die von meinen Leidenschaften kam, selbst zu betäuben. Ich bemühte mich, diesen Zustand ständig aufrechtzuerhalten; die geringste Zeitspanne ruhiger Vernunft wäre mir zu bitter gewesen. Das ist der Frieden, den ich genossen habe. Jeder andere erscheint mir als Märchen, als Traum; das sind die Güter, deren Verlust ich beklage.”
Wie er so sprach, weinte der Babylonier wie ein Feigling, der durch die Annehmlichkeiten des Lebens verweichlicht worden ist und nicht daran gewöhnt ist, ein Unglück standhaft zu ertragen. Er hatte einige Sklaven bei sich, die man hatte sterben lassen, um seine Bestattung zu ehren. Merkur, der Götterbote, hatte sie mit ihrem König dem Charon, dem Fährmann der Unterwelt, überliefert und ihnen eine unumschränkte Macht über diesen König gegeben, dem sie auf Erden gedient hatten. Diese Schatten von Sklaven fürchteten den Schatten des Nabopharzan nicht mehr. Sie hielten ihn in Ketten und fügten ihm die grausamsten Qualen zu. Der eine sprach zu ihm: "Waren wir nicht genauso Menschen wie du? Wie konntest du so unsinnig sein, dich für einen Gott zu halten? Und musstest du dich nicht daran erinnern, dass du von der Art der übrigen Menschen warst?” Ein anderer sagte, um ihn zu verhöhnen: “Du hattest Recht damit, nicht zu wollen, dass man dich für einen Menschen halte, denn du warst ein Ungeheuer ohne Menschlichkeit.” Ein anderer sprach zu ihm: “Nun, wo sind jetzt deine Schmeichler? Du hast nichts mehr zu geben, du Unglücklicher! Du kannst nichts Böses mehr tun. Sieh, du bist selbst ein Sklave deiner Sklaven geworden. Die Götter sind langsam damit, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, aber schließlich tun sie es.”
Bei diesen harten Worten warf sich Nabopharzan mit dem Gesicht auf die Erde und riss sich an den Haaren, außer sich vor Wut und Verzweiflung. Aber Charon sprach zu den Sklaven: “Zerrt ihn an seiner Kette, richtet ihn trotz seines Widerstands wieder auf! Er wird nicht einmal den Trost haben, seine Schande zu verbergen; alle Schatten des Styx (Fluss der Unterwelt) müssen Zeugen derselben sein, um die Götter zu rechtfertigen, die so lange darunter gelitten haben, dass dieser Gottlose auf Erden herrschte.”
Er bemerkt bald den schwarzen Tartarus ziemlich nahe bei ihm. Aus diesem drang ein dicker, schwarzer Rauch hervor, dessen verpesteter Gestank den Tod verursachen würde, wenn er sich in den Stätten der Lebenden verbreiten würde. Dieser Rauch bedeckte einen Feuerstrom und viele Flammenwirbel, deren Getöse, reißenden Wasserläufen ähnlich, wenn sie sich von den höchsten Felsen in die Tiefe der Abgründe stürzen, bewirkte, dass man an diesen traurigen Orten nichts deutlich verstehen konnte.
Telemach, heimlich geliebt von Minerva, der Göttin der Klugheit, betrat furchtlos diesen Schlund. Zuerst bemerkte er eine große Zahl von Menschen, die in den niedrigsten Verhältnissen gelebt hatten und dafür bestraft wurden, dass sie Reichtum durch Betrug, Verrat und Grausamkeiten erstrebt hatten. Er nahm dort viele gottlose Heuchler wahr, die so getan hatten, als ob sie die Gottesverehrung liebten und sie als schönen Vorwand genutzt hatten, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen und sich über die leichtgläubigen Menschen lustig zu machen. Diese Menschen, die selbst die Tugend missbraucht hatten, wurden als die lasterhaftesten aller Menschen bestraft. Die Kinder, die ihre Väter und Mütter erwürgten, die Gattinnen, die ihre Hände in das Blut ihrer Gatten tauchten und die Verräter, die, nachdem sie alle Schwüre gebrochen hatten, ihr Vaterland auslieferten, litten weniger entsetzliche Strafen als jene Heuchler. Die drei Richter der Hölle hatten es so gewollt und ihr Grund war der, dass sich diese Heuchler nicht damit begnügen, böse zu sein wie die übrigen Gottlosen; sie wollen auch noch für gut gehalten werden und bewirken durch ihre falsche Tugend, dass die Menschen es nicht mehr wagen, der wahren Tugend zu vertrauen. Die Götter, die sie verspottet und den Menschen gegenüber verächtlich gemacht haben, finden Vergnügen daran, all ihre Macht anzuwenden, um sich für ihre Beschimpfungen zu rächen.
