10. Meine Freunde, ich habe viele von euch sagen hören: Wie kann ich die Nächstenliebe ausüben, wenn ich selbst oft nicht einmal das Notwendigste habe?
Die Nächstenliebe, meine Freunde, kann man auf die eine oder andere Art und Weise ausüben. Ihr könnt sie mit Gedanken, mit Worten und mit Taten tun. Mit Gedanken, indem ihr für die verlassenen Armen betet, die gestorben sind, ohne auch nur einmal das Licht gesehen zu haben; ein Gebet aus dem Herzen hilft ihnen. Mit Worten, indem ihr euren täglichen Begleitern gute Ratschläge gebt. Sagt den Menschen, die durch die Verzweiflung und die Bedürftigkeit verbittert sind und die gotteslästerliche Reden führen: „Ich war so wie ihr; ich litt, fühlte mich unglücklich, aber ich glaubte an den Spiritismus, und seht, jetzt bin ich glücklich.“ Zu den Alten, die zu euch sagen werden: „Das ist nutzlos, ich bin am Ende meines Lebens angelangt; ich werde sterben, wie ich gelebt habe.“ Sagt ihnen: „Die Gerechtigkeit Gottes ist für uns alle gleich; denkt an die Arbeiter der zehnten Stunde.“ Zu den Kindern, die durch ihre Umgebung bereits verdorben sind und auf den Straßen herumlungern, bereit den bösen Versuchungen zu erliegen, sagt ihnen: „Gott sieht euch, meine lieben Kleinen“, und fürchtet euch nicht, ihnen öfter diese sanften Worte zu wiederholen. Sie werden schließlich in ihrem jungen Verstand keimen, und aus kleinen Vagabunden habt ihr dann Menschen gemacht. Auch das ist Nächstenliebe.
Viele unter euch sagen auch: „Nun, wir sind so zahlreich auf Erden, dass Gott uns nicht alle sehen kann.“ Hört gut zu, meine Freunde: Wenn ihr auf der Spitze eines Berges seid, erblicken eure Augen nicht Milliarden von Sandkörnern, die diesen Berg bedecken? Gott sieht euch auf die gleiche Art. Er lässt euch euren freien Willen, wie ihr diese Sandkörner dem Wind überlasst, der sie zerstreut; aber Gott hat in SEINER unendlichen Barmherzigkeit in die Tiefe eures Herzens einen behutsamen Wächter gelegt, den man das Gewissen nennt. Hört auf ihn; er wird euch nichts anderes als gute Ratschläge geben. Manchmal schafft ihr es, das Gewissen zu betäuben, indem ihr ihm den Geist des Bösen gegenüberstellt. Es schweigt dann; aber seid gewiss, dass das arme Vernachlässigte sich Gehör verschaffen wird, sobald ihr es einen Schimmer der Reue spüren lasst. Hört auf das Gewissen, fragt es, und sehr oft werdet ihr getröstet durch den Rat, den ihr von ihm bekommen habt.
Meine Freunde, jedem neuen Regiment übergibt der General eine Flagge; ich gebe euch diesen Grundsatz von Jesus: „Liebt einander“. Praktiziert diesen Grundsatz; versammelt euch unter dieser Flagge und ihr werdet das Glück und die Tröstung bekommen. (Ein Schutzgeist. Lyon, 1860)