DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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Eigenschaften des wahren Propheten

9. Misstraut den falschen Propheten. Diese Empfehlung ist zu aller Zeit nützlich, vor allem aber in den Zeiten des Übergangs, in denen – wie derzeitig – eine Umwandlung der Menschheit stattfindet, weil dann eine Menge von Ehrgeizigen und Intriganten als Reformatoren und Messiasse auftreten. Vor diesen Betrügern muss man sich hüten, und es ist die Pflicht jedes ehrlichen Menschen, sie zu entlarven. Ihr werdet wahrscheinlich fragen, wie man sie erkennen kann. Hier sind ihre Anzeichen:


Vertraut man nicht das Kommando einer Armee nur einem General an, der fähig ist, sie zu kommandieren? Glaubt ihr, dass Gott weniger klug ist als die Menschen? Seid gewiss, dass ER die wichtigen Missionen nur denjenigen anvertraut, die, wie ER weiß, fähig sind, sie zu erfüllen, denn die großen Missionen sind schwere Lasten, die den Menschen erdrücken würden, der zu schwach ist, sie zu tragen. Wie in allen Dingen muss der Meister mehr wissen als sein Schüler. Um die Menschheit moralisch und intellektuell vorwärtszubringen, braucht man Menschen, die sowohl an Intelligenz als auch an Moral überlegen sind! Deshalb sind es immer bereits hoch entwickelte Geister, die ihre Prüfungen bereits in anderen Existenzen bestanden haben und zu diesem Zweck inkarnieren, denn wenn sie nicht überlegener wären als das Umfeld, in dem sie tätig sein sollen, wäre ihr Erfolg gleich Null. Unter dieser Voraussetzung könnt ihr davon ausgehen, dass der wahre Missionar Gottes seine Mission durch die Überlegenheit, durch seine Tugenden, durch die Würde, durch das Resultat und durch den moralischen Einfluss seiner Taten rechtfertigen muss. Zieht daraus weiter die Folgerung: Wenn er durch seine Eigenschaften, seine Tugenden und seine Intelligenz unterhalb der Rolle ist, die er vorgibt zu haben, oder der Person, hinter dessen Namen er sich verbirgt, dann ist er nichts anderes als ein schlechter Schauspieler niedrigen Ranges, der nicht einmal sein Vorbild nachahmen kann.


Eine andere Erwägung ist, dass die Mehrheit der echten Missionare Gottes sich selbst ignorieren. Sie erfüllen das, wofür sie berufen wurden, durch die Kraft ihres Geistes, unterstützt von einer verborgenen Macht, die sie ohne ihr Wissen inspiriert und führt, aber ohne vorauszuplanen. Kurzum, die wahren Propheten offenbaren sich durch ihre Taten: Man entdeckt sie; während die falschen Propheten sich selbst als Gesandte Gottes ausgeben; erstere sind demütig und bescheiden; letztere sind hochmütig und überzeugt von sich selbst, sprechen mit Stolz und wie alle Schwindler scheinen sie immer zu befürchten, dass man ihnen nicht glaubt.


Man hat schon solche Schwindler gesehen, die sich als Apostel Christi ausgegeben haben, andere als Christus selbst und es ist eine Schande für die Menschheit, dass sie immer gutgläubige Menschen finden, die ihren Betrügereien Glauben schenken. Eine ganz einfache Überlegung, die jedoch die Augen der Blindesten öffnen sollte, ist, dass falls Christus noch einmal auf dieser Erde inkarnieren würde, Er mit all Seiner Kraft und all Seinen Tugenden kommen würde, außer man nähme an – was absurd wäre, dass Er sich zurückentwickelt hätte. Also, genauso, wenn wir von Gott eines SEINER Attribute wegnehmen würden, hätten wir Gott nicht mehr, und nähmen wir eine der Tugenden von Christus weg, hätten wir auch Ihn nicht mehr. Haben diejenigen, die sich als Christus ausgeben, alle Seine Tugenden? Das ist die Frage. Beobachtet und erforscht ihre Art zu denken und ihre Taten und ihr werdet erkennen, dass ihnen vor allem die deutlichen Eigenschaften fehlen, die sie von Christus unterscheiden: Demut und Nächstenliebe, während sie das haben, was Christus nicht hatte: die Habgier und Hochmut. Bemerkt weiterhin, dass es zurzeit in verschiedenen Ländern viele angebliche Christusse gibt, ebenso auch zahlreiche, angebliche Elias, Johannes oder Petrus, und diese können schon zwangsläufig nicht alle echt sein. Seid gewiss, dass sie Menschen sind, die die Leichtgläubigkeit ausnutzen und es bequem finden, auf Kosten derjenigen zu leben, die ihnen Gehör schenken.


Misstraut also den falschen Propheten, insbesondere in dieser Zeit der Erneuerung, weil viele Betrüger behaupten werden, dass sie Gesandte Gottes seien. Sie beschaffen sich eine eitle Genugtuung auf der Erde, aber eine furchtbare Gerechtigkeit erwartet sie, dessen könnt ihr sicher sein. (Erastus, Paris, 1862)