Neben diesen erschienen andere Menschen, die das einfache Volk kaum für schuldig hält, und die die göttliche Rache auf unerbittliche Weise verfolgt. Das sind die Undankbaren, die Lügner, die Schmeichler, die das Laster gelobt haben, die boshaften Kritiker, die versucht haben, die reinste Tugend zu besudeln; schließlich noch diejenigen, die über Dinge bedenkenlos geurteilt haben, ohne sie gründlich zu kennen, und die dadurch den Ruf der Unschuldigen beschädigt haben.
Telemach, der die drei Richter da sitzen und einen Menschen verdammen sah, wagte es, sie zu fragen, welche Verbrechen er begangen hatte. Sogleich ergriff der Verdammte das Wort und rief: “Ich habe nie irgendetwas Böses getan; ich habe mein ganzes Vergnügen darauf gesetzt, Gutes zu tun. Ich bin großartig, freigebig, gerecht und mitfühlend gewesen. Was kann man mir also vorwerfen?” Da sprach Minos zu ihm: “Man wirft dir in Bezug auf die Menschen nichts vor. Aber warst du den Menschen nicht weniger schuldig als den Göttern? Welcher Gerechtigkeit rühmst du dich denn? Du hast keine Pflicht gegenüber den Menschen versäumt, die nichts sind; du bist tugendhaft gewesen, aber du hast die ganze Tugend auf dich selbst bezogen und nicht auf die Götter, die sie dir gegeben hatten. Denn du wolltest die Frucht deiner eigenen Tugend genießen und dich in dich selbst verschließen: du bist deine Gottheit gewesen. Aber die Götter, die alles gemacht haben und nichts für sich selbst, können nicht auf ihre Rechte verzichten; du hast sie vergessen, sie werden auch dich vergessen. Sie werden dich dir selbst überlassen, da du dir gehören wolltest und nicht ihnen. Wenn du kannst, suche jetzt also deinen Trost in deinem eigenen Herzen. Sieh, du bist für immer von den Menschen getrennt, denen du gefallen wolltest. Sieh, du bist allein mit dir selbst, der du dein Abgott warst! Begreife, dass es gar keine wahrhafte Tugend gibt ohne Ehrfurcht vor den Göttern und Liebe zu ihnen, denen man alles verdankt. Deine falsche Tugend, die lange die leicht zu täuschenden Menschen geblendet hat, wird nun zusammenschmelzen. Die Menschen, die Laster und Tugenden nur danach beurteilen, ob sie unanständig oder angenehm sind, sind für das Gute genauso blind wie für das Böse. Hier stößt ein göttliches Licht all ihre oberflächlichen Urteile um; es verurteilt oft, was sie bewundern und rechtfertigt, was sie verdammen.”
Bei diesen Worten erschrak der Philosoph, wie vom Blitz getroffen, vor sich selbst. Die Freude, mit der er früher seine Mäßigung, seinen Mut und seine großmütigen Neigungen betrachtete, verwandelte sich in Verzweiflung. Der Blick auf sein eigenes Herz, den Feind der Götter, wird seine Strafe; er sieht sich und kann nicht aufhören, sich zu sehen; er sieht die Eitelkeit der Urteile der Menschen, denen er mit all seinen Handlungen gefallen wollte. Es vollzieht sich eine durchgängige Umwälzung in allem, was in ihm ist, als ob man all seine Eingeweide umdrehen würde. Er empfindet sich nicht mehr als derselbe. Es fehlt ihm jeglicher Halt in seinem Herzen; sein Gewissen, dessen Beweis ihm so süß gewesen war, erhebt sich gegen ihn und wirft ihm mit Bitterkeit den Irrtum und die Täuschung all seiner Tugenden vor, die nicht die Verehrung der Gottheit als Ausgangspunkt und Ziel gehabt haben: er ist verwirrt, bestürzt, voller Scham, Selbstanklage und Verzweiflung. Die Furien (Rachegöttinnen) quälen ihn nicht, weil es ihnen genügt, ihn sich selbst überliefert zu haben und weil sein eigenes Herz die verachteten Götter hinreichend rächt. Er sucht die finstersten Orte auf, um sich vor den anderen Toten zu verbergen, da er sich nicht vor sich selbst verbergen kann. Er sucht die Finsternis und kann sie nicht finden; ein lästiges Licht folgt ihm überall hin. Die durchdringenden Strahlen rächen überall die Wahrheit, deren Befolgung er vernachlässigt hat. Alles, was er geliebt hat, wird ihm verhasst, da es die Quelle seiner Leiden ist, die niemals enden können. Er spricht zu sich selbst: “Oh, ich Unsinniger! Ich habe also weder die Götter noch die Menschen noch mich selbst gekannt! Nein, nichts habe ich gekannt, weil ich eben nie das einzige und wahre Gute geliebt habe. Alle meine Schritte sind Verirrungen gewesen. Meine Weisheit war nur Dummheit. Meine Tugend war nur ein gottloser und blinder Hochmut, ich war selbst mein Abgott.”
