Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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11. Die Meinung der Theologen über die Hölle lässt sich in folgenden Zitaten kurz wiedergeben. (Diese Zitate sind dem Werk “Die Hölle” von August Callet entnommen.) Da diese Beschreibung aus den heiligen Schriftstellern und dem Leben der Heiligen entnommen ist, so kann sie diesbezüglich umso mehr als Ausdruck des orthodoxen Glaubens betrachtet werden, da sie, von einigen Abweichungen abgesehen, bei jedem Anlass in den (angeblich) evangelischen Kanzelreden und pastoralen Anweisungen wiedergegeben wird.


12. Die Teufel (Dämonen) sind nichts anderes als Geister, und die Verdammten, die sich gegenwärtig in der Hölle befinden, können ebenfalls als solche Geister betrachtet werden, da nur ihre Seele dorthin hinabgestiegen ist und ihre zu Staub gewordenen Gebeine sich unaufhörlich in Gräser, Pflanzen, Früchte, Steine jeder Art und Flüssigkeiten umwandeln, indem sie, ohne es zu wissen, die beständigen Umwandlungen der Materie erfahren. Aber sowohl die Verdammten als auch die Heiligen müssen am jüngsten Tage wieder auferstehen und einen fleischlichen Körper annehmen, ohne ihn wieder zu verlassen, denselben Körper, mit dem man sie unter den Lebenden kannte. Was sie voneinander unterscheiden wird, ist, dass die Erwählten in einem geläuterten und ganz strahlenden Körper auferstehen werden, die Verdammten aber in einem durch die Sünde beschmutzten und missgestalteten. Es wird also in der Hölle nicht mehr nur ausschließlich Geister geben; es werden dort Menschen sein, wie wir es sind. Die Hölle ist daher ein physischer, geographischer und materieller Ort, weil sie von irdischen Geschöpfen bevölkert sein wird, die Füße, Hände, einen Mund, eine Zunge, Zähne, Ohren und Augen haben, die den unseren ähnlich sind, und Blut in den Adern und schmerzempfindliche Nerven.

Wo liegt die Hölle? Einige Lehrer haben sie genau in das Innere unserer Erde verlegt, andere in irgendwelche Planeten. Aber die Frage ist durch keine Kirchenversammlung entschieden worden. Man ist diesbezüglich also auf Vermutungen angewiesen. Das einzige, dessen man sich gewiss sein kann, ist, dass die Hölle, an welchem Ort sie auch liegen mag, eine aus materiellen Bestandteilen zusammengesetzte Welt ist, aber eine Welt ohne Sonne, ohne Mond, ohne Sterne, trauriger, ungastlicher, jeglichen Keimes und jeglichem Anschein des Wohlergehens beraubt, als dies die unbewohnbarsten Teile dieser Welt sind, in der wir sündigen.

Die angesehenen Theologen wagen nicht, so wie die Ägypter, Hindus und Griechen, alle Schrecken dieses Aufenthaltsortes zu schildern. Sie beschränken sich darauf, uns das Wenige als Modell zu zeigen, was die Schrift davon enthüllt, den Feuer- und Schwefelteich der Offenbarung (Apokalypse) des Johannes und die Würmer des Jesaja, diese ewig kriechenden Würmer auf den Kadavern der Wüste Thophel und die Teufel, welche die von ihnen verdorbenen Menschen quälen, und die weinenden und mit den Zähnen knirschenden Menschen, wie die Evangelisten es ausgedrückt haben.

Sankt Augustin stimmt nicht zu, dass diese körperlichen Strafen einfache Bilder der moralischen Strafen seien. Er sieht in einem wirklichen Schwefelteich wirkliche Würmer und Schlangen, die sich auf alle Teile des Körpers der Verdammten stürzen und ihre Bisse den Wunden des Feuers hinzufügen. Einem Vers des heiligen Markus zufolge behauptet er, dass dieses seltsame Feuer, obwohl es stofflich ist wie das unsere und auf physische Körper einwirkt, sie bewahren wird, wie das Salz das Fleisch der Opfertiere konserviert. Aber die Verdammten, die immer dargebrachte und lebendige Opferwesen sind, werden den Schmerz dieses Feuers fühlen, das brennt, ohne zu zerstören. Es dringt unter ihre Haut. Sie werden davon durchtränkt und übersättigt in all ihren Gliedern, bis ins Mark ihrer Knochen, in die Pupillen ihrer Augen und in die verborgensten und empfindsamsten Fasern ihres Wesens. Wenn sie sich hineinstürzen könnten, wäre der Krater eines feuerspeienden Vulkans für sie ein Ort der Erfrischung und Ruhe.

