DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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KAPITEL VII
Selig sind die, die im Geiste arm sind
• Was man unter „im Geiste arm“ verstehen soll • Jeder der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden • Die den Weisen und Klugen verborgenen Mysterien • Unterweisungen der geistigen Welt: Der Hochmut und die Demut; Mission des intelligenten Menschen auf der Erde.

Was man unter „im Geiste arm“ verstehen soll

1. Selig sind die, die im Geiste arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich. (Matthäus, Kap. V, 3)

2. Die Ungläubigkeit macht sich über diese Maxime lustig: „Selig sind die, die im Geiste arm sind“, wie über viele andere Sachen, ohne sie zu verstehen. Als „im Geiste arm sein“ bezeichnete Jesus nicht die Menschen, die nicht intelligent sind, sondern die Demütigen: Er sagt, dass das Himmelreich für diese ist und nicht für die Hochmütigen.

Wissenschaftler und Intellektuellen, gemäß der Welt, haben im Allgemeinen eine so hohe Meinung von sich selbst und ihrer Überlegenheit, dass sie die göttlichen Dinge als unwürdig für ihre Aufmerksamkeit ansehen. Ihre Blicke, auf sich selbst konzentriert, können sich nicht zu Gott erheben. Diese Tendenz, sich allem überlegen zu glauben, bringt sie zu oft dazu, zu verneinen, dass das, was über ihnen ist, sie erniedrigen könnte, sogar die Göttlichkeit zu verneinen; oder, falls sie es doch schaffen dies zu akzeptieren, streiten sie ihr eines ihrer schönsten Attribute ab: Ihr vorsehendes Wirken über alle Dinge dieser Welt, sie sind überzeugt davon, dass sie allein genügen, um die Welt gut zu regieren. Da sie ihre Intelligenz als Maß für die universelle Intelligenz betrachten und sich für fähig halten, alles zu verstehen, können sie nicht an die Möglichkeit glauben, irgendetwas nicht zu verstehen. Wenn sie etwas verkündet haben, sind ihre Urteile für sie unwiderruflich.

Wenn sie sich weigern, eine unsichtbare Welt und eine außermenschliche Macht anzuerkennen, geschieht das nicht, weil sie dazu unfähig wären, sondern weil ihr Stolz sich gegen die Idee auflehnt, es gäbe etwas, worüber sie sich nicht stellen könnten und das sie von ihrem Podest herunterbringen würde. Deswegen haben sie nichts als ein Lächeln der Verachtung für alles, was nicht von dieser sichtbaren und fassbaren Welt ist. Sie halten sich für zu geistig und wissend, um an solche Dinge zu glauben, die ihrer Meinung nach gut für die einfachen Menschen sind und halten diejenigen, die sie ernst nehmen, für geistig Arme.

Ganz gleich, was sie darüber sagen mögen, sie werden dennoch wie alle anderen in diese unsichtbare Welt, die sie verspotten, eintreten müssen. Dort werden ihre Augen geöffnet und sie werden ihren Fehler erkennen. Aber Gott, der gerecht ist, kann nicht denjenigen, der SEINE Macht verleugnete, genauso empfangen wie denjenigen, der sich demütig SEINEN Gesetzen unterworfen hat, und ihm auch nicht den gleichen Anteil geben.

Indem Er sagt, dass das Himmelreich den Einfachen gehört, meint Jesus, dass niemand ohne die Einfachheit des Herzens und die Demut des Geistes dort eintreten kann; dass der Unwissende, der diese Eigenschaften besitzt, dem Wissenden, der mehr an sich selbst als an Gott glaubt, vorgezogen wird. In allen Situationen stellt Jesus die Demut in die Reihe der Tugenden, die uns näher zu Gott bringen, und den Hochmut unter die Fehler, die uns von Gott entfernen; und das aus einem sehr natürlichen Grund: Die Demut ist eine Haltung der Unterwerfung gegenüber Gott, während der Hochmut eine Haltung des Widerstands gegen IHN ist. Es ist also wertvoller für das Glück des Menschen, arm im Geiste zu sein, so wie die Welt das versteht, aber reich an moralischen Eigenschaften.

