12. Wenn ich die Kürze des Lebens betrachte, bin ich schmerzlich erschüttert von der unaufhörlichen Sorge um das materielle Wohlergehen, das euer Ziel ist, während ihr auf eure moralische Vervollkommnung, die so wichtig für die Ewigkeit ist, so wenig Wert legt und wenig oder gar keine Zeit darauf verwendet. Man könnte glauben, angesichts der Aufwandes, den ihr dafür betreibt, dass das in Verbindung mit der Frage des höchsten Interesses für die Menschheit stünde, dabei handelt es sich fast immer nur darum, eure übertriebenen Notwendigkeiten zu befriedigen, sich der Eitelkeit oder Ausschweifungen hinzugeben. Wie viele Leiden, Kummer, Qualen fügt man sich zu, wie viele schlaflose Nächte erleidet man, um sein oft schon ausreichendes Vermögen zu vergrößern. Als Gipfel der Blindheit kann man nicht selten jene ansehen, die – wegen einer unmäßigen Liebe zum Reichtum und den damit ermöglichten Genüssen – sich zu anstrengenden Arbeiten zwingen, sich sozusagen eine aufopfernde Existenz einbilden, als ob sie für die andern und nicht für sich selbst arbeiten würden. Unsinnige Menschen! Glaubt ihr wirklich, dass euch eure Sorgen und Bemühungen, angetrieben durch den Egoismus, die Gier oder den Hochmut, angerechnet werden, während ihr eure Zukunft vernachlässigt, und ebenso auch die Pflichten, die die brüderliche Solidarität jedem auferlegt, der die Vorteile des sozialen Lebens genießt? Ihr habt nur an euren Körper gedacht, euer Wohlergehen; eure Genüsse waren das einzige Ziel eures egoistischen Eifers. Für den Körper, der stirbt, habt ihr euren Geist, der ewig leben wird, vernachlässigt. Daher hat sich dieser so verwöhnte und zärtlich gepflegte Körper zu eurem Tyrannen verwandelt. Er befiehlt eurem Geist, der zu seinem Sklaven geworden ist. War dies die Zweckbestimmung der Existenz, die Gott euch gegeben hat? (Ein Schutzgeist, Krakau, 1861)