DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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PHARISÄER (aus dem Hebräischen „Parasch“ = Teilung, Trennung) – Die Tradition bildete einen wichtigen Bestandteil der jüdischen Theologie. Sie bestand aus der Sammlung der nach und nach gegebenen Interpretationen über die Bedeutung der Schriften, und die Abschnitte des Dogmas geworden sind. Dies war unter den Gelehrten Anlass für endlose Diskussionen, meistens über einfache Fragen von Worten oder Formen, ähnlich den theologischen Auseinandersetzungen und den Spitzfindigkeiten der Scholastik des Mittelalters. Daraus entstanden verschiedene Sekten, und jede gab vor, das Monopol der Wahrheit zu besitzen, und wie es fast immer geschieht, verabscheuten die einen die anderen.


Unter diesen Sekten war die einflussreichste die von den Pharisäern, mit Hillel * als Führer, ein jüdischer Doktor, geboren in Babylonien und Gründer einer berühmten Schule, an der man lehrte, dass der Glaube nur auf den Schriften gründet. Ihr Ursprung geht auf das Jahr 180 oder 200 vor Jesus Christus zurück. Die Pharisäer wurden in verschiedenen Epochen verfolgt, insbesondere unter „Hyrkanus“, dem obersten Kirchenfürst und König der Juden, den Königen von Syrien, Aristoboulos und Alexander, der letztere gab ihnen jedoch die Ehren und ihren Besitz wieder zurück und sie erlangten erneut die Macht, die sie behielten bis zum Niedergang von Jerusalem im Jahre 70 der christlichen Ära, eine Epoche, in der aufgrund der Zerstreuung der Juden ihr Name verschwand.


Die Pharisäer nahmen tatkräftig an den religiösen Auseinandersetzungen teil. Sie achteten streng auf die Äußerlichkeiten bei der Ausübung des Kults und der Feierlichkeiten, zeigten einen heftigen Eifer bei der Proselytenmacherei (Bekehrung der Heiden zum Judentum), waren Feinde der Neuerer und täusch ten bei alledem eine große Strenge der Prinzipien vor. Aber unter dem Anschein einer gewissenhaften Frömmigkeit versteckten sie ausschweifende Sitten, viel Hochmut und vor allem eine extreme Gier zu Herrschen. Die Religion war für sie eher ein Hilfsmittel, um ihre Ziele zu erreichen, als Gegenstand eines aufrichtigen Glaubens. Sie achteten nur auf den äußeren Schein, prahlten mit ihrer Tugend, und übten damit einen großen Einfluss auf das Volk aus, in dessen Augen sie für heilige Personen gehalten wurden; deshalb waren sie sehr mächtig in Jerusalem.


Sie glaubten, oder gaben es wenigstens vor, an die Vorsehung, an die Unsterblichkeit der Seele, an die Ewigkeit der Leiden und an die Auferstehung der Toten (Kap. 4; Nr. 4). Jesus, der vor allem die Schlichtheit und die Eigenschaften des Herzens schätzte, der im Gesetz den Geist, der belebt, dem Wort, das tötet, vorzog, bemühte sich während der Zeit seiner Mission, ihre Heuchelei zu entlarven, als Folge davon wurden sie zu seinen blutrünstigen Feinden. Aus diesem Grund sind sie mit dem Hohepriester in Verbindung getreten, um das Volk gegen Ihn aufzuwiegeln, mit dem Ziel, Ihn umkommen zu lassen.

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* Verwechselt nicht diesen Hillel, der die Sekte der Pharisäer gründete, mit seinem Namensvetter, der zweihundert Jahre später gelebt hat, und der die religiösen und sozialen Grundsätze von einem ganzen System aus Toleranz und Liebe festlegte; ein System, das heute unter Hellenismus bekannt ist. (Von der portugiesischen Übersetzung der FEB übernommen)