Jeder der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden

3. In jener Stunde traten die Jünger zu Jesus und sagten zu Ihm: Wer ist der Größte im Himmelreich? Jesus rief ein Kind herbei, stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich ich sage euch, dass wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Jeder aber, der sich erniedrigt und sich wie dieses Kind klein macht, wird der Größte im Himmelreich sein. Und jeder, der ein Kind in meinem Namen aufnimmt, so wie ich es euch gesagt habe, der nimmt mich auf. (Matthäus, Kap. XVIII, 1-5)

4. Da trat die Mutter der Söhne des Zebedäus mit ihren Söhnen zu Ihm, betete Ihn an und gab Ihm zu verstehen, dass sie Ihn um etwas bitten wollte. Er sprach zu ihr: Was willst du? Bestimme, sagte sie zu Ihm, dass diese meine beiden Söhne in Deinem Reich, der eine zu Deiner rechten Seite und der andere zu Deiner linken Seite sitzen sollen. Aber Jesus antwortete und sprach: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie antworteten Ihm: Wir können es. Er sprach zu ihnen: Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken; aber das Sitzen zu meiner Rechten und zu meiner Linken zu verleihen, steht mir nicht zu, das wird für diejenigen sein, für die es mein Vater vorbereitet hat. Als die zehn anderen Apostel das hörten, empörten sie sich über die zwei Brüder. Jesus aber rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Fürsten der Völker ihre Untertanen knechten und die Großen sie mit Gewalt behandeln. Aber so soll es unter euch nicht sein; sondern, derjenige, der unter euch der Größte sein will, soll euer Diener sein; und derjenige, der unter euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein; so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, damit Ihm gedient werde, sondern damit Er diene und Sein Leben als Erlösung für viele gebe. (Matthäus, Kap. XX, 20-28)

5. An einem Sabbattag trat Er in das Haus eines der Oberen der Pharisäer, um Seine Mahlzeit einzunehmen, und sie beobachteten Ihn. Als Er merkte, wie die Gäste die ersten Plätze suchten, sprach Er zu ihnen dieses Gleichnis: Wenn ihr von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen seid, setzt euch nicht an den ersten Platz; es könnte ein Vornehmerer als ihr eingeladen sein und jener, der euch eingeladen hat, könnte kommen und sagen: „Überlasst diesen Platz diesem hier“, und ihr müsstet dann beschämt den letzten Platz einnehmen. – Wenn ihr also eingeladen worden seid, geht hin und setzt euch an den letzten Platz, damit, wenn der kommt, welcher euch eingeladen hat, zu euch sagt: Mein Freund, rücke weiter auf! Dann werdet ihr geehrt sein vor allen, die mit euch am Tische sitzen. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Lukas, Kap. XIV; 1 und 7-11)

6. Diese Maximen sind die Konsequenz des Demutprinzips, das Jesus unermüdlich als lebenswichtige Voraussetzung für die – von Gott Auserwählten – versprochene Glückseligkeit stellte. Formuliert hat Er dies mit den Worten: „Selig sind die im Geiste arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich“. Er nimmt ein Kind als Vorbild für die Bescheidenheit des Herzens und sagt: „Im Himmelreich wird derjenige der Größte sein, der sich demütigt und klein macht wie ein Kind“, d.h. derjenige der keinen Anspruch erhebt, besser als der andere und unfehlbar zu sein.

Den gleichen fundamentalen Gedanken finden wir auch in dieser Maxime wieder: „Derjenige, der der Größte sein will, soll ein Diener sein“; und in dieser anderen: „Jeder, der sich erniedrigt, wird erhöht werden und jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt werden“.

