DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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Sünde durch Gedanken / Ehebruch

5. Ihr habt gehört, was euch einst gesagt wurde: „Du sollst keinen Ehebruch begehen“. Ich aber sage euch, dass derjenige, der eine Frau mit Begierde ansieht, bereits schon in seinem Herzen mit ihr den Ehebruch begangen hat. (Matthäus, Kap. V, 27-28)


6. Das Wort Ehebruch soll hier nicht in seiner ausschließlichen Bedeutung verstanden werden, sondern in einer generellen Bedeutung. Jesus hat es oft im weiteren Sinne benutzt, um das Böse, die Sünde und alle schlechten Gedanken zu beschreiben, wie zum Beispiel in dieser Passage: „Wenn sich jemand in dieser ehebrecherischen und sündigen Generation meinetwegen und wegen meiner Worte schämt, wird sich der Menschensohn auch seinetwegen schämen, wenn Er, von den heiligen Engeln begleitet, in die Herrlichkeit Seines Vaters kommen wird. (Markus, Kap. VIII, 38)


Die echte Reinheit befindet sich nicht nur in den Taten, sondern auch in den Gedanken, denn derjenige, der ein reines Herz besitzt, denkt nicht einmal an das Böse. Das ist es, was Jesus sagen wollte, indem Er die Sünde verdammte, und wenn sie nur in Gedanken begangen wird, weil auch das ein Zeichen der Unreinheit ist.


7. Dieses Prinzip bringt uns natürlich zu der Frage: Erleidet man die Konsequenzen eines bösen Gedankens, der nicht verwirklicht wurde?


Wir müssen hier eine wichtige Unterscheidung machen. In dem Maße, wie sich die Seele – die sich auf dem falschen Weg befindet – in ihrem spirituellen Leben weiter entwickelt, erhellt sie sich und befreit sich nach und nach von ihren Unvollkommenheiten gemäß dem mehr oder weniger guten Willen, den sie aufbringt, aufgrund ihres freien Willens. Jeder böse Gedanke ist daher das Resultat der Unvollkommenheit der Seele. Aber gemäß dem Wunsch, der sie antreibt sich zu reinigen, wird sogar dieser böse Gedanke eine Gelegenheit für ihren Fortschritt sein, weil sie ihn energisch zurückweist. Es ist das Indiz eines Fleckens, den sie zu beseitigen versucht; und sie wird nicht nachgeben, falls sich die Gelegenheit ergibt, einen bösen Wunsch in die Tat umzusetzen. Und nachdem sie widerstanden hat, wird sie sich stärker fühlen und sich über ihren Sieg freuen.


Diejenige aber, die im Gegenteil keine guten Entscheidungen getroffen hat, sucht die Gelegenheit, böse Handlungen zu begehen, und wenn sie das nicht schafft, geschieht das nicht, weil sie das nicht wollte, sondern aus mangelnden Gelegenheiten. Sie ist daher genau so schuldig, als ob sie das begangen hätte.


Kurzum: Bei demjenigen, der nicht einmal einen schlechten Gedanken hat, ist der Fortschritt verwirklicht; bei demjenigen, dem dieser Gedanke kommt, der ihn aber zurückweist, ist der Fortschritt dabei sich zu verwirklichen. Bei demjenigen schließlich, der an das Böse denkt und sich dabei gefällt, ist das Böse noch mit seiner ganzen Kraft vorhanden. Bei dem einen ist die Arbeit beendet. Bei dem andern ist sie noch zu vollenden. Gott, der gerecht ist, berücksichtigt alle diese Abstufungen bei der Verantwortlichkeit des Handelns und der Gedanken der Menschen.