DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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8. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Mensch hat sich in der Wüste verirrt. Der Durst quält ihn grauenhaft. Er erleidet einen Schwächeanfall und lässt sich zu Boden fallen. Er fleht Gott an, ihm beizustehen und wartet. Kein Engel kommt, um ihm zu trinken zu bringen. Ein guter Geist gibt ihm unterdessen den Gedanken ein, aufzustehen und einem der Wege zu folgen, die sich vor ihm auftun. Durch eine mechanische Bewegung, indem er alle seine Kräfte sammelt, steht er auf und geht aufs Geratewohl weiter. Als er auf einer Anhöhe anlangt, entdeckt er in der Ferne einen Bach; bei diesem Anblick fasst er wieder Mut. Wenn er gläubig ist, wird er ausrufen: „Danke, mein Gott, für den Gedanken, den du mir eingegeben hast, und für die Kraft, die du mir verliehen hast“. Aber wenn er keinen Glauben hat, wird er sagen: „Was für eine gute Idee hatte ich. Welches Glück hatte ich, den rechten Weg einzuschlagen, statt den linken; manchmal hilft uns der Zufall wirklich! Ich muss mir zu meinem Mut gratulieren und auch dazu, dass ich nicht aufgegeben habe!“


Man wird nun fragen, warum der gute Geist ihm nicht deutlich gesagt hat: „Nimm diesen Weg und an dessen Ende wirst du finden, was du benötigst“. Warum hat er sich nicht gezeigt, um ihn zu führen und ihn bei seinem Schwächeanfall zu unterstützen? Er hätte ihn auf diese Art von der Intervention der Vorsehung überzeugt. Das geschieht erstens so, um ihn zu lehren, dass jeder sich selbst helfen und seine Kräfte gebrauchen soll. Dann stellt Gott durch die Ungewissheit das Vertrauen auf die Probe, das der Mensch IHM schenkt, und die Unterwerfung unter SEINEN Willen. Dieser Mann befand sich in der Situation eines Kindes, das fällt und das schreit, sobald es jemanden sieht und erwartet, dass man ihm hilft aufzustehen. Aber wenn es niemanden sieht, strengt es sich an und steht von selber auf.


Wenn der Engel, der Tobias begleitet hat, ihm gesagt hätte: „Ich bin von Gott gesandt, um dich auf deiner Reise zu führen und dich vor allen Gefahren zu schützen“, hätte Tobias kein Verdienst gehabt; indem er sich auf seinen Begleiter verlassen hätte, brauchte er sogar nicht einmal selber zu denken; deshalb hat sich der Engel erst auf dem Rückweg zu erkennen gegeben.