Der Spiritismus kommt, um die Theorie mit dem Beispiel zu bestätigen, indem er uns die Großen in der geistigen Welt zeigt, die auf der Erde die Kleinen waren, und sehr häufig die Kleinen, die auf der Erde die Größten und Mächtigsten waren. Das bedeutet, dass die Ersten beim Sterben das mitgenommen haben, was allein die wahre Größe im Himmel bedeutet und nicht verloren geht, nämlich die Tugenden; während die anderen das verlassen mussten, was ihre Größe auf der Erde ausmachte und was man nicht mit ins Jenseits mitnehmen kann: den Reichtum, die Titel, den Ruhm, die edle Geburt. Da sie nichts anderes besitzen, kommen sie in die andere Welt ohne irgendetwas, wie Schiffbrüchige, die alles verloren haben, sogar ihre Kleidung. Behalten haben sie nur den Hochmut, der ihre neue Position noch mehr erniedrigt, da sie über sich diejenigen sehen, die sie auf der Erde mit Füßen getreten haben und die jetzt Ruhm ausstrahlen.

Der Spiritismus zeigt uns eine andere Anwendung dieses Prinzips in den ununterbrochen sich wiederholenden Inkarnationen, wo die, die in einer Existenz am höchsten gestellt waren, in einer nächsten Existenz auf den letzten Rang heruntergesetzt werden, wenn sie von Stolz und Ehrgeiz beherrscht wurden. Sucht also nicht den ersten Platz auf der Erde und stellt euch nicht über die anderen, wenn ihr nicht gezwungen sein wollt, herunter zu steigen. Sucht im Gegenteil den bescheidensten Platz, weil Gott euch eine höhere Stelle im Himmel geben wird, so ihr es verdient habt.

Die den Gelehrten und Klugen verborgenen Geheimnisse

7. Dann sagte Jesus dieses Gleichnis: Ich preise DICH, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass DU dies den Weisen und Klugen verborgen und es den Einfachen und Kleinen offenbart hast. (Matthäus, Kap. XI; 25)

8. Es könnte eigenartig erscheinen, dass Jesus Gott dafür gepriesen hat, dass ER diese Dinge den Einfachsten und Kleinsten, die die im Geiste arm sind, offenbart und den Wissenden und Klugen, die fähiger zu sein scheinen, dies zu verstehen, vorenthalten hat. Dazu ist es notwendig zu verstehen, dass die Ersten, die Demütigen sind, die sich vor Gott erniedrigen und nicht glauben, besser als die ganze Welt zu sein. Die anderen sind die Hochmütigen, die, geschmeichelt von ihrer irdischen Wissenschaft, klug zu sein glauben, weil sie Gott verneinen und IHN wie einen von ihnen behandeln, falls sie IHN nicht sogar verneinen. Da in der Antike das Wort klug ein Synonym für weise war, überlässt Gott den Weisen die Suche nach den Geheimnissen der Erde und enthüllt die Geheimnisse des Himmels den Einfachen und Demütigen, die sich vor IHM beugen.

9. Das Gleiche passiert heute mit den großen Wahrheiten, die der Spiritismus offenbart. Einige Ungläubige wundern sich, dass die Geister sich wenig bemühen, sie zu überzeugen. Das ist so, weil die Geister sich lieber mit denen beschäftigen, die das Licht mit Demut und Gläubigkeit suchen, als mit denen, die das Licht zu haben glauben und anscheinend denken, dass Gott sich sehr glücklich fühlen sollte, sie zu sich zurückzuführen und ihnen damit beweist, dass ER existiert.

Die Macht Gottes offenbart sich in den kleinen wie in den großen Dingen. ER stellt nicht das Licht unter den Scheffel, sondern verbreitet es wie Wellen überall und in einer Art, dass nur die Blinden es nicht sehen. Gott möchte ihnen nicht die Augen mit Gewalt öffnen, wenn es ihnen gefällt, sie geschlossen zu halten. Ihre Zeit wird kommen, aber zuerst ist es notwendig, dass sie die Qual der Dunkelheit spüren, damit sie es nicht für einen Zufall halten, sondern Gottes Hand erkennen, die ihren Stolz trifft. Um die Ungläubigkeit zu überwinden, setzt Gott, je nach Individuum die angemessenen Mittel ein. Es obliegt nicht den Ungläubigen, Gott vorzuschreiben, was ER zu tun hat und IHM zu sagen: Wenn DU mich überzeugen willst, musst DU nach dieser und jener Art und Weise handeln, und zwar bei dieser Gelegenheit und nicht bei einer anderen, weil diese mir am besten passt.