Endlich bemerkte Telemach die Könige, die verdammt waren, weil sie ihre Macht missbraucht hatten. Von einer Seite hielt ihnen eine rächende Furie einen Spiegel vor, der ihnen die ganze Hässlichkeit ihrer Laster zeigte. Da sahen sie und konnten nicht verhindern, all das zu sehen: Ihre grobe Eitelkeit, die auf das lächerlichste Lob versessen war, ihre Härte gegenüber den Menschen, deren Glück sie bewirken sollten; ihre mangelnde Aufgeschlossenheit für die Tugend, ihre Furcht vor der Stimme der Wahrheit, ihre Zuneigung zu den Feiglingen und Schmeichlern; ihren mangelnden Fleiß, ihre Weichlichkeit, ihre Gefühllosigkeit, ihr unangebrachtes Misstrauen, ihren Prunk und ihre auf den Untergang der Völker gegründete, übertriebene Großartigkeit; ihre Sucht, durch das Blut ihrer Mitbürger ein wenig bedeutungslosen Ruhm zu erkaufen; und schließlich ihre Grausamkeit, die jeden Tag unter den Tränen und der Verzweiflung so vieler Unglücklicher neuen Genuss sucht. Sie sahen sich andauernd in diesem Spiegel; sie fanden sich schrecklicher und ungeheuerlicher als die Chimäre, die von Bellerophon besiegt wurde, oder die Lernäische Hydra, die von Herkules niedergeschlagen wurde, oder Cerberus selbst, obwohl er aus seinen drei gähnenden Rachen ein schwarzes, giftiges Blut speit, das geeignet ist, die ganze Gattung der auf Erden lebenden Sterblichen zu verpesten.
Zur gleichen Zeit wiederholte eine andere Furie ihnen höhnisch von einer anderen Seite alle Lobpreisungen, die ihre Schmeichler ihnen ihr Leben lang erteilt hatten. Sie hielt ihnen einen anderen Spiegel vor, in dem sie sich so sahen, wie die Schmeichelei sie beschrieben hatte. Der Unterschied zwischen diesen beiden so gegensätzlichen Bildern war die Strafe ihrer Eitelkeit. Man bemerkte, dass die bösartigsten unter diesen Königen diejenigen waren, denen man ihr Leben lang die großartigsten Lobreden erteilt hatte, weil die Bösen gefürchteter sind als die Guten und weil sie ohne Scham die feigen Schmeicheleien der Dichter und Redner ihrer Zeit verlangen.
Man hört sie seufzen in dieser tiefen Finsternis, wo sie nur die Beschimpfungen und Verhöhnungen sehen können, die sie zu erdulden haben. Sie haben um sich herum nichts, was sie nicht abstößt, was ihnen nicht widerspricht oder sie verwirrt, während sie auf Erden mit dem Leben der Menschen spielten und behaupteten, dass alles dazu gemacht sei, ihnen zu dienen. Im Tartarus sind sie allen Launen gewisser Sklaven ausgeliefert, die sie ihrerseits eine unerträgliche Knechtschaft fühlen ließen. Sie dienen mit Schmerzen und es bleibt ihnen keine Hoffnung, jemals ihre Gefangenschaft mildern zu können. Sie sind den Schlägen dieser Sklaven ausgeliefert, die ihre unerbittlichen Unterdrücker geworden sind, wie ein Amboss unter den Hammerschlägen der Zyklopen, wenn Vulkan (Gott des Feuers) sie drängt, in den brennenden Schloten des Berges Ätna zu arbeiten.
Da erblickte Telemach bleiche, grauenhafte und bestürzte Gesichter. Es ist eine tiefe Traurigkeit, die an diesen Verbrechern nagt. Sie erschrecken sich vor sich selbst und können sich von diesem Schrecken ebenso wenig befreien wie von ihrem eigenen Wesen. Sie brauchen keine andere Bestrafung für ihre Sünden als ihre Sünden selbst. Sie sehen sie unaufhörlich in all ihrer Ungeheuerlichkeit. Sie zeigen sich ihnen wie schreckliche Gespenster und verfolgen sie. Um sich davor zu schützen, suchen sie einen Tod, der mächtiger ist als jener, der sie vom Körper getrennt hat. In ihrer Verzweiflung rufen sie einen Tod zu Hilfe, der jedes Gefühl und jedes Bewusstsein in ihnen auslöschen kann. Sie bitten den Abgrund, sie zu verschlingen, und möchten sich den rächenden Strahlen der sie verfolgenden Wahrheit entziehen. Aber sie bleiben der Rache erhalten, die Tropfen für Tropfen auf sie herabträufelt und niemals versiegen wird. Die Wahrheit, die sie zu sehen gefürchtet haben, macht ihre Strafe aus. Sie sehen sie und haben nur Augen dafür, zu sehen, wie sie sich gegen sie erhebt. Ihr Anblick durchdringt sie, zerfleischt sie und reißt sie aus ihnen selbst heraus. Sie ist wie der Blitz. Ohne im Äußeren etwas zu zerstören, dringt sie bis tief in die Eingeweide.
Unter jenen Dingen, die Telemach die Haare zu Berge stehen ließen, sah er mehrere der ehemaligen Könige von Lydien, die dafür bestraft wurden, dass sie die Freuden eines genüsslichen Lebens der Arbeit vorgezogen hatten, die ihre Völker entlasten und untrennbar vom Königtum sein sollte.
Diese Könige warfen einander ihre Blindheit vor. Der eine sagte zum anderen, der sein Sohn gewesen war: “Hatte ich euch nicht oft während meines Alters und vor meinem Tod empfohlen, die Übel wiedergutzumachen, die ich durch meine Nachlässigkeit hervorgerufen hatte?” “Oh, unglücklicher Vater!”, sagte der Sohn, “Ihr seid es, der mich verdorben hat. Euer Beispiel ist es, das in mir Prunk, Stolz, Leidenschaft und Härte gegen die Menschen hervorgerufen hat. Weil ich euch mit so viel Schwäche und umgeben von feigen Schmeichlern herrschen sah, habe ich mich daran gewöhnt, Schmeichelei und Vergnügungen zu lieben. Ich habe geglaubt, die übrigen Menschen wären im Hinblick auf die Könige, was die Pferde und die anderen Lasttiere im Hinblick auf die Menschen sind, das heißt Tiere, für die man nur so viel Aufwand macht, wie sie Dienste erweisen und Annehmlichkeiten bereiten. Ich habe es geglaubt; ihr seid es, der in mir diesen Glauben geweckt hat. Und jetzt erdulde ich so viele Leiden dafür, weil ich euch nachgeahmt habe.” Zu diesen Vorwürfen fügten sie die hässlichsten Beschimpfungen hinzu und schienen von Wut erfüllt zu sein und gewillt, einander zu zerfleischen.
Um diese Könige herum flatterten auch noch, wie Eulen in der Nacht, die grausamen Verdächtigungen, die selbstgefälligen Befürchtungen, das Misstrauen, die die Völker für die Härte ihrer Könige rächen. Der unersättliche Hunger nach Reichtümern, der immer unterdrückende, falsche Ruhm und die Halbherzigkeit, die alle erduldeten Leiden verdoppelt, ohne jemals dauerhafte Freuden geben zu können. Man sah mehrere dieser Könige schwer gestraft, nicht für das Böse, das sie getan hatten, sondern dafür, dass sie das Gute, das sie hätten tun sollen, versäumt hatten. All die Verbrechen der Völker, die aus der Nachlässigkeit entstehen, mit der man die Einhaltung der Gesetze beachtet, wurden den Königen unterstellt, die nur herrschen sollen, damit die Gesetze durch ihre Regierung herrschen.
Man beschuldigte sie auch aller Unordnungen, die von der Prunksucht, dem Luxus und allen anderen Exzessen stammen, die die Menschen in einen Zustand der Gewalttätigkeit treiben und in die Versuchung, Gesetze zu verletzen, um Wohlergehen zu erlangen. Insbesondere behandelte man die Könige sehr streng, die, anstatt gute und wachsame Hirten der Völker zu sein, nur danach gestrebt hatten, die Herde wie reißende Wölfe zu Grunde zu richten.
Was Telemach jedoch noch mehr bestürzte, war, in diesem Abgrund von Finsternis und Leiden eine große Anzahl von Königen zu sehen, die, nachdem sie auf Erden als ziemlich gute Könige gegolten hatten, zu den Strafen des Tartarus verurteilt worden waren, weil sie sich von bösen und hinterlistigen Menschen leiten ließen. Sie wurden mit den Übeln bestraft, die sie durch ihre Autorität anrichten ließen. Zudem war die Mehrheit dieser Könige weder gut noch böse gewesen; ihre Schwäche war jedoch groß. Sie hatten nie befürchtet, die Wahrheit nicht zu kennen. Sie hatten kein Interesse an der Tugend gehabt und es bereitete ihnen kein Vergnügen, Gutes zu tun.