5. Die klare und deutliche Vorstellung, die man sich von dem zukünftigen Leben macht, verschafft einen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft, welcher unermessliche Auswirkungen auf die Moralisierung der Menschheit hat, weil er gänzlich den Gesichtspunkt ändert, unter dem sie das irdische Leben betrachtet. Für denjenigen, der sich durch Gedanken in das geistige Leben versetzt, das grenzenlos ist, bedeutet das irdische Leben nicht mehr als eine einfache Durchreise, ein kurzer Aufenthalt in einem undankbaren Land. Die Schicksalsschläge und die Leiden dieses Lebens sind nur noch Zwischenfälle, die er mit Geduld erträgt, weil er weiß, dass sie von kurzer Dauer sind und in glückliche Zustände übergehen werden. Der Tod hat nichts Erschreckendes mehr und ist nicht mehr die Tür zum Nichts, sondern die Tür zur Befreiung, die dem Verbannten den Eingang in die Wohnung der Glückseligkeit und des Friedens öffnet. Weil er weiß, dass sein jetziger Aufenthalt vorübergehend und nicht endgültig ist, bleibt er den Sorgen des Lebens gegenüber gleichgültig; es ergibt sich daraus für ihn eine Ruhe des Geistes, die die Bitterkeit des Lebens mildert.
Wegen des einfachen Zweifels an dem zukünftigen Leben konzentriert der Mensch seine ganzen Gedanken auf das irdische Leben. Ohne Gewissheit, was die Zukunft betrifft, gibt er sich total der Gegenwart hin. Da er nur die irdischen Güter der Erde als wertvoll schätzt, benimmt er sich wie ein Kind, das nichts jenseits seines Spielzeugs sieht. Er lässt nichts außer Acht, um diese für sich zu bekommen. Der Verlust des Geringsten seines Vermögens verursacht ihm quälenden Kummer; eine Enttäuschung, eine vergebliche Hoffnung, unbefriedigter Ehrgeiz, Opfer einer Ungerechtigkeit, Verletzung des Stolzes oder der Eitelkeit, sind ebenfalls viele Qualen, die seine Existenz mit immerwährenden Angstgefühlen belasten, womit ersich selbst eine andauernde wahre Tortur auferlegt. Da er seinen Standpunkt dem irdischen Leben, in dessen Mitte er sich befindet, entnimmt, nimmt alles um ihn herum gewaltige Proportionen an. Das Böse, das ihn trifft, wie das Gute, das anderen zukommt, erscheint ihm von großer Wichtigkeit. Für denjenigen, der sich im Zentrum einer Stadt befindet, erscheint alles um ihn herum im großen Rahmen; die Menschen, die eine hohe Position haben, erscheinen ihm wie Monumente. Steigt er aber auf einen Berg, kommen ihm Menschen und Dinge sehr klein vor.
Das geschieht es auch mit dem, der das irdische Leben unter dem Gesichtspunkt des zukünftigen Lebens betrachtet: die Menschheit, wie die Sterne am Firmament, verlieren sich in der unermesslichen Weite. Er bemerkt dann, dass die Großen und die Kleinen kaum zu unterscheiden sind, wie die Ameisen auf einem Hügel; dass die Proletarier und die Potentaten von gleicher Größe sind, und er bedauert diese kurzlebigen Wesen, die sich so überanstrengen, um eine Position zu erobern, die sie sehr wenig erhebt und die sie nur für eine kurze Zeit behalten können. Daher folgt, dass die gegebene Wertung zum irdischen Vermögen im umgekehrten Verhältnis zum zukünftigen Leben steht.