Die Ungläubigen sollen sich also nicht wundern, wenn weder Gott noch die Geister, die Gottes Willen vertreten, sich deren Forderungen beugen. Sie sollten sich fragen, was sie sagen würden, wenn der letzte ihrer Diener sich ihnen aufdrängen wollte. Gott schreibt SEINE Bedingungen vor und übernimmt nicht die an, die man IHM auferlegen möchte. ER hört denjenigen liebevoll zu, die IHN mit Demut ansprechen und nicht denen, die sich größer als IHN einschätzen.

10. Man wird fragen: Könnte Gott sie nicht durch auffallende Zeichen und Wunder persönlich beeindrucken, vor denen sich der hartnäckigste Ungläubige beugen müsste? Ohne Zweifel könnte ER das. Aber wo wäre dann ihr Verdienst und wozu wäre es gut gewesen? Sieht man nicht jeden Tag Menschen, die sich nicht überzeugen lassen und die sogar sagen: „Auch wenn ich es sähe, ich würde es trotzdem nicht glauben, da ich weiß, dass es unmöglich ist“. Wenn sie sich weigern, die Wahrheit so anzuerkennen, so deshalb, weil weder ihr Geist reif ist, um sie zu verstehen, noch ihr Herz fähig ist, um sie zu empfinden. Der Hochmut ist wie die Augenbinde, die ihnen die Sicht trübt. Wozu dem Blinden das Licht zeigen? Zuerst muss die Ursache des Übels bekämpft werden; daher kommt es, dass Gott, wie ein guter Arzt, den Hochmut als erstes kuriert. Gott lässt SEINE sich im Irrtum befindenden Kinder nicht im Stich; denn ER weiß, dass sich ihre Augen früher oder später öffnen werden. ER möchte aber, dass es durch ihren eigenen Willen geschieht, wenn sie, besiegt durch die Qual ihrer Ungläubigkeit, sich von selbst in SEINE Arme werfen und IHN, wie der verlorene Sohn, um Gnade bitten.

Unterweisungen der geistigen Welt
Der Hochmut und die Demut

11. Gottes Friede sei mit euch, liebe Freunde! Ich komme zu euch, um euch zu ermutigen, dem richtigen Weg zu folgen.

Den armen Geistwesen, die früher die Erde bewohnten, gibt Gott den Auftrag, euch aufzuklären. Gelobt sei Gott für die Gnade, die ER uns gewährt, bei eurer Verbesserung zu helfen. Möge der Heilige Geist mich erleuchten und mir helfen, meine Worte verständlich zu machen und mir die Gnade geben, sie jedem erreichbar zu machen. All ihr Inkarnierten, die ihr in Schwierigkeiten seid und das Licht sucht, möge der Wille Gottes mir helfen, dieses vor euren Augen glänzen zu lassen.

Die Demut ist eine von euch ganz vergessene Tugend. Die großen Beispiele, die euch gegeben wurden, werden selten befolgt. Ist es aber ohne Demut möglich, barmherzig gegenüber eurem Nächsten zu sein? Oh nein, weil dieses Gefühl die Menschen gleich macht; es sagt ihnen, dass die Menschen Brüder und Schwestern sind, dass sie sich gegenseitig helfen sollen und es bringt sie dazu, das Gute zu tun. Ohne die Demut schmückt ihr euch mit Tugenden, die ihr nicht habt, als ob ihr eine Verkleidung tragen würdet, um die Missbildung eures Körpers zu verbergen. Erinnert euch an den Herrn, der uns rettete; erinnert euch an Seine Demut, die Ihn so groß machte und über alle Propheten erhob.

Hochmut ist der schlimmste Gegner der Demut. Wenn also Christus den Ärmsten das Himmelreich versprach, so deshalb, weil die Großen auf der Erde meinen, dass Titel und Reichtümer die Belohnung ihrer Verdienste sind und dass ihre Wesen reiner als die der Armen sind. Sie glauben, dass sie ein Recht darauf haben und beschuldigen Gott, ungerecht zu sein, wenn sie ihnen weggenommen werden. Oh! Irrtum und Blindheit! Unterscheidet euch Gott durch eure Körper? Ist die Umhüllung des Armen nicht dieselbe wie die des Reichen? Hat der Schöpfer zwei Menschenarten gemacht? Alles was Gott macht, ist groß und weise. Schiebt IHM niemals die Ideen unter, die eure stolzen Gehirne gebären.