So sprechen die schüchternsten, bescheidensten und zurückhaltendsten Theologen mit fester Überzeugung. Sie leugnen übrigens nicht, dass in der Hölle weitere körperliche Strafen anzutreffen sind. Sie sagen lediglich, dass sie keine ausreichende und zumindest so fundierte Kenntnis davon haben, um darüber reden zu können, jedenfalls wie jene, die ihnen von der schrecklichen Strafe des Feuers und der ekelhaften Würmer gegeben worden ist. Aber es gibt kühnere oder besser aufgeklärte Theologen, die die Hölle detaillierter, umfassender und vollständiger beschreiben können. Und obwohl man nicht weiß, an welchem Ort des Universums diese Hölle liegt, gibt es Heilige, die sie gesehen haben. Sie sind nicht hingegangen, mit der Leier in der Hand wie Orpheus, oder mit dem Degen in der Hand wie Odysseus, sie sind im Geist dorthin versetzt worden. Die heilige Theresa ist eine von ihnen.

Nach dem Bericht dieser Heiligen scheint es, als ob es in der Hölle Städte gibt. Zumindest sah sie dort so etwas wie eine lange und enge Gasse, von denen es so viele in den alten Städten gibt. Sie trat hinein und ging mit Schrecken auf einem schlammigen, stinkenden Boden entlang, auf dem es von ungeheuerlichen kriechenden Tieren wimmelte. Aber sie wurde bei ihrem Spaziergang durch eine Mauer zurückgehalten, die die Gasse versperrte. In diesem Gemäuer war eine Nische angebracht, in die sich Theresa kauerte, ohne recht zu wissen, wie. Es war, sagte sie, die Stelle, die ihr bestimmt war, wenn sie zu Lebzeiten die Gnaden missbrauchte, die Gott über ihre Zelle in Avila goss. Obwohl sie mit einer wunderbaren Leichtigkeit in diese Nische hineingelangt war, konnte sie sich dennoch weder darin setzen noch sich hinlegen oder aufrecht halten. Noch weniger konnte sie hinausgelangen. Diese schrecklichen Mauern, die sich auf sie herabgesenkt hatten, hüllten sie ein und beengten sie, als ob sie belebt worden wären. Es schien ihr, als ob man sie erstickte oder erdrosselte und sie gleichzeitig bei lebendigem Leib quälte und in Stücke riss; und sie fühlte sich brennen und empfand mit einem Mal alle möglichen Ängste. Es gab keine Hoffnung auf Hilfe! Alles um sie herum war nur Finsternis, und dennoch bemerkte sie durch diese Finsternis hindurch mit Staunen noch die schreckliche Gasse, in der sie wohnte, und ihre abscheuliche Nachbarschaft, ein für sie ebenso unerträgliches Schauspiel wie die Umarmungen ihres Gefängnisses. (Man erkennt in dieser Vorstellung alle Anzeichen des Alptraums. Es ist somit wahrscheinlich, dass es ein solches Ereignis war, das bei der heiligen Theresa auftrat.)

