DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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12. Diese Maximen finden ihre Anwendung besonders in der Lehre der Geister. Wer auch immer die Vorschriften von Christus kennt, macht sich sicherlich schuldig, wenn er sie nicht anwendet. Das Evangelium aber, das sie beinhaltet, ist nur unter den christlichen Religionen verbreitet, und auch darunter gibt es viele Menschen, die es nicht lesen, und von denen, die es lesen, gibt es viele, die es nicht verstehen. Daraus folgt, dass die Worte Jesu für die Mehrheit der Menschen verloren sind.


Die Lehre der Geister, die diese Maximen unter verschiedenen Aspekten wiedergibt, sie weiter entwickelt und erläutert, um sie für alle verständlich zu machen, hat die Besonderheit: nicht begrenzt zu sein. Alle, gebildet oder ungebildet, gläubig oder ungläubig, christlich oder nicht, können sie empfangen, denn die Geister teilen sich überall mit. Keiner von denen, die sie empfangen, sei es direkt oder durch Vermittlung anderer, kann Unwissenheit vorgeben; er kann sich weder aus mangelnder Kenntnis noch wegen Unklarheit des allegorischen Sinnes entschuldigen. Derjenige also, der sie für seine Verbesserung nicht anwendet, der sie wie eine interessante und sonderbare Sache bewundert, ohne dass sein Herz berührt wird, der durch sie weder: weniger oberflächlich, weniger hochmütig, weniger egoistisch, weniger an materielles Hab und Gut gefesselt und nicht besser zu seinem Nächsten wird, ist umso schuldiger, weil er mehrere Möglichkeiten hat, die Wahrheit zu erkennen.


Die Medien, die gute Mitteilungen erhalten, sind noch mehr zu tadeln, wenn sie im Bösen verharren, weil sie oft ihre eigene Verurteilung schreiben, und wenn sie nicht durch ihren Hochmut verblendet wären, würden sie erkennen, dass die Geister sich an sie selbst wenden. Aber, anstatt die Belehrung für sich anzunehmen, die sie schreiben oder die sie geschrieben sehen, haben sie nur den einzigen Gedanken, sie auf andere anzuwenden. So verwirklichen sie die Worte Jesus: „Ihr seht den Splitter im Auge eures Bruders, aber nicht den Balken in euren eigenen Augen“.


Mit diesen anderen Worten: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde“, gibt Jesus zu verstehen, dass die Schuld im Verhältnis zum Wissen steht, das man besitzt. Daher waren die Pharisäer, die für sich beanspruchten, die Aufgeklärtesten in der Nation zu sein – und die es tatsächlich auch waren – vor den Augen Gottes tadelnswerter als die unwissenden Leute. Und so ist es auch heute.


Von den Spiritisten wird daher viel verlangt, weil sie viel bekommen haben; aber jenen, die sich diese Lehre zunutze gemacht haben, wird auch viel gegeben.


Der erste Gedanke eines jeden ehrlichen Spiritisten sollte sein, in den von den Geistern gegebenen Ratschlägen zu suchen, ob es irgendetwas darunter gibt, was ihn betrifft.


Der Spiritismus kommt, um die Zahl der Gerufenen zu vervielfältigen; durch den Glauben, den er vermittelt, wird er auch die Zahl der Auserwählten vervielfältigen.