Du Reicher! Weißt du nicht, dass während du unter deinen goldenen Dächern schläfst, vor der Kälte geschützt, tausende deiner Geschwister, die dir gleich sind, auf Stroh liegen? Ist der Unglückliche, der an Hunger leidet, nicht deinesgleichen? Ich weiß wohl, dass dein Hochmut sich über diese Worte empört. Du bist einverstanden, ihnen etwas zu spenden, aber ihnen brüderlich die Hände zu reichen, niemals! Du würdest sagen: „Was! Ich, Abkömmling eines Adligen, eine Größe auf der Erde, soll gleich sein wie dieser Elende in Lumpen? Vergebliche Utopie von sogennanten Philosophen! Falls wir gleich wären, warum hat Gott ihn so niedrig und mich so hoch gestellt?“ Es ist wahr, dass eure Kleidung sich kaum ähnelt, aber welchen Unterschied gäbe es zwischen euch, wenn ihr alle beide entkleidet wärt? „Das adlige Blut“, würdest du sagen. Die Chemie fand aber keinen Unterschied zwischen dem Blut eines Adligen und dem eines gewönlichen Menschen; zwischen dem eines Herrn und dem eines Sklaven. Wer sagt dir, dass du nicht auch so elend und unglücklich warst wie er? Dass du nicht gebettelt hast? Dass du nicht eines Tages bei dem betteln wirst, den du heute verachtest? Sind die Reichtümer ewig? Vergehen sie nicht zusammen mit diesem Körper, vergängliche Hülle deines Geistes? Kehr demütig zu dir selbst zurück! Wirf endlich deine Blicke auf die Realität der irdischen Dinge, auf das, was die Größe und die Erniedrigung in der anderen Welt bestimmt. Denke daran, dass der Tod dich nicht mehr verschonen wird als jeden anderen; dass deine Titel dich vor ihm nicht schützen werden; dass er dich morgen, heute, in einer Stunde treffen kann, und wenn du dich dann in deinem Hochmut vergräbst, wie bedaure ich dich, weil du erbarmungswürdig sein wirst.

Hochmütige! Was seid ihr denn gewesen, bevor ihr adlig und mächtig wart? Vielleicht noch niedriger gestellt als der letzte eurer Diener. Deswegen beugt eure stolze Stirn, weil Gott sie in dem Augenblick erniedrigen kann, in dem ihr sie gerade am höchsten haltet. Alle Menschen sind auf der Waage Gottes gleich, nur die Tugenden unterscheiden sie vor Gottes Augen. Alle Geister sind aus der gleichen Essenz und alle Körper sind aus der gleichen Masse geformt. Eure Titel und Namen verändern nichts daran. Sie bleiben im Grab, und nicht sie sind es, die das versprochene Glück den Auserwählten gibt. Die Barmherzigkeit und die Demut sind eure Adelstitel.

Armes Wesen! Du bist Mutter, deine Kinder leiden; sie frieren, haben Hunger. Du gehst unter deinem schweren Kreuz gebeugt, erniedrigst dich, um ein Stück Brot für sie zu bekommen. Ich verbeuge mich vor dir; wie heilig und groß du vor meinen Augen bist. Hoffe und bete. Das Glück ist noch nicht von dieser Welt. Gott gibt das Himmelreich den Armen und Unterdrückten, die IHM vertrauen.

