DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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9. Man soll aber nicht glauben, dass jedes auf dieser Welt erduldete Leiden unbedingt ein Hinweis auf einen bestimmten Verstoß sei. Oft sind es einfache, von dem Geist ausgewählte Prüfungen zwecks Vollendung seiner Läuterung und Beschleunigung seines Fortschritts. Die Sühne dient immer als Prüfung, aber nicht immer ist die Prüfung eine Sühne. Jedoch sind Prüfungen und Sühne immer Zeichen einer gewissen Mangelhaftigkeit, denn das, was perfekt ist, braucht nicht geprüft zu werden. Ein Geist kann also schon einen bestimmten Erhabenheitsgrad erreicht haben, aber weil er weiter fortschreiten möchte, bittet er um eine Mission, um eine Aufgabe, für die er – falls er sie siegreich bewältigt – umso reichlicher belohnt wird, je schwieriger der Kampf war. Solche sind insbesondere jene Menschen, deren Instinkte von Natur aus gut sind, deren Seelen erhaben sind, deren edelmütigen Gefühle bereits angeboren sind; Menschen, die scheinbar nichts Schlechtes aus ihrer vorherigen Existenz mitgebracht haben und die mit einer christlichen Gelassenheit die größten Leiden erdulden und die Gott nur um Kraft bitten, sie ohne Murren ertragen zu können. Man kann im Gegenteil dazu den Kummer, der die Menschen zum Murren anregt und zur Empörung gegen Gott aufbringt, als Sühne betrachten.


Zweifellos kann das Leiden, das kein Murren hervorruft, eine Sühne sein; aber es ist ein Zeichen dafür, dass es eher freiwillig ausgewählt wurde, als aufgezwungen. Das Leiden ist der Beweis eines starken Entschlusses, was ein Zeichen von Fortschritt ist.