Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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Die Teufel im Lichte des Spiritismus

20. Nach der Spiritistischen Lehre sind weder Engel noch Teufel besondere Wesen. Die Schöpfung der intelligenten Wesen ist eine Einheit. Vereinigt mit materiellen Körpern machen sie die Menschheit aus, die die Erde und die anderen bewohnten Welten bevölkern. Befreit von diesem Körper, bilden sie die geistige Welt oder die Welt der Geister, die den Raum bevölkern. Gott hat sie vervollkommnungsfähig erschaffen. Er hat ihnen als Ziel die Vollkommenheit auferlegt und das Glück, das daraus folgt; aber er hat ihnen nicht die Vollkommenheit gegeben. Er wollte, dass sie diese ihrer eigenen Arbeit verdanken, damit sie das Verdienst davon haben. Vom Augenblick ihrer Entstehung an, schreiten sie voran, sei es im Zustand der Inkarnation oder im geistigen Zustand. Sind sie auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung angekommen, sind sie reine Geistwesen oder Engel nach der üblichen Bezeichnung, so dass es von der Keimzelle des intelligenten Wesens bis hin zum Engel eine ununterbrochene Kette gibt, in der jedes Glied eine Stufe auf dem Weg des Fortschritts kennzeichnet.

Daraus ergibt sich, dass es Geistwesen auf allen Stufen des moralischen und intellektuellen Aufstiegs gibt, je nachdem ob sie oben, unten oder auf der Mitte der Entwicklungsleiter stehen. Folglich gibt es sie auf allen Stufen des Wissens und der Ignoranz, der Güte und der Bosheit. In den niederen Reihen gibt es welche, die noch zutiefst dem Bösen verfallen sind und sich darin gefallen. Man kann sie Dämonen nennen, wenn man will, denn sie sind zu allen ihnen zugeschriebenen Missetaten fähig. Wenn die Spiritistische Lehre ihnen nicht diesen Namen gibt, so geschieht das, weil sich damit die Vorstellung von Wesen verbindet, die sich von der Menschheit unterscheiden, von grundsätzlich boshafter Natur, auf ewig dem Bösen geweiht und unfähig sind, im Guten fortzuschreiten.


21. Nach der Lehre der Kirche sind die Dämonen als gut erschaffen worden und durch ihren Ungehorsam böse geworden: das sind die gefallenen Engel. Sie wurden von Gott auf die Höhe der Leiter gestellt und sind herabgefallen. Nach der Spiritistischen Lehre sind es unvollkommene Geister, die sich aber bessern werden; sie stehen noch unten auf der Leiter und werden aufsteigen.

Diejenigen, die durch ihre Sorglosigkeit, ihre Nachlässigkeit, ihre Verstocktheit und ihren schlechten Willen länger in den niederen Reihen verbleiben, tragen die Strafe davon, und die Gewohnheit des Bösen macht es ihnen schwerer, aus diesen herauszukommen. Aber es kommt eine Zeit, wo sie dieser mühevollen Existenz und der Leiden müde werden, die die Folge davon sind. Dann vergleichen sie ihre Lage mit der der guten Geister, begreifen, dass ihr Vorteil im Guten liegt und streben danach, sich zu bessern. Aber sie tun es aus eigenem Willen und ohne dazu gezwungen zu werden. Sie sind wegen ihrer Fähigkeit fortzuschreiten dem Gesetz des Fortschritts unterworfen, aber sie schreiten durchaus nicht gegen ihren Willen fort. Gott bietet ihnen unaufhörlich die Mittel dazu; aber es steht ihnen frei, sie zu nutzen oder nicht. Wenn der Fortschritt unumgänglich wäre, so hätten sie kein Verdienst und Gott will, dass sie das ihrer Werke haben. Er stellt niemanden aufgrund von Privilegien in die erste Reihe, sondern die erste Reihe steht allen offen, und sie gelangen nur durch ihre Anstrengungen dahin. Die erhabensten Engel haben ihre Stufe wie alle anderen erobert, indem sie die gemeinsame Laufbahn durchschritten haben.


22. Sobald die Geister auf einer gewissen Stufe der Läuterung angelangt sind, erhalten sie Aufgaben, die ihrem Fortschritt entsprechen. Sie erfüllen all jene, die den Engeln der verschiedenen Ordnungen zugewiesen sind. Da Gott von aller Ewigkeit her geschaffen hat, haben sich von aller Ewigkeit solche gefunden, um alle Bedürfnisse der Leitung des Weltalls zu befriedigen. Eine einzige Gattung intelligenter Wesen, dem Gesetz des Fortschritts unterworfen, genügt also für alles. Diese Einheit in der Schöpfung, zusammen mit dem Gedanken, dass alle einen gleichen Ausgangspunkt und dieselben Wege zu durchlaufen haben, und dass sie durch ihr eigenes Verdienst aufsteigen, entspricht weit mehr der Gerechtigkeit Gottes, als die Erschaffung verschiedener mehr oder weniger begünstigter Arten, die mit natürlichen Gaben ausgestattet wären, die ebenso viele Privilegien sein würden.


23. Die gewöhnliche Lehre über das Wesen der Engel, der Dämonen und der menschlichen Seelen, die das Gesetz des Fortschritts nicht anerkennt und dennoch Wesen auf verschiedenen Stufen sieht, hat daraus geschlossen, sie seien die Hervorbringung von ebenso vielen besonderen Schöpfungen. Sie schafft es auf diesem Wege, aus Gott einen parteiischen Vater zu machen, der einigen seiner Kinder alles schenkt, während er den anderen die härteste Arbeit auferlegt. Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen lange Zeit hindurch nichts Anstößiges in diesen Bevorzugungen gefunden haben, zu einer Zeit, in der sie es durch das Erstgeburtsrecht und der Privilegien der Geburt ebenso bezüglich ihrer eigenen Kinder hielten, konnten sie glauben, schlechter als Gott zu handeln? Aber heute hat sich der Horizont der Vorstellungen erweitert. Sie sehen klarer. Sie haben klarere Vorstellungen von Gerechtigkeit. Sie beanspruchen sie für sich, und wenn sie diese nicht immer auf der Erde finden, so hoffen sie wenigstens, sie im Himmel vollkommener zu finden. Darum widerstrebt jede Lehre ihrer Vernunft, in der die göttliche Gerechtigkeit ihnen nicht in ihrer größten Reinheit erscheint.