Und du, junges Mädchen, armes Kind, das sich der Arbeit hingibt und Entbehrungen ausgeliefert ist, warum diese traurigen Gedanken? Warum weinst du? Erhebe deinen Blick zu Gott, fromm und gelassen: Den Vögeln gibt ER Nahrung; vertraue IHM, und ER wird dich nicht im Stich lassen. Der Lärm der Feste, der Vergnügungen dieser Welt lassen dein Herz lauter klopfen. Du würdest auch gern deinen Kopf mit Blumen schmücken und dich unter die Glücklichen dieser Erde mischen. Du denkst dir, dass auch du reich sein könntest, wie diese extravaganten und lachenden Frauen, die an dir vorbeigehen. Schweig Kind! Wenn du wüsstest, wie viele Tränen und unzählige Leiden sich unter diesen schönen Kleidern verbergen; wie viele Seufzer unter dem heiteren Klang des Orchesters ersticken, würdest du deine bescheidene Zuflucht und deine Armut vorziehen. Bleib rein vor Gottes Augen, wenn du nicht möchtest, dass dein Schutzengel zu Gott zurückkehrt, sein Gesicht unter seinen weißen Flügeln versteckend und dich mit deinen Gewissensbissen allein lässt, ohne Führer, ohne Unterstützung in dieser Welt, wo du verloren wärst und auf die Bestrafung in der anderen Welt warten würdest.

Und ihr alle, die ihr die menschlichen Ungerechtigkeiten erleidet, seid nachsichtig mit den Fehlern eurer Brüder und Schwestern, indem ihr euch sagt, dass ihr selbst nicht untadelig seid: Es ist Nächstenliebe, es ist aber auch Demut. Wenn ihr unter Verleumdung leidet, beugt eure Stirn vor dieser Prüfung. Was bedeutet euch die Verleumdung dieser Welt? Wenn euer Verhalten richtig ist, kann Gott euch nicht dafür entschädigen? Die Demütigungen der Menschen mit Mut zu ertragen bedeutet, demütig zu sein und anzuerkennen, dass Gott allein groß und mächtig ist.

Oh, mein Gott! Wird es nötig sein, dass Christus noch ein zweites Mal auf diese Erde kommen muss, um den Menschen DEINE Gebote zu lehren, die sie vergessen? Muss Er noch einmal die Händler aus dem Tempel vertreiben, die DEIN Haus beflecken, welches einzig und allein ein Ort des Betens ist? Oh, Menschen! Wer weiß, ob ihr Ihn nicht wie damals erneut verleugnen würdet, falls Gott euch diese Gnade gewähren würde? Ihr würdet Ihn Gotteslästerer nennen, weil Er den Hochmut der modernen Pharisäer erniedrigen würde. Ihr würdet Ihn vielleicht wieder zum Weg nach Golgatha führen.

Als Moses auf den Berg Sinai stieg, um die Gebote Gottes zu erhalten, verließ das Volk Israel, sich selbst überlassen, den wahren Gott. Männer und Frauen gaben ihre Juwelen und Gold für die Herstellung eines Götzen, den sie anbeteten. Ihr zivilisierten Menschen ahmt sie nach. Christus vermachte euch Seine Lehre; Er gab euch Beispiele für alle Tugenden, und ihr habt Seine Beispiele und Vorschriften verlassen. Jeder von euch bringt seine Leidenschaften mit; ihr macht euch einen Gott nach eurem Geschmack: einige, schrecklich und blutig; andere, unbesorgt hinsichtlich der Interessen der Welt. Der Gott, den ihr euch geschaffen habt, ist immer noch das goldene Kalb, das jeder seinem Geschmack und seinen Vorstellungen anpasst.

Meine Brüder und Schwestern, meine Freunde, kommt zu euch selbst zurück! Möge die Stimme der Geistwesen euer Herz berühren. Seid großmütig und barmherzig, ohne zu prahlen, das heißt, tut das Gute mit Demut; sodass jeder von euch allmählich die Altäre niederreißt, die ihr für den Hochmut errichtet habt. Kurzum: Seid wahre Christen, dann werdet ihr das Reich der Wahrheit erreichen. Zweifelt nicht weiter an der Güte Gottes, ER liefert euch doch so viele Beweise davon. Wir sind gekommen, um den Weg vorzubereiten, damit die Prophezeiungen in Erfüllung gehen können. Wenn der Herr euch eine auffallendere Offenbarung SEINER Gnade geben wird, – möge der Himmlische Lichtbote euch schon wie eine große Familie versammelt treffen; – mögen eure Herzen sanft, demütig und würdig sein, diese heiligen Worte zu empfangen, die er euch mitbringen wird; – möge der Auserwählte auf seinem Weg nur Palmenzweigen begegnen, die für eure Rückkehr zum Guten, zur Nächstenliebe und Brüderlichkeit ausgelegt wurden und auf dass eure Welt zu einem irdischen Paradies wird.