Das war zweifellos nur eine kleine Ecke der Hölle. Andere spirituelle Reisende sind mehr begünstigt worden. Sie haben in der Hölle große Städte gesehen, die in Flammen standen: Babylon und Ninive, selbst Rom, deren Paläste und Tempel brannten und alle Bewohner in Ketten waren; den Händler in seiner Schreibstube, Priester und Höflinge in Speisesälen vereint und heulend auf ihren Sitzen, von denen sie sich nicht mehr losreißen konnten, und um ihren Durst zu stillen, hielten sie Schalen an ihren Lippen, aus denen Flammen schlugen; Knechte, die in siedenden Kloaken knieten, die Arme ausgestreckt, und Fürsten, aus deren Hand geschmolzenes Gold auf sie rieselte, so wie alles verschlingende Lava. Andere haben in der Hölle grenzenlose Ebenen gesehen, auf denen ausgehungerte Bauern gegraben und gesät haben, und da aus diesen Ebenen, von ihrem Schweiß dampfend, und aus diesen unfruchtbaren Feldern nichts spross, fraßen sich diese Bauern gegenseitig auf. Danach zerstreuten sie sich scharenweise bis an den Horizont, genauso zahlreich, mager und ausgehungert wie zuvor und suchten vergeblich in der Ferne glücklichere Länder. Auf den Feldern, die sie hinter sich ließen, wurden sie sogleich durch andere umherirrende Siedlerscharen von Verdammten ersetzt. Es gibt Leute, die in der Hölle Gebirge voller Abgründe gesehen haben, ächzende Wälder, Brunnen ohne Wasser, durch Tränen gespeiste Springbrunnen, Flüsse aus Blut, Schneewirbel in eisigen Wüsten, Boote voller Verzweifelter, die auf uferlosen Meeren trieben. Kurzum, man hat dort alles wieder gesehen, was die Heiden da sahen: ein trauriges Spiegelbild der Erde, einen maßlos vergrößerten Schatten ihrer Beschwerden, ihrer mit dem Dasein verbundenen Leiden verewigt, bis hin zu Kerkern, Galgen und Folterwerkzeugen, die unsere eigenen Hände geschmiedet haben.

Es gibt dort unten tatsächlich Teufel, die Körper annehmen, um die Menschen in ihren Körpern besser quälen zu können. Die einen haben Flügel wie Fledermäuse, Hörner, Schuppenpanzer, Klauen und scharfe Zähne; man zeigt sie uns bewaffnet mit Schwertern, Heugabeln, Kneifzangen, glühend heißen Zangen, Sägen, Rosten, Blasebälgen, Keulen und wie sie durch die Ewigkeit mit menschlichem Fleisch den Dienst von Köchen und Fleischern verrichten. Die anderen sind in Löwen oder in ungeheure Schlangen verwandelt, die ihre Beute in einsame Höhlen hineinschleppen. Einige verwandeln sich in Raben, um manchen Schuldigen die Augen auszuhacken und andere in fliegende Drachen, um sie auf ihre Rücken zu laden und sie ganz entsetzt, blutend und laut schreiend durch die finsteren Räume hindurch fortzutragen und sie dann in den Schwefelteich fallen zu lassen. Da gibt es Wolken von Heuschrecken, riesige Skorpione, deren Anblick einen erschauern lässt, deren Geruch Erbrechen bewirkt, deren geringste Berührung Krämpfe hervorruft. Dort gibt es vielköpfige Ungeheuer, die auf allen Seiten gefräßige Mäuler öffnen, auf ihren missgestalteten Köpfen Mähnen von Nattern schütteln, die Verdammten zwischen ihren blutenden Kiefern zermalmen und sie wieder erbrechen, völlig zerhackt, aber lebend, weil sie unsterblich sind.

Diese Teufel von wahrnehmbarer Gestalt, die so offensichtlich an die Götter des Amenthi (ägyptisch: Ort der Seelen) und des Tartarus (Ort der Verdammten) erinnern, und an die Götzen, die von den Phöniziern, den Moabitern und den anderen an Judäa angrenzenden heidnischen Völkern angebetet wurden, diese Teufel handeln keineswegs willkürlich. Jeder hat seine Funktion und sein Werk. Das Böse, das sie in der Hölle tun, steht im Verhältnis zu dem Bösen, zu dem sie angestachelt und bewirkt haben, auf der Erde begangen zu werden. (Gewiss eine sonderbare Bestrafung, die darin bestehen würde, in einem größeren Maße das Böse fortsetzen zu können, das sie auf Erden im Kleinen getan hatten! Es wäre vernünftiger, dass sie selbst unter den Folgen dieses Bösen litten, anstatt sich das Vergnügen zu machen, so andere leiden zu lassen.)

Die Verdammten werden an all ihren Sinnen und Körperteilen bestraft, weil sie Gott mit all jenen beleidigt haben. Bestraft in einer Weise als Fresser durch die Teufel der Völlerei und in einer anderen Weise als Träge durch die Teufel der Trägheit. Und wieder in einer anderen Weise als Unzüchtige durch die Teufel der Unzucht und auf genauso viele verschiedene Arten, wie es verschiedene Arten der Sünde gibt. Ihnen wird kalt sein, obwohl sie brennen und heiß, obwohl sie frieren. Sie werden begierig nach Ruhe sein und begierig nach Bewegung; und immer hungrig und immer durstig und tausendmal müder als ein Sklave am Ende eines Tages, kränker als die Sterbenden, gebrochener, zerschlagener, mehr mit Wunden übersät als die Märtyrer, und das wird kein Ende nehmen.

Kein Teufel lässt sich und wird sich jemals von seiner grauenhaften Aufgabe abschrecken lassen. Sie alle sind in dieser Beziehung sehr diszipliniert und pflichtgetreu in der Ausführung der Rachebefehle, die sie empfangen haben. Was würde denn sonst aus der Hölle werden? Die Kranken würden zur Ruhe kommen, wenn die Henker anfingen, sich zu zanken oder müde zu werden. Aber keine Ruhe für die einen, keine Streitigkeiten unter den anderen! So böse und so unzählig sie auch sein mögen, die Teufel verstehen einander von einem Ende des Abgrunds bis zum anderen. Nie sah man auf Erden Völker, die ihren Fürsten gegenüber gelehriger, nie Heere, die ihren Anführern gehorsamer und nie klösterliche Gemeinschaften, die ihren Oberen demütiger unterworfen gewesen wären. (Dieselben Teufel, die um des Guten willen ungehorsam gegenüber Gott sind, zeigen eine beispielhafte Fügsamkeit, um das Böse zu tun. Keiner von ihnen schreckt zurück oder lässt über eine ewig lange Zeit nach. Welch seltsame Wandlung hat sich an ihnen vollzogen, die wie Engel rein und vollkommen geschaffen wurden! Ist es nicht recht sonderbar, dass sie sich als Beispiel vollkommener Einigkeit, Übereinstimmung und unveränderlicher Eintracht zeigen, während die Menschen unter sich nicht in Frieden zu leben verstehen und sich untereinander auf Erden zerfleischen? Wenn man den Aufwand der Bestrafungen ansieht, die den Verdammten vorbehalten sind, und ihre Lage mit der der Teufel vergleicht, fragt man sich, wer am meisten zu beklagen ist: Henker oder Opfer.)

Man kennt übrigens das Volk der Teufel, dieser niedrigen Geister, nicht so genau, aus denen sich die Scharen der Blutsauger, Fressmäuler, Kröten, Skorpione, Raben, Giftschlangen, Molche und andere namenlose Tiere bilden, die die Tierwelt der höllischen Gebiete ausmachen. Aber man kennt und benennt mehrere der Fürsten, die diese Scharen befehligen, unter anderem Belphegor, den Teufel der Schwelgerei; Abaddon oder Apollyon, den Teufel des Mordes; Beelzebub, den Teufel der unreinen Begierden oder den Herrn der Mücken, die Sittenlosigkeit erzeugen; und Mammon, den Gott der Habgier, Moloch, Belial, Baalgad, Astaroth und so viele andere. Und über ihnen ihr allgemeines Oberhaupt, den düsteren Erzengel, der im Himmel den Namen Luzifer (Lichtträger) trug und in der Hölle den Namen Satan führt.

Das ist kurzgefasst die Idee, die man uns von der Hölle vermittelt, betrachtet unter dem Blickwinkel ihrer physischen Beschaffenheit und den körperlichen Strafen, die man dort erleidet. Öffnet die Schriften der Kirchenväter und der alten ehemaligen Kirchenlehrer; befragt unsere frommen Sagen; betrachtet die Skulpturen und Gemälde unserer Kirchen, hört genau zu, was man auf unseren Kanzeln sagt, und ihr werdet viel mehr davon erfahren."


13. Der Verfasser lässt diesem Bild folgende Erwägungen folgen, deren Tragweite jeder verstehen wird: "Die Auferstehung der Körper ist ein Wunder. Aber Gott lässt ein zweites Wunder geschehen, um diesen sterblichen Körpern, die bereits einmal durch die vorübergehenden Prüfungen des Lebens abgenutzt, schon einmal vernichtet sind, die Kraft zu geben, in einem Ofen, in dem Metalle verdampfen würden, weiterzubestehen, ohne sich aufzulösen. Man mag sagen, die Seele sei ihr eigener Henker, Gott verfolge sie nicht, sondern überlasse sie sich selbst in dem unglücklichen Zustand, den sie gewählt hat. Das kann man im engeren Sinne begreifen, obwohl es mit der Güte Gottes kaum vereinbar erscheint, verirrte und leidende Wesen ewig im Stich zu lassen. Aber was man von der Seele und den geistigen Strafen sagt, das kann man keinesfalls von den Körpern und den körperlichen Strafen sagen. Um diese körperlichen Strafen beständig zu machen, genügt es nicht, dass Gott seine Hand zurückzieht. Im Gegenteil, er muss sie zeigen, muss sich einschalten und handeln; ohne das würde der Körper unterliegen.“

