Soll man sein Leben für einen Verbrecher aufs Spiel setzen?
15. Ein Mensch ist in Lebensgefahr. Um ihn zu retten, muss man das eigene Leben aufs Spiel setzen; man weiß aber, dass dieser Mann ein Übeltäter ist und dass er, falls er überlebt, neue Verbrechen begehen kann. Soll man sich trotzdem der Gefahr aussetzen, um ihn zu retten?
Dies ist natürlich eine schwierige Frage, die man sich stellen kann. Ich werde entsprechend meiner moralischen Erkenntnis antworten, da es darum geht, zu wissen, ob man sein Leben für einen Verbrecher aufs Spiel setzen soll. Die Aufopferung ist blind: Rettet man einen Feind; so muss man einen Feind der Gesellschaft ebenso retten; anders ausgedrückt, einen Verbrecher. Glaubt ihr, dass man den Verbrecher nur aus dem Tod herauszieht? Man zieht ihn vielleicht auch aus seinem ganzen vergangenen Leben. Denn – denkt darüber nach – in diesen schnellen Augenblicken, die ihm seine letzten Minuten des Lebens nehmen, kehrt der verlorene Mensch zu seiner Vergangenheit zurück, oder vielmehr zeigt sich diese ihm. Vielleicht kommt der Tod zu früh für ihn; seine Reinkarnation könnte schrecklich werden. Eilt ihm zu Hilfe, Menschen! Ihr, die ihr durch die spiritistische Wissenschaft aufgeklärt seid; eilt ihm zu Hilfe, entreißt ihn seiner Verdammnis, dann wird sich dieser Mensch vielleicht in eure Arme werfen, der sonst, euch beschimpfend, sterben würde. Ihr sollt euch indessen keinesfalls fragen, ob er dies machen oder nicht machen wird, sondern sollt ihm zu Hilfe eilen; denn indem ihr ihn rettet, gehorcht ihr dieser Stimme eures Herzens, die euch sagt: „Du kannst ihn retten, also rette ihn!“ (Lamennais, Paris, 1862)