Wenn ihr aber der Stimme der geistigen Wesen gegenüber gleichgültig bleibt, welche gesendet wurden, um eure Gesellschaft zu reinigen und zu erneuern, die zwar zivilisiert und reich an Wissen ist, aber so arm an guten Gefühlen, dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als um euer Schicksal zu weinen und zu stöhnen.

Aber nein, so wird es nicht sein. Kommt zu Gott, eurem Vater, zurück, und wir alle, die wir für die Erfüllung SEINES Willens gedient haben, werden den Gesang der Danksagung singen, um IHM wegen SEINER unendlichen Güte zu danken und um IHN in alle Ewigkeit zu verherrlichen. So sei es. (Lacordaire, Constantine, 1863)

12. Menschen, warum beklagt ihr euch über das Unheil, das ihr selbst über euren Köpfen angehäuft habt? Ihr habt die heilige und göttliche Moral Christi verachtet; wundert euch deswegen nicht, dass der Kelch der Ungerechtigkeit an allen Seiten übergelaufen ist.

Das Unwohlsein breitet sich weltweit aus. Wen wollt ihr beschuldigen außer euch selbst, die ihr unaufhörlich versucht, euch untereinander zu vernichten? Ihr könnt ohne gegenseitiges Wohlwollen nicht glücklich werden, und wie kann es Wohlwollen zusammen mit Hochmut geben? Hochmut, das ist die Quelle allen Übels. Bemüht euch folglich, ihn zu beseitigen, wenn ihr dessen unheilvolle Folgen nicht für immer fortbestehen lassen wollt. Dafür gibt es nur ein Mittel, das aber unfehlbar ist: das Gesetz Christi als unveränderliche Regel für euer Verhalten zu nehmen; das Gesetz, das ihr entweder verneint oder in seiner Interpretation verfälscht habt. Warum schätzt ihr alle Dinge, die glänzen und den Augen gefallen viel mehr, als, jene, die die Herzen berühren?

Warum ist die Sucht nach Reichtum das Ziel eurer Schmeicheleien, während ihr nur einen verachtenden Blick für das wahre Verdienst habt, das sich in der Anonymität verbirgt? Wenn ein lasterhafter Reicher, der physisch und seelisch verdorben ist, sich irgendwo vorstellt, werden für ihn alle Türen geöffnet und alle Blicke auf ihn gerichtet, während man den guten Mann, der von seiner Arbeit lebt, kaum einer Begrüßung würdigt. Wenn die Hochachtung, die man anderen Menschen schenkt, an dem Gewicht des Goldes, das sie besitzen, oder an dem Namen, den sie tragen, gemessen wird, welches Interesse würden sie haben, ihre Fehler zu verbessern?

Ganz anders wäre es, wenn die Sucht eines reichen Menschen von der öffentlichen Meinung genauso scharf kritisiert würde, wie die Sucht eines armen Menschen. Der Hochmut ist aber nachsichtig mit allem, was ihm schmeichelt. Das Jahrhundert der Habsucht und des Geldes, sagt ihr. Ohne Zweifel, aber warum habt ihr zugelassen, dass die materiellen Bedürfnisse über der Vernunft und dem Verstand stehen? Warum möchte sich jeder über seinen Bruder und seine Schwester stellen? Heute bekommt die Gesellschaft die Folgen zu spüren.

Ihr sollt nicht vergessen, dass so ein Zustand immer ein Zeichen moralischer Dekadenz ist. Wenn der Hochmut die höchsten Grade erreicht, ist das ein Anzeichen eines baldigen Sturzes, denn Gott bestraft immer die Hochmütigen. Wenn ER es auch manchmal zulässt, dass sie sich erhöhen, geschieht das, um ihnen Zeit zum Nachdenken und zur Verbesserung zu geben, durch die Schläge, die ER von Zeit zu Zeit ihrem Stolz versetzt, warnt ER sie. Aber anstatt demütig zu sein, empören sie sich. Wenn dann das Maß voll ist, kippt Gott es vollständig, und der Absturz wird umso schrecklicher sein, je höher sie sich erhoben haben.

Arme menschliche Rasse, deren Egoismus alle Wege verdorben hat, fasse trotzdem wieder Mut. In SEINER unendlichen Barmherzigkeit schickt Gott dir ein wirksames Heilmittel gegen deine Übel, eine unerwartete Hilfe für deinen Kummer. Öffne die Augen zum Licht: hier sind die Seelen derjenigen, die nicht mehr auf der Erde leben, die kommen, um dich an die Erfüllung der wahren Pflichten zu erinnern. Sie werden dir mit der Autorität der Erfahrung sagen, wie klein die Eitelkeiten und die Größen deiner vorübergehenden Existenz vor der Unendlichkeit sind. Sie werden dir sagen, – dass dort derjenige der Größte ist, der der Bescheidenste unter den Kleinen dieser Welt war; – dass derjenige, der am meisten seine Brüder und Schwestern geliebt hat, auch im Himmel am meisten geliebt wird; – dass die Mächtigen auf der Erde, falls sie ihre Autorität missbraucht haben, gezwungen werden, ihren Dienern zu gehorchen; – dass die Nächstenliebe und die Demut, diese zwei Schwestern, die immer Hand in Hand gehen, die wirksamsten Mittel sind, um die Gnade Gottes zu erlangen.

Mission des intelligenten Menschen auf der Erde

13. Seid nicht stolz auf euer Wissen, denn dieses Wissen ist sehr begrenzt auf der Welt, auf der ihr lebt. Auch wenn ihr annehmt, dass ihr einer von diesen großen Intelligenten auf diesem Planet seid: Ihr habt kein Recht, deshalb überheblich zu sein. Wenn Gott – nach SEINEN Plänen – entschieden hatte, dass ihr in einem Milieu geboren wurdet, wo ihr eure Intelligenz entwickeln konntet, bedeutet es, dass ER möchte, dass ihr für das Wohlsein aller davon Gebrauch macht. Es ist eine euch von Gott gegebene Mission, zu der ER euch das Werkzeug in die Hände legt, mit dem ihr die rückständigen Intelligenzen um euch herum weiter entwickeln und zu IHM führen könnt. Zeigt die Art eines Werkzeugs nicht, wozu es benutzt werden soll? Zeigt nicht der Spaten, den der Gärtner seinem Arbeiter in die Hände gibt, dass er damit die Erde umgraben soll? Was würdet ihr sagen, wenn dieser Arbeiter, statt damit zu arbeiten, den Spaten gegen seinen Vorgesetzten erheben würde, um ihn zu verletzen? Ihr würdet sagen, dass es schrecklich ist und dass er es verdient, vertrieben zu werden. Na also, geschieht nicht dasselbe mit demjenigen, der seine Intelligenz benutzt, um unter seinen Brüdern und Schwestern die Vorstellung Gottes und der Vorsehungen zu zerstören? Erhebt er nicht gegen seinen Herrn den Spaten, der ihm gegeben wurde, um den Boden zu bearbeiten? Hat er ein Anrecht auf den versprochenen Lohn oder verdient er nicht im Gegenteil aus dem Garten vertrieben zu werden? So wird es geschehen, zweifelt nicht daran, und er wird durch elende Existenzen gehen, voller Demütigungen, bis er sich vor DEMJENIGEN beugt, dem er alles verdankt.

Die Intelligenz ist reich an Verdiensten für die Zukunft, aber unter der Bedingung, sie richtig anzuwenden. Wenn alle begabten Menschen sie gemäß dem Willen Gottes benutzen würden, wäre die Aufgabe der Geister leichter, die Menschheit vorwärts zu führen. Leider machen viele aus ihr ein Instrument des Hochmuts und des Unheils für sich selbst. Die Menschen missbrauchen die Intelligenz wie alle ihre anderen Fähigkeiten, obwohl es ihnen an Lehren nicht fehlt, um sie zu warnen, dass eine mächtige Hand das wegnehmen kann, was sie selber ihm gegeben hat. (Ferdinand, ein Schutzgeist, Bordeaux, 1862)