Die Theologen unterstellen, dass Gott nach der Auferstehung wirklich dieses zweite Wunder bewirkt, über das wir gesprochen haben. Er zieht zunächst unsere aus Lehm geformten Körper aus dem Grab heraus, das sie verschlungen hatte. Er zieht sie so heraus, wie sie hineingelangt sind, mit ihren ursprünglichen Leiden und den allmählich eingetretenen altersbedingten Verschlechterungen, Krankheiten und Lastern. Er gibt sie uns in diesem Zustand zurück: verbraucht, kalt, gichtkrank, mit vielen Bedürfnissen, empfindlich gegen einen Bienenstich, voller Makel, die das Leben und der Tod ihnen aufgedrückt haben, und das ist das erste Wunder. Dann weist er diesen elenden Körpern, die voll und ganz bereit sind, zu dem Staub zurückzukehren, aus dem sie hervorgegangen sind, eine Eigenschaft zu, die sie niemals besessen haben, und das ist das zweite Wunder. Er gibt ihnen Unsterblichkeit, genau dieses Geschenk, das er in seinem Zorn oder vielmehr in seiner Barmherzigkeit Adam bei dessen Vertreibung aus dem Garten Eden wieder entzogen hatte. Als Adam unsterblich war, war er unverwundbar und als er aufhörte, unverwundbar zu sein, wurde er sterblich. Der Tod folgte unverzüglich dem Schmerz.

Die Auferstehung versetzt uns also weder in den physischen Zustand des Unschuldigen noch in den des Schuldigen zurück. Es ist nur eine Auferstehung unseres Leidens, aber zusätzlich mit neuen Leiden, die unendlich schrecklicher sind. Es ist zum Teil eine wahre Schöpfung und die boshafteste, die die Fantasie zu erfassen gewagt hat. Gott besinnt sich auf etwas anderes und um den geistigen Qualen der Sünder körperliche hinzuzufügen, die stets weiterbestehen, verändert er aufgrund seiner Macht plötzlich die Gesetze und Eigenschaften, die er selbst von Beginn an den Verbindungen der Materie zugewiesen hatte. Er erweckt wieder krankes und verdorbenes Fleisch, fügt mithilfe eines unauflösbaren Knotens jene Bestandteile hinzu, die von sich selbst aus das Bestreben haben, sich zu trennen, erhält und verewigt diese lebendige Fäulnis entgegen der einfachen, guten Ordnung. Er wirft sie ins Feuer, nicht um sie zu reinigen, sondern um sie so zu erhalten, wie sie ist: empfindsam, leidend, brennend, grauenvoll, so wie er sie haben will, unsterblich.

Durch dieses Wunder macht man aus Gott einen der Henker der Hölle. Denn wenn die Verdammten ihre geistigen Leiden nur sich selbst zurechnen, so können sie die anderen, zu ihrer eigenen Befriedigung, nur ihm zuschreiben. Es war scheinbar zu wenig für Gott, sie nach ihrem Tod der Traurigkeit zu überlassen, der Reue und allen Ängsten einer Seele, die fühlt, dass sie das höchste Gut verloren hat. Den Theologen zufolge wird Gott sie aus dieser Dunkelheit und aus der Tiefe dieses Höllenschlunds wegholen. Er wird sie für einen Augenblick ans Tageslicht zurückrufen, nicht um sie zu trösten, sondern um sie mit einem abscheulichen, flammenden und unvergänglichen Körper zu versehen, der verunreinigter ist als das Kleid der Dejanira, und erst dann verlässt er sie für immer.

Er wird sie nicht einmal ihrem Schicksal überlassen, weil ja die Hölle, genauso wie die Erde und der Himmel, nur durch einen fortwährenden Entschluss seines immer bewussten Willens besteht und alles vergehen würde, wenn er aufgeben würde, alles zu erhalten. Er wird also unaufhörlich die Hand über sie halten, um zu verhindern, dass ihr Feuer erlischt und dass ihr Körper sich verzehrt, da er ja will, dass diese unsterblichen Unglücklichen durch die beständige Fortdauer ihrer Strafe zur Erbauung der Erwählten beitragen.


14. Wir haben aus gutem Grund gesagt, dass die Hölle der Christen die Hölle der Heiden übertroffen habe. Tatsächlich sieht man im Tartarus die Schuldigen angesichts ihrer Verbrechen und Opfer stets von Gewissensbissen gequält, niedergedrückt von denen, welche von ihnen zu Lebzeiten niedergedrückt wurden. Man sieht sie vor dem Licht fliehen, das sie durchdringt, und vergeblich versuchen sie, den sie verfolgenden Blicken zu entkommen. Da ist der Hochmut erniedrigt und gedemütigt. Alle tragen die Spuren ihrer Vergangenheit. Alle werden durch ihre eigenen Fehler bestraft bis zu dem Punkt, dass es für einige genügt, sie sich selbst zu überlassen, und dass man es für sinnlos hält, dem noch weitere Strafen hinzuzufügen. Aber das sind Schatten, das heißt Seelen mit ihren luftartigen (fluidischen) Körpern, ein Abbild ihres irdischen Daseins. Man sieht dort nicht die Menschen wieder ihren fleischlichen Körper annehmen, um physisch zu leiden, noch Feuer unter ihre Haut dringen und sie bis auf das Knochenmark sättigen, und auch nicht den Aufwand und die sorgfältig ausgedachten Strafen, die die Grundlage der christlichen Hölle bilden. Man findet dort unbeugsame, aber gerechte Richter, die jede Strafe entsprechend abwägen; doch im Reich Satans vermischen sich alle Seelen in denselben Qualen; dort beruht alles auf der Materie. Selbst die Gerechtigkeit ist daraus verbannt.

Zweifellos gibt es heutzutage selbst in der Kirche viele vernünftige Menschen, die diese Dinge nicht wörtlich nehmen und darin nur bildliche Redewendungen sehen, deren Sinn man erkennen muss. Aber ihre Ansicht ist nur eine individuelle und bildet nicht die Regel. Daher ist der Glaube an die materielle Hölle mit all ihren Konsequenzen immer noch Bestandteil der kirchlichen Lehre.


15. Man fragt sich: Wie haben die Menschen diese Dinge mit Begeisterung sehen können, wenn es diese gar nicht gibt? Hier ist nun nicht der Ort, um die Herkunft der phantastischen Bilder zu erörtern, die manchmal mit allem Anschein der Realität erzeugt werden. Wir wollen damit nur sagen, dass man darin einen Beweis jenes Satzes erkennen muss, dass die Verzückung die am wenigsten sichere aller Offenbarungen ist (siehe “Das Buch der Geister”, Fragen 443 und 444), weil dieser Zustand der Überreizung nicht immer die Tatsache einer so vollständigen Loslösung der Seele vom Körper darstellt, wie man es glauben könnte, und weil sich darin recht oft die Spiegelung der Beschäftigungen des vorangegangenen Tages findet. Die Vorstellungen, mit denen der Geist genährt wird und von denen das Gehirn bzw. die mit dem Gehirn in Wechselbeziehung stehende, den Geist umgebende Hülle den Abdruck bewahrt hat, bilden sich erweitert aufs Neue, wie in einer Luftspiegelung in dunstartigen Formen, die sich kreuzen, miteinander verbinden und sich zu unwirklichen Gesamtbildern zusammensetzen. Die Verzückten aller Weisen der Gottesverehrung haben immer Dinge entsprechend des Glaubens gesehen, von dem sie überzeugt waren. Es ist also nicht überraschend, dass diejenigen, die wie die heilige Theresa, von den Vorstellungen der Hölle angetan sind, wie sie durch die mündlichen oder schriftlichen Beschreibungen und durch die Gemälde dargestellt werden, Visionen davon haben, die, genau gesagt, nur deren Nachbildung sind und die Wirkung eines Alptraums hervorrufen. Ein gläubiger Heide hätte den Tartarus und die Furien (Rachegöttinnen) genauso gesehen, wie er Jupiter auf dem Olymp mit dem Donnerkeil in der Hand